Windstärke 19 | Wyatt
»Scheiße, das war knapp«, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ein Typ mit gigantischem grauweißem Schnurrbart im Gesicht hätte mich eben beinahe über den Haufen gerannt.
Er zuckt zusammen, dabei löst sich sein Griff um die Klinke der schweren Brandschutztür des Treppenhauses. »Vorsicht.« Ohne, dass ich meinem Körper bewusst den Befehl dazu erteile, schießt mein Arm hervor und drückt sie wieder weit genug auf, damit wir beide durchtreten könnten. Aber das tut er nicht, sondern starrt mich aus großen blauen Augen an. »Haben Sie da drinnen eine schlimme Nachricht erhalten?«, frage ich den Fremden und nicke in Richtung des hinter ihm liegenden Krankenhauskorridors.
Mein Gegenüber blinzelt zwar, hat aber noch immer kein einziges Wort von sich gegeben. Es ist, als wäre er in Raum und Zeit festgefroren.
»Nein, nein. Entschuldigen Sie, junger Mann. Ich war bloß in Gedanken«, antwortet er nach mehreren Sekunden. Seine Schultern sinken, als er seufzt. »Ist viel los im Moment. Sie kennen das bestimmt.« Dann streckt er mir die Hand entgegen. Den langen Ärmel seines tintenblauen Hemdes hat er bis zum Ellenbogen hochgekrempelt. »Cameron Heynes – und Sie sind?«
Ist das so ein Alaska-Ding, sich allen möglichen Leuten vorstellen zu müssen, die einem zufällig über den Weg laufen? Ich zucke mit der Achsel. Ach, was soll's.
»Wyatt, Wyatt Byrne«, gebe ich meinen Namen ebenfalls preis.
Ich schüttle die raue, trockene Hand des alten Mannes und erstarre, weil mich das Gefühl seiner Haut auf meiner Kopf voran in ein Meer aus Erinnerungen stürzt.
Plötzlich bin ich wieder achtundzwanzig und werde von meinem Großvater in eine viel zu lange Umarmung gezogen. Hätte ich damals gewusst, dass er kurz darauf einen Schlaganfall erleiden und nie mehr derselbe sein würde, hätte ich niemals losgelassen.
Früher konnte man ein ganzes Leben voller harter, körperlicher Arbeit in seinem festen Händedruck spüren – so, wie jetzt bei diesem Fremden. Heute liegen die Hände meines Großvaters klamm und schlaff in meinen. Sein Blick huscht bei jedem Besuch über mich hinweg, als würden wir uns auf entgegengesetzten Seiten einer Milchglasscheibe gegenüberstehen.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Wyatt.«
Die Enden seines Schnurrbartes wölben sich nach oben, als er lächelt. Rotzbalken hat Großvater die Dinger früher immer genannt. Heute kennt er nicht mal mehr meinen Namen. Die Auswirkungen des Schlaganfalls haben ihn vergessen lassen. Uns – und sich selbst.
»Wie wär's dann mit etwas frischer Luft, bis es Ihnen besser geht und ich Sie ruhigen Gewissens in den Straßenverkehr entlassen kann?«, platzt es aus mir heraus, ohne zu verstehen, warum ich die Nähe eines Wildfremden suche.
»Eigentlich wollte ich Kaffee.«
»Kaffee?«, spiegle ich in derselben Tonlage, wie ein menschliches Echo.
»Ja, die Entlassung einer lieben Freundin verzögert sich etwas, deshalb brauchen wir Koffein-Nachschub, aber ...« Kurzzeitig starrt er ins Leere. »Aber Luft klingt auch nicht schlecht. Am besten schleichen wir uns auf die Dachterrasse und hoffen, dass uns keiner beim Sicherheitsdienst verpfeift.«
Die Enden meiner Augenbrauen treffen sich.
»Klingt zwar irgendwie unerlaubt, aber ich bin dabei.«
Damit drücke ich die schwere Tür so weit auf, wie es ihre Verankerung zulässt.
Mister Heynes schiebt sich an mir vorbei ins sonst menschenleere Treppenhaus. Ich bleibe hinter ihm, damit er das Tempo vorgeben kann und so, wie er sich am Metallgeländer festkrallt, war das die richtige Entscheidung.
Bereits nach wenigen Schritten nehmen seine Fingerknöchel eine weiße Färbung an und es bilden sich tiefe Furchen auf seiner Stirn. Um ehrlich zu sein, muss ich bei dem Anblick an Tate denken, der für die Dauer meiner Abwesenheit bei meinen Eltern untergekommen ist. Denn auch wenn er kein Mensch ist, stellen Stufenmonster jeglicher Art eine unüberwindbare Hürde für ihn dar.
Dumm nur, dass ich Mister Heynes, im Gegensatz zu meinem Mopsrüden, nicht den Arm um die Hinterläufe legen und ihm den mühseligen Aufstieg ersparen kann.
»Gehen Sie ruhig, junger Freund«, mischt sich Mister Heynes in meinen inneren Dialog ein, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Das dauert noch bei mir.«
»Kein Stress, ich bin auch nicht viel schneller«, lüge ich und ernte einen Seitenblick. Okay, der alte Mann hat mich durchschaut. Natürlich knirscht in dem Moment sein Knie so laut, als wäre er auf eine Packung Cornflakes getreten. Mister Heynes entgeht das nicht und der mir zugewandte Mundwinkel wandert nach oben. »Okay, zugegeben«, sage ich, »ist schon alles bisschen morsch bei Ihnen, aber wir sind ja nicht auf der Flucht.«
Er verzieht die schmalen Lippen zu einem schiefen Grinsen.
»Sprechen Sie für sich selbst«, sagt er. »Noch ein Absatz. Ein Absatz.« Den letzten Teil murmelt er mehr zu sich selbst, während ich den Blick über seine Schulter hinweg nach oben wandern lasse und zur selben Erkenntnis gelange. Ich überhole meinen neuen Freund, hechte immer zwei Stufen mit einem Mal nach oben, um ihm auch diese Tür aufzuhalten.
Im Vergleich zum Treppenhaus ist es unangenehm hell draußen, so grell, dass sich wahrscheinlich weiße Lichtflecken in meine Netzhaut brennen werden. Ich muss für einige Sekunden die Augen zusammenkneifen und als ob das nicht schon ätzend genug wäre, peitscht mir ein kühler Windstoß meine eigenen Haare ins Gesicht. Fuck, das ist echt nicht mein Bundesstaat hier.
Als mein Augenlicht zurückkehrt, merke ich schnell, dass ich während meiner temporären Blindheit nichts verpasst habe.
Wenn ich mir eine Dachterrasse vorstelle, habe ich Rattanmöbel, Sonnenschirme und Topfpflanzen vor Augen – keine kahle, eckige Betonlandschaft voller Taubenscheiße.
Mister Heynes zuckt mit der Schulter, als ich den Kopf in seine Richtung drehe.
»Nicht gerade, was sie im Sinn hatten, oder?«, liest er meine Gedanken einmal mehr.
»Passt schon, Sie haben Luft versprochen, keine Liegewiese«, sage ich, aber der alte Mann heftet seine Aufmerksamkeit an etwas hinter mir. Oder jemanden, wenn mich meine Ohren nicht täuschen und sich uns tatsächlich Schritte nähern. Ich fahre herum.
»Ist doch nicht dein Ernst, dass du mich bis in die Pause verfolgst«, entkommt es dem Mann in einer samtigen Tonlage mit akkurater Aussprache, die milde an einen Bond-Schurken erinnert. Vor uns steht ein Typ in meinem Alter – braune Augen, braunes welliges Haar und ein offener Arztkittel, an dessen Brusttasche ein Namensschild mit der Aufschrift Doktor Munroe Hart haftet. »Ich sagte doch, unser Küken wird als Nächste entlassen«, fährt er fort. »Jetzt gönne einem Mann doch mal sein Frühstück.« Dann liegt sein Blick auf mir. »Und wer ist das jetzt?«
»Ich–« ... komme nicht dazu, meinen Satz zu beenden. Mister Heynes ist schneller. Er platziert eine Hand auf meinem Brustkorb, als wolle er sagen: ›Lassen Sie mich das klären, Junge.‹ Anschließend wendet er sich wieder Doktor Hart zu.
