Kapitel 30
März, 1978
Lily war verlobt. Mit Potter. Lily drehte den Ring an ihrem Finger. Wie dämlich er doch war. Der riesige Diamant war ziemlich protzig. Er passte zu Potter.
Er rief Avery und Rosier zu, dass sie auf ihn warten sollten, als sie das Klassenzimmer verließen. Gemeinsam gingen sie auf den Flur hinaus in Richtung Kerker.
"Du schmachtest doch nicht immer noch diesem Schlammblut hinterher, oder Snape?", fragte Avery höhnisch.
Severus hielt inne, seine Finger verkrampften sich um den Gurt seiner Tasche. „Nein." Die Antwort kam scharf, abweisend.
„Ich gebe zu, dass sie einen hübschen Hintern hat", fuhr Avery fort, völlig unbeeindruckt, „aber nichts, was es wert wäre -"
"Halt die Klappe", schnauzte Severus.
"Mach mal halblang, Avery", sagte Rosier. "Glaubst du, er würde heute Abend kommen, wenn Snape noch etwas mit Evans zu tun haben wollte?"
"Sprich leiser", zischte Avery. "Das ist kein Treffen, das man öffentlich ankündigen muss, du Tölpel."
"Du kommst doch, oder Snape?" Rosier wurde leiser. "Malfoy hat dir etwas auszurichten."
"Ich komme", antwortete Severus schlicht.
Er würde nicht kommen. Severus war auf dem Weg in den siebten Stock und musste deshalb unweigerlich an Slughorns dämlicher Party vorbei, auf der Lucius an diesem Abend ebenfalls einer der Ehrengäste war. Severus war einmal mehr dankbar, dass er nicht eingeladen war. Er hatte es fast geschafft.
„Severus." Er hielt inne, als eine vertraute Stimme seinen Namen rief.
Lucius Malfoy stand an der Wand gelehnt, lässig, mit dem Fuß gegen den Stein gestützt. Sein Gehstock drehte sich elegant zwischen seinen Händen. Der schwarze Zylinder, den er trug, verbarg das obere Drittel seines Gesichts, doch das Lächeln auf seinen Lippen war unverkennbar.
„Lucius." Severus ließ den Desillusionierungszauber von sich abfallen und neigte den Kopf.
„Ich dachte schon, du hättest mich vergessen." Lucius stieß sich mit einer geschmeidigen Bewegung von der Wand ab und legte Severus einen Arm um die Schulter.
Sie hatte Severus seit ihrem Treffen mit dem Schulleiter in seinem Büro nicht mehr gesehen. Hermine hatte geahnt, dass er im Moment in vielerlei Hinsicht aufgewühlt war, und sie hatte beschlossen zu warten bis er sich bereit dazu fühlte, sie wieder zu sehen.
Harry und Ron waren unter der Strengen Anweisung ihre Tränke einzunehmen aus dem Krankenflügel entlassen worden und so saß sie zu ihrer alltäglichen Zeit im Raum der Wünsche und arbeitete an einem Aufsatz für Kräuterkunde, als sie plötzlich Geräusche hörte. Stimmen. Sie trat näher an die Wand heran, um zu lauschen.
"...kannst keinen Rückzieher machen, Severus, denn wenn du das tust..."
Komisch. Bisher hatte sie noch nie Stimmen von außen gehört. Hermine öffnete die Tür einen Spalt breit. Sie sah, wie ein Mann mit langen weißblonden Haaren, den sie als Lucius Malfoy identifizierte, etwas leise zu Severus zischte, der tapfer nicht zurückwich, aber so aussah, als ob er es wollte. Seine Antwort wirkte gestelzt.
Dann sah sie, wie sich Malfoys Augenbrauen vor Überraschung hoben, bevor sich seine Lippen zu einem neugierigen Lächeln verzogen. Er legte einen Arm um Severus Schultern.
"Ich habe nicht die Absicht, einen Rückzieher zu machen, Lucius!" schnauzte Severus. "Ich habe dem Dunklen Lord bereits die Treue geschworen, und ich bekomme das Mal diesen Sommer wie geplant. Es gibt keinen Grund in Besorgnis zu verfallen."
In Malfoys Stimme schwang ein Hauch von Erleichterung mit, auch wenn sie von Verachtung, Wut und Misstrauen durchzogen war. "Deine Beziehung zu dem Schlammblut ist verdächtig, Severus. Ich weiß, du behauptest, dass sie dir nichts bedeutet, und ausnahmsweise glaube ich dir das sogar." Er stieß ein kurzes, humorloses Lachen aus, bevor er fortfuhr, "Aber mir wurde berichtet, dass du ziemlich viel Zeit hier oben verbringst -"
Severus unterbrach ihn kalt. "Ich entwickle neue Tränke, die Slughorn oder auch sonst jemand besser nicht zu Gesicht bekommen. Bourne verlangt zur Vorbereitung meiner Ausbildung ein Paar proben wenn du verstehst. Hier ist der ideale Ort dafür -"
"Das ist ein stichhaltiges Argument", erwiderte Lucius sanft. "Aber ich glaube, wer auch immer es ist, sie sollte nicht zu bedeutend werden. Du hast eine Pflicht."
Hermine konnte sehen, wie sich eine Ader in Severus Kehle zusammenzog und pulsierte, während er seinen Kiefer zusammenpresste. Die Antwort, die er murmelte, war zu leise, als dass sie sie hätte verstehen können. Es schien jedoch alles zu sein, was Malfoy wissen wollte, denn er wich von Severus zurück und begann in die Richtung zu gehen, aus der sie gekommen waren.
Hermine drückte sich sofort an die Wand, als er an dem alten Wandteppich vorbeiging, ohne sich ihrer Anwesenheit bewusst zu sein. Sie hatte den Bruchteil einer Sekunde Zeit, um den Ausdruck auf Malfoys Gesicht zu registrieren: Es war eine Mischung aus Zufriedenheit und Erleichterung, mit einem Hauch von Selbstgefälligkeit.
"Es ist unhöflich die Gespräche anderer Leute zu belauschen"
Die Stimme hinter ihr ließ sie herumfahren. Dann sah sie Severus auf dem Sofa sitzen, sein Gesicht zu einem finsteren Blick verzerrt.
"Wir müssen reden."
"Worüber?" erkundigte sich Hermine.
"Alles", antwortete er knapp.
Hermine seufzte, ließ sich ihm gegenüber in den Sessel sinken und rieb sich die Nasenwurzel. "Gut. Was bietet er dir, das du nicht selbst erreichen könntest? Du bist so viel mehr wert, Severus. Du könntest -"
"Ich kann gar nichts, Hermine", unterbrach er sie scharf. "Ich habe dir schon gesagt, er ist bereit, mir alles zu geben."
"Aber es gibt Menschen, denen etwas an dir liegt! Es gibt Möglichkeiten - finanzielle Unterstützung, andere Wege -"
"Du meinst damit ja wohl nicht dich selbst, wie du gesagt hast. Noch ein paar Monate, dann ist das hier vorbei und ich glaube kaum, dass ich in der Zukunft etwas mit einem Kind zu tun haben werde. Der Dunkle Lord ist mächtig, Hermine." Seine Augen funkelten dabei seltsam. "Intelligenz ist nicht alles. Es gibt Dinge, die man nur bekommt, wenn man in der Gunst des mächtigsten Zauberers der Welt steht."
Hermine konnte nicht verhindern, dass sich eine Mischung aus Entsetzen und Trotz auf ihrem Gesicht ausbreitete."Albus Dumbledore ist der mächtigste Zauberer der Welt", sagte sie. "Was ist es, das Vol-Du-weißt-schon-wer dir bieten kann?"
Sie sah, wie er die Lippen schürzte, als ob er überlegte, ob er es ihr sagen sollte, und dann wandte er sich ab."Das spielt keine Rolle", sagte er mürrisch.
"Du-weißt-schon-wer ist ein kranker, verdrehter, sadistischer Bastard. Er versteht nicht, was den Menschen wirklich wichtig ist - Liebe, Familie, Freundschaft. Das sind Dinge, die er nicht hat und nicht bieten kann, und da man materiellen Reichtum anhäufen kann, ohne seine Seele an den Teufel verkaufen zu müssen, dann sag mir - versuch es mir verständlich zu machen - warum willst du ihm dienen? Was willst du so dringend?"
Severus knirschte mit den Zähnen und wich zurück. "Ich kann es dir nicht sagen."
Sie wollte es verstehen - bei allen Göttern, er war achtzehn und im Begriff, den größten Fehler seines Lebens zu begehen, und sie wollte wissen, warum. "Kannst du es mir nicht sagen oder willst du es mir nicht sagen?", konterte sie.
