Kapitel 25
Rosas Pfannkuchen, die sie uns zum Abschied gemacht hatte, sind himmlisch. Morgen kommen Daisy und sie wieder. Sie hatte mir erzählt, dass sie sich um Stylisten -- einen Make Up Artist und einen Friseur gekümmert habe, die morgen an uns testen wollen, wie sie uns am Samstag zurecht machen. Rosa hat mir geschworen, Damien nichts von meinem Kleid zu erzählen, da ich nicht möchte, dass die Überraschung vernichtet wird.
Als ich zu ihm rüber sehe, sind seine Augen bereits auf mich gerichtet. Ich spüre Damiens rechtes Bein an meinem Knie, und Sebastians Schmatzen dringt in mein rechtes Ohr ein. Er liebt Pfannkuchen, und Kakao -- ich mag ihn. Doch Damien scheint schon seit dem Moment, wo er sein Apartment betreten hat, anders als sonst. Aufmerksam beobachte ich, wie er seelenruhig auf seinem Essen kaut, Hände mit Messer und Gaben liegen links und rechts neben seinem Teller. Nur das Bein an meinem Knie, bewegt sich nervös hin und her. Über dem Tisch merkt man ihm nichts an, aber unter dem Tisch ist offensichtlich, dass ihm etwas auf der Zunge brennt. Ich wende meinen Blick von ihm ab, als ich mir die Gabel zum Mund führe. "Die sind so gut! Ich liebe Rosa.", schmatzt Sebastian mit vollem Mund und ich muss kichernd Nicken.
"Wie war es?" Damien ignoriert seinen kleinen Bruder. "Hast du ein Kleid gefunden?" Ich muss zwei Mal schlucken, als mir das Stück Teig im Hals stecken bleibt.
"Mhm.", murmel ich, obwohl mein Mund leer ist, und schiebe schnell eine weitere Gabel mit Essen hinein, sodass ich eine Ausrede habe, warum ich nicht sehr gesprächig bin. Es soll eine Überraschung bleiben, aber ich kann mir schon denken, worauf er hinaus möchte. "Welcher Designer?", fragt er als nächstes, und ich weiß nicht warum, aber auf einmal erscheinen mir Sebastians Pfannkuchen-Reste, die er durch die Schokosoße auf seinem Teller zieht, ganz interessant.
"Sherri Hill." Das ist alles, was ich ihm verraten werde. Ich habe mir geschworen, das mit der Überraschung durchzuziehen. Damien nickt, und als ich mich traue, ihn ein weiteres Mal anzusehen, macht es den Anschein, dass er verstanden hat, dass ich nicht über das Kleid reden möchte, und auf ein mal fühle ich mich schlecht. "Du wirst es ja Samstag sehen.", sage ich schnell und schenke ihm ein breites Lächeln. Er soll auf gar keinen Fall denken, dass ich ihm nicht dankbar dafür bin, dass er mir dieses wundervolle Geschenkt gemacht hat. "Danke noch mal, auch dass du Daisy und Rosa die Kleider schenkst." Ich lege meine Hand auf seine, doch er hält nach wie vor das Messer in ihr. Damien erwidert mein Lächeln und ich streiche über seinen Handrücken.
"Und was ist mit meinem Anzug?", fragt Sebastian mit aufgesetzter, dramatischer Enttäuschung. Er hat endlich keinen vollen Mund mehr, und stattdessen schiebt er sich ein Kaugummi zwischen die Zähne. Sein Atem fegt über den Tisch und meine Augen brennen leicht von der Minze.
"Wow.", lache ich und muss ununterbrochen blinzeln.
"Das ist die Magie des Kaugummis. Es lässt alle Mädels vor Begeisterung weinen." Sebastians verschmitztes Lachen ist ansteckend. Nur Damien scheint nicht nach Lachen zu mute.
"Also habt ihr deine Kleidung in den freien Schrankabteil im Schlafzimmer untergebracht? Das hatte ich Rosa so gesagt." Ich nicke als Bestätigung auf seine Frage, doch dann merke ich, was er plant, und auch Sebastian versteht Damiens Gedanken auf Anhieb.
"Big Bro, verstehst du denn nicht, dass Birdie dich am Samstag überraschen will? Lass doch mal locker." Damien rollt mit den Augen, als sein kleiner Bruder den Nagel auf den Kopf trifft. Oh ja, ich mag Sebastian.
