~15~
Lenore und Kiernan sahen sich tief in die Augen, dann nickten sie. Anscheinend brauchten sie keine Worte, um sich zu verständigen. Ich beneidete sie um ihre tiefe Verbindung.
"Wir werden nach Aranthor reiten und meinen Vater davon überzeugen, seine Armee zurückzuziehen", verkündete Lenore entschlossen.
"Und ich werde Yara und Eko begleiten", verkündete Vi ebenso entschlossen. Ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Er könnte genauso Lenore begleiten, aber er entschied sich für mich, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit bestand, dass man ihn wieder einsperrte, auch wenn ich alles tun würde um das zu verhindern. Das war wirklich nicht selbstverständlich.
"Danke euch. Dann lasst uns losreiten." Einen Teil des Weges würden wir noch gemeinsam reiten, bis wir wieder in Eldoria waren, somit verzögerte sich der Abschied etwas, doch ich war mir sicher, dass er dadurch nicht leichter werden würde.
Ekos Pferd hatte sich in der Zwischenzeit etwas erholt, doch es wirkte noch sehr erschöpft. "Reitet schonmal vor, ich werde euch schon einholen. Ahadi braucht eine Pause", ließ Eko sie wissen und tätschelte den Hals seines Pferdes. "Wartet nicht auf uns. Wir haben keine Zeit zu verlieren. König Arwan hat bereits seine Armee zusammengerufen, als ich losgeritten bin, sie werden bereits losmarschiert sein. Ihr müsst sie aufhalten."
"Dann bleibt uns keine Zeit mehr, direkt zu unseren Vätern zu reiten und sie davon zu überzeugen, den Krieg abzubrechen. Bis dahin werden die Armeen bereits aufeinandergetroffen sein und es wird bereits Verletzte geben, wenn nicht sogar schlimmeres. Wir müssen direkt zur Grenze von Eldoria und Aranthor reiten und sie aufhalten", entschied ich mit überraschend fester Stimme.
Niemand protestierte, alle nickten nur zustimmend. Ich verabschiedete mich von Eko: "Reite direkt zum Schloss zurück und lass meinen Vater wissen, dass ich auf dem Weg bin, falls wir nicht schon dort sind. Und richte Maya meinen Dank aus."
Kurz darauf galoppierten Vi, Lenore, Kiernan und ich den Weg zurück, den wir gekommen waren, über die Grenze von Eldoria und Valoria und diese entlang, bis zur Grenze von Aranthor. Wir würden es an diesem Tag nicht mehr bis in das Gebiet schaffen, in dem die Armeen wahrscheinlich aufeinandertreffen würden, doch wir konnten auch nicht die ganze Nacht reiten, das würden unsere Pferde nicht aushalten.
Als es dunkel wurde, legten wir eine Rast ein. Keinem von uns war nach Schlafen zumute, doch wir legten uns trotzdem nieder. Ich konnte kaum ein Auge zutun und wenn ich doch einmal wegdöste, schreckte ich wieder hoch, heimgesucht von Männern wie Vi, die für etwas kämpften, das ich verursacht hatte.
Bei Morgengrauen waren wir bereits wieder auf dem Pferderücken und ritten weiter. Hoffentlich kamen wir nicht zu spät. Wir trieben unsere Pferde an, soweit wie möglich, ohne sie völlig zu erschöpfen. Ayala hielt tapfer durch, immer wieder flüsterte ich ihr zu, was für ein braves Mädchen sie doch war. Nie zuvor war sie so lange geritten worden.
Es dauerte nicht lange, bis ich Rauchschwaden in der Ferne erkennen konnte. Es waren vereinzelte dünne Rauchsäulen, die nicht von einem großen Feuer stammen konnten, sondern nur von mehreren kleinen. Dort musste das Lager der eldorianischen Armee sein.
Das letzte Stück, als wir bereits einzelne Zelte erkennen konnten, spornten wir unsere Pferde noch mehr an. Die Sonne hatte ihren höchsten Punkt noch nicht erreicht, als wir vier den Rand des Lagers erreichten.
Zwei Wachen entdeckten uns als erstes und empfingen uns feindselig. "Wer seid ihr und was wollt ihr hier?", rief uns der eine schon von weitem zu.
"Ich möchte mit eurem Kommandanten sprechen. Ich befehle euch, uns zu ihm zu führen, als eure Prinzessin." Ich versuchte gerade zu sitzen und so königlich wie möglich auszusehen und zu klingen.
Im ersten Moment dachte ich, sie würden mich nicht ernst nehmen, einer schnaubte sogar missbilligend, doch dann schien mich der andere zu erkennen und verpasste seinem Kollegen einen Schlag auf den Hinterkopf. Er verbeugte sich ungeschickt und stammelte ein: "Natürlich, eure königliche Hoheit. Folgt mir."
Ich stieg von meinem Pferd und führte Ayala zwischen den Zelten hindurch. Die anderen folgten meinem Beispiel und gemeinsam folgten wir dem Soldaten zu dem größten Zelt in der Mitte des Lagers.
"Kommandant, die Prinzessin ist hier", verkündete der Soldat durch einen Spalt im Zelt.
"Soll das ein Witz sein? Welche denn?", kam es schnaubend zurück.
Diese Frage beantworte ich selbst. "Beide."
Die Zeltplane wurde aufgerissen und vor uns erschien ein Mann mittleren Alters, seine Haare waren bereits ergraut, aber er machte immer noch einen starken Eindruck. Ich wusste seinen Namen nicht, aber ich hatte ihn schon einmal an Vaters Seite gesehen.
"Prinzessin Adeena?", er ließ seinen Blick schweifen, bis er Lenore entdeckte, "und die Prinzessin von Aranthor?" Ich konnte die Verblüffung in seinem Gesicht deutlich ablesen. "Was macht ihr denn hier?"
"Wir sind hier um euch zu informieren, dass dieser Krieg sinnlos ist und ihr ihn abbrechen müsst. Wie ihr seht, sind wir beide da, keine von uns ist entführt worden", ließ ich ihn wissen.
"Na das sind mal die besten Nachrichten des Tages." Ein Grinsen erschien auf seinen Lippen.
Den Kommandanten zu überzeugen war eindeutig einfacher als gedacht. Es war klar, dass er diesen Krieg für ebenso unsinnig hielt und seine Leute nicht in einen unnötigen Krieg schicken wollte.
Nachdem er alle Soldaten zusammengetrommelt und verkündet hatte, dass sie nicht kämpfen werden würden, brach ein Jubel unter den Männern aus. Bestimmt war noch kein Krieg so früh beendet worden.
Doch es war noch nicht vorbei. Nur weil eine Armee nicht angreifen würde, hieß das noch lange nicht, dass die andere Seite das ebenso wenig tun würde.
So schnell es ging verließen wir das Lager und ritten gemeinsam über die Grenze nach Aranthor, um die nahenden Truppen ebenso aufzuhalten.
Es dauerte nicht lange, bis wir die ersten Reiter in der Ferne erkennen konnten, zu meinem Schrecken waren sie bereits aufgebrochen. Wir mussten den Oberkommandierenden finden, der den Marsch abblasen konnte, bevor sie die Grenze erreichten.
Ich tauschte einen Blick mit Lenore, die neben mir ritt. Sie sah noch entschlossener aus als zuvor. Nun war sie an der Reihe, denn auf ihre Prinzessin würden die Männer von Aranthor eher hören als auf mich. Es lag nun allein in Lenores Hand, sie zu überzeugen, wobei ich sie natürlich so gut es ging unterstützen würde, wenn sie mich brauchte.
Wir ritten direkt auf die immer näher kommende Armee zu, doch ich entdeckte niemanden, der das Kommando zu haben schien. Wahrscheinlich ritt er etwas weiter hinten, aber wie sollten wir ihn dann rechtzeitig finden?
Ich wollte gerade Lenore fragen, was wir machen sollten, doch da rief sie bereits den Soldaten zu, die sich in Hörweite befanden: "Hier spricht eure Prinzessin. Ich befehle euch, anzuhalten!"
Sie klang so autoritär, wie ich es nie erwartet hätte und ich wäre glatt selbst stehengeblieben, wenn ich nicht gewusst hätte, dass sich ihr Befehl nicht an mich richtete.
So war es auch kein Wunder, dass die Soldaten uns gegenüber augenblicklich ihre Pferde anhalten ließen und uns, die wir nun ebenfalls angehalten hatten, anstarrten. Diejenigen, die Lenores Befehl nicht gehört oder nicht verstanden hatten, folgten dem Beispiel ihrer Kameraden, blickten diese jedoch verwirrt an, bis sie uns entdeckten.
Die Aufmerksamkeit einer ganzen Armee, zumindest der ersten Reihen, die uns sehen konnten, war nun auf uns gerichtet.
"Was geht hier vor sich? Warum habt ihr angehalten?" Die Reiter direkt vor uns wichen zur Seite aus und formten einen Durchgang, in dem ein ebenso beeindruckender Mann wie der Kommandant von Eldoria auftauchte. Er musste der Kommandant dieser Einheit sein.
Ich war mir sicher, dass er jeden Moment mit den Soldaten schimpfen würde, doch dann erblickte er uns. "Was geht hier vor sich?"
Er ritt die letzten paar Meter, die uns trennten, bis er direkt vor uns stand, seine Soldaten ließ er zurück. "Prinzessin Lenore, seid Ihr das?", hauchte er verwundert.
"Ganz recht und das sind meine Begleiter, Prinzessin Adeena, Lord Kiernan und...", sie pausierte einen Moment, bis sie auf Vi deutete, der sich bis zu dem Moment im Hintergrund gehalten hatte, "Aeron."
Die Augen des Kommandanten wurden bei jedem genannten Namen nur größer, als könnte er nicht fassen, wer da vor ihm stand und es wäre nur eine Einbildung.
"Wir sind hier, um diesen sinnlosen Krieg zu beenden. Ich befehle euch hiermit, umzukehren und Eldoria nicht anzugreifen. Sie können nichts dafür, dass die Hochzeit nicht stattgefunden hat, das war allein meine Entscheidung."
Dem Kommandanten blieb regelrecht der Mund offen stehen, dann stotterte er: "A-aber so einfach ist das nicht. Wir haben einen Befehl?" Es klang mehr wie eine Frage als eine Aussage, er schien unsicher zu sein, welchem Befehl er folgen sollte.
Lenore schaute ihn streng an. "Darum kümmere ich mich. Wollt ihr meinen Befehl etwa ignorieren? Kehrt um, ich werde meinen Vater informieren. Habt ihr das verstanden?"
Nun nickte er schnell und ich konnte die Erleichterung erkennen, nicht selbst dem König berichten zu müssen, dass er seinen Befehl missachtet hatte. Er gab den Soldaten ein Handzeichen, das Kommando zum Rückzug. Wie Spielfiguren drehten sie sich alle um und trabten im Gleichschritt in die entgegengesetzte Richtung.
Bei dem Anblick konnte ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Wir hatten es geschafft! Der Krieg war abgewendet!
Blieb nur noch eine Sache, die Ursache dieses beinahe Krieges. Unsere Väter.
"Es wir nun an der Zeit, uns zu verabschieden", verkündete Lenore mit einem wehmütigen Blick. "Ich hatte gehofft, uns würde noch mehr Zeit bleiben. Es war schön, mit dir und Vi zu reisen und ich danke euch, dass ihr mich mitgenommen habt. Ohne dir, Yara, wäre ich nicht aus dem Schloss rausgekommen."
Es war schön, dass sie es zugab, doch ich war ebenso traurig, von meiner neu gewonnenen Freundin Abschied nehmen zu müssen. "Ich wünsche dir, euch, ganz viel Glück, dass du deinen Vater davon überzeugen kannst, dass ihr beide zusammengehört. Ansonsten wäre diese ganze Aktion sinnlos gewesen", meinte ich mit einem Augenzwinkern.
Vi wünschte ihnen auch Glück und klopfte Kiernan auf die Schulter. Ich hatte ihn nicht einmal wirklich kennenlernen können, aber durch die ganzen Erzählungen von Lenore wirkte es so, als würde ich ihn schon ewig kennen.
"Dir auch viel Glück mit deinem Vater und Vi, lass dich nicht wieder einsperren", erwiderte Lenore lächelnd. Vi brummte zustimmend.
"Hoffentlich bis bald!" Damit verabschiedeten wir uns, Lenore und Kiernan ritten der Armee hinterher, Vi und ich drehten um und ritten zurück zum Lager der Armee meines Vaters und weiter Richtung Schloss.
___
Wortanzahl:
Kapitel: 1696 Wörter
Insgesamt: 19.328 Wörter
Sie konnten zum Glück die Armeen ziemlich leicht davon abhalten, sich anzugreifen, aber es ist glaube ich schon verständlich, dass niemand wirklich scharf auf einen Krieg ist, oder? xD
Außer anscheinend die Könige, aber die müssen ja auch nicht selbst kämpfen ;p)
Jetzt bleibt nur noch ein "spannender" Punkt offen, die Auseinandersätzung mit ihrem Vater. Wie wird wohl das Wiedersehen aussehen?
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro