Jeden Morgen, wenn ich aufwache, reiße ich meine Augen auf und mein Puls beginnt zu rasen.

Schlägt dein Herz noch? Bist du noch hier?

Ich versuche zu lächeln. Daran zu denken, dass es für dich nicht schlimm wäre, nun zu gehen.
Denn du hast schon alles erlebt, was es zu erleben gibt, richtig?
Du bist gereist. Du hast geheiratet. Du hast gekämpft.
Du hast schlimme Dinge erlebt. Du musstest als kleines Kind vor dem zweiten Weltkrieg fliehen. Du musstest in Angst leben.
Denn niemand akzeptierte dich und deine Religion. Sie haben dir alles genommen. Euch hungern lassen. Euch verachtet.

Aber das ist lange her. Du hast so viel Wunderschönes erlebt. Ja, wenn ich mit leuchtenden Augen deinen Geschichten und Weisheiten lausche, während du lächelnd in deinem Schaukelstuhl sitzt. Dann weiß ich, dass du gelebt hast.

Und so wache ich jeden Morgen in Angst auf. Was, wenn heute der Tag ist? Was, wenn ich dich nie wieder sehe?

Doch ich weiß, du fürchtest dich nicht vor dem Tod. Für dich ist es nur der letzte Schritt, der gegangen werden muss. Nach all dem Schmerz, nach all der Liebe.

Das Ende der Himmelstreppe nähert sich, manchmal meine ich, in deinen Augen bereits die Wolken zu sehen. Du scheinst schon den frischen, blumigen Duft des Himmel zu riechen.

Nur noch wenige Stufen, dann bist du angekommen.

Ich habe Angst, alleine zu sein.

Aber weißt du, Opa? Ich will nur, dass du glücklich bist. Das sagst du mir immer, und nun richte ich diese Worte an dich. Ich möchte nur, dass du glücklich bist. Und wenn dieser Frieden, wenn der strahlende Himmel das ist, was deine Augen zum Leuchten bringt. Wenn du dich bereits nach der Umarmung deiner Mutter sehnst, wenn du das Licht sehnsüchtig erwartest.

Dann werde ich meine Tränen wegwischen und mit glitzernden Augen lächeln, während sich deine Seele langsam mit dem Morgenwind vermischt. Sie wird gemeinsam mit dem Duft von Tautropfen und frischem Herbstlaub sacht in Richtung Norden schweben.

Und nachts, wenn ich aus dem Fenster sehe, werde ich deinem Singen lauschen und die prachtvollen Sterne bewundern, die du nur für mich heller als jemals zuvor leuchten lässt.