Leise hauche ich ein 'Danke' in die Luft, sodass er es mitbekommt. Er zwinkert mir zu, bevor der Tisch sich unter meinen Ellenbogen bewegt und Sebastian aufsteht, um im Gästezimmer zu verschwinden. Ich hoffe, er wird das Kleid nicht im Schrank entdecken. Jedoch hat er ja schon verstanden, dass ich Damien damit überraschen möchte.
"Hat dir der Pfannkuchen nicht geschmeckt?", frage ich und sehe, dass er das Essen auf seinem Teller seit einer Weile schon nicht mehr angerührt hat. Ich stehe von meinem Platz auf, als er mir weis machen möchte, dass es ihm sehr wohl schmeckt, er nur nicht so ein Staubsauger ist, wenn es ums Essen geht, wie sein kleiner Bruder. Beide Arme lege ich über seine Schultern und streichle über das Hemd, durch das ich seinen trainierten Körper spüre. Es überrascht mich, dass ich mich das einfach so traue. "Ich habe mir heute eine Bluse gekauft -- also, du hast mir heute eine Bluse gekauft, und Rosa, weil sie sie entdeckt hat. Ich kann es kaum erwarten, sie zu tragen. Es ist eine weiße Satinbluse mit Vögeln drauf.", verrate ich ihm stolz. Seine Hand greift nach meiner, als er sanft über meine Haut streicht. Dann küsst er meinen Handrücken.
"Ich würde alles für dich tun, Birdie.", sagt er mir. "Und ich bin überzeugt davon, dass du wundervoll sowohl in deiner Bluse, als auch in deinem Kleid am Samstag aussehen wirst." Seine Worte lassen mich dahinschmelzen, vor allem, nachdem ich in seinem Schlafzimmer vor Daisy und Rosa zusammengebrochen war -- aber verraten werde ich trotzdem nichts. Ich gebe ihm einen Kuss auf den Kopf und als sein Handy auf dem Tisch aufleuchtet, bemerke ich die Uhrzeit.
"Oh verdammt, so spät ist es schon?" Rosa meinte, die Stylisten kommen um acht. Nun ist es fast Mitternacht. Damien schlägt vor, dass ich mich in seinem Badezimmer für das Bett fertig mache und ich nehme das Angebot an. Das kommt mir ganz gelegen, da ja nun meine Klamotten in seinem Schlafzimmer untergebracht sind.
"Ich gehe dann duschen. Musst du noch duschen... heute?", frage ich ihn zögerlich, und hoffe, dass er meine Anspielung versteht. Ich kann nicht anders, als an das Techtelmechtel von Rosa und Daisy vorhin zu denken. Sie haben sich zwar nur leidenschaftlich geküsst und überall angefasst, aber ich bin neugierig, ob das zwischen Damien und mir genau so sein würde. Doch Damien rührt sich nicht, stattdessen sagt er mir, er würde noch seinen Pfannkuchen aufessen und noch etwas Geschäftliches am Telefon klären und dann später nachkommen. Wahrscheinlich geht es um einen Anruf mit dem Anwalt in Amerika, wegen der ganzen Sache mit seiner Schwester, Keira. Ich gebe ihm einen letzten Kuss auf die Schläfe und entferne mich von ihm, um zu seinem Bad zu gehen. Aber als ich am Ende des Flurs zurück sehe, beobachte ich, wie er zu Sebastian ins Gästezimmer verschwindet. Ich verharre, denke für einen Moment nach. Einerseits frage ich mich, warum er mich angelogen hat, anderseits interessiert mich, was er mit Sebastian zu bereden hat, und natürlich hoffe ich über alles, dass er -- aus welchem Grund auf immer -- nicht nach dem Kleid suchen möchte, beziehungsweise es findet. Überraschungen zu planen kann ganz schön stressig sein, so war mir das nicht bewusst.
Im Bad drehe ich die Dusche auf, damit das Wasser Zeit hat warm zu werden, obwohl das bei dieser Hightech-Dusche nur wenige Sekunden dauert. Während das Plätschern des Wasser zu hören ist, suche ich in meinem Schrankabteil nach den Schlafanzügen. Da es aber noch sehr warm ist, was der Hochsommer so an sich hat, entscheide ich mich für ein leichtes Seidenhemd mit Spaghettiträgern, anstelle von den langärmigen Zweiteilern.
Ich werde den hellblauen BH los und lege ihn über das Ende des Bettes. Meine Unterhose, die Socken und auch die Bluse kommen direkt in die Wäschetonne, die Rosa neben die Tür gestellt hat. Die Hose kann ich ja noch mal anziehen, auch wenn es die Einzige ist, die mir nun von meinen Hosen zu groß ist. Rosa sagte mir, ich könne sie behalten.
Im Bad umhüllt der Dampf des heißen Wassers meine nackte Haut. Ich hätte es nicht zu warm stellen sollen, da es eigentlich viel zu warm ist für eine heiße Dusche. Ein Teil von mir wünscht sich, dass Damien jetzt, in diesem Moment bei mir wäre. Aber ich weiß auch, dass ich es wahrscheinlich ein wenig überstürze. Nur weil Rosa und Daisy es tun, heißt es ja nicht, dass auch Damien und ich nun so weit gehen müssen. Vor allem, weil er bisher noch nie wirklich den versuch gewagt hatte, einen Schritt weiter zu gehen, oder?
Ich entdecke eine zweite Shampooflasch, die Rosa für mich gekauft haben muss. Sie steht neben Damiens dunkelbrauner Verpackung und ist silber. Vorsichtig drehe ich sie mit meinen nassen Fingern auf und schäume meinen Körper damit ein. Dann nehme ich das Haarshampoo aus der anderen Ecke, welches Damien und ich uns wohl teilen, und gebe eine gute Menge davon in mein Haar. Ich frage mich, was die Stylisten morgen mit meinen Haaren zaubern werden. Ich könnte mit ihnen nichts anfangen, aber das merkt man ja schon daran, dass ich sie jeden Tag gleich trage -- einfach offen und meistens sogar ungezähmt.
Der Schaum gleitet vermischt mit dem warmen Wasser meinen Körper hinunter und in diesem Moment geht mir abermals der Moment durch den Kopf, als Damien mir das Kompliment über den hellblaune BH machte, der nun über seinem Bett hängt. War das vielleicht seine Art von Hinweis, dass er einen Schritt weitergehen möchte? Ich habe keine Ahnung von Beziehungen. Vielleicht war das ja offensichtlich und ich bin einfach zu blöd, um es zu kapieren? Ich erinnere mich nur an die Nacht, wo seine nackte Haut meine berührte und mich dabe unwohl fühlte. Das ist nun aber auch schon eine Weile her. In der Zwischenzeit haben wir gemeinsam gebaded, ich habe ihn nackt gesehen. Er hat mich nackt gesehen. Es ist viel passiert.
Beim Abtrocknen fällt mir auf, dass Rosa mir auch eine neue Zahnbürste hingelegt hat. Ich stelle mich also mit Handtuch vor den Spiegel und putze mir die Zähne, etwas, an das ich mch noch gewöhnen muss. Ich habe in den Jahren andere Wege gefunden, meine Zähne sauber zu halten -- meistens habe ich jedoch, wie jeder andere Mensch dieser Welt, eine Zahnbürste benutzt -- und Zahnpasta hielt bei mir mehrere Monate, was ein großer Vorteil war, da ich sie dann nicht so oft nachkaufen musste. Seitdem Lucas jedoch verstorben war, hatte ich andere Sorgen. Nein.
So leid es mir tut, ich kann jetzt nicht an Lucas denken -- sonst fange ich gleich wieder an zu weinen. Ich muss lernen, dass ich mich nicht ständig selbst herunterreiße. Kann ich denn nicht ein Mal glücklich sein? Ich muss es wenigstens versuchen.
Mich im Spiegelbild zu sehen ist nach einem Tag voller Spiegel auf einmal nicht mehr ein großes Problem für mich. Der Anblick ist zwar immer noch nicht das, was ich mir wünschen würde, aber ich bin langsam damit vertraut, dass ich nun mal nicht perfekt bin. Ich bin einfach ich, denke ich. Plötzlich muss ich grinsen -- einfach so. Vielleicht ist es auch einfach nur die Erleichterung, dass ich gar nicht erst auf die Idee gekommen war, ein Handtuch über den Spiegel zu hängen. Ich sehe doch tatsächlich einen Fortschritt.
Nach dem Zähneputzen wickle ich das Handtuch von meinem Körper um meine Haare, bevor ich in das Nachthemd schlüpfe und ins Schlafzimmer zurückkehre. Damien liegt auf seiner Seite des Bettes und ich erschrecke mich so sehr, da ich damit nicht gerechnet hatte, dass mir das Handtuch auf einmal halb im Gesicht hängt. Während ich es wieder an Ort und Stelle richte, fällt mein Blick auf den hellblauen BH. Alles in diesem Zimmer wirkt so still und ordentlich, nur der hellblaue BH sorgt für Aufsehen, und auch Damien muss ihn zumindest für eine kurze Zeit angesehen haben. Ich gehe um das Bett, nehme den BH von seinem Platz und tue ihn in die Schublade mit den anderen BHs. "Ich habe auch daran gedacht, von denen mehr zu holen.", sage ich mit dem Rücken zu ihm, damit er mein Erröten nicht erspäht, und beiße mir auf die Unterlippe.
"Hast du das?", fragt er mich und ich höre zuerst sein Schmunzeln in der Stimme, dann, wie er die Position im Bett verändert. Als ich mich undrehe, liegt er auf der Seite, seinen Kopf auf dem rechten Arm gestützt. Ich bewege meinen Kopf langsam, aber entschlossen auf und ab. "Dann kann ich mich ja wirklich glücklich schätzen." Das Beißen auf meiner Unterlippe verwandelt sich in ein verschmitztes Lächeln. "Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.", führt er fort und mein Lächeln verschwindet auf Anhieb. Und auch wenn ich zugeben muss, dass ich auf eine andere Antwort von ihm gehofft hatte, kann ich mir nichts vormachen. Er hat Recht, es muss der richtige Zeitpunkt sein, und nicht an einem Tag, wo ich von Rosa und Daisy zu so etwas inspiriert wurde. "Hey, was ist denn?" Damien setzt sich aus.
Ich schüttle meinen Kopf. "Nichts. Du hast einfach nur Recht." Ich setze mich auf meine Seite des Bettes und lehne mich zu ihm, um ihn zu küssen. "Außerdem muss ich morgen früh raus, und ich habe gehört, dass soetwas ganz schön anstregend sein kann." Bevor ich meine Worte filtern kann, habe ich meine Gedanken frei ausgesprochen. Es ist mir so unglaublich peinlich, dass ich meine Hände vor den Mund presse. Doch Damien lacht nur.
"Ja, das mag sein." Dann wird seine Stimme wieder sanfter. "Der richtige Zeitpunkt wird kommen.", verspricht er mir und streicht mir mit der Hand eine nasse Strähne aus dem Gesicht. "Aber erst einmal ist Samstag die Benefiz-Veranstaltung."
"Apropos, was für eine Veranstaltung ist das nun eigentlich? Wo gehen zum Beispiel die Spenden hin?", möchte ich wissen, auch wenn es eigentlich zum Teil der verzweifelte Versuch ist, das Thema zu wechseln. Dies scheint sein Grinsen noch breiter werden zu lassen.
"Das wirst du Samstag erfahren.", haucht er und spielt dasselbe Spiel mit mir, was ich theoretisch und praktisch gerade ihm aufzwinge. Ich hingegen habe kein Problem damit, es erst am Samstag zu erfahren.
"Dann erwartet uns beide am Samstag wohl Überraschungen." Mein aufgesetztes Lächeln lässt ihn verzweifelt Aufatmen.
"Das werden die zwei längsten Nächte meines Lebens.", seufzt Damien, bevor er vom Bett aufsteht und im Badezimmer verschwindet.
- Überraschung! Ich hatte letzte Nacht so eine Schreiblust, dass ich mein (wohl) längstes TRUU-Kapitel geschrieben habe, und ich konnte nicht mehr aufhören. Die nächsten Kapitel werden wohl früher kommen, als geplant, weil ich momentan einfach sehr in dieser Geschichte drinstecke und mich super freue, endlich wieder für euch veröffentlichen zu können. Ich hoffe, euch gefällt es. Yay. --
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