Chapter 39: Manchester
Eleanor
„Ausgerechnet eine Kanadierin!" Stumm starrte ich aus dem Fenster hinaus und versuchte Grandmas Kommentare über die Frauenwahl meines Cousins zu überhören. „Max hätte jede haben können. England hat solche schönen Mädchen und dann entscheidet er sich für eine Kanadierin!"
„Grams, sie hat auch einen Namen", murmelte ich genervt. July warf mir von der Seite einen kurzen, überforderten Blick und schaute dann schnell zurück auf die Straße um zu vermeiden einen Unfall zu bauen.
„Noch ein Punkt, der unmöglich ist! Welche Eltern nennen seine Tochter Lola?!"
„Hm, ich würde mal sagen, Max' Schwiegereltern in spe?"
Und wieder einmal bereute ich die Entscheidung Grams mitgenommen zu haben. Besser gesagt bereute ich es, dass Max mich gebeten hatte unsere Großmutter zu fragen, ob sie mitkommen möchte und ich zugesagt hatte. Die Fahrt nach Manchester war nun wirklich nicht allzu lang, vielleicht vier Stunden, aber mit ihr im Auto fühlte es sich so an, als wären wir vier Tage unterwegs.
„Woher kommst du überhaupt, Kindchen? Eleanor hat mir erzählt, dass du erst vor ein paar Monaten nach London gezogen bist."
„Aus Bristol, Mrs...Jane", korrigierte sie sich, bevor Grams erneut anfangen konnte ihr klar zu machen, dass sie gefälligst nicht Mrs. Calder genannt werden wollte. Das war dann wohl eine ihrer größten Macken - mal ganz von der Directioner - Seite abgesehen.
„Sehr gut." Grandma schien sehr zufrieden mit Julys Antwort zu sein. Noch eine Eigenschaft: England und die Queen waren für sie heilig.
„Kannst du bitte das Radio ausschalten, July?", fragte ich als ich die ersten Töne von Live While We're Young ausmachte. Sie kam sofort meiner Bitte nach, doch nun füllte ein unangenehmes Schweigen das Innere des Autos.
„Willst du nicht mal langsam mit ihm reden, Elli? Es ist fast einen Monat her und ich glaube, dem Jungen tut es wirklich leid. Ich habe sie erst vorgestern im Fernsehen gesehen und Louis sah sehr, sehr schlecht aus. Er hat mit Sicherheit nicht viel geschlafen. July, du weißt doch bestimmt, wie es ihm geht...du bist doch mit Harry befreundet, oder?"
Ich kniff meine Augen zusammen und lehnte meinen Kopf gegen das kühle Fensterglas. Das war der Grund gewesen, weswegen ich bei July und nicht bei Grams untergekommen war - sie redete ununterbrochen davon, dass ich Louis doch endlich verzeihen sollte und jeder Mensch eine zweite Chance verdient hatte. Wenn es um letzteres ging, gab ich ihr sogar Recht, aber sie verstand einfach nicht, dass ich etwas Zeit für mich benötigte.
„Ja schon...Harry selbst geht es auch nicht gerade besser, weil ich das schlechte Gewissen gegenüber Eleanor plagt", erklärte July und ich sah im Augenwinkel, wie sie mir einen kurzen Blick zuwarf. Sie hatte mir zuliebe die letzten Wochen vermieden über Harry zu reden. Das schien, jetzt wo meine Großmutter dabei war, nicht mehr zu gelten. „Er und Louis haben sich, soweit ich das mitbekommen habe, wieder vertragen, auch wenn das Verhältnis etwas angespannt ist, aber jetzt unterstützt er ihn dabei Eleanor zu finden und zu kontaktieren. Ich musste ihn deswegen anlügen..."
Den leichten Vorwurf, der darin mitschwang, ignorierte ich gekonnt. Grams seufzte angestrengt und tätschelte mit ihrer Hand meine Schulter, während sie meinen Namen murmelte. Ich biss mir auf meine Zunge, um einen schnippischen Kommentar zu vermeiden. Kein Mensch verstand, weshalb ich Louis nicht antwortete - keine dachte daran, wie ich mich bei der ganzen Sache fühlte.
„Versprich mir, dass du mit Louis redest, sobald wir wieder in London sind." Ich sah in den Rückspiegel und blickte direkt in die grünen Augen meiner Großmutter, die mich sanft anschauten.
„Ich verspreche es", antwortete ich. Sie kniff die Augen etwas zusammen, als sich ihre Lippen zu einem zufriedenen Lächeln verzogen.
_________________
„Eleanor!"
Kreischend fiel Lola in meine Arme, nachdem ich aus dem Auto gestiegen war. Die Blondine war beinahe einen ganzen Kopf kleiner als ich, hatte dafür aber eine Stimmgewalt einer kompletten Fußballmannschaft.
„Ich freue mich so dich zu sehen! Seid ihr gut gefahren? Wie geht es dir? Oh Gott, du bist sicher July." Lola hüpfte wie ein Osterhase auf LSD auf und ab und klatschte begeistert in ihre Hände, ehe Max Näher trat und beruhigend eine Hand auf ihre Schulter legte.
„Lass uns erstmal ankommen, Fräulein", grummelte Grams, die ebenfalls aus dem Auto stieg und ihre Jacke glatt strich, ehe sie sich aufrichtete und Lola mit scharfem Blick beäugte. Ich hatte keine große Möglichkeit Grandma zu bitten ein wenig freundlicher zu Max' Verlobten zu sein, denn ich wurde an meinem Handgelenk etwas beiseite gezogen.
„Wie geht's dir Cousinchen?" Max schloss mich in seine Arme und ich war einfach froh ihn endlich wieder zu sehen. Ich versuchte sogar die kritischen Kommentare meine Grams, die sie Lola gegenüber ausließ, zu ignorieren, nur um ein paar Momente Max' Anwesenheit zu genießen.
„Gut", murmelte ich und er stieß ein Schnauben aus, das mich die Augen verdrehen ließ. War klar, dass er mir das nicht abkaufte.
„Ich hab ihn von Anfang an nicht gemocht", brummte er in mein Ohr und langsam brachte ich etwas Abstand zwischen uns, um ihn wissend anzusehen. Max' Stirn war in Falten gelegt, während ein besorgter Blick in seinen braunen Augen lag.
„Das habe ich gemerkt", antwortete ich und spielte auf das Familienfest in Grams Garten an, das nicht mal zwei Monate zurück lag.
„Max, das ist July, eine meiner besten Freundinnen. July, das ist Max, mein Cousin", stellte ich die beiden vor.
„Du hast vergessen zu erwähnen, dass ich dein Lieblingscousin bin."
„Du bist mein einziger Cousin, Max", sagte ich und konnte nicht verhindern, dass sich meine Mundwinkel belustigt nach oben zogen. Max zwinkerte mir einmal verschwörerisch zu, ehe er sich an July wandte.
„Danke, dass du dich so um El gekümmert und bei dir aufgenommen hast."
„Man tut, was man kann", zuckte sie mit den Schultern und wurde ebenfalls in eine Umarmung von meinem Cousin gezogen. July wirkte nicht halb so überfordert, wie ich es an ihrer Stelle vielleicht gewesen wäre, hätte mich ein Fremder umarmt, aber anders kannte ich sie auch nicht.
„Könnten wir vielleicht ins Haus gehen? Ich habe vergessen, wie kalt Manchester im Oktober ist." Grams trat zu uns heran und mit uns Lola, die schon jetzt leicht genervt aus. Sie tat mir leid, denn wenn man von Grandma nicht gemocht wurde, hatte man es nicht leicht im Leben.
„Bei uns herrschen gerade die gleichen Temperaturen wie in London, Grandma", sagte Max mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ich seufzte angestrengt, als sich Grams Lippen zu einer schmalen Linie zusammenpressten.
„Lass uns einfach ins Haus gehen, okay?" Sagte ich, wohlwissend, dass Grams sonst wieder angefangen hätte zu protestieren. Max nickte und während wir uns auf den Weg machten, griff ich nach Lolas Hand und drückte sie aufmunternd, was sie mit einem dankbaren Lächeln quittierte.
Die Wohnung, die Lola und Max sich zugelegt hatten, gefiel mir. Sie war nicht war größer als meine, was bei zwei Personen nicht ganz unlogisch war, wirkte ziemlich modern und war trotzdem mehr als chaotisch. Ich glaubte, dass keine einzige Garnitur in irgendeinem Raum zusammenpasste, denn die Möbelstücke waren einfach zusammengewürfelt, aber es passte einfach zu den beiden.
Mit mehreren Tassen Tee und frischem Kuchen (Lola hatte mir gestanden, dass sie diesen schnell in der Bäckerei besorgt hatte) verkrümelten wir uns alle ins Wohnzimmer. Die Stimmung war entspannt. Lola verstand sich prächtig mit July und weihte sie in ein paar ihrer Pläne für die Hochzeit ein, wohingegen Max Grams und mir von seinem Vorhaben Lehrer an einer Primary School zu werden, erzählte.
„Junge, dann musst du wirklich zum Frisör gehen, damit dich die Schüler nicht für die neue Sekretärin halten!", meckerte Grams an Max' Frisur rum. Lola lehnte sich angestrengt seufzend in ihrem Sessel zurück und schloss für einige Sekunden die Augen, während July anfing zu kichern. Grinsend lehnte ich mich ebenfalls zurück und zog nebenbei mein Handy aus meiner Hosentasche, das gerade vibriert hatte.
Ich habe es schon tausende Male versucht, aber bitte, melde dich, Eleanor.
- Louis
Schluckend hob ich meinen Kopf und ließ mein Handy sinken. Mit einem angespannten Lächeln auf den Lippen sah ich zurück in die Runde, die meinen plötzlichen Stimmungswandel nicht mitbekommen hatten. Wieso hatte ich diese Nachricht bloß geöffnet?
„Hey Max", stupste ich meinen Cousin vorsichtig an, der sein Gespräch mit Grams unterbrach, um mich anzugucken. „Kannst du mir sagen, wo euer Bad ist?"
„Die Tür gegenüber von der Küche. Müsstest du gleich finden", sagte er und nickend erhob ich mich von der Couch. Ohne jemanden einen weiteren Blick zu würdigen, verschwand ich aus dem Wohnzimmer und flüchtete beinahe ins Bad.
Ich schloss die Tür hinter mir und atmete einmal tief die Luft ein. Ein zittriges Lachen verließ meinen Mund als ich die pinke Badezimmerdekoration entdeckte und nach einem kurzen Rundumblick setzte ich mich auf den Badewannenrand. Max musste Lola wirklich abgrundtief lieben, wenn er zuließ, dass sie ihre gemeinsame Wohnung in ein Hello Kitty - Paradies verwandelte.
Unschlüssig, was ich jetzt tun sollte, spielte ich mit dem Handy in meinen Händen. Es war die erste SMS von ihm, die ich seit langem gelesen hatte - sonst hatte ich sie sofort gelöscht. Seufzend entsperrte ich mein Telefon, nur um erneut die Nachricht zu lesen und ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, tippte ich auf Nachricht verfassen.
Lass mich bitte in Ruhe.
- Eleanor
Stumm starrte ich den Bildschirm an, der sich nach einigen Sekunden wieder verdunkelte. Ich hatte ihm nach fast vier Wochen das erste Mal geantwortet und ein mulmiges Gefühl machte sich in meinem Inneren breit. War es ein Fehler gewesen, dass ich reagiert hatte?
Spätestens als mein Handy in regelmäßigen Abständen zu Vibrieren begann und Louis' Name aufleuchtete, wusste ich, dass es falsch gewesen ist. Ich drückte ihn ohne weiteres weg.
Ich werde nicht mit dir telefonieren, Louis. Bitte gib mir etwas Zeit.
- Eleanor
Meine Hände zitterten. Ich biss mir krampfhaft auf meine Zunge, um mich zusammen zu reißen. Ich hätte es nicht zulassen dürfen, dass ich ihm antworte. Ich wusste, dass meine aufgebauten Mauern, die meine Gefühle in Schach hielten, das nicht aushalten würden. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich eine weitere SMS erhielt und wieder hielt ich mich nicht zurück, sie zu lesen.
Ich gebe dir alle Zeit der Welt, nur lass mich irgendwann alles erklären.
Ich vermisse und liebe dich, mein Teemädchen.
- Louis
„Eleanor?" Ich schreckte hoch, als jemand gegen die Badezimmertür klopfte. Hektisch wischte ich mir mit meinem Handrücken die Tränen weg, die sich aus meinen Augenwinkeln gestohlen hatten und entriegelte anschließend die Tür, um meine Großmutter herein zu lassen.
„Ich wusste, dass etwas nicht stimmt." Ohne ein weiteres Wort schloss sie mich in ihre Arme und drückte mich fest an sich. Meine Lippen bebten, als ich verzweifelt versuchte den Drang zu Weinen zu bekämpfen, mich jedoch schließlich geschlagen geben musste. Das erste Mal seit Wochen hörte ich auf die Starke und Unnahbare zu spielen.
Grams drückte mich zurück auf den Badewannenrand und setzte sich neben mich, ehe sie ein Taschentuch hervorzog und vorsichtig die Tränen von meinen Wangen wegtupfte.
„Ich vermisse ihn so sehr, Grams", brachte ich unter leisen Schluchzern heraus. Ohne etwas zu sagen, nickte sie einfach nur verstehend. „Es ist so schrecklich jemanden zu lieben, an den man nicht denken sollte, damit es einen nicht selbst zerstört."
„Ich weiß", flüsterte sie und strich beruhigend meinen Rücken mit ihrer Hand auf und ab. Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie versuchte mich zu trösten. „Ich vermisse deinen Grandpa auch jeden Tag ein Stückchen mehr."
„Grams", hauchte ich mit leichtem Nachdruck. Ich wusste, dass sie nicht oft über Grandpa redete, seitdem er vor fast vierzehn Jahren an einem Herzinfarkt gestorben ist. Ich war sieben und hatte es noch nicht verstanden gehabt. Es war das erste und einzige Mal, dass ich meinen Vater hatte weinen sehen. Ein paar Monate später war Grams dann aus Manchester zu uns nach London gezogen.
„Sh, es ist okay, Elli", flüsterte sie und schloss mich in ihre Arme. Ich bettete meinen Kopf auf ihrer Schulter und starrte stumm auf die pinke Badematte, die vor uns auf den Fliesen lag. „Es hat eine Weile gedauert, aber ich habe mich daran gewöhnt ihn nicht mehr sehen zu können. Trotzdem weiß ich, dass er immer bei mir sein wird."
„Wie lange ward ihr zusammen?", fragte ich leise, ohne meinen Kopf zu heben. Grams schwieg einen Moment, bevor sie plötzlich etwas umständlich mit ihrer Hand an ihrem Oberteil herumzupfte. Eine Kette mit einem Anhänger erschien in meinem Blickfeld und als ich etwas genauer hinsah, erkannte ich, dass der Anhänger ein goldener Ehering war.
„32 Jahre. Ich war neunzehn und er war meine erste große Liebe." Sie lächelte. Ich hörte an der Art, wie sie sprach, dass sie lächelte und automatisch zogen sich auch meine Mundwinkel ein Stück nach oben.
„Ihr ward sicher glücklich."
„Schön wäre es", lachte sie leise und langsam setzte ich mich wieder auf. In Grams Augen glitzerten kleine Tränen, aber sie wirkte nicht traurig - eher befreit und glückselig. „Du glaubst gar nicht wie oft ich mich mit diesem Dickschädel gestritten habe. Mein wunderschönes Service aus Paris hatte bei einem unserer Streits darunter leiden müssen."
„Und ihr ward trotzdem so lange zusammen", murmelte ich und starrte den Ehering an. Ein ganz feiner, ohne großen Schnickschnack versehener, Ring, der so schlicht und dennoch wunderschön aussah.
„Weißt du, Elli, dein Grandpa und ich kommen aus einer Zeit, da hat man kaputte Dinge repariert, anstatt sie wegzuwerfen." Sie ließ die Kette, an der der Ring hing, wieder unter ihrem Oberteil verschwinden und lächelte mich aufmunternd an. „Gibt Louis die Chance es wieder gut zu machen. Er kämpft um dich und wenn er dich nicht lieben würde, würde er das nicht machen. Das zwischen euch beiden ist etwas Besonderes und es sollte wegen einem Fehler nicht verloren gehen. Louis ist auch nur ein ganz normaler Mensch."
AN: Heute ohne viele Worte: An der Seite findet ihr eine persönliche Videobotschaft von mir, wo ein paar Fragen beantwortet werden und die angekündigte Überraschung enthüllt wird :)
Ich kann einfach nicht glauben, dass ich die ganzen Votes, Kommentare, Mails und Aufrufe erhalte! Vielen, vielen Dank dafür.
Ich liebe euch :*
Eute Leonie
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro