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"Okay", sagt Keira: "Dann veröffentliche ich sie nicht. Kein Problem. Aber jetzt komm erstmal an. Du siehst aus, als hättest du gerade einen Geist gesehen. Alles gut?"
"Hör' zu. Ich muss den Weisen ein für alle Mal auslöschen. Solange jemand sich an die Geschichte und den Weisen erinnert, wird er nie verschwinden."
"Aber selbst, wenn ich sie nicht veröffentliche, werde ich mich noch daran erinnern."
"Oder jemand anderes wird kommen, um dich daran zu erinnern." Ich verharre in meinen Überlegungen. Jedes Szenario könnte böse ausgehen.
"Ist wirklich alles okay?"
Sie versucht mir in die Augen zu blicken, aber nur über meine Leiche werde ich zulassen, dass sie Blickkontakt zu einem Mörder aufbaut. Am besten, sie weiß nicht, was passiert ist. Sie muss sich jetzt auf ihren Auftrag konzentrieren.
"Alles super", gebe ich schnell bekannt: "Wir müssen einen Weg finden, wie er für immer weg ist."
"Ich lösche die Geschichte, geht das?" Sie kommt einen Schritt auf mich zu, doch ich drehe mich von ihr weg.
"Das werden wir sehen. Du löschst sie und alle Kopien um Punkt zwölf. Das ist in fünfzehn Minuten. Bekommst du das hin?"
"Ja. Das ist kein Problem. Brian, ich mache mir Sorgen um dich. Was ist los? Sag' mir die Wahrheit." Keira greift nach meiner Hand. Sie ist ganz warm im Gegensatz zu meiner. Fast so wie das Blut, das eben noch dort geklebt hat. Zum Glück ist es mir nicht in diese Welt gefolgt.
Ich drehe den Kopf leicht in ihre Richtung. "Du meinst so, wie du sie mir gesagt hast?"
Kurz blicke ich ihr in die Augen, bevor ich mich von ihr löse. Sollte ich sie diesmal wirklich zum letzten Mal sehen, möchte ich den Anblick ihrer Augen als Erinnerung mitnehmen.
Keira bleibt still und erwidert nichts darauf. Wäre auch unnötig. Es würde nichts an meiner Handlung im Gemeindehaus ändern.
"Da ist noch was. Lösch' auch meine Geschichte."
"Was? Das geht nicht, Brian. Ich habe doch schon gesagt, dass ich dich nicht rausnehmen kann. Du wärst für immer verloren. Ich liebe dich, Brian", sie macht eine kurze Pause und lässt die Stille gewähren: "Außerdem wären die anderen aus deiner Sekte auch tot."
"Das ist egal", ich wende mich ihr wieder zu und blicke zu ihr. Verunsichert hat sie die Arme vor der Brust verschränkt. "Sie sind schon alle tot."
Ich ertrage weder die Tatsache, ihr unbeabsichtigt davon erzählt zu haben, noch ihren erschrockenen Blick, der mich als eiskalten Mörder sehen muss. Es ist wohl keine Frage, ob sie das Passierte von alleine verstanden hat.
"Brian, das tut mir leid. Was ist passiert? Es tut mir so leid. Ich hätte dir helfen sollen."
Ich drehe mich missmutig weg, als sie wieder näher kommt. Kaum berührt sie meinen Arm, sprudeln die Erinnerungen an unseren Kuss und die Offenbarung an meine Bestimmung wieder ein und damit alle Folgen. Ich zucke zurück.
"Mir rennt die Zeit davon. Denk' dran. Punkt Zwölf. Ich vertraue dir."
Ich will schon die Hand aufs Buch legen, als Keira mich noch einmal aufhält.
"Brian. Denk' dran. Das, was in diesem Buch steht, sind nur Notizen. Die machen dich nicht aus. Du bist kein-." Ihre Stimme bricht.
"Mörder?", beende ich ihren Satz: "Doch. Das bin ich und ich kann's nicht mehr ändern. Bitte, lösche den Weisen aus. Zumindest das kann ich Core Basis noch geben."
Keiras Gesicht kommt näher. Kurz überlege ich, ob ich es verhindern soll, doch etwas zieht mich an ihr an. Ich kann mich dem nicht entziehen.
Behutsam küsst sie meine Wange. Mir steigt der Geruch ihres Kräuter-Shampoos in die Nase. Das wird mir fehlen.
"Bis bald, Brian."
"Bis bald, Keira."
Die Wut auf sie ebbt ab. Wie kann ich diesem Mädchen jemals so lange wütend sein? Das scheint mir einfach unmöglich.
Damit reise ich zurück. Sie wird mir fehlen. Ich hoffe, dass ich diese Kraft nutzen kann, um meinen Feind zu bekämpfen. Der Vernichtungsplan in meinem Kopf steht. Jetzt muss nur noch das Timing stimmen.
Als ich mich angekommen in einer Gefängniszelle wiederfinde, fluche ich. Nicht nur das Timing, sondern auch der Ort muss stimmen. Der Weise muss das Buch hier hereingelegt haben. Dieser verfluchte Mistkerl. Ist mir immer einen Schritt voraus. Ich prüfe das Tor. Natürlich ist es abgeschlossen. Dieser Idiot muss wissen, was ich vorhabe.
Und jetzt?
Auf einmal leuchtet das Buch hell auf, als hätte ein Unsichtbarer gerade den lateinischen Zauberspruch aufgesagt. Ich gehe darauf zu und will es schon aufschlagen, da kommt mir das Versprechen an Keira in den Sinn. Ich soll nicht in ihren Notizen lesen.
Auch, wenn der Weise sicherlich längst weiß, was drin steht, kann ich mich nicht dazu überwinden, Keiras Bitte auszublenden. Es ist nur diese einzige Bedingung von ihr.
Auf der anderen Seite habe ich keine andere Wahl. Reise ich zurück, bin ich genauso gefangen wie hier, während der Weise ganz Core Basis weiter gegen mich auflehnt. Was soll ich tun?
Erneut blitzt das Buch auf. Nach einem gewagten Blick aufs Cover kann ich die Worte darauf entschlüsseln.
Schlag' es schon auf. Ich erlaube es.
Ohne Zweifel erkenne ich die Schreiberin. Ich zögere nicht länger und schlage die erste Seite auf.
Vielleicht helfen dir die Notizen, um deine Heimat und deine Familie zu retten.
Sei vorsichtig.
In Liebe
Keira
Sorgfältig streiche ich über ihren Namen und bereue es im nächsten Moment wieder, sie zum Abschied nicht richtig behandelt zu haben. Ich könnte mich dafür selbst schlagen, wie so oft schon.
Ich beginne auf der nächsten Seite zu lesen, nachdem ich mich hingesetzt habe. Das Licht ist zwar sehr schwach und es stinkt nach Abfall, aber das alles blende ich aus, als ich unfassbare Ideen lese.
Kill or Die
- Protagonist: Brian Lastwood
- Beste Freunde: Joyce Brenton, Sten West
- Klassenkameraden: Lucas, Ellen, Eric, Lucy, Damian, Paul (ect.)
- Lucas: will Schlagzeuger werden
- Ellen: will Polizistin werden
- Eric: spielt gerne Fußball mit Damian, will Fußballer werden
- Lucy und Paul: verliebtes Paar an der Schule, wissen noch nicht, was sie werden wollen, aber wollen studieren
- Joyce: beste Freundin von Brian und Sten, will Lehrerin werden und den Schülern ihr Wissen weitergeben, intelligent, vorsichtig, nicht risikofreudig, verliebt sich später in Sten
- Sten: Bester Freund von Brian und Joyce, will Präsident werden, um das Gesellschaftsleben zu verbessern
- Brian: seine Freunde bedeuten ihm alles, will später
Ich werde durch das Geräusch von Schritten aus meiner Vertiefung gerissen, die sich zu nähern scheinen. Immer noch emotional aufgewühlt, hebe ich den Blick und erkenne einen kleinwüchsigen Jungen mit Sommersprossen auf der Nase.
"Finnley?", frage ich ins Dunkle. Ich hätte nicht gedacht, ihn jemals lebendig wiederzusehen. Er ist niemals rechtzeitig abends aufgetaucht und hat vermutlich jede Nacht draußen schlafen müssen, weil er nicht mehr ins Gebäude gekommen ist. Es ist bestimmt Monate her, seit ich ihn das letzte Mal im Speisesaal neben einigen anderen Mitbewohnern am Tisch sitzend gesehen habe. Er hat sich grundlegend kein bisschen verändert. Wie auch, wenn man äußerlich nicht altert?
Finnley grinst breit und zeigt mir augenblicklich die Schlüssel zur Freiheit, die er nun klimpernd hin- und herschwingt. Ich bin so froh, ihn zu sehen.
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