Kapitel 8
Dezember, 1977
Als Severus an diesem Abend zur gewohnten Zeit im Raum der Wünsche eintraf fand er statt einer auf ihren Feder kauenden Hermine nur einen Brief vor:
Severus,
ich kann mir gut vorstellen, dass du viele Fragen hast, und das völlig zurecht. Aber ehrlich gesagt, verstehe ich selbst kaum, wie das, was heute passiert ist, geschehen konnte. Ich war im Raum der Wünsche und habe gelesen. Als mir dann auffiel, dass ich das Abendessen verpassen würde, bin ich hastig gegangen. Erst als ich mit dir zusammenstieß, wurde mir klar, dass etwas nicht stimmte. Bitte glaube mir, ich würde niemals absichtlich so leichtsinnig handeln.
Ich hoffe sehr, dass mein plötzlicher Auftritt nichts durcheinandergebracht hat. Mit der Zeit zu spielen, ist gefährlich, und wir riskieren ohnehin schon genug. Allein die Tatsache, dass ich auf einmal 20 Jahre in der Vergangenheit bin, zeigt mir, wie unvorsichtig ich in den letzten Monaten gewesen bin. Es tut mir wirklich leid. Ich möchte, dass du mir glaubst das diese Entscheidung war alles andere als leicht war.
Ich genieße deine Gesellschaft mehr, als ich in Worte fassen kann, und bin unglaublich dankbar, dich auf diese besondere Weise kennengelernt zu haben. Du bist ein kluger, witziger und oft auch charmant sarkastischer Mensch – wenn auch oftmals ziemlich gemein und, ja, auch ein wenig arrogant. Trotzdem bin ich froh, dich einen meiner Freunde nennen zu dürfen – wir sind doch so etwas wie Freunde, oder?
Allerdings muss ich ehrlich zu dir sein. Im Moment fühle ich mich nicht in der Lage, unsere Treffen fortzusetzen. Die Angst, in der falschen Zeit gefangen zu bleiben, war nicht sehr angenehm. Und ich habe keine Garantie, wohin mich der Raum der Wünsche beim nächsten Mal bringen würde. Es wäre einfach zu riskant, ihn unter diesen Umständen regelmäßig zu betreten.
Wenn du es möchtest, könnten wir dennoch in Kontakt bleiben, vielleicht über Briefe? Oder wer weiß, vielleicht besuchst du mich auch demnächst in der Zukunft (bitte entschuldige diesen schlechten Witz).
Ich hoffe, du verstehst meine Entscheidung, und dass sie nicht bedeutet, dass ich dich verliere. Sollte es jedoch so sein, würde ich es natürlich akzeptieren, auch wenn es mir schwerfällt.
In der Hoffnung, bald von dir zu hören,
Hermine
Er war trotzdem täglich zu ihrer gewohnten Zeit in den Raum gegangen und hatte dort die Zeit verbracht, dennoch immer von der Hoffnung begleitet sie dort vorzufinden. Nach ein paar Tagen hatte er versucht einen Patronus zu ihr zu schicken welcher aber von der Tür des Raumes verschluckt worden war bevor er sein Ziel erreichen konnte. Daraufhin hatte er einige Flüche losgelassen bis der Raum schließlich immer kleiner geworden war und ihn somit rausgeschmissen hatte.
Ihr Brief hatte ihn verstehen lassen wie sie fühlte und er war auch etwas berührt von ihm gewesen, obwohl er sich das nicht ganz eingestehen wollte. Die Zeile das sie so etwas wie Freunde wären hatte er aber bei den erneuten Lesungen einfach übersprungen. Er würde das annehmen was sie bereit war ihm zu geben.
Nach dem Abendessen ging Severus zum wiederholten Male die sich verändernde Treppe zum Raum der Wünsche hinauf. Er konnte sich seine gute Laune nicht wirklich erklären die ihn dabei begleitete aber irgendwie war er zuversichtlich das der Raum heute nicht leer sein würde, auch wenn es wirklich keinen Grund gab dies anzunehmen. Er spürte nicht einmal mehr das altbekannte Gefühl von Wut.
Severus hatte festgestellt, dass der Raum sie normalerweise irgendwie immer zusammengebracht hatte, wenn sie Lust hatten, sie zu sehen. Oh und wie er Lust darauf hatte, es machte ihm zugegebenermaßen selbst ein wenig Angst wie sehr er sie in dieser kurzen zeit bereits vermisste. Der Raum der Wünsche gab einem wirklich, was man brauchte, dachte er mit einem kleinen Schmunzeln.
Dezember, 1996
Hermine hatte Severus nur noch schnell ein Pergament beschrieben, was etwas länger geworden war als beabsichtigt, bevor sie mit bebendem Herzen den Raum verlassen hatte. Sie war überglücklich gewesen als sie auf Lavender im Schlafsaal getroffen war. Aber mit der Sicherheit dieser Zeit hatte sie dann auch ein Gefühl der Traurigkeit eingenommen.
Die Angst die zeit durcheinander zu bringen oder Severus wiederzusehen waren zwei Dinge die sie mittlerweile fast stündlich gegeneinander abwog.
Je öfter sie sich in den letzten Monaten heimlich getroffen hatten, desto mehr hatte sie sich daran gewöhnt, Zeit mit ihm zu verbringen. Es waren die kleinen Dinge: die Art, wie er den Kopf leicht nach links neigte, wenn er über etwas nachdachte, das sie gesagt hatte, die Art, wie er über ihre Witze lachte, sogar über die nerdigen, über die Harry nur die Augen verdrehte, die Art, wie er sie manchmal ansah, wenn er dachte, sie würde es nicht bemerken, mit dunklen, unleserlichen Augen, die Art, wie seine Hände nie zitterten, wenn er Zutaten zu einem Trank hinzufügte oder im Kessel umrührte.
Es machte süchtig, das Gefühl, das sich in ihrem Magen einstellte, wenn sie durch die Gänge zum Korridor des siebten Stocks schlich, wenn er die Lippen leicht schürzte, als sie eintrat, was für Severus Snape einem regelrechten Freudensprung gleichkam, wenn sich ihre Finger zufällig berührten, als sie nach einem Buch oder einem Stück Pergament griff.
Sie hatte ihn in der letzten Woche bereits ziemlich vermisst. Auch wenn sie es niemals gedacht hätte, Severus Snape war wirklich ein guter Freund von ihr geworden.
"Würde es dich umbringen, wenn du aufhörst zu blinzeln?" fragte Ginny, während sie versuchte, Hermines Wimpern mit Mascara zu tuschen. Ihre Gedanken hatten sie vollkommen abgelenkt.
„Blinzeln ist eine ganz natürliche Reaktion, wenn jemand versucht, dir ins Auge zu stechen", sagte Hermine, als sie aus Versehen noch einmal blinzelte.
„Mein Gott, du wirst noch wie ein Waschbär aussehen, wenn du so weitermachst."
„Na ja, ich schiebe es einfach auf meinen Visagisten."
Ginny streckte ihr die Zunge heraus, während sie mit einem feuchten Tuch die verschmierte Wimperntusche unter Hermines Augen wegwischte.
Nachdem sie sich zurückgelehnt hatte, um sie einen Moment lang anzusehen, und dann noch etwas mehr Rouge auf ihre Wangen aufgetragen hatte, schien Ginny zufrieden zu sein, "Ich glaube, du bist fertig. Cormac wird seine Augen nicht von dir lassen können - oder seine Hände."
Hermine errötete, aber sie hoffte wirklich, dass McLaggen nicht auf dumme Gedanken kam, wenn er sie sah, sie bereute gerade, ihn überhaupt gefragt zu haben. Sicher, Rons Gesichtsausdruck, als sie ihm beim Frühstück ihre Verabredung verraten hatte, war geradezu spektakulär. Aber sie fürchtete sich davor, einen Abend in Gesellschaft eines Jungen zu verbringen, der offenbar nicht in der Lage war, sich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit Quidditch und den verschiedenen Haarpflegeprodukten, die er gerade benutzte.
Sie wünschte sich halb, sie könnte die Party einfach ausfallen lassen und sich in den Raum der Wünsche schleichen, um Severus zu sehen.
Ginny hatte ihr Haar in Locken gehalten, aber eine Art Zaubertrank hineingeträufelt, der es unglaublich weich und glänzend aussehen ließ. Ihr Gesicht hatte einen Hauch von Make-up, genug, um ihre Haut zu glätten, ohne ihre Sommersprossen zu verdecken. Und ihre Augen sahen größer aus als sonst. Der Effekt war ziemlich hübsch, das musste sie zugeben.
"Es ist wunderschön, Ginny. Vielen Dank", sagte sie und lehnte ihren Kopf an Ginnys Schulter.
"Das ist das Mindeste, was ich tun kann", sagte sie. "Won-Won wird sich ziemlich ärgern wenn er dich so sieht."
Hermine war angenehm überrascht gewesen, dass Ginny über Rons Verhalten in letzter Zeit genauso verärgert war wie sie selbst. Das hatte vor allem damit zu tun, dass Ron sie und Dean im letzten Jahr beschimpft hatte, weil sie vor ihm Händchen gehalten hatten, während er Lavender in der Öffentlichkeit buchstäblich zu betatschen schien.
"Soll ich das Kleid anziehen?"
"Oh ja, bitte", antwortete Ginny und schlug die Hände zusammen.
Hermine schlüpfte in das Kleid, und Ginny ging hinter ihr, um ihr bei den kleinen weißen Knöpfen am Rücken zu helfen.
Es war ein Geschenk ihrer Eltern zu ihrem 17. Geburtstag gewesen, und dies war die erste Gelegenheit, bei der sie es tragen musste. Es war aus pinker Seide die am Dekoltee drapiert war. Das Kleid schmiegte sich um ihre Taille und der Stoff war auf hüfthohe zu einem Faltenrock gelegt welcher bis kurz über ihre Knien reichte.
"Es ist einfach umwerfend", sagte Ginny und sah zu Hermine, die ihr eigenes Kleid aus dem Schrank holte.
"Ich sehe aus wie ein Pygmäenpuff", sagte sie grinsend und drehte sich herum, "aber ein süßer Pygmäenpuff."
Hermine kicherte darüber, "Keine Sorge, du bist viel attraktiver, Gin."
"Oh, psst."
Die beiden plauderten weiter, als sie Ginnys Zimmer verließen und die Treppe hinunter in den Gemeinschaftsraum gingen, wo ihre Verabredungen warteten.
Cormac stieß einen leisen Pfiff aus, als Hermine in Sichtweite kam, "Ich wusste, dass du eine Figur unter diesen Roben versteckst, Granger."
Hermine bemerkte, dass Ron in der Ecke des Raumes saß und mit Seamus Zaubererschach spielte, also sagte sie laut, "Du siehst auch nicht so schlecht aus, McLaggen", während sie seinen Arm ergriff.
"Hermine?" Ron sah ungläubig zu ihr auf, mit dem gleichen Gesichtsausdruck, den er gehabt hatte, als sie an Viktors Arm in die Große Halle gegangen war. Hermine spürte, wie sie eine selbstgefällige Zufriedenheit überkam.
"Was ist los, Ronald?"
"Du... du siehst...", stotterte er.
"Ich sehe wie aus?"
„Du siehst gut aus", sagte er leise, und Hermine bereute es fast, dass sie sich entschlossen hatte, mit McLaggen auf die Party zu gehen. Fast.
Sie nickte Ron kurz dankend zu, bevor sie sich an ihr Date wandte, "Sollen wir?"
Er nickte und ließ sie durch das Porträtloch hinaus.
Die Party war, in Ermangelung eines besseren Wortes, magisch. Rote Kerzen hingen in der Luft, Mistelzweige schmückten den Raum, und der Champagner floss in Strömen. Hermine musste ihr Glas zweimal nachfüllen lassen, bevor sie überhaupt begriff, was los war.
Aber noch interessanter als das Ambiente war die Auswahl der Leute, die Slughorn eingeladen hatte. Hermine entdeckte mehrere Ministerialbeamte, die sie aus dem Tagespropheten kannte, einen Vampir, zwei Mitglieder der Weird Sisters und eine internationale Quidditch-Sensation, zumindest hatte Cormac sie darüber informiert.
Cormac war den ganzen Abend über meist ganz passabel, während sie umherwanderten und sich mit verschiedenen Gästen unterhielten, aber er schaffte es immer wieder, das Thema auf sich selbst oder auf Quidditch zu lenken. Die Unterhaltung war nicht gerade prickelnd, aber sie konnte damit umgehen.
"Willst du noch einen Drink, Granger?", sagte er über das Geräusch von Geschnatter und klirrenden Gläsern hinweg.
"Nein, ich glaube, ich habe jetzt genug", antwortete sie. Sie hatte bereits drei getrunken und nippte an einem vierten.
"Komm schon, mach dich für einen Abend ein bisschen locker", sagte er, seine Lippen nahe an ihrem Ohr.
"Ich habe gesagt, dass es mir im Moment gut geht. Ich habe schon ein Glas", antwortete sie etwas gereizter.
"Nun, ich trinke noch eins", sagte er und ließ sie am Rand der Tanzfläche stehen.
Hermine seufzte. Wo war Harry? Vielleicht sollte sie einfach versuchen, McLaggen für eine Weile aus dem Weg zu gehen?
Als sie den Raum abtastete, fiel ihr Blick jedoch auf jemand anderen. Snape stand in der Ecke und sah sehr unbehaglich aus, während er sich mit Slughorn und einem anderen älteren Herrn unterhielt, den Hermine nicht erkannte.
Er trug seine Roben und seinen üblichen finsteren Gesichtsausdruck, als ob ihn der steife Kragen im Nacken juckte. Snape verschränkte die Arme, als Slughorn ihm auf die Schulter klopfte und ein Schwapp Met aus seinem Glas auf den Boden schwappte.
Er sah ganz und gar unglücklich aus. Hermine überlegte kurz, ob sie zu ihm hinübergehen und versuchen sollte, ihn aus dem Gespräch zu retten, verwarf den Gedanken aber schnell wieder aus ihrem Kopf. Professor Snape war mehr als fähig, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Außerdem war es nicht so, dass er ihre Gesellschaft mehr genoss als die von Slughorn. Er war nicht ihr Severus.
Sie nahm einen weiteren Schluck Champagner, bevor sie ihren Blick von ihm abwenden konnte.
Harry und Luna tanzten in der Mitte des Raumes, wobei sie wild mit den Armen in der Luft fuchtelte, während Harry errötete und versuchte, ihre Bewegungen halbwegs nachzuahmen.
Blaise Zabini und Theo Nott lehnten mit dem Rücken an der Wand gegenüber von ihr und steckten die Köpfe zusammen. Wenn Harry sie sehen würde, würde er sie für Todesser halten, die ein Komplott schmiedeten, aber für Hermine sahen sie fast wie Liebende aus.
"Hier", sie erschreckte als Cormac zurückkam und ihr ein Glas in die freie Hand drückte.
"Ich habe dir doch gesagt, dass ich kein weiteres Glas brauche", sagte Hermine, nun deutlich verärgert, "hast du Harry gesehen?" Das Lied war zu Ende, und er und Luna waren nirgends mehr zu sehen.
„Was willst du von Potter?", lallte Cormac, als er sich näher zu ihr beugte, "Ich bin mehr als Mann genug für dich."
Hermine legte ihre Hand auf seine Brust und drückte ihn leicht von sich weg, "Du bist betrunken, Cormac. Warum machst du nicht Schluss für heute?"
Doch genau in diesem Moment beschloss einer der verzauberten Mistelzweige, direkt über ihren Köpfen zu wachsen, was bedeuteten würde, dass sich keiner von ihnen rühren konnte, bis es zu einem Kuss kam. Sie sprang mehr als das sie lief und vergrößerte den Abstand zu Cormac.
Dieser gluckste, "So leicht wirst du mich nicht los, Granger."
Er beugte seinen Kopf zu ihrem, doch bevor Hermine reagieren konnte wurde Cormac fast schon gewaltsam von ihr weggerissen.
"20 Punkte von Gryffindor für ekelhaftes Zeigen von öffentlicher Zuneigung", hörte Hermine eine laute Stimme neben ihrem Ohr.
Ihre Wangen erröteten, als sie Snape entdeckte, der auf sie herabblickte, "Heben Sie ihre Liaisons für die Besenkammern zwischen hier und ihrem Gemeinschaftsraum auf", spottete er.
"Ich...", versuchte sie zu erklären, dass Cormac sich ihr praktisch aufgedrängt hatte, aber Snape war schon weg und schritt zurück in den Raum, um ein anderes Paar unter dem Mistelzweig zu konfrontieren.
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