Er warf ihr einen bösen Blick zu und wandte sich dann ab. Hermine seufzte und starrte unglücklich auf den Boden. "Ich verstehe nicht, wie jemand wie du so begierig darauf sein kann, sich selbst zu fesseln", sagte sie leise. "Ist das eine verdrehte Vorstellung von Rache?"
"Das hat nichts mit Rache zu tun!" Severus sprang auf, seine Augen brannten. Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie."Das hat absolut nichts – gar nichts – mit irgendeiner Art von Rache an Lily zu tun. Gar nichts."
Hermine schaute ihn mit großen Augen an, und sein Blick wurde nachdenklich. "Dein Verhalten war echt verantwortungslos. Du kannst nicht ständig in meiner Zeit auftauchen und hoffen, dass dein leichtsinniges Verhalten nichts verändern wird."
"Mein leichtsinniges Verhalten? Ich habe deinen dämlichen Arsch gerettet, falls dir das entfallen sein sollte. Das war nebenbei nur durch dein unbedachtes Verhalten nötig." So hatte sie sich das Wiedersehen auf jeden Fall nicht vorgestellt.
"Du hast wohl eher verhindert, dass sich der arme Lupin schlecht fühlt, falls er mich aus Versehen gebissen hätte."
"Ich kenne Remus schon sehr lange und er hätte es nicht verdient, deswegen nicht mehr nach Hogwarts gehen zu dürfen -"
"Du verstehst es nicht. Aber der Dunkle Lord tut es. Er gibt mir die Chance, wirklich jemand zu sein. Und Lucius -"
"Ich will ganz offen und ehrlich zu dir sein, Severus", sagte sie kühl. "Ich finde, Lucius Malfoy ist ein verachtenswerter Mensch. Er verachtet mich aus keinem anderen Grund als der Tatsache, dass ich muggelstämmig bin. Er würde mich wahrscheinlich umbringen, und es auch noch genießen, wenn er die Mittel dazu hätte."
"Es wäre besser, wenn du keine offene Zielscheibe aus dir machen würdest.", argumentierte er.
"Ich bin eine Zielscheibe seit ich Hogwarts das erste Mal betreten habe, weil ich eine Muggelgeborene bin, weil ich mit Harry Potter befreundet bin und weil ich bereit bin für das einzustehen was richtig ist.", schnauzte Hermine. Sie warf ihm einen wütenden, trotzigen Blick zu.
"Du hast unnötige Aufmerksamkeit auf dich gezogen..."
Hermine stand auf und knallte ihr Kreuterkundebuch mit solcher Wucht auf den Tisch, dass ihr Gegenüber tatsächlich zusammenzuckte. Sein Finger bewegte sich nicht mehr. Ihre Geduld hatte endlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und sich selbst in einen offiziellen Urlaub geschickt, und nun hatte sich ihr ganzer aufgestauter Frust zu einem wahren Monster aus unterdrücktem, angespanntem Zorn aufgestaut.
"Lucius Malfoy ist ein Monster", zischte sie leise, "ob ich auf mich aufmerksam mache oder nicht, hat keinen Einfluss darauf, ob er mich töten würde oder nicht. Allein die Tatsache, dass ich muggelstämmig bin, ist Grund und Rechtfertigung genug für seine verdrehte Ideologie." spuckte sie ihm das Wort entgegen.
Sie sah, wie Severus sich sichtlich versteifte, und dann stand auch er auf und überragte sie mit einer spöttischen, einschüchternden Miene. "Du bist zu stolz, zu selbstsicher in deinen Fähigkeiten und deiner Fähigkeit, dich selbst zu retten", knurrte Severus sie an, seine Geduld war erschöpft und er sagte Ding, die er später mit Sicherheit bereuen würde.
"Und du bist es nicht, Severus?" konterte Hermine.
Sie sah Wut in seinen Augen auflodern, die sich vor Zorn verdunkelten. "Hier geht es nicht um mich", stieß er hervor.
"Doch, es geht um dich!" ,sagte Hermine mit einem Hauch von Schrecklichkeit in der Stimme und schlug mit der Hand auf den Tisch. "Es geht um dich und die Tatsache, dass du von mir erwartest, dass ich aufgeblasene, verdrehte Arschlöcher wie Lucius Malfoy-"
"Lucius ist mein Freund", zischte Severus ihr zu, "Und mein Status im inneren Kreis des Dunklen Lords ist von größter Bedeutung. Die beiden gehen Hand in Hand, Hermine! Du kannst nicht so erbärmlich dumm sein, das zu ignorieren!"
Hermine schluckte und wandte sich ab, als hätte er sie gerade geschlagen.
"Na schön", sagte sie brüchig. Mit einer Hand schob sie ihre Bücher in ihre Tasche zurück und hängte sie sich über die Schulter. "Er ist dein Freund. Ich bin auch deine Freundin, oder zumindest dachte ich, ich wäre es", sagte sie bitter. "Ich nehme an, die Antwort ist ziemlich klar."
"Hermine ...?" Severus schaute äußerst verwirrt, ja sogar verblüfft über ihren Tonfall.
"Ich denke, wir sind fertig", erklärte sie mühsam. "In weniger als vier Monaten machst du deinen Abschluss, dann musst du dich nicht mehr mit mir abgeben. Konzentrier dich darauf, in die Gunst des Dunklen Lords zu gelangen – ich werde mich darauf konzentrieren, die Schule lebend zu überstehen. So erbärmlich dumm, wie ich bin."
Mit diesen Worten schritt sie mit gesenktem Kopf davon. Severus stand auf und streckte ihr eine Hand entgegen, um sie aufzuhalten, als ihm die Bedeutung seiner Worte endlich klar wurde.
"Nein - warte -"
Aber Hermine hatte ihn entweder ignoriert oder nicht gehört, denn sie ging und sie kam nicht zurück.
März, 1997
Es war schon fast Sperrstunde, doch das war Hermine egal. Mit einem frustrierten Seufzen ließ sie ihre Tasche auf eine Bank im hinteren Teil der Bibliothek fallen und sank schwer daneben. Sie konnte nicht in den Gryffindorturm zurück, nicht jetzt. Nicht, wenn ihre Gedanken sich wie ein unaufhaltsamer Sturm anfühlten.
"Miss Granger, zehn Punkte von Gryffindor, da sie noch immer nicht gelernt haben wann sie in ihrem Schlafsaal sein sollten." Severus hatte gehofft, in dieser Nacht niemanden anzutreffen. Draco hatte noch immer keine befriedigenden Fortschritte gemacht und der Dunkle Lord wurde zunehmen rastloser. Er musste dringend in Ruhe nachdenken.
Sie wusste nicht wie lange sie bereits auf die von der Nacht eingehüllten Ländereien starrte und versuchte, ihre Gedanken auszublenden als sie angesprochen wurde. Seine Stimme klang abgeschlagen.
Hermine versuchte ihre noch immer angespannten Gefühle zu unterdrücken und stand ohne ein Wort auf, griff nach ihrer Tasche um die Bibliothek zu verlassen.
Severus seufzte, "Und wo Gedenken sie nun hinzugehen."
Sie drehte sich nicht um um ihn anzusehen, "In meinen Schlafsaal. Sir" Sie konnte nicht verhindern, dass das letzte Wort mit Sarkasmus gespickt war.
"Ich werde Sie begleiten."
"Nein das werden sie nicht." Die Worten waren ihr herausgerutscht bevor sie über die Konsequenten nachdenken konnte.
"Und warum wäre das der Fall, Miss Granger?" Er hatte eine Augenbraue gehoben und sein Blick bohrte sich in ihren Rücken.
Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, während sie versuchte, den Knoten in ihrer Brust zu lösen. Ohne eine Antwort zu geben, drehte sie sich um und ging weiter, Wenn er sie begleiten wollte, sollte er ihr eben folgen. Sie wollte ihn nicht sehen, keinen von ihnen.
Doch bevor sie die Tür erreichte, schloss sie sich mit einem Knall direkt vor ihrer Nase. Hermines Zorn flammte auf. Sie wirbelte herum und sah Snape direkt an.
„Ich lasse mir von Ihnen nicht vorschreiben, was ich tun darf und was nicht! Wenn Sie unbedingt das Bedürfnis haben, mich zu begleiten, dann tun Sie das. Aber laufen Sie gefälligst hinter mir. Ich werde ja wohl beim Turm ankommen." Ihr Blick funkelte vor Wut. Sie drehte sich schwungvoll um, entriegelte die Tür und ging in die verlassenen Gänge, ohne zurück zu blicken.
Severus stand noch immer in der Bibliothek. Einen Moment lang starrte er auf die geschlossene Tür - seine Gedanken jetzt bei einem neuen Problem.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro