07 | Nachtschicht
Wills Sicht
Eine Woche später
Ich liebe die Nachtschicht. Es ist meist wenig zu tun und wenn nicht gerade eine Naturkatastrophe, ein Terroranschlag oder eine Massenkarambolage auf der Tagesordnung steht, schaffe ich es sogar ein paar Stunden zu schlafen und dafür auch noch bezahlt zu werden.
Das Sofa in meinem Büro ist wirklich mehr als bequem und ich bin über die Anschaffung umso glücklicher, weil so niemand davon Wind bekommt, dass ich die Augen, für die eine oder andere Stunde schließe.
Besonders heute Nacht wäre es von Vorteil, wenn ich noch ein bisschen Schlaf bekommen würde. Ich habe morgen den ganzen Tag Bereitschaftsdienst, weil Dr. Sherman mit seinem unfähigen Praktikanten ab Morgen auf einer Fortbildung ist. Somit muss ich die ganze Station allein stemmen und die ganze Arbeit bleibt an mir hängen, aber ich bin mir sicher, dass Eliza auch einen Teil übernehmen kann.
Eine Woche ist es jetzt her, dass sie hier aufgetaucht ist und ich muss sagen, auch wenn ich es anfangs wirklich überhaupt nicht erwartet hätte, sie hat wirklich was im Köpfchen und ist nicht einfach nur in das Studium eingekauft worden. Das wäre auch wirklich noch schöner, wenn die Ergebnisse des MCAT jetzt mithilfe von Geld gefälscht werden können. Ohne diesen Test zu absolvieren in dem verschiedene naturwissenschaftliche und sprachliche Gebiete abgefragt werden, wird man gar nicht erst zum Studium zugelassen. So soll schnell aussortiert werden, wer nicht geeignet ist.
Ich schüttele den Kopf und lasse mich in meinem Stuhl fallen, als es an der Tür klopft und ich frage mich, wer ausgerechnet um zwölf Uhr nachts etwas von mir wollen könnte.
»Ja?«
Zaghaft wird die Tür geöffnet und ich bin überrascht, als ich Eliza hereinkommen sehe. Sie schließt leise die Tür hinter sich und ich bin wirklich gespannt, was sie jetzt von mir wollen könnte.
Seitdem ich in der Umkleide einen Moment der Schwäche gezeigt habe, haben wir nicht groß miteinander gesprochen, was auch daran liegt, dass sie mich auf Abstand hält. Ich kann es ihr auch nicht verübeln. Ich wollte mich bloß entschuldigen und muss mich ausgerechnet dann von meinem Schwanz steuern lassen. Aber was soll ich tun? Sie hat einfach diese Wirkung auf und mich und dass ich weiß, wie gut sie sich in jeder Weise anfühlt, macht es nicht wirklich besser.
Was würde ich dafür tun, wenn ich nur noch einmal ihre-
»Ich wollte fragen, was wir jetzt machen, während wir darauf warten, dass die Schicht zu Ende ist. Ich fühle mich ein wenig nutzlos, wenn ich ehrlich bin«, sagt sie und ich lache leicht, deute auf den Stuhl.
»Daran solltest du dich gewöhnen. Die meisten Patienten schlafen und melden sich, wenn etwas sein sollte. Wenn keine Notfälle reinkommen, wie Geburten oder Ähnlichem, dann ist es wirklich relativ unspektakulär. Die Schwestern kümmern sich auch um das meiste, wenn ich ehrlich bin. Ich bin eigentlich nur hier, falls wirklich ein Arzt gebraucht wird. Du kannst dich also mit Fachliteratur beschäftigen, dich schlafen legen, Snacks essen und viel Trinken, um bei Kräften zu bleiben und das Tief zwischen zwei und fünf Uhr zu überwältigen«, sage ich und sie lacht leicht.
»Das heißt, wir haben heute nicht viel zu tun?«
»Wenn kein gynäkologischer Notfall reinkommt? Nein. Wenn sie möchten, können sie unten in der Notaufnahme helfen«, sage ich und sie lacht nur und schüttelt den Kopf.
»Nein, ich denke ich werde mich dann mal an die Fachliteratur machen. Kann ja nicht schaden«, sagt sie grinsend und ich nicke.
Sie will gerade aufstehen, ehe ich sie wieder anspreche.
»Kann ich dich einmal was fragen?«
Überrascht sieht sie mich an nickt lächelnd, ehe sie sich wieder setzt und sich scheinbar ein wenig entspannt.
»Klar. Frag ruhig«, erwidert sie.
»Wieso Medizin?«
Das ist etwas, was mir schon länger im Kopf herumspukt. Genau genommen, seit dem Moment, in dem sie durch die Tür spaziert ist und ich fast einen Nervenzusammenbruch erlitten habe.
»Das kann ich dir nicht einmal genau beantworten. Es hat mich schon immer fasziniert, weil ich wegen meines Dads so oft hier gewesen bin. Der Gedanke, dass Menschen wegen mir gesund werden oder neue Lebensfreude erlangen können, hat mich dazu bewegt schätze ich. Ich möchte ihnen helfen. Theoretisch hätte ich dafür auch ‚nur' Therapeutin oder Krankenpfleger werden können, aber ich das hat mir nicht gereicht. Für mich kam nur das Medizinstudium in Frage und naja – hier bin ich«, sagt sie ehrlich und ich nicke.