»Ich bitte dich, Munroe, redet man so mit einem Freund der Familie?« Der alte Mann seufzt, das scheint er ständig zu tun. »Was ist bloß aus dem zahnlosen Hosenscheißer von früher geworden, der die Sommerferien auf Kayak Island bei seinem Großvater verbracht und eine Million Fragen über den Leuchtturm gestellt hat oder mit der Nase in irgendeinem Wälzer gesteckt hat. Wo ist dieser Junge heute, hm?«
Doktor Hart stellt eine knallblaue Brotbüchse auf der hüfthohen geweißten Betonbrüstung ab.
»Ach, jetzt komm mir doch nicht so. Es geht hier um popelige fünf Minuten Frühstückspause, Himmelherrgott nochmal. Wie hast du mich überhaupt gefunden?«
»Zufall ... Ich hatte keine Ahnung, dass du hier oben rumlungerst und von der Dachterrasse weiß ich auch erst seit gestern.« Er legt den Kopf schräg. »Aber, es ist vielleicht ganz gut, dass ich dich mal allein erwische. Die Schwester meinte vorhin, dass die Entlassungspapiere längst fertig wären.« Er stemmt die Fäuste in die Hüften. »Also frage ich mich, warum wir immer noch hier sind, obwohl du unserer Kleinen versprochen hast, dass sie um acht gehen kann.«
Der junge Arzt gibt ein Schnauben von sich und stopft sich eine Handvoll unförmige rote Knusperscheiben aus seiner Brotbüchse in den Mund, die in etwa so groß sind wie Dollarmünzen.
»Ich bin mir sicher, dass es ärztliche Schweigepflicht früher schon gab, Cam«, murmelt er um die Lebensmittelpampe zwischen seinen Kauleisten herum, »auch wenn es hundert Jahre her ist, dass du jung warst.«
Mister Heynes reagiert sofort – und geht dabei überraschend kreativ vor.
Von unten drückt er Doktor Hart den ausgestreckten Zeigefinger gegen die Nasenlöcher. Der stolpert drei Schritte rückwärts, weil die Rundungen seiner Wangentaschen verraten, dass er noch immer den Mund voll hat und so wahrscheinlich keine Luft bekommt.
»Frecher Hund«, brummt der alte Mann. »Hundert Jahre – ich glaub's ja wohl nicht.«
Der Doc bläht die Nasenflügel und ich entscheide dazwischen zu gehen, bevor einer weint.
»Sagen Sie mal, was zur Hölle essen Sie da eigentlich?«
Zwei Köpfe wippen in meiner Richtung. Doktor Hart zieht eine dunkle Augenbraue hoch.
»Hm?« Ich deute auf die Brotbüchse und seine Brauen glätten sich wieder. Er zuckt mit der Schulter. »Ach, das sind gefriergetrocknete Hühnerherzen, weil ich während der Arbeit nicht an frisches Hundewelpen-Blut rankomme«, erwidert er, ohne eine Miene zu verziehen. »Und wir können uns duzen. Ich bin Munroe.«
Statt ihm ebenfalls das Du und meinen Vornamen anzubieten, starre ich ihn nieder. Hab ich mich verhört, oder hat er gerade wirklich–
»Er verarscht Sie, Junge. Das sind getrocknete Erdbeeren.« Der alte Mann stupst mir den Ellenbogen in die Rippengegend. Seine Erklärung macht es nicht besser.
»Sie wollen mir also sagen, dass–«
Doktor Hart winkt ab.
»Du!«, verbessert er mich. »Du willst mir sagen, dass ...«
Mit einer lockeren vorwärts kreisenden Handbewegung bedeutet er mir, weiterzureden.
»Also schön, warum frisst DU ...«, betone ich seine Anrede mit drei verbalen Ausrufezeichen, »... gepeinigte, dehydrierte Erdbeeren? Hühnerherzen sind ja schon mehr als krank, aber Erdbeeren?« Ich werfe die Arme in die Luft. »Ne, tut mir leid, also, das ist mir eine Spur zu gottlos. Da bin ich unflexibel.«
Statt zu antworten, steckt sich Munroe demonstrativ noch eine extra-große Längsscheibe in den Mund, um geräuschvoll darauf herumzukauen.
Erst, als hinter uns ein mechanisches Quietschen ertönt, blättert das dumme Grinsen von seinem Gesicht.
Alle drei fahren wir zur Tür herum. Das ist wie in der Steinzeit – der Höhleneingang muss bewacht werden, auch wenn wir uns auf einem Dach befinden. Das Prinzip ist dasselbe.
Vor uns steht ein junger Mann armygrünen Overall. Seine Wimpern kann ich aus drei Metern Entfernung noch sehen. Sie sind lang und dicht wie die einer Kuh, was aufgrund seiner Glatze noch dramatischer zur Geltung kommt. Allgemein könnte der Typ mit seinem Babyface einer amerikanischen Boyband entsprungen sein.
»Das ist ja eine nette Runde hier«, sagt er und so wie er die anderen beiden Männer angrinst, wird schnell klar, dass die drei sich kennen. »Einige sehen netter aus als andere.« Er nimmt sich Zeit, mich von oben bis unten zu mustern und zwinkert mir zu.
»Untersteh dich, du Streuner.« Munroe löst sich aus seiner Position neben mir und zieht den Neuankömmling am Kragen zu sich heran, bevor ihre Lippen gegeneinander krachen.
Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, was genau, weiß ich nicht, und schließe ihn wieder. Das kam jetzt unerwartet.
Mister Heynes wirkt ebenso überrascht. Er scheint nichts von der Beziehung gewusst zu haben. Unsere Blicke treffen sich und beide müssen wir schmunzeln.
»Damit wäre die Identität des geheimnisvollen neuen Freundes ja geklärt«, sagt er. »Was für ein hübsches Pärchen.«
Doch die beiden sind in ihrer eigenen kleinen Blase verschwunden, als würde keiner zusehen. Als würden sie fliegen und fallen, während der Rest der Welt in den Hintergrund gerät. Sich auflöst. Verpufft.
Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, wenn zwei Hälften eines Ganzen aufeinandertreffen. Wenn der bessere Teil von dir in einem anderen Körper wohnt.
Die Hand des alten Mannes landet auf meiner Schulter.
»Ist das Ihres, Junge?« Ich blinzele verwirrt. »Ihr Handy. Ich glaube, es klingelt.«
Shit, er hat recht.
Ich ziehe das Smartphone aus meiner Hosentasche und entsperre den Bildschirm. Rocky hat mir geschrieben.
»Es ist nach zehn, wo bleibst du, Wy?«, schreibt er. Mist, ich hab komplett die Zeit vergessen.
»Bin unterwegs«, tippe ich. »Gib mir fünf Minuten.«
• | • | •
Auf dem Weg zum Krankenzimmer meines Bruders lasse ich Munroes Visitenkarte in meiner Hosentasche verschwinden.
»Melde dich, falls du mal wieder in der Stadt bist und Lust hast, mit uns um die Häuser zu ziehen«, waren seine Worte, als wir uns eben voneinander verabschiedet haben.
Mister Heynes zog einen Kugelschreiber aus der Kitteltasche des jungen Arztes und kritzelte seine Nummer auf die Rückseite.
»Da muss ich passen, aber für einen Tag auf dem Wasser bin ich immer zu haben«, sagte er.
Selten habe ich solche netten Menschen kennengelernt, die einen Fremden in ihrer Mitte aufnehmen, ohne Fragen zu stellen.
Vielleicht ist Alaska doch nicht so übel. Und vielleicht komme ich wieder. Irgendwann, wenn es meinem Bruder besser geht.
Als hätte er nur auf seinen Einsatz gewartet, dringen Rockys Worte an mein Ohr: »Es tut mir so leid.« Er muss ganz in der Nähe sein. Ich stemme die Hacken ins Linoleum. Dabei verursachen die Sohlen meiner Sneaker eine Art Quietschen auf dem Bodenbelag, das einem kaputten Plattenspieler entstammt sein könnte. »Ich hab oft an dich gedacht in den letzten Tagen. Wie geht es dir seit ...?«
»Ehrlich gesagt, habe ich das alles noch nicht wirklich kapiert. Das werd' ich wahrscheinlich erst, wenn ich auf diesem Kutter stehe und seine Asche in der Gischt verschwindet«, höre ich eine weibliche Stimme sagen und sofort spüre ich, wie sich meine Herzfrequenz beschleunigt. Mein Körper versteht, wen Rocky vor sich hat, bevor es mein Kopf tut.
»Eine Seebestattung«, sagt mein Bruder. »Ist da nicht nur die Besatzung anwesend – also Mitarbeiter der Küstenwache?« Er lässt ein paar Sekunden verstreichen. »Das heißt, du musst da ganz allein durch, ohne deine Familie?«
Ich kneife die Augen zusammen, denn leider weiß ich, dass sie das ohnehin muss, egal, wie viel Unterstützung sie von außen erhält. Geteiltes Leid heißt nicht halbiertes Leid.
