Four
Four:
unfreiwillige Wahrheit
„Abend."
Rachel blinzelte.
„Epps?"
Dieser quetschte sich an ihr schnell vorbei – erneut.
Das wollte sie eigentlich nicht zur Gewohnheit werden lassen.
„Ich brauch mal deine Hilfe." Er sah in den Flur zu ihr zurück.
„Könntest du leiser sein?", bat ihn die dreißigjährige und schloss ihre Haustür. „Ich habe Teddy gerade schlafen gelegt."
Es war grade einmal der zweite Januar. Sie hatte nicht oft die Gelegenheit, so knapp hintereinander Besuche vom ehemaligen Soldaten zu bekommen.
„Glaub mir." Er befreite sich aus seinem Mantel. „Du schreist, wenn du es erfährst." Er sah sich verwirrt um. „Wo ist Sideswipe?", hakte er nach.
Rachel trat näher und lehnte sich gegen ihren Türrahmen. „Noch auf der Arbeit", erklärte sie ihm. „Er arbeitet und hockt nicht ständig hier herum."
„Oh", machte Epps erstaunt. „Wie faszinierend."
Er zog aus seinem Mantel mal wieder ein Stück Papier hervor. Damit wedelte er herum. „Ich habe vielleicht noch etwas gefunden."
Rachel zog eine Augenbraue hoch. „Und was?"
„Big Buddha." Er fing zu grinsen an.
Rachel sah hinter sich, riss denselben Witz wie am Abend zuvor mit Sideswipe. „Ich wusste nicht, noch mehr Autobots zu beherbergen."
„Nein, nein!" Er schüttelte heftig den Kopf und gestikulierte indem er die Arme hob und wild herumfuchtelte.
„Was willst du mir denn mitteilen?" Die brünette seufzte. „Du bist nämlich total hyperaktiv."
Der dunkelhäutige Mann stöhnte entnervt und wedelte dann mit dem Papier und faltete es auf dem Tisch auseinander. „Ich habe den Großen höchstwahrscheinlich endlich gefunden", stellte er klar. „Es hat mich meine Feiertage gekostet." Die wären sowieso nicht allzu interessant verlaufen, glaubte er. „Interessiert?"
Er hob den Kopf und sah Rachel in ihre grauen Augen.
Ihr entgleisten die Gesichtszüge.
„Da fragst du noch?!", sagte sie laut und fing breit zu grinsen an.
Nur Teddy nebenan meldete sich und begann zu weinen.
Rachel seufzte resigniert. „Scheiße", fluchte sie trocken.
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„Okay, der Hosenscheißer schläft wieder." Die ehemalige Liaison klatschte in ihre Hände. „Wo waren wir stehen geblieben?", hakte sie nach.
„Bei Optimus Prime." Epps atmete tief ein. „Und Texas."
Epps wollte weitersprechen als er den Kopf drehte und Rachel verwirrt hinter sich blickte.
Dort stand ihr Sohn. Mit dem Daumen im Mund und seinem Teddybären in der Hand.
Sie atmete tief ein. „Darfst du alleine aus dem Bett aufstehen?"
Er nickte rotzfrech und lächelte zu seiner Mom hoch, ehe er die Hände ausstreckte.
„Mummy", sagte er und tief einatmend beugte sie sich hinab und hob ihn hoch.
Er schmiegte sich an sie und summte leise.
„Er hat nicht geschlafen, gehe ich von aus."
„Nop." Rachel hob die Hand und strich ihm über den Rücken. „Ich bin gleich wieder zurück." Und schon setzte sie sich erneut in Bewegung.
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„Und?"
Sideswipe grinste und schloss die Haustür. „Wie war dein Tag?"
Teddy hin- und herwiegend lief sie zu ihm. „Großartig." Sie lächelte. „Und deiner?"
Sideswipe sah zu Teddy hinab und strich ihm ein paar Haarsträhnen aus der Stirn. „Er hat schlecht geschlafen", kommentierte er's und nahm ihr den Kleinen ab.
Sie streckte erleichtert ihre Arme aus.
„War die Mom wieder gemein und hat dich nicht schlafen lassen?", fragte er Teddy, der ihn anblinzelte. „Hattest du Männerbesuch?"
„Was?" Rachel lachte und folgte den beiden als sich der Transformer in Bewegung setzte. „Nein", antwortete sie erst. „Ja", korrigierte sie sich. „Aber es war nur Epps."
„Wieso war er hier?"
Sideswipe hob die Augenbrauen und verlagerte das Gewicht, damit er den Kühlschrank öffnen konnte
„Wir müssen morgen einkaufen." Er seufzte resigniert und blickte auf die wenige Auswahl im Kühlschrank hinab.
„Ja, aber vielleicht willst du mir heute erst mal zuhören", entgegnete Rachel mit vorgeschobener Unterlippe.
„Kann ich auch erst mal was essen?", erwiderte das Hologramm. „Ich hab den ganzen Tag noch nichts im Magen gehabt und-"
„Epps hat höchstwahrscheinlich Optimus gefunden."
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„Und du willst das durchziehen?", fragte Miranda.
„Ich habe sie schon einmal im Stich gelassen", sagte sie. „Wenn ich die Chance bekomme, es wieder gutzumachen, dann ergreif ich sie."
Teddy schrie erfreut auf. „Balla!"
Er klatschte in seine Hände und nahm den Ball Mine ab, die mit ihm auf dem Boden saß und ihn beschäftigte.
„Kannst du ihm denn trauen?", fragte Nessa.
Sie runzelte die Stirn. Es war vielleicht zu riskant. Doch auch sie sorgte sich. Vielmehr sorgte sie sich aber um Sideswipe und um Rachel. Dass die beiden sich zu sehr reinhängten und am Ende enttäuscht würden.
„Ich kann ihm trauen." Rachel nickte. „Epps ist niemand, der seine Freunde im Stich lässt oder verrät. Er war immer auf ihrer Seite. Zu jeder Zeit."
„Ich stimme Rachel zu", sagte Sideswipe. „Er hat auch Wort ergriffen, wenn man gegen uns war. Immer."
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„Ich geh mir noch einen Mitternachtssnack gönnen." Nessa zuckte mit den Schultern und erhob sich.
„Fall nicht in den Kühlschrank." Rachel verdrehte ihre Augen.
„Ich gebe mein Bestes", scherzte die zweiunddreißigjährige in der Küche angekommen.
Seufzend öffnete die Blondine die Tür des Kühlschranks.
Sie sah sich um und überlegte, auf was sie gerade Hunger hatte. Doch dann sprang ihr etwas ins Auge.
Eine Flasche. Sie bestand aus Glas und war mit heller blauer Flüssigkeit gefüllt.
Stirnrunzelnd holte sie den Behälter heraus. Und sie war erstaunt.
Trotz des Kühlschrankes war die Flasche in ihrer Hand warm. Sie öffnete neugierig die Flasche und roch dran.
Doch beim Geruch erkannte sie es dann.
Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
Jahre hatte sie nichts mehr gehabt und war auf Alternativen umgestiegen.
Sie hob es ohne groß zu überlegen an ihre Lippen.
„Was tust du da, Vanessa?"
Erschrocken senkte sie die Flasche und fuhr herum.
„Entschuldige", gab sie sofort von sich.
Sideswipe hob beide Augenbrauen. „Nimm's mir nicht böse, aber du willst Energon nicht trinken."
Sie sah auf den Inhalt der Flasche hinab. „Das ist also Energon?", fragte sie.
„Ein Schluck pro Woche reicht, um uns am Leben zu erhalten, aber", seine Mundwinkel zuckten, „Mittlerweile lebe ich schon fast ohne dieses Zeug. Die Erde hat gesunde Alternativen."
„Alternativen", sprach sie murmelnd nach und fuhr den Rand des Deckels nach.
Trotzdem konnte nichts den Magen so füllen, wie Energon. Das sollte er mal nach zwanzig Jahren behaupten.
„Ich höre ein aber", sagte sie und sah ihn aus ihren dichten Wimpern hervor an.
„Aber es reicht für einen Menschen auch nur ein Tropfen und es könnte aus sein." Der Autobot seufzte.
„Aus?", hakte sie nach und hob die Augenbrauen an.
Davon hatte sie noch nie gehört.
„Energon ist für Menschen hochgiftig", erklärte er ihr und trat näher an sie heran. „Deswegen müssen wir uns, wenn Teddy älter wird ein neues Versteck aussuchen."
Er kehrte ihr schmunzelnd den Rücken zu als er zusah, wie sie die Flasche wieder schloss. „Stell es einfach wieder zurück", bat er sie.
Sie nickte, hatte aber so wie sie war, andere Pläne.
Sobald sie alleine war, stellte sie die Flasche woanders hin. Mit der Absicht, zu warten, bis jeder im Bett war.
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Sie drehte den Becher in ihren Händen hin und her.
Es juckte sie in den Fingern.
Fünfundzwanzig Jahre hatte sie kein Energon mehr gehabt.
Sie fragte sich, ob sie als Hologramm auch so drauf reagieren würde wie in einem Alt-Mode.
Vanessa hob den Becher an die Lippen.
„Aufs Wohl, Ness!", sprach sie leise mit sich selbst und legte den Kopf in den Nacken.
Sie schloss die Augen.
Es war kalt, auf ihrer Zunge. Es schmeckte wie verrostetes Metall, dachte sie zuerst. Auf ihrer Zunge fühlte es sich wie Säure an, da es so schrecklich kribbelte.
Aber mehr geschah nicht, als sie ihre zusammengekniffenen Augen wieder öffnete und sich schüttelte.
„Das Zeug hat mal besser geschmeckt", murmelte sie.
Sie wollte den Becher davonschieben als sie innehielt.
„Oh, verdammt." Sie fuhr über ihre Hand als ihre Adern stark blau anliefen. „Bin ich nun tot?", fragte sie sich flüsternd.
Ihre Adern auf der Hand wurden noch ausdrucksstärker. Sie besah es sich wissbegierig, ehe es nach ein paar Minuten verebbte. Alles wurde wieder normal. Ihre Atmung blieb normal, ihr Puls ebenfalls.
Sie wusste, sie würde nicht sterben. Aber das war eine komplett neue Erfahrung als Hologramm.
„Weißt du..." Sie zuckte heftig zusammen. „Normalerweise stirbt jeder daran, außer einem Transformer."
Wie dämlich war ich eigentlich, fragte sie sich und schloss ihre Augen. In Rachels Wohnung hätte sie sich hüten müssen. Sie hatte es geahnt – und trotzdem auf die Chance, erwischt zu werden, gepfiffen.
Sideswipe trat in die Küche ein und legte den Kopf schief.
„Wieso bringt es dich nicht um?"
Er zog den Becher und die Flasche zu sich heran und setzte sich ihr gegenüber. Sie zog eine Augenbraue hoch als er den Becher füllte.
„Ich sag es dir." Er trank den Becher aus. „Du bist kein Mensch." Seine Adern begannen ausdrucksstark und dunkelblau stärker anzulaufen. Selbst in seinem Gesicht. Und seine Augen... sie leuchteten regelrecht silbern auf.
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Datum der Veröffentlichung: 24.11.2017 20:30 Uhr
Datum der Überarbeitung: 02.05.2022 20:23 Uhr
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