ONE
,,Cause baby, there ain't no mountain high enough
Ain't no valley low enough,
Ain't no river wide enough
To keep me from getting to you, baby"
ONE: Februar 2025
___________________________
Wie viel war Steve Rogers sein Wort wirklich wert gewesen? Diese Frage stellte Helen sich immer wieder, während sie durch den Schnee stolperte und am Waldrand einen geparkten Jeep erblickte. Hatte er Bucky wirklich eingefroren...? War Bucky noch am Leben? In ihrem Kopf ratterte es. Die Tatsache, dass man sie völlig abrupt aus der Kryostase gerissen hatte, ließ ihre Schläfen pochen und sie schwankte mehrmals, bis sie an dem Wagen angelangt war und die Tür entlang strich, den Griff fand und seufzte. Verriegelt, natürlich. Die ehemalige Faust von Hydra sah sich suchend um, ehe sie einen Stein vom Straßenrand aufhob. ,,Sorry, John...", murmelte sie, denn der Jeep konnte nur ihm gehören. Sie schlug gezielt die Scheibe ein, öffnete die Tür von innen und strich mit dem Ärmel ihres Pullovers die Scherben von dem Lederpolster des Sitzes, ehe sie sich in den Wagen setzte und tief durchatmete. Autos. Mal wieder. Und noch immer war Helen ihnen alles andere als wohlgesonnen. Sie verschwand mit dem Kopf unter dem Lenkrad, versuchte sich halbwegs zu konzentrieren... Und doch bescherte es ihr wahnsinnige Kopfschmerzen, dass sie den Wagen mittels ihrer Gedankenkraft kurzschließen konnte und wieder hervorkroch. Röhrend war der Motor angesprungen, das Radio folgte und sie verzog das Gesicht. Wie wahrscheinlich war es heutzutage noch, dass ausgerechnet Frank Sinatra im Radio lief? Ihr Herz verkrampfte sich, als sie an den Abend mit Bucky in Spanien dachte - das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte...
Zwölf ganze Jahre waren seitdem vergangen, wie John Walker ihr freundlicherweise beantwortet hatte - und da er der Ansicht war, dass sie mit den Veränderungen der Welt nicht zurecht kommen würde, verspürte Helen ein dumpfes und schleichendes Gefühl von Angst. Sie musste jemanden finden, der sie wieder einfrieren würde. Steve. Oder Sam. Und sie musste erfahren, was mit Bucky geschehen war, ob Steve sein Wort gehalten oder es gebrochen hatte. Sie brauchte Antworten auf diese Fragen, jetzt wo man sie aus dem Eis befreit hatte. ,,Zwölf ganze Jahre...", flüsterte sie heiser, strich über das Lenkrad, ehe sie tief durchatmete und ihren Fuß langsam auf das Gas sinken ließ. Erschrocken kreischte sie auf, der Rückwärtsgang war eingeschaltet und sie sah sich verzweifelt um... Keine normale Kupplung mehr. Panisch drückte sie alle Knöpfe, bis sie den richtigen gefunden zu haben schien und erleichtert den Jeep auf die Straße lenkte... Gerade rechtzeitig, denn John hatte sich aus dem Bunker befreit und stolperte zwischen den dichten Fichten hervor. ,,Verdammt!", rief er wütend aus. ,,Du schaffst das nicht alleine! Halt den verdammten Wagen an!", hörte sie ihn brüllen und sie schüttelte den Kopf, drückte das Gas weiter durch und beschleunigte, als er ihr hinterher stürmte... In einer Geschwindigkeit, die ihr gleich eines signalisierte: John Walker war ein Supersoldat. Und das obwohl sie Steve gesagt hatte, dass Supersoldaten nicht existieren durften... Was hatte ihn so versagen lassen?
Ihre blassen Finger umklammerten panisch das Lenkrad, ihre Fingerknöchel traten weiß hervor und langsam rollten Tränen über ihre Wangen. Sie verstand das alles nicht. Was wollte die Regierung von ihr, was wollte sie mit ihr...? Oder hatte Hydra sich mittlerweile auch dort eingenistet? Sie hatte ewig schlafen wollen, sie hatte dieser Welt entfliehen wollen - doch selbst diese Form von Flucht schien zu scheitern. Verzweiflung staute sich in ihrer Brust auf. Sie schaffte es John abzuhängen - er gab es auf ihr hinterher zu sprinten. Wusste, dass er gerade keine Chance hatte und sie ihn höchstwahrscheinlich angreifen und wieder überwältigen würde. Helen fuhr nach einem Moment des Zögerns rechts ran, doch sie ließ den Motor an... Sie brauchte bloß einen Augenblick. Einen kurzen Augenblick, um schluchzend das Gesicht in ihre blassen Handflächen zu legen und zu weinen. Sie hatte sich gegen ihren Frieden mit Bucky entschieden... Konnte man sie dann nicht wenigstens im Eis ruhen lassen? Sie hatte Angst... Sie verstand die Welt nicht mehr. Es dauerte etwas, bis sie sich wieder fassen und einigermaßen beruhigen konnte... Blinzelnd einige weitere Knöpfe drückte, bis sie das Navigationssystem fand und New York City immerhin vor eingestellt war... Schniefend lenkte sie den Wagen zurück auf die Straße. Alles würde gut werden... Es würde für all das eine plausible Erklärung geben. Helen ahnte ja nicht, was für ein Horror sie erwartete.
LOUISIANA
,,Ich habe dir gesagt... flirte nicht mit meiner Schwester!" Mit zusammengezogenen Augenbrauen stand Sam Wilson im Türrahmen der Küche und grinsend sah James Bucky Barnes von seiner Kaffeetasse und dem Zeitungsblatt auf, das er auf dem Tisch der Wilsons aufgeschlagen hatte. ,,Habe ich das getan?" Ein freches Funkeln lag in seinen blauen Augen. Die Last von seinen Schultern war verschwunden... Bucky Barnes hatte die Vergangenheit akzeptiert, hatte abgeschlossen. Und es ging ihm besser. Die Albträume wurden weniger, auch wenn sie ihn wohl auf ewig verfolgen würden. Es wurde leichter für ihn. Er war wieder Sergeant Barnes... Man begegnete ihm mit Respekt. Und er hatte verstanden, dass seine Wiedergutmachung nicht aus Rache bestehen konnte. Er schloss seinen Frieden mit der Dankbarkeit in den Gesichtern der Leute, die er retten konnte... Das war die wahre Art, auf welche er seine Fehler wiedergutmachen, sie bereinigen konnte. Sein Gewissen fand endlich ein wenig Ruhe. Sam rollte mit den Augen und stieß sich vom Türrahmen ab. ,,Was machst du so früh schon hier, Buck?", murrte er und griff ebenfalls nach einer Tasse, um sich etwas von dem frisch gekochten Kaffee zu nehmen. ,,Ich bin hier, um mit deiner Schwester zu flirten", konnte Bucky sich einen dreisten Kommentar nicht verkneifen und als er einen warnenden Blick kassierte, hob er lachend beide Hände und schüttelte amüsiert den Kopf. Bucky Barnes konnte lachen... Und das erwärmte sogar Sams Herz, der das bei dem grummligen Gestarre des einstigen Kriegssoldaten schon für nicht mehr möglich gehalten hatte.
,,Es ist seltsam still dort draußen, findest du nicht?" Buckys Blick wurde ernster. ,,Es ist wie die Ruhe vor dem Sturm... Es kommt mir falsch vor." Sam nickte langsam, lehnte sich mit dem Kaffee gegen die Küchentheke. ,,Ich weiß was du meinst...", murmelte er und Sarah, die unbemerkt von beiden ebenfalls in die Küche getreten war, schmunzelte. ,,Wie wäre es wenn ihr beide einfach den Frieden akzeptiert und nach dem Motor des Boots seht? Der klingt wenig gesund", warf sie ein und grinsend sah Bucky sie an. ,,Hi Sarah." Fassungslos schüttelte Sam den Kopf, nickte seiner Schwester zu. ,,Machen wir." Auffordernd sah er Bucky an, der sich von dem leise knarrenden Küchenstuhl erhob, Sara charmant zuzwinkerte und Sam dann mit einem Schmunzeln folgte. Der Blick, den Sam ihm schenkte, kaum waren sie in die winterlich warme Morgensonne von Louisiana getreten, sprach Bände. ,,Ich werde dazu jetzt einfach nichts sagen, okay?", bemerkte er trocken und grinsend fuhr Bucky sich durch das kurze dunkle Haar. ,,Sag einfach nichts, genau", pflichtete er seinem Freund bei... Sie waren nicht länger zwei Typen, deren bester Freund weg war - sie hatten Freundschaft geschlossen. Könnte Steve die beiden sehen, könnte er wohl kaum stolzer auf seine beiden Flügelmänner sein.
Die beiden traten Seite an Seite an den Bootssteg und Sam seufzte. ,,Ich sag dir... Bald wird uns jemand ordentlich den Arsch aufreißen, weil wir uns auf dem vermeintlichen Frieden zu sehr ausgeruht haben." Er schüttelte den Kopf. ,,Ich bin Captain America... Ich dachte, das würde mehr bedeuten als nur für die Regierung auf Abruf zu sein." Bucky nickte langsam, während er Sam die Holzleiter hinab folgte und ihm einen Schraubenschlüssel reichte. ,,Vielleicht hat Sara trotzdem ein wenig recht", gab er zu bedenken und Sam grummelte leise. ,,Hm... Weißt du, dass ich gestern zum ersten Mal seit Jahren Pfannkuchen gemacht habe? So hatte ich mir das nicht vorgestellt, Mann." Buckys Mundwinkel zuckten amüsiert und Sam sah ihn warnend an. ,,Wehe du lachst jetzt, Barnes!" Grinsend schüttelte dieser den Kopf. ,,Würde mir doch nie einfallen, Cap."
NEW YORK
New York. Helen hatte es geschafft. Und fürs Erste sah beinahe alles aus wie damals. Doch dieser Schein konnte trügen und Johns Worte ließen sie ständig auf der Hut sein. Das erste was sie tat, war den Wagen am Straßenrand in der Innenstadt stehen zu lassen und mit gesenktem Kopf durch die kühlen Straßen zu hasten. Jeder Blickkontakt mit einem anderen Menschen löste blanke Nervosität in ihr aus. Und doch schlief Rearlight in ihr noch tief- und fest... Auch wenn Helen sich der Tatsache bewusst war, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde. Nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder die Kontrolle verlieren konnte. Oder waren Rearlight und sie schon sehr miteinander verschmolzen, dass es nun an ihr selbst lag, die Kontrolle zu bewahren? Die Einflüsse ließen sie schneller laufen. Stimmengewirr, Wagenhupen, Musik... Das alles war viel zu laut, wenn man aus einem zwölfjährigen Schlaf, aus zwölfjähriger Stille erwachte. Und das auch alles andere als freiwillig. Steve. Sie musste Steve finden. Vermutlich führten ihre Schritte sie deshalb zuerst in das Museum von Captain America, dorthin, wo alles angefangen und sie Steve Rogers kennengelernt hatte... Mit gesenktem Kopf trat sie durch den abgedunkelten Innenbereich, betrachtete die Wände... Und mied den Blick zu Buckys Bild... Und seinem Namen. Es tat zu sehr weh. Und doch kam sie auf einem Poster nicht drum herum, ihn an Steves Seite stehen zu sehen. Sie wusste nicht wie lange sie dieses Bild anstarrte... Doch es musste eine Ewigkeit sein. Sehnsuchtsvoll, ängstlich, verzweifelt und wütend...
Schluckend wandte sie den Blick ab. ,,Glaubst du auch, dass Steve Rogers sich in einer Geheimbasis auf dem Mond befindet seitdem er verschwunden ist?", hörte sie einen kleinen Jungen seinen Freund fragen - beide standen mit Popcorn vor der Statue des früheren Captain Americas und verwirrt zog sie die Stirn in Falten, trat zu den beiden. ,,In einer Geheimbasis auf dem Mond?", sprach sie die beiden Jungs an, die mit großen Augen aufsahen und nahezu gleichzeitig nickten. ,,Er ist nach dem Blip verschwunden", meinte einer von ihnen und Helen schüttelte den Kopf. ,,Dem... Blip?" Die beiden Jungs tauschten irritierte Blicke aus und sahen sie dann wieder an. ,,Kommst du auch aus einer Geheimbasis vom Mond oder was?", fragte dann einer der beiden. ,,Der Blip. Fünf Jahre lang war die Hälfte aller Lebewesen ausgelöscht." Was? Was zur Hölle... was zur Hölle war hier passiert, während sie zwölf Jahre geschlafen hatte? Zwölf verdammt lange Jahre, wie Helen schwer bewusst wurde. ,,Was...", flüsterte sie heiser und die beiden sahen sie an, als sei sie verrückt... Und nicht als wären sie es, die gerade etwas vollkommen Verrücktes erzählt hatten. Fünf Jahre lang... sollte nur noch die Hälfte aller Lebewesen auf der Erde existiert haben? ,,Michael, John! Kommt sofort her!", rief da eine Dame mittleren Alters und die beiden Jungs machten hastig kehrt, ließen Helen völlig verwirrt zurück... ,,Wartet! Was ist mit... mit Captain America?", rief sie den beiden nach und einer der beiden Jungs sah zu ihr. ,,Der Black Falcon ist jetzt der neue Captain America!"
Falcon... Sam? Helen rieb sich die dröhnenden Schläfen. Zu viele Neuinformationen in zu wenig Zeit... Und obwohl ihr Hirn ratterte, verstand sie nur die Hälfte davon. Sam sollte Steves Platz eingenommen haben? Warum? Und wieso zur Hölle sollte Steve sich in einer Geheimbasis auf dem verdammten Mond befinden? Ihre Verwirrung löste Wut in Helen aus... Und bevor diese in unberechenbaren Taten endete und ein Museum jahrhundertelanger Geschichte brannte... verließ sie es besser und stolperte zurück in die überfüllten Straßen. Steve war fort... Dem konnte sie sich allmählich sicher sein, auch wenn sie ganz stark bezweifelte, dass er auf dem Mond war. War er... tot? War er ausgelöscht worden? Hatte er sich von dem... Blip nicht erholt? Aufgelöst raufte Helen sich durch die roten, zerzausten Locken und schüttelte den Kopf. Sie musste Sam suchen. Etwas anderes blieb ihr gar nicht mehr übrig... Und glücklicherweise würde dieser als Captain America nicht mehr... unbedingt schwer zu finden sein.
_______________________________________
Guten Morgen! ❤
Ich habe es tatsächlich noch geschafft euch heute Vormittag vor der Arbeit das erste Kapitel zu liefern - und ich bin ziemlich zufrieden damit. Besonders mit dem Part von Sam und Bucky. Meinem persönlichen Dreamteam! 🥰
Ich hoffe ihr hattet Spaß am Lesen und ich würde mich wie immer über eure Kommentare freuen!
Liebe Grüße
Eure Mary 🌼
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro