Kapitel 20
Wir kraxeln die nächsten Minuten, bis wir überhaupt ein kleines Stück zurückgelegt haben. Ich habe erst zusammen mit Newt versucht, den Stapel so gut es ging auszubauen und dann hat Newt sich als erstes daran versucht, wieder in die Lüftungsschächte zu kommen. Nachdem er das geschafft hatte, hat er mir geholfen, mich hochzuziehen, da ich ja nicht so groß wie er bin und auch nicht so sportlich. Nun bewegen wir uns so schnell wie möglich die letzten Meter voran, bis wir uns trennen müssen. Newt wird sich ja zu den Jungs begeben und ich zu den Mädchen. Ich habe Angst, dass wir zu lange gebraucht haben und es jetzt schon zu spät ist. Wenn Janson vor mir ankommen würde und deswegen meinen Mädchen etwas antun würde, könnte ich mir das nie verzeihen. Die letzten Meter versuche ich noch einmal, schneller zu werden. In der Sekunde, bevor ich wieder bei den anderen bin, halte ich kurz inne und lausche. Mein Herzschlag beruhigt sich etwas, als ich höre, dass alles still ist und ich nur das Atmen der Mädchen vernehme, die wohl alle im Tiefschlaf zu sein scheinen. Ich habe so wohl noch etwas Zeit, bevor Janson hier auftauchen wird, die ich allerdings auch nicht vergeuden darf. Schnell klettere ich in unseren Schlafsaal zurück. „Mädchen, wacht auf!", zische ich, so laut wie nötig, dass sie aufwachen, aber dennoch nicht zu laut, dass es draußen niemand mitbekommt. In der ersten Sekunde scheinen sie es alle wohl als Teil eines Traums abzutun, denn sie reiben sich nur die Augen, gähnen und drehen sich auf die andere Seite. Als ich aber noch einmal zische, merken die meisten, dass da wohl doch etwas ist und öffnen nun die Augen. „Ihr müsst euch beeilen, gleich kommen sie, um uns zu holen. Wir müssen vorbereitet sein und am besten auch bewaffnet. Wer kann, schnappt sich einen Stuhl oder andere Gegenstände, mit denen man jemanden verletzten kann. Wir müssen uns beeilen, sie werden bald hier sein und die Jungs auch!" „Moment einmal, May! Was geht denn hier bitte auf einmal ab? Was ist denn passiert? Hast du schlecht geschlafen? Du brauchst keine Angst haben, wir sind doch jetzt in Sicherheit. Du kannst dich wieder hinlegen und weiterschlafen, keine Sorge", versucht Soyna mich zu beruhigen. Sie schiebt sich eine blonde Strähne aus der Stirn und gähnt dabei. Es sieht so aus, als würde sie gar nicht verstehen, was ich da gerade gesagt habe. Sie denkt einfach nur, dass ich schlecht geschlafen habe und mir keine Sorgen machen brauche. „Sonya, ich meine es vollkommen ernst. Ihr müsst euch beeilen, bevor es zu spät ist. Bitte! Newt hat mir gezeigt, dass es einen Raum gibt, in den sie all die Personen bringen, die eigentlich zum sicheren Hafen gebracht werden sollen. Sie sind bewusstlos und mit Schläuchen an Maschinen angeschlossen, denn sie werden weiteren Test unterzogen. Ich habe jetzt nicht die Zeit, alles ausführlich zu erklären, doch auch wir werden getestet. Es hat niemals aufgehört. Es ist immer noch WICKED und es ist die ganze Zeit über WICKED gewesen. Wie sind ihnen niemals entkommen. Wir sind immer noch in ihren Fängen!" Nachdem ich das gesagt habe, scheint es wohl bei allen angekommen zu sein, in welcher Lage wir uns gerade befinden. Es geht jetzt alles ganz schnell, doch ich kann in den Gesichtern der Mädchen erkennen, dass sie voller Panik sind und es das Adrenalin ist, das sie gerade antreibt. Im nu haben wir es geschafft, uns als eine Gruppe gemeinsam aufzustellen, die wichtigsten Sachen für eine Flucht beisammenzuhaben und diejenigen, die nicht diese Sachen bei sich tragen, haben sich bewaffnet, so gut es geht. Wir haben sogar unseren Spiegel zerschlagen, damit die älteren Mädchen sich damit bewaffnen konnten. Dies wird wohl bestimmt sogar unsere beste Waffe sein. Als wir nun alle voll ausgerüstet in der Ecke stehen und eigentlich nur darauf warten, dass entweder gleich unsere Tür geöffnet wird und wir uns wehren müssen oder die Jungs bei uns auftauchen, hört man in der Stille das hektische Atmen der anderen. Sie haben Angst, das merkt man ihnen sehr stark an und ich würde so gerne etwas dagegen tun können, doch das kann ich leider nicht. Ich kann lediglich versuchen, die Gruppe beisammenzuhalten und ihnen Mut zuzusprechen. „Was ist eigentlich mit Fiona? Hast du sie auch gesehen? Haben sie ihr das auch angetan?", werde ich von Bella gefragt. Ich schlucke, denn eigentlich will ich darauf nicht antworten. Ich will die anderen nicht deprimieren. Sie sollen eigentlich nicht erfahren, dass all das, was ich ihnen erzählt habe, nun auch Fiona widerfährt. Sie sollen es einfach nicht erfahren, denn es würde sie zerstören. Doch ich weiß auch, dass ich nicht berechtigt bin, so etwas vor ihnen zu verbergen. Wir sind alle wie eine große Familie und in einer Familie hat man keine Geheimnisse. Da erzählt man sich alles und verheimlicht nicht einfach wichtige Informationen. Ich als Anführerin schon gar nicht. Ich muss schließlich immer als gutes Beispiel voran gehen und sie alle auf den richtigen Weg bringen. Deswegen werde ich es ihnen jetzt sagen. „Ja, es tut mir sehr leid, dass ich euch das jetzt so sagen muss, doch als Newt und ich uns in diesen Raum geschlichen hatten, habe ich dort Fiona entdeckt und ich will euch nicht anlügen, sie sah wirklich nicht gut aus. Sie haben sie aber betäubt, also wird sie hoffentlich nichts spüren, daran glaube ich zumindest." „Wir müssen sie retten, wir können sie doch nicht einfach zurücklassen, wenn wir von hier abhauen!", beharrt Bella und auch die anderen Mädchen stimmen ein. Ich weiß nicht, wie ich es ihnen mitteilen soll, dass das leider nicht möglich ist. Dann werde ich als grausame Person dargestellt. „Leute, ich weiß, dass wir alle sehr gerne für Fiona alles machen würden, was uns möglich ist, doch wir können ihr in dieser Situation nicht helfen. Wenn wir sie von diesem Apparat losmachen, wird sie es höchstwahrscheinlich nicht überleben und das können wir auf keinen Fall riskieren! Es tut mir sehr leid, aber ich muss May zustimmen, wir können momentan nichts für sie tun." Ich nicke Sonya dankbar zu. Wir beide sehen uns allerdings mit einem Blick voller Trauer an.
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