Windstärke 4 | Rock
Die Leitung klackt, als Wyatt meinen Anruf nach dem zweiten Klingeln entgegennimmt.
»Na, kleiner Bruder, hat deine alte Karre die lange Fahrt gut überstanden?«
»Hey Wy.« Ich seufze. »Na ja, geht so. Als ich von der Fähre gerollt bin, ist mir der Auspuff runtergebrochen. Ich musste den Abschleppdienst rufen und natürlich war mein ganzer Scheiß noch hinten im Kofferraum.«
»Fuck«, knurrt Wyatt. »Und jetzt?«
Mit der Spitze meines schwarzen Stiefels kicke ich gegen einen Kieselstein.
»War gar nicht unangenehm, gleich am ersten Tag die Basis anrufen zu müssen, weil ich es nicht rechtzeitig zum Termin mit dem Commander geschafft hätte.« Sarkasmus tropft aus jeder Silbe. »Aber er ist cool geblieben und hat jemanden los geschickt, um mich von der Werkstatt abzuholen.«
»Na, das ist ja nochmal gut gegangen. Hätte bestimmt nicht jeder gemacht. Und wann fängst du an?«, will er wissen.
»Montag. Heute wurde ich erstmal über das Gelände geführt und hab einige meiner neuen Kollegen kennengelernt.«
Ich lasse meinen Blick über den Parkplatz schweifen. Bisher ist weder Sky noch sonst irgendwer zu sehen. Mir begegnen nur leere Fahrzeuge, die geduldig auf die Rückkehr ihrer Halter warten.
In der Leitung klimpert es, dann raschelt Papier und es sind mehrere dumpfe Aufprallgeräusche zu hören.
»Fuck«, stöhnt mein Bruder.
»Alles gut, Wy?« Einige Augenblicke herrscht Stille. »Bist du noch da?«
Wieder raschelt es.
»Rocky, ich muss dich zurückrufen.« Mein Bruder atmet, als hätte er einen Halbmarathon hinter sich. »Bitte sag Mom und Dad Bescheid, dass du gut angekommen bist«, keucht er. »Die zwei sitzen schon den ganzen Tag auf heißen Kohlen.«
Mit zusammen gekniffenen Augen lasse ich den Kopf in den Nacken fallen.
»Kannst du das nicht machen?« Vermutlich klinge ich wie ein bockiger Teenager, aber nach so einem anstrengenden Tag habe ich keine Lust mehr, mich mit meinen Eltern herumzuschlagen. Mit der flachen Hand reibe ich mir unsanft über mein glattrasiertes Gesicht. »Bitte Wy.«
»Vergiss es.« Er seufzt. »Es war scheiße, dass die beiden wegen Alaska so ein Fass aufgemacht haben, aber du kannst sie nicht ewig ignorieren.«
Entnervt werfe ich den freien Arm in die Luft.
»Wie oft denn noch? Das war nicht meine Entscheidung.«
»Und das wissen die zwei auch, aber ich glaub', es läuft gerade alles nicht so, wie sie sich das vorgestellt haben.«
Mir entfährt ein einzelner Lacher.
»Und was haben sie sich deiner Meinung nach vorgestellt?«
»Dass ihr Jüngster bei der Küstenwache landet und alle paar Jahre umziehen muss, sicher nicht. Die dachten, wir studieren Allgemeinmedizin und übernehmen die Praxis, wenn sie in Rente gehen.«
Ich rolle mit den Augen.
»Und wahrscheinlich wollen sie Enkel.«
Wyatt lacht.
»Ja, na ja. Ich will auch so manches, wenn der Tag lang ist. Das Leben ist hart.«
Wieder klimpert es und mein Bruder gibt ein angestrengtes Stöhnen von sich.
»Was machst du denn? Das nervt ja übelst.«
»Die verfickte Einkaufstüte ist gerissen«, sagt er, »und die guten Granny Schmiths sind die Auffahrt runter gekullert. Aus denen kann ich jetzt nur noch Apfelmus machen. Warte mal kurz.« Im Hintergrund ertönt eine Frauenstimme. »Hallo Mrs. Sanders. Hm, ja, die heb' ich gleich auf.« Pause. »Ihnen auch.« Pause. »Die blöde Eule hasst mich«, murmelt mein Bruder so leise, dass selbst ich ihn fast nicht verstanden hätte.
Scheinbar ist Wyatt seiner Nachbarin in die Arme gelaufen.
»Ich kapier' nicht, warum du dich von der Schreckschraube so rumkommandieren lässt«, gebe ich zurück und stelle mir vor, wie Wyatt zwischen Daumen und Zeigefinger seine Nasenwurzel massiert. Denn das tut er vermutlich gerade.
»Weil sie sich um Tate kümmert, wenn ich Hausbesuche mache«, erwidert er, »also halte ich die Fresse, wenn meine Lieblings-Nachbarin mal wieder meint, ich müsse meine Hecke schneiden oder die Fenster putzen, damit das Erscheinungsbild ihrer schönen Vorzeige-Nachbarschaft nicht entstellt wird.«
»Vielleicht solltest du deinen Charme spielen lassen. Sie um den Finger wickeln«, necke ich ihn. Bei dem Gedanken allein kommt meinen Bruder wahrscheinlich schon das Kotzen. Ich setze einen obendrauf und sage: »Also mich mag sie.«
Wyatt schnaubt.
»Ja, weil du mit freiem Oberkörper bei mir Rasen gemäht hast. Ich hab gesehen, wie sie Mr. Sanders am Kragen ins Haus gezerrt hat. Der musste hundertpro dran glauben.«
Ich gebe vor, zu würgen.
»Igitt, danke für das Kopfkino.«
»Bitte, bitte«, gibt mein Bruder zurück. »Jetzt muss ich dich aber absägen, Baby Bro. Die Wiederholung von Columbo fängt gleich an.«
Grinsend schüttle ich den Kopf.
»Ich schwöre, du bist ein Rentner, gefangen im Körper eines Zweiunddreißigjährigen. Du bräuchtest einen anderen Namen, sowas wie Walter. Der passt zu einem alten Mann mit Mops.«
Hinter mir knirschen Schritte im Kies.
»Sky Matthews, Rettungsschwimmerin und Fremdenführerin, zu Ihren Diensten«, trällert meine neue Kollegin. Reflexartig halte ich die Sprechmuschel meines Mobiltelefons zu. Wo ist sie denn jetzt hergekommen?
»Rock ...«, setzt Wyatt an und für einen Moment glaube ich, dass er mich nach ihr fragen wird.
Ich kneife die Augen zusammen.
»Ja?«
»Pass auf dich auf, okay? Und meld dich, wenn du was brauchst.«
Geräuschvoll atme ich aus.
»Mach' ich. Hab dich lieb, Walter.«
»Witzig«, erwidert mein Bruder trocken. »Halt die Ohren steif.«
Totenstille ersetzt unsere Verbindung und ich weiß, dass er aufgelegt hat.
»Wer ist Walter?«, erkundigt Sky sich in der Sekunde, als ich das iPhone herabsinken lasse.
Wie ich vorhin auf dem Rollfeld bereits vermutet habe, bin ich mir aus dieser Nähe sicher, dass mich die hübsche Rettungsschwimmerin um gute zwei Zentimeter überragt, was sie für mich noch reizvoller macht. Ich liebe große Frauen.
Sky steht im einfachen weißen Shirt, einem offenen hellbraunen Cardigan und Skinnyjeans vor mir. Die rotblonden Wellen sind zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden. Ich entdecke keinen Schmuck, nicht mal den Hauch von Make-up und obwohl es mir gefällt, wenn Frauen ihre optischen Vorzüge in Szene setzen, bleibt mir angesichts ihrer natürlichen Ausstrahlung die Luft weg.
Wie gern wäre ich jetzt in der Lage, sinnvolle Worte aneinanderzureihen, etwas Geistreiches zu sagen, stattdessen beobachte ich stumm, wie ihre rechte Augenbraue nach oben wandert.
»Mein Bruder«, krächze ich, um nicht wie ein Vollidiot dazustehen. Kacke, warum ist mein Hals so trocken?
»Älter oder jünger?«
»Steinalt«, antworte ich. »Ein Dinosaurier. Der hat in seinem Schlafzimmer noch einen Röhrenfernseher stehen, so richtig mit Kasten hinten daran und so.«
Skys kehliges Lachen hallt über den Parkplatz und ich stelle fest, dass sich ihre Stimme eher im rauchigen Spektrum ansiedelt.
»Solange das Ding noch funktioniert.« Sie wirbelt einmal herum, als würde sie etwas suchen. Dabei hinterlassen die Sohlen ihrer minzgrünen Canvas-Sneaker eine kahle sandige Stelle im Kies. »Welches ist Ihr Auto, Lieutenant Byrne?«
Ich zucke mit der Schulter.
»Keins von denen. Mein Toyota hat am Fährterminal den Geist aufgegeben. Ihr Vater musste mich holen lassen.«
Sky kräuselt die Nase, als sie mich frech anlächelt.
»Na ja, gemusst hätte er das nicht. Aber zu Ihrem Glück kümmert sich unser Commander gut um all seine Schäfchen, vor allem die Neuen.«
Abseits der Arbeit wirkt Sky lockerer und auf eine Art lebendig, die mich anzieht wie die berühmte Motte zum Licht. Ein wohliges Wärmegefühl durchströmt meinen gesamten Körper bis in die Finger- und Zehenspitzen.
Ich beuge mich vor, als würde ich ihr ein Geheimnis anvertrauen.
»Wenn das so ist, hab ich ja Glück, mich eines seiner Schäfchen nennen zu können.« Ich zwinkere ihr verschwörerisch zu. »Mäh.«
Statt mich erneut mit ihrem heiseren Lachen zu beglücken, worauf ich mit der Bauernhoftier-Imitation eigentlich spekuliert hatte, treffen sich Skys Augenbrauen beinahe in der Mitte.
»Wonach riecht es denn hier?«, will sie wissen und für einen Moment habe ich Schwierigkeiten, dem abrupten Themenwechsel zu folgen.
Ich hake den Zeigefinger in den Halsausschnitt meines Overalls ein und ziehe ihn einige Zentimeter vom Körper weg. Außer dem normalen Eigengeruch meiner Haut und der sportlich-frischen Note von Deo kommt mir nichts auffällig vor.
»Nein, oh Gott, das wollte ich damit nicht sagen«, wirft Sky dazwischen, als hätte sie meine Gedanken gehört. »Ganz im Gegenteil. Es riecht super lecker.«
Ich muss schmunzeln.
»Super lecker, hm? Man hat mich schon schlimmeres genannt«, sage ich und beobachte, wie ihre Wangen die Farbe von Rotweinschorle annehmen.
»Nein, ich meinte doch–« Sie vergräbt das Gesicht in den Handflächen. »Das war das Letzte, was ich heute zu Ihnen gesagt habe, versprochen.«
Der Fitnesstracker an meinem rechten Handgelenk sucht sich genau diesen Zeitpunkt aus, um ein dreifaches Piepen von sich zu geben, was er immer dann tut, wenn mein Ruhepuls achtzig Schläge pro Minute überschreitet.
Normalerweise deutet das darauf hin, dass mein Stresslevel erhöht ist und ich eine Pause brauche. Der Faktor Sky Matthews ist dem kleinen Gerät noch völlig unbekannt.
Wird ihr das gerade ebenfalls klar, als sie mein Handgelenk betrachtet?
»Alles gut. Das kommt aus meinem Rucksack«, lenke ich ihre Aufmerksamkeit wieder auf das aktuelle Gesprächsthema zurück. »Ich hab gebrannte Cashewkerne dabei.«
Damit fallen die Hände von ihrem Gesicht.
»Hab ich's doch gewusst. Meine Nase täuscht mich nie.«
Die Spitzen unserer Schuhe berühren sich, als Sky näher tritt, was sie sofort wieder zwei Schritte rückwärts stolpern lässt. Meine Arme schießen reflexartig vorwärts, einer legt sich um ihre Taille, was uns kurzzeitig viel näher zusammen bringt, als gut für mich ist.
»Vorsicht, Miss Matthews«, hauche ich in das Bisschen Luft zwischen uns und gebe sie sofort wieder frei, als sie auf eigenen Füßen steht. Man lässt seine Hand ja auch nicht auf einer heißen Herdplatte liegen.
Skys Kehle bewegt sich, als sie trocken schluckt.
»Entschuldigung, ich hab nur schon seit dem Frühstück nichts mehr gegessen«, sagt sie. »Wahrscheinlich bin ich völlig unterzuckert.«
Es knistert, als ich einen spitzen weißen Papierbeutel aus einer Seitentasche meines Rucksacks ziehe und ihr hinhalte.
»Hier für Sie. Die hab ich vor meiner Abfahrt selbst gemacht.«
Meine Nüsse werden mir förmlich aus der Hand gerissen.
»Sie sind ein Held, Lieutenant. Tausend Dank«, sagt sie. Wie hypnotisiert beobachte ich das Flattern ihrer dunklen Wimpernfächer, als sich Sky in einem Rutsch sechs oder sieben Cashews in den Mund stopft. Ihre prall gefüllten Backentaschen erinnern mich an ein Streifenhörnchen. »Mhm, so lecker. Sie bekommen die vollen fünf Sterne bei Yelp.«
Ein amüsiertes Schnauben entkommt mir.
»Na dann hat sich die Arbeit ja gelohnt«, sage ich und mir huscht eine Idee durch den Kopf. »Also, wenn Sie wollen, fahre ich uns zum Supermarkt. Wo ist denn Ihr Auto?« Ich schwenke herum, als sie mittels Kopfnicken auf einen silbergrauen Kleinwagen zu unserer Linken deutet. Mit der freien Hand zieht Sky einen Schlüsselbund aus ihrer hinteren Hosentasche hervor, den sie mir klimpernd entgegenstreckt. Meine Mundwinkel wandern nach oben. »Dann hüpfen Sie mal rein.«
Sky stoppt einen Cashewkern auf halbem Weg zu ihrem Mund.
»Der Laden ist aber eher überschaubar. Hoffentlich sind Sie nicht enttäuscht.«
Ich lege den Kopf schräg.
»Meine Ansprüche sind gering, glauben Sie mir. Wenn ich mit meinen Einkäufen übers Wochenende komme, bin ich zufrieden.« Ich schaue ihr direkt ins Gesicht. »Außerdem geht es nicht darum, wohin man geht, sondern mit wem.«
Damit drehe ich ab und öffne die Fahrertür, während Sky sich stumm in den Beifahrersitz ihres kleinen Ford Fiesta sinken lässt.
Der schnurrt wie ein Kätzchen, als ich den Motor starte und den Parkplatz über die Ausfahrt verlasse. Mit dem Zeigefinger deute ich auf das Autoradio. »Was dagegen, wenn ich das einschalte?«
»Solange es keine Countymusik ist.«
Ich führe die rechte Hand in einem scherzhaften Salut zur rechten Schläfe.
»Yes Ma'am.«
Das Radio katapultiert uns mitten in den Song Kill Your Heroes von meiner Lieblingsband AWOLNATION, als ich es über den Lautstärkeregler zum Leben erwecke.
Als hätten sie ein Eigenleben entwickelt, trommeln meine Hände auf dem Lenkrad den Takt der Musik und ich beginne mitzusingen. Schließlich habe ich mir damit einen Großteil der Fahrtzeit nach Kodiak vertrieben.
Meiner Beifahrerin entlockt die kleine Karaoke-Einlage ein Kichern.
»Wow, singen ist echt voll ihr Ding, oder?«
»Oh ja, am liebsten im Auto und unter der Dusche«, gebe ich zurück. »Besonders unter der Dusche.«
Sky beißt sich auf die Unterlippe.
»Sowas dürfen Sie mir doch nicht über sich erzählen, Lieutenant. Sie sind sowas wie mein Vorgesetzter.«
Ich drehe die Musik leiser.
»Wieso denn? Sie tun ja so, als hätte ich Ihnen ein Video geschickt, wie ich unter der Dusche singe.«
Wieder schenkt sie mir ein Lachen, das ihren ganzen Körper und damit das Wageninnere erschüttert. Ist es schräg, dass ich mich deswegen wie Gott fühle?
»Machen Sie ja vielleicht noch. Wer weiß?Jemandem, der von Cape Cod nach Kodiak mit dem eigenen Auto fährt, ist alles zuzutrauen.«
Ich zucke mit der Achsel.
»Sie haben mich durchschaut«, trällere ich im Scherz. »Nein, aber jetzt mal Spaß beiseite: Es ist schon wichtig, gewisse Grenzen zu wahren, man muss aber auch nicht päpstlicher sein als der Papst. Oder kocht hier sofort die Gerüchteküche, wenn Mitarbeiter bei harmlosen Alltagsaktivitäten zusammen beobachtet werden und sich nett unterhalten?«
Hektisch schüttelt sie den Kopf.
»Nein, aber manchmal fällt es mir schwer, so viel Zeit mit meinen Kollegen zu verbringen, ohne private Beziehungen zu ihnen aufbauen zu dürfen, wenn die Rangordnung das nicht zulässt.« Sie seufzt. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich kann schon nachvollziehen, warum diese Regeln wichtig sind, nur–«
Ich beende ihren Satz, als Sky zögert: »Man ist eben auch kein verdammter Roboter.« Durch die Nase atme ich aus und wieder ein. »Meinetwegen müssen Sie sich aber keine Sorgen machen. Was in Ihrem Auto passiert, bleibt in Ihrem Auto.« Als mir die Zweideutigkeit meiner Aussage bewusst wird, kneife ich für den Bruchteil einer Sekunde die Augen zusammen. Zum Glück kommt mir direkt ein unverfänglicheres Gesprächsthema in den Sinn: »Übrigens hab ich schon mal ein Interview mit Ihnen gesehen.«
»Im Frühstücksfernsehen?«, hakt sie nach. Ich nicke zweimal. »Boar, da war ich so aufgeregt. Ganz ehrlich, ich hätte mir beinahe auf die Schuhe gekotzt.«
»Hat man Ihnen gar nicht angemerkt«, antworte ich wahrheitsgemäß. »War irgendwie ganz cool, Sie plötzlich vorm Heli stehen zu sehen – als würde man ein freundliches Gesicht wiedererkennen.« Ich räuspere mich. »Ist allgemein sehr schön hier, auch wenn ich eigentlich auf eine Versetzung in den Süden gehofft hatte.«
Um ihre Augen bilden sich Fältchen, als sie mich anlächelt.
»Kann ich mir vorstellen, aber glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass wir jemanden wie Sie hier dringend brauchen.«
Ich kräusle die Stirn.
»Jemanden wie mich?«
Sky stößt einen Atemzug aus.
»Na ja, vor Ihrer Ankunft wurde uns gesagt, dass wir einen jungen Piloten mit super guten Empfehlungen aus Cape Cod bekommen«, erklärt sie mir. »Ich weiß ja nicht, ob Sie davon gehört haben, aber vor Monaten wurde hier ein komplettes Teams außer Gefecht gesetzt.«
»Ja, ein Kumpel hat mir davon erzählt«, antworte ich und versuche, mich an die Details zu erinnern. »Hat sich der Unfall nicht während einer Nachtsichtübung ereignet, nachdem die Piloten auf dem Rückweg das Mayday eines Fischerbootes abgefangen haben?« Sky nickt einmal. »Die Wetterlage hat sich rapide verschlechtert und der Heli wurde beim Runterlassen des Rettungskorbs, von einer Sturmwelle erfasst, oder?«
Für einen Moment drehe ich den Kopf in Skys Richtung.
»Ja, genau.« Ihre Kehle bewegt sich, als sie schluckt. »Der Co-Pilot liegt im Koma und die anderen sind wegen ihrer Verletzungen noch nicht wieder einsatzbereit.«
»Kannten Sie die vier?«
»Hier kennen sich alle.« Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie meine Beifahrerin die Schultern sinken lässt. »Und irgendwie kann ich's noch immer nicht glauben, so als wäre alles nur ein böser Traum gewesen.«
Schwerfällig atme ich ein, dabei fahre ich mir mit der linken Hand durch meine kurzen braunen Haare.
Ihre Trauer kann ich beinahe greifen, sie berühren und am liebsten würde ich Sky jetzt in meine Arme ziehen. Bisher war mir nicht bewusst, dass eine Frau so viel Stärke ausstrahlen und gleichzeitig meinen Beschützerinstinkt wecken kann.
»Solche Wunden heilen langsam«, bemühe ich mich um eine gefühlvolle Antwort. »Wenn überhaupt. In jedem Fall bleiben Narben zurück.« Mit dem Ellenbogen stupse ich ihre linke Schulter an. »Aber wir wissen alle, worauf wir uns einlassen und nehmen die Risiken in Kauf, weil der Drang, Menschen zu helfen, einfach größer ist.«
Unsere Blicke treffen sich über die Mittelkonsole hinweg, als wir an einer Kreuzung halten müssen. Einige Sekunden vergehen, in denen keiner von uns beiden spricht.
Seit wann gibt es so viele Arten von Grau, wie ich sie in diesen Augen finde?
Skys Lider flattern nach unten.
»Wir sind da. Das rote Backsteingebäude mit dem spitzen Dach da vorn ist es.«
Mit diesen Worten beendet sie unseren Moment so plötzlich, dass ich zum ersten Mal ein Lächeln vortäuschen muss, als sie langsam zu mir hoch blinzelt. Und ich frage mich, ob sie ebenso traurig darüber ist, dass es für uns keine weiteren Ausflüge zu zweit geben wird. Kein Kennenlernen. Nicht so richtig.
Wir können keine Freunde werden und schon gar nicht mehr als das sein – egal, wie sehr ich Skys Gesellschaft genieße und mehr über sie erfahren will.
»Schade eigentlich.« Die Worte purzeln heraus, bevor ich einen Filter darüber legen oder mir ein Pflaster über den Mund kleben kann. »Ich glaub', ich mag Sie.«
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro