19 | Bedenken
Elizas Sicht
Die ganze Woche war ich nervös, was mich am Samstag erwartet. Will gegenüber habe ich nichts erwähnt, weil ich nicht wollte, dass er denkt, ich würde ihn nicht begleiten wollen.
Das will ich. Sehr sogar. Jedoch habe ich Angst, wie seine Familie, natürlich beziehe ich Quinn gerade nicht mit ein, reagieren wird. Ich erinnere mich noch gut daran, dass Diana, seine andere Schwester, gesagt hat, dass das total lächerlich wäre, wenn wir etwas miteinander anfangen würden, weil ich Wills Praktikantin bin. Ich schätze, dass sie inzwischen weiß, dass ich ihn begleiten werde, weil Quinn sicherlich geplappert hat, aber dennoch bin ich unsicher, wie sich der heutige Tag entwickeln wird.
Ich werfe einen Blick in den Spiegel und warte bis Will mich abholt. Es ist das erste Mal, dass er mich abholt, weil ich die letzten zwei Wochen praktisch bei ihm gelebt habe. Ich bin höchstens einmal Zuhause gewesen, um mir frische Wäsche zu holen.
Es ist unglaublich, wie schnell sich alles zwischen ihm und mir entwickelt hat, wenn ich bedenke, dass wir noch immer nicht darüber gesprochen haben, wie es mit uns weitergeht. Ehrlich gesagt weiß ich es selbst nicht einmal genau. Ich weiß nur, dass ich die Zeit mit ihm sehr genieße und schon ein kleines Bisschen verknallt bin. Ich weiß gar nicht, wann das zuletzt der Fall war. Ich hatte schon zwei feste Beziehung – auf der High School und im ersten Jahr an der Uni. Beides hat irgendwann nicht mehr gepasst, weshalb ich mich fortan auf lockere One-Night-Stands festgelegt habe – auf eine Weise, wo keiner über mich hätte urteilen können.
Ich bin mir bewusst, dass diese Dinge nur mich allein etwas angehen, aber es ist immer noch die Uni, wo es mit den lächerlichen Lästereien der High School direkt weitergeht.
Ich seufze leise und beschließe die Bedenken in meinem Kopf in die hinterste Ecke zu verbannen. Es ist unnötig sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die eigentlich unwichtig sind. Selbst wenn jemand etwas gegen mich haben sollte, ist das nicht mein Problem. Will ist mir wichtig und natürlich wäre es schön, wenn seine Familie mich ebenfalls mögen würde, aber wenn nicht, muss er zu solchen Dingen eben demnächst allein gehen. Vorausgesetzt er nimmt mich überhaupt noch einmal mit.
Ich streiche einmal über das weinrote Kleid, das ich mit einer schwarzen Strumpfhose kombiniert habe. Dazu trage ich schwarze Boots, die einen höheren Absatz besitzen als normal. Ich liebe die Schuhe einfach. Man kann sie zu so vielen Outfits anziehen und sie sehen immer gut aus. Ehe ich noch einmal meine Haare über Kopf schüttele, damit sie schön voluminös aussehen ist es auch schon Zeit mich nach unten zu begeben.
Ich greife nach einer Tasche und dem Geschenk, dass ich noch gekauft habe. Der Gedanke ohne ein Mitbringsel aufzukreuzen war mir dann doch etwas zu blöd. Will hatte schon weit im Voraus ein Geschenk, schließlich wird er Patenonkel. Ich hoffe, dass Quinn und Noah sich dennoch darüber freuen werden.
Die Zeit in einem Babyladen war merkwürdig. Ständig wurde ich von den Leuten angesehen und ihr Blick blieb immer an meinem Bauch hängen. Als die Verkäuferin mich dann fragte, ob ich nicht die neue Umstandskollektion anprobieren möchte, ist mir beinahe die Hutschnur geplatzt. Freundlich, aber in einem lauten Ton, sodass es auch ja alle hören können, habe ich sie darauf hingewiesen, dass ich nicht schwanger bin und es unhöflich ist einfach davon auszugehen, nur weil sich eine Frau in einem Babyladen aufhält.
Mit einem schiefen Grinsen im Gesicht, weil sich der peinlich-berührte Gesichtsausdruck der Verkäuferin in mein Gehirn eingebrannt habe, laufe ich die Treppen hinunter.
Ich stoße die schwere Tür auf und entdecke Wills Auto schon am Straßenrand. Der Blinker erregt meine Aufmerksamkeit und ich grinse schief.
Bloß kein Aufsehen erregen, Dr. Sexy.
Ich laufe schnell auf die andere Straßenseite herüber und steige dann in seinen Wagen ein.
»Hey, du siehst gut aus!«, sagt er und ich lächle ihn dankend an, bevor ich mich zu ihm über die Mittelkonsole beuge und ihm einen Kuss auf die Lippen hauche.
»Und du verdammt sexy. Ich kann es kaum erwarten bis wir später bei dir sind und ich dich aus diesem verdammt engen Hemd befreien kann«, raune ich in sein Ohr, ziehe mich dann zurück und schnalle mich an.
»Gott, Weib. Willst du mich umbringen? Soll ich mit einem Ständer in die Kirche?«
Ich lache laut los.
»Das wäre vermutlich eine Sünde, Baby«, entgegne ich und sorge dafür, dass Will mir nur zuzwinkert.
»Vielleicht bist du ja meine ganz persönliche Sünde«, murmelt er und wendet sich dann der Straße zu, ehe er den Gang einlegt und losfährt. Ich muss sagen, dass ich Wills Auto wirklich toll finde. Es ist zwar irgendwie eine Familienkutsche, weil ungefähr tausend Leute Platz finden würden, aber ich liebe große Autos.
»Willst du heute etwas trinken?«
»Ich weiß noch nicht. Vielleicht. Wir können das Auto bei Quinn und Noah stehen lassen und mit einem Taxi zurückfahren«, meint er und ich nicke lächelnd.
Will erwidert es und legt seine Hand auf meinem Oberschenkel ab.
***
Das Schlimmste ist überstanden. Ich habe Wills komplette Familie und noch einige andere Freunde von Quinn und Noah vor der Kirche kennengelernt, aber niemand hat mich doof angesehen oder einen doofen Kommentar abgelassen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Will mich nicht als seine Freundin vorgestellt hat, sondern als eine Freundin der Familie.
Im Nachhinein kränkt es meinen Stolz schon ein bisschen, aber ich kann es ihm eigentlich gar nicht verübeln. Er und ich sind nun mal kein Paar und eine Lüge würde dies nicht gerade besser machen. Wir brauchen schließlich auch nicht jedem mitteilen, dass wir derzeit miteinander schlafen, uns jeden Abend nach der Arbeit vollgefressen auf der Couch Filme ansehen und uns weiter kennenlernen.
Ich bin mir sicher, dass das zu einigen Fragen führen würde.
Quinn ist gerade in der Küche, während die anderen in ihrem traumhaften Esszimmer sitzen. Allgemein ist das Haus wunderschön eingerichtet und entspricht ganz meinem Geschmack.
Ein kleines bisschen neidisch zu sein ist doch okay, oder?
»Brauchst du noch Hilfe?«, frage ich sie, als sie gerade dabei ist ein paar Cocktails zu mixen.
»Oh, du kannst mir gleich beim Tragen helfen«, meint sie grinsend. Ihre Wangen sind leicht gerötet und ich vermute, dass es am Alkohol liegen muss.
»Okay«, erwidere ich lächelnd und setze mich auf einen der Barhocker, die vor der Kücheninsel stehen.
»Sag mal – wieso erzählt mein Bruder die ganze Zeit, dass du eine Freundin der Familie bist?«, höre ich jemanden sagen und fahre herum.
Diana grinst mich wissend an und gesellt sich neben mich auf den zweiten Hocker. Sie stupst mich an und ich zucke mit den Schultern.
»Ich schätze, weil er damit ja irgendwo richtig liegt. Ich bin nicht seine Freundin und auch nicht eine komplette Fremde«, sage ich und wende meinen Blick von beiden ab.
»Oh, aber du wärst es gerne, oder?«
Ich zucke mit den Schultern. »Wir haben nicht weiter darüber gesprochen«, erwidere ich und blicke auf meine Fingernägel, die plötzlich sehr interessant sind.
»Ich finde es so komisch, dass mein Bruder mit einer Frau schläft, die ein Jahr jünger ist wie ich. Nicht, dass ich dich nicht mögen würde, aber es ist seltsam. Du könntest praktisch ich sein«, meint sie und ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich darauf antworten soll.
Diana hat Recht. Ich bin elf Jahre jünger als Will und könnte theoretisch seine kleine Schwester sein. Dianas Worte bringen mich zum Nachdenken, denn plötzlich sind all die Sorgen und Risiken, die eine Beziehung mit Will, mit sich bringt wieder in meinen Gedanken. Dabei hatte ich mir doch geschworen, dass ich das heute nicht tun möchte. Ich wollte doch bloß den Tag genießen und mich freuen, dass er mich überhaupt mitgenommen hat.
Jetzt weiß ich plötzlich nicht mehr, was ich noch denken soll.
»Versteh mich nicht falsch. Ich weiß, dass mein Bruder gut aussieht und bei den Frauen gut ankommt. Ich weiß nur nicht, ob ich mit jemanden zusammen sein könnte, der zehn Jahre älter ist wie ich«, murmelt sie und merkt wohl, dass sie mich zum Grübel gebracht hat.
»Schon okay«, erwidere ich und setze ein Lächeln auf.
Quinn lächelt mich ebenfalls aufmunternd an, doch ich wende den Blick ab, bevor ich mich auf meine Füße stelle.
»Kann ich das schon mal mitnehmen?«, frage ich und deute auf die zwei fertigen Gläser.
Sie nickt. »Die sind für Avery und für Noahs Mom. Beide dieselben Mischungen«, erklärt sie und ich nicke, bevor ich mit den beiden Gläsern aus der Küche fliehe. Ich höre noch, wie Quinn Diana etwas zuflüstert, doch ich will es eigentlich gar nicht hören.
Ich laufe wieder in das Esszimmer, wo noch alle am Tisch sitzen. Das Essen ist bereits wieder abgeräumt, sodass ich Avery und Noahs Mutter das großzügig gefüllte Glas reiche und mich dann wieder auf den bequemen Stuhl neben Will fallen lasse.
Dieser unterhält sich gerade mit Dianas Freund Drake, weshalb ich mich nicht einmischen möchte und stattdessen an meinem eigenen Cocktail nippe, den Quinn mir gemacht hat.
Kurz darauf kommen auch Quinn und Diana wieder in den Raum und ich sehe, dass Diana Drake küsst. Will verzieht angewidert das Gesicht und wendet sich mir zu.
»Gott, ist das ekelig«, murmelt er und ich lache leicht.
»Ich glaube, Diana würde nicht anders aussehen, wenn wir uns küssen würde«, sage ich leise und zaubere Will augenblicklich ein Grinsen auf die Lippen. Am Liebsten würde ich ihn jetzt auch küssen, aber ich weiß nicht, ob ihm das Recht ist vor seiner Familie.
»Nur keinen Neid, großer Bruder. Ich bin erwachsen und stell dir vor – Drake hat mich schon nackt gesehen!«
Jetzt vergeht Will das Grinsen wieder und ich lache laut auf. Drake grinst ebenfalls und Diana sieht ihren großen Bruder triumphierend an. Sie hat eine Schwachstelle gefunden.
Will nuschelt nur etwas, was ich nicht verstehen kann und lehnt sich dann an, während Diana und Drake noch immer uns zugewandt sitzen.
»Will hat erzählt, ihr wohnt in Seattle. Seit wann?«
»Einem halben Jahr ungefähr. Drake hat dort einen Posten in der Kanzlei seines Vater bekommen und wird diese irgendwann übernehmen«, erklärt sie und lächelt Drake mit Stolz an.
»Und du?«
»Ich habe vor Kurzem ein Jobangebot erhalten bei einem Verlag. Ich werde vermutlich bald als Lektorin arbeiten«, sagt sie und ich nicke.
»Das klingt interessant. Momentan bleibt mir leider nicht so viel Zeit zum Lesen, was ich schade finde. Vor meinem Studium habe ich fast jeden Tag meine Nase in ein Buch gesteckt«, erkläre ich und Diana nickt.
»Ich sage Will, dass er mir deine Nummer schicken soll, dann kann ich dir ein paar Empfehlungen schicken, falls du doch einmal Zeit findet solltest«, meint sie und ich lächle leicht.
»Das wäre nett«, erwidere ich und Will grinst nur, bevor er die Augen verdreht.
»Und einen kleinen Tipp kann ich dir noch geben. Vielleicht solltest du weniger mit meinem alten Bruder schlafen, dann hättest du auch Zeit zum Lesen«, meint sie grinsend und ich lache leicht.
Will sieht allerdings alles andere als begeistert aus und wirft seiner Schwester einen Blick zu, der sie zum Schweigen bringt. Danach zieht er sein Handy aus der Tasche und lässt mich außer Acht. Sein Blick ist stur auf das Handy gerichtet und seine Miene wirkt genervt.
Ich schlucke leicht und wende mich von ihm ab. Die Stimmung ist von einer zur anderen Sekunde im Keller und das bemerke wohl nicht nur ich. Diana sieht mich entschuldigend an und ich zucke bloß mit den Schultern.
Dieses Thema wird wohl immer zwischen uns stehen.
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Meinungen zu Wills Stimmung?
Was glaubt ihr, könnte der Grund dafür sein?
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