»Und du?«
»Ich schätze, wir sind auf irgendeiner Weise alle aus denselben Gründen hier. Wir alle wollen Menschenleben retten und ihnen auf die Beine helfen. Jeder, der nicht mit diesem Ziel hierhergekommen ist, ist hier falsch. Es bringt nichts, wenn man keine Leidenschaft für seinen Beruf ausübt. Außerdem habe ich mich der Medizin immer verbunden gefühlt. Ich wusste nicht einmal, ob ich es je ins Studium schaffen würde, weil mein Vater damals nicht so viel Geld hatte, aber ein Stipendium habe ich schließlich doch noch bekommen. Ich konnte es selbst kaum glauben, aber wenn man hart arbeitet, sieht man irgendwann auch die Ergebnisse«, erkläre ich und sie lächelt.
»Ich bin ganz deiner Meinung. Man merkt dir an, dass deine Arbeit ein wichtiger Teil von dir ist, auch wenn du manchmal an deinem Tonfall arbeiten solltest«, sagt sie und ich lache.
»Gut, dass du jetzt an meiner Seite bist und mich daran erinnern kannst, hm?«
Sie grinst schief und nickt. »Ich bin das Engelchen, das auf deiner Schulter sitzt und die gut zuredet«, sagt sie und bringt mich damit zu lachen.
»Wie alt bist du eigentlich?«, fragt sie mich und ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch.
»Was denn? Wir hatten schon Sex, da brauchst du dich für dein Alter wirklich nicht mehr zu schämen«, entfährt es ihr und ich würde am liebsten den Mund verbieten. Mit meinen Lippen.
»Ich bin 35 Jahre alt«, sage ich. In ihrem Blick erkenne ich eine gewisse Überraschung.
»Was? Hast du nicht damit gerechnet, dass ich schon so alt bin?«
Sie schüttelt mit dem Kopf.
»Ist das ein Problem für dich? Ich meine, wegen dem was war?«
»Nein und wenn es so wäre könnte ich es jetzt eh nicht mehr ändern, oder? Außerdem will ich dir den Spaß nicht verderben, dass du es mit einer 24-jährigen Studentin getan hast. Du hast Ryan sicherlich davon erzählt, da will ich deine Glücksgefühle diesbezüglich nicht noch weiter zerstören«, sagt sie grinsend und ich schüttele bloß den Kopf.
»Tust du nicht, keine Sorge. Dass du meinen Namen geschrien hast, als du gekommen bist, hat vollkommen ausgereicht«, sage ich mit ernstem Gesicht und sehe sie forschend an. Das Lächeln vergeht ihr.
»Ach und dich hat es vollkommen kalt gelassen?«
»Habe ich nie behauptet.»
Gott, ich bin abgegangen wie eine Rakete und ich wäre eine weiteren Mal nicht abgeneigt, würden wir uns nicht in so einer beschissenen Situation befinden. Allein, dass wir drüber reden, wäre nicht angebracht, aber ich kann nicht anders.
Eliza Kingsley ist vieles für mich. Die Tochter meines Geldgebers, meine Praktikantin, etwas Verbotenes, aber leider Gottes auch purer Sex.
»Vielleicht sollte ich mich jetzt wirklich mal der Literatur widmen«, sagt sie und ich nicke leicht, weil ich ihr schlecht sagen kann, dass ich mich gerne noch weiter mit ihr unterhalten würde. Das würde zu weit gehen und sie will gerade mehr als deutlich Abstand zwischen uns bringen.
Sie steht auf, ohne mir einen weiteren Blick zu zuwerfen und verlässt mein Büro.
***
»Will!«
Mhm, ja, Baby. Ruf meinen Namen.
»Gott, Will!«
Ja, Baby. Schrei nach Gott.
Plötzlich durchzuckt mich ein heftiger Schmerz und ich zucke zusammen. Panisch öffne ich die Augen und blicke in Elizas Gesicht. Sie steht mit verschränkten Armen vor mir und sieht mich an.
»Ein neuer Patient! Du bist einfach nicht wachgeworden«, sagt sie und ich nicke überrumpelt. Das passiert, wenn ich es mir kurz auf dem Sofa bequem mache, dabei an ihren fantastischen Körper denke und einschlafe.
Verdammt, jetzt verfolgt sie mich sogar in meinen Träumen. Habe ich wirklich nirgendwo mehr Ruhe vor Eliza Kingsley?
Ich rappele mich auf und fahre mir einmal durch die Haare, bevor ich ihr aus meinem Büro folge. Wir laufen nach vorne zum Eingangsbereich, wo ich eine blonde Frau mit einem Mann sehe. Sie sitzen mit dem Rücken zu uns, sodass ich ihre Gesichter nicht sehen kann.
»Guten Morgen«, sage ich und spreche sie an. »Ich bin Doktor Morrison. Was kann ich für Sie tun?«
Im nächsten Moment erkenne ich, wer da gerade vor mir sitzt.
Oh, Gott. Bitte nicht.
Das darf absolut nicht wahr sein!
__________
Wer da wohl sitzen könnte? 😏
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