»Wenn ich irgendwas tun ka–« Rocky hält inne, als wäre er unterbrochen worden.
Ich ertrage diese innere Anspannung nicht länger. Wie ferngesteuert setze ich einen Fuß vor den anderen und spähe um die Ecke herum in den anderen Korridor, wo mein Bruder zur Hälfte von der weiblichen Gestalt im Vordergrund verdeckt wird.
Sky steht mit dem Rücken zu mir. Ihre schlanken Arme und Beine ertrinken im dicken Stoff eines übergroßen pechschwarzen Kapuzenpullovers und grauen Jogginghosen. Ihre roten Wellen hat sie in einen hohen Pferdeschwanz gebändigt, der über ihre Schulter rutscht, als sie den Kopf zur Seite neigt.
»Komm wieder zu Kräften, Rocky«, sagt sie. »Nimm dir Zeit für dich. Zeit, um den Unfall zu verarbeiten. Zeit allein.«
»Aber–«
»Ich bin dir unendlich dankbar, das du da oben für ihn stark geblieben bist.« Mit dem rechten Zeigefinger gestikuliert Sky in Richtung Himmel. »Aber ich denke, wir sollten uns jetzt darauf konzentrieren, unser Leben neu zu ordnen. Jeder für sich.«
Rocky lässt nicht nur den Kopf hängen, sein ganzer Brustkorb scheint in sich zusammenzusacken.
Ich weiß alles darüber, Mauern bis in den Himmel hochzuziehen, bis kein Mensch einen erreichen kann, schließlich habe ich über zwei Jahre lang nichts anderes getan. Sie wuchsen höher und höher, bis man bei günstiger Sonneneinstrahlung ihr Schattenband noch aus dem Weltraum hätte erkennen können. Tue es nicht, kleine Meerjungfrau. Sperr die Welt nicht aus – es ist einsam auf der anderen Seite.
»Verstehe«, schleift mich die belegte Stimme meines kleinen Bruders in den Krankenhauskorridor zurück.
Fuck, ich stehe schon viel zu lange hier und habe definitiv mehr gehört, als ich sollte.
Kurz überlege ich, zur Dachterrasse zurückzukehren, andererseits will ich hier sein, wenn mein Bruder mich braucht. Dazu müsste ich nur unbemerkt hinter der offen Tür zu Rockys Krankenzimmer verschwinden, die mich schräg vom angrenzenden Korridor aus anlächelt.
Ich bewege mich langsam und verzichte auf hektische Bewegungen, um nicht aufzufliegen, aber ein kurzer Kontrollblick in Rockys Richtung bestätigt meine Befürchtung, dass genau das passiert ist.
Mein Bruder nickt mit aufeinander gepressten Lippen zur Tür, eigentlich ist es eher ein Zucken und man muss kein Genie sein, um die Bedeutung hinter der Geste zu entschlüsseln.
Alter, mach das du wegkommst.
Ich gehorche und schließe beinahe geräuschlos die Tür hinter mir, bevor ich mich auf die viel zu harte Matratze seines Bettes krachen lasse.
Mein Brustkorb weitet sich. Endlich kann ich wieder atmen und nehme gierige Züge, bis die Zimmertür mit so viel Wucht auffliegt, dass die Klinke lautstark mit der schneeweißen Wand dahinter kollidiert.
Mein Oberkörper schießt in eine sitzende Position hoch, wie bei einem Klappmesser und ich beobachte, wie Rocky beide Hände in seinen kurzen braunen Haaren vergräbt. Er schnauft wie ein Eber.
»Ich komm' mit nach Hause«, presst er hervor. Sein Kiefer malt, Frustration geht in Wellen von ihm aus.
»Kleiner, es–«
Er hebt die Hand zwischen uns und bringt mich damit zum Schweigen.
»Wäre super, wenn wir kurz nicht reden könnten.«
Sorry für den superspäten Upload – ich hab 1000 mal umgeschrieben und wusste auch nicht recht, was ich mit dem Kapitel rüberbringen will. Ich brauche halt eine Überleitung, bis die drei in New Orleans aufeinandertreffen. Dann wird es wieder spannender.
Liebe Grüße 💕
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