Kapitel 28
März, 1978
Hermine wurde am nächsten Morgen nicht vom Sonnenlicht geweckt, das in ihr Zimmer fiel, sondern von Severus lauter, eindringlicher Stimme, die die Gedanken, die ihr an diesem Morgen durch den Kopf gegangen waren, unterbrach. Es folgte eine weibliche, aber unbekannte Stimme.
"Ich kann nicht glauben, dass du so etwas Dummes getan hast, Sev!"
Hermine riss bei diesem Satz die Augen auf. Sev?
"Was Sirius getan hat, war unverantwortlich und falsch, und es hätte dich umbringen können, aber du hättest es besser wissen müssen." ,sprach das Mädchen zu welchem die Stimme gehörte. Fast hätte Hermine sie mit Ginny verwechselt bis es ihr wie Schuppen von den Augen viel: sie war gerade in einem Raum mit Harrys Mutter.
Severus Stimme war bitter. "Du hast ein ganzes Jahr lang nicht mit mir gesprochen. Du wolltest mir diesen Ausrutscher nicht verzeihen, wolltest mir nicht einmal zuhören, was ich zu sagen habe, und doch kommst du hierher gestürmt, bereit, Potters Ehre zu verteidigen?"
Lily war entrüstet. "Du solltest James dankbar sein! Nach dem, was ich gehört habe -"
"Zweifellos aus seinem eigenen Mund", spottete Severus.
"Wenn er nicht gewesen wäre, hätten McGonagall und Dumbledore nie davon erfahren! Sie wären nicht da gewesen, um deinen elenden Arsch davor zu bewahren, dass du..." Lily konnte sich nicht dazu durchringen, zuzugeben, was sie alle inzwischen als Wahrheit kannten. "...Werwolfsfutter geworden wärst. Du hättest getötet werden können!"
Hermine schob den Vorhang zurück und warf ihre Beine über die Seite ihres Bettes, wo sie die ganze Szene, die sich vor ihr abspielte, gerade noch rechtzeitig sah, um Severus leise, kaum hörbare Antwort zu hören.
"Was kümmert dich das?" flüsterte er.
Lily richtete sich auf, als wäre sie geohrfeigt worden.
"Weil... weil...", sagte sie und rieb sich das Gesicht. Sie schien nicht in der Lage zu sein, die richtigen Worte zu finden, um sich auszudrücken. "Oh, verdammt noch mal."
Hermine hörte den leisesten Anflug von Hoffnung in Severus Stimme. "Sind wir ... können wir ... Ich weiß, dass ich es beim letzten Mal total verbockt habe, aber können wir wieder Freunde sein?"
Hermine war fassungslos. Severus war mit Harrys Mutter befreundet? Oder zumindest befreundet gewesen.
"Nein."
Hermine sah, wie Severus wie erschlagen zurückwich.
"Was du getan hast, ist unverzeihlich. Ich wünsche dir nicht den Tod, Sev, niemals das...aber du und Avery, Rosier und Mulciber... Ich kann nicht, Sev. Du hast dich entschieden, zu ihrer Gruppe von Möchtegern-Todesessern zu gehören, du hast die Entscheidung getroffen, mich auf die schlimmste Art und Weise zu verletzen, die du kanntest, und ich...", sie schüttelte den Kopf. "Du bist nicht mehr der Junge, an den ich mich erinnere. Ich kann es nicht tun."
Hermine konnte sehen, dass Severus ihr nicht zuhörte. Bei dem Wort 'unverzeihlich' hatte sie ihn verloren. Sein Gesicht wurde von einem Vorhang aus fettigem schwarzem Haar verdeckt.
Sie sah, wie Lily sich bückte, um ihre Büchertasche aufzuheben, und sie sich über den Arm warf. Sie ging auf die Tür zu und hielt inne, als sie ihre Hand auf den Türknauf legte, um Severus anzusehen.
"Ich möchte nur, dass du daran denkst, Severus, dass es James war, der zu McGonagall gegangen ist und seinen besten Freund für dich verraten hat." Sie drehte den Griff und zog die Tür auf. "Denk daran, wenn du das nächste Mal darüber nachdenkst, ihn zu verhexen."
Die Tür schloss sich hinter ihr. Hermine sah zu, wie sie zuschnappte, und wandte ihre Aufmerksamkeit dann Severus zu. Sie wollte gerade den Mund öffnen, um etwas zu sagen, als er sich plötzlich aufrichtete, seine Beine über die Bettkante warf, aufstand und nach seinem Zauberstab und seinen Roben griff. Er zerrte sie an, zog ruckartig seine Socken und Schuhe an und stolperte dann zur Tür.
Sie schlängelte sich langsam durch die Bücherregale. Das Sonnenlicht strömte durch die Glasfenster und ließ den Raum in sanften Farben tanzen. Madam Pince war nirgends zu finden, sie war wahrscheinlich noch beim Frühstück und auch sonst war die Bibliothek verlassen - sehr zu ihrem Vorteil. Hermine wollte gerade zurück in den Krankenflügel gehen, als sie ein gedämpftes Schluchzen hörte. Sie spitzte die Ohren und blieb stehen, um zu sehen, woher es kam. Es kam wieder - leise und erstickt. Sie folgte dem Schluchzen und hielt vor der Astronomieabteilung an, wo sie ihn an die gegenüberliegende Wand gerollt vorfand, die Wange gegen das Fenster gepresst.
Hermine zögerte, dann nahm sie ihren Mut zusammen und kniete sich neben ihn. Er drehte sich nicht um, um sie anzusehen, aber Hermine sah die Überraschung in seinen Augen, die sich im Glas spiegelten.
"Geh weg, Granger", würgte er.
Hermine legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Es tut mir leid", flüsterte sie.
"Ich hätte das nie tun dürfen, nie..." Er drehte sich jetzt zu ihr um und sie sah, wie ihm Tränen über die Wangen liefen. Hermine erinnerte sich daran, wie er sie getröstet hatte, zückte ihren Zauberstab, beschwor ein Taschentuch und reichte es ihm.
Er starrte sie einen Moment lang verständnislos an, dann nahm er es zögernd. Er schnäuzte sich die Nase.
"Was hättest du nicht tun sollen?" fragte Hermine sanft und setzte sich neben ihn.
"Es war ein Unfall, ich habe geschworen, dass es ein Ausrutscher war..." Seine Worte kamen erstickt heraus, und Hermine hatte das Gefühl, als würde sie zusehen, wie sein Herz direkt vor ihren Augen brach. "Potter - es war im fünften Jahr, