Kapitel 29
Als ich heute morgen aufgewacht war, war Damien schon wieder weg. Wenigstens hatte er sein Versprochen gehalten und ist gestern Abend wirklich Nachhause gekommen. Beim Zähneputzen denke ich daran, wie er in der Nacht seinen Arm um mich gelegt hatte.
Es ist fast Mittag. Ich habe verschlafen, aber zum Glück kommen die Stylisten erst in zwanzig Minuten. Mein Nachhemd reibt gegen die kleine Wunde an meinem Oberschenkel, als ich mich umziehen möchte. Die Stelle ist übernacht einigermaßen verheilt, dennoch sieht es nicht sehr schön aus. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, dass es ein langes Kleid ist.
Nachdem ich mich ausgezogen habe, ziehe ich einen hautfarbenen BH und eine Spitzenunterhose an. Daisy und Rosa hatten es mir so empfohlen, und ich vertraue ihnen. So kann man später, wenn ich das Kleid anhabe, nichts sehen.
Da ich vergessen habe, mir einen Morgenmantel zu kaufen, werfe ich mir Damiens über, der neben der Schlafzimmertür hängt. Er ist dunkelbraun und aus weicher Seide, und viel, viel zu groß.
Im Wohnzimmer trifft mich der Schock, als Daisys Locken bereits bis zur Perfektion an ihre Taille reichen, und Frank gerade Rosas Haare zurückgelt. "Birdie! Du kommst genau rechtzeitig!", freut sich Daisy, die mit einem Glas Sekt an der Bar sitzt und mir zusieht, wie ich ihnen näher trete. Auch sie trägt einen Morgenmantel -- nur passt ihrer wie angegossen und er ist auch nicht dunkelbraun, sondern weiß, wie der, den Rosa trägt.
"Du kannst gleich zu mir kommen!", bietet mir Luzy an. Beim Betrachten von Rosas und Daisys Gesicht fällt mir auf, dass sie schon fertig geschminkt sind.
"Bin ich zu spät? Ich dachte es geht erst um zwölf Uhr los.?", frage ich panisch. Warum hat mir denn niemand etwas gesagt?
"Alles gut, Birdie. Dein Termin ist auch erst um zwölf. Wir dachten, Daisy und ich machen uns schon mal früher fertig, da wir nachher noch zu ihrer Wohnung müssen. Ihre Schwester fährt uns zur Veranstaltung." Das beruhigt mich enorm. Ich hatte schon Angst, dass ich es falsch verstanden und die ganze Vorbereitungen für den Abend ruiniert hätte. "Wir werden dir aber noch in dein Kleid helfen."
"Zum Glück." Ich lächle Luzy erleichtert zu, bevor sie sich ans Werk macht.
"Möchtest du auch ein Glas Sekt?", fragt Rosa nun, als Frank mit seinem Werk abgeschlossen hat, und kurzzeitig beschließt, parallel zu Luzy mir die Haare zu machen. Ich nicke als Antwort. Sekt ist mir lieber als Wein. Für den Rest meine Lebens werde ich die Finger vom Wein lassen -- das schwöre ich. "Dann können wir ja anstoßen!"
Rosa bringt mir das Glas, und Daisy ist ihr dicht auf den Versen. "Auf uns.", jubeln Rosa und Daisy, und ich wiederhole ihre Worte. Dann stoßen sie ihre Gläser aneinander. "Birdie!", schimpft Rosa mit mir, und ich schaue sie erschrocken an. Nun lacht sie. "Man muss sich in die Augen gucken -- sonst gibt es schlechten Sex." Ich muss erschrocken schlucken, muss zugeben, dass es mir vor Luzy und Frank ein wenig unangenehm ist. Doch sie lächeln mich nur an, also schaue ich Daisy und Rosa in die Augen, während sich unsere Gläser berühren. Auf uns!
Das spritzige, bittere Getränk läuft mir den Rachen herunter und hinterlässt eine süßliche Note auf meiner Zunge. Ich kann mich nicht beklagen -- es schmeckt mir.
"Oh nein! Du hast dich geschnitten!" Rosa schaut bestürzt meinen Oberschenkel an. Der viel zu große Morgenmantel ist mir von den Beinen gerutscht, als ich mich hingesetzt hatte, und ich habe es nicht einmal bemerkt. "Möchtest du ein Pflatzer haben? Nicht dass die Wunde wieder auf geht und dir dein Kleid versaut." Ich bin wirklich froh, jemanden wie Rosa zu haben, denn ich hätte so gar nicht daran gedacht, dass es diese Möglichkeit überhaupt gebe.
"Ich bin abgerutscht.", gebe ich zu und zucke entschuldigend mit den Schultern. "Aber jetzt, wo du es sagst -- ein Pflaster wäre glaube ich schon ganz gut."
"Ich hole dir eins.", lächelt sie mich an und kehrt sich daraufhin um.
Luzys Pinsel fegen über mein Gesicht. Das Puder kitzelt in meine Nase. Frank ist mit den Locken fertig und muss nun nur noch die lockere Hochsteckfrisur herrichten -- ich habe mir gestern versucht seine Schritte zu merken, auch wenn ich weiß, dass ich soetwas nie hinbekommen würde.
"Ist mir bestimmt schon tausend Mal passiert." Daisy macht eine Handbewegung, als würde sie etwas in der Luft wegschlagen und schüttelt in Erinnerungen schwelgend mit dem Kopf, sodass ihre Locken wild um ihr Gesicht toben. "Das wird schon noch."
"Mir ist das auch schon so oft passiert.", höre ich zu meiner Überraschung Luzy sagen. Warum ich mir dachte, dass jemand wie Luzy bei soetwas fehlerlos sein müsste, weiß ich nicht. Aber es beruhigt mich, dass es anscheinend jedem schon einmal passiert ist. Sogar Frank zeigt uns eine Narbe an seinem Kinn, die er sich vom Rasieren im gesicht zugezogen hatte. Ich frage mich, ob Damien sich schon mal beim Rasieren verletzt hat.
Im nächsten Moment kommt Rosa mit einem kleinen Pflaster zurück. "Hier ist noch eins für deine Clutch, für später zum Wechseln -- wenn es denn nötig ist." Vosrichtig klebt sie eines der beiden über die Stelle am Oberschenkel. Bei der Berührung würde ich am liebsten zusammenzucken, da die Stelle noch enzündet zu sein scheint, aber ich schaffe es, mich noch einmal zusammen zu reißen. "Ich tue es dir am besten direkt in deine Clutch.", schlägt Rosa vor und geht zum Kleiderständer, wo mein Kleid, die Schuhe und die Clutch hängen.
"Danke.", bedanke ich mich bei ihr und lenke meinen Blick auf das wundervolle himmelblaue Kleidungsstück, welches ich gleich anziehen darf. Von der Taille aufwärts ist es beinahe durchsichtig, weswegen ich froh bin, dass ich den BH trage, der meiner Hautfarbe am ähnlichsten sieht. Blätter und Ranken aus himmelblauem Stoff bedecken, was bedeckt werden muss. Das seidige Band an der Taille leitet zum Tüllrock über, der bis zum Boden reicht.
Bevor ich es realisieren kann, teilt mir Frank mit, dass auch er fertig ist, und dass sie mir in mein Kleid helfen wollen. "Du wirst so wundervoll aussehen. Gott, es fühlt sich ja fast so an, als wäre das heute deine Hochzeit.", scherzt Rosa und ich muss nervös lächeln. Zwischen tiefen Atemzügen denke ich daran, wie ich mir als Kind immer gewünscht hatte eines Tages zu heiraten. Dieser Traum verflog jedoch relativ schnell wieder, sobald ich älter wurde. Aber Rosa hat Recht -- meine Mutter hatter mir immerzu erzählt, wie die Braut nicht von ihrem zukünftigen Bräutigam gesehen werden darf. Erst, wenn sie sich vor dem Altar in der Kirche treffen. Trotzdem ist jedem bewusst, dass heute definitiv keine Hochzeit stattfindet.
"Ja, genau.", pruste ich los, bin jedoch nur halbwegs anwesend, da mich mein Kleid zum Schweigen bringt. Ich hoffe, Damien wird es genauso sehr mögen, wie ich.
Doch als Rosa es von der Stange nimmt, schrecke ich aus meinen Gedanken auf. Der Zeitpunkt ist gekommen. Es ist soweit.
Vorsichtig helfen mir acht Hände dabei, mich in den Traum eines jeden Mädchens, einer jeden Frau einzukleiden. Obwohl ich natürlich nicht für jedes weibliche Wesen sprechen kann. Mein jüngeres ich wäre in diesem Moment wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen. Zum Glück habe ich mich für flache Schuhe zu meinem langen Kleid entschieden, da ich so gar keine Ahnung habe, wie man auf Schuhen mit Absatz geht, und auf gebrochene Knöchel kann ich gerne verzichten. Es wird ja sowieso niemandem auffallen.
Daisy zieht den Reißverschluss noch das letzte verbleibende Stück hoch -- was nicht sehr weit ist, da das Kleid überwiegend Rückenfrei ist -- da klingelt der Fahrstuhl auf einmal. Unsere Augen richten sich auf die Türen. Rosa und Daisy stellen sich sogar vor mich, damit Damien mich nicht sieht, wenn er in das Apartment kommt.
Jedoch atmen wir alle erleichtert auf, als uns bewusst wird, dass es nicht Damien ist. Stattdessen ist es seine Mutter, die mit ihrem wütenden Gesichtsausdruck die Erleichterung in uns wie ungeschehen wirken lässt.
"Sebastian!", lautet ihr erstes Wort, das mit einer beachtlichen Lautstärke durch das Apartment hallt. Verwirrt schaue ich ihr hinterher, wie sie in Richtung Gästezimmer stürmt, nachdem ihr bewusst wird, dass er sich nicht unter den Personen befindet, die sie gerade verdutzt anstarren. Es bleibt nicht einmal die Zeit, uns zu begrüßen.
Doch kurz bevor sie die Tür des Gästezimmers aufreißt, wird mir bewusst, was sie in den Händen hält -- eine Zeitung, und auf dem Titelblatt ist das Gesicht von Sebastian abgedruckt.
___
Oh nein! Sebastian ist in der Klatschpress gelandet o.O
Was haltet ihr von Birdies Kleid? Wollt ihr ein Bild im nächsten Kapitel sehen? (Es existiert nämlich wirklich) Lasst es mich in den Kommentaren wissen.
Nikolina .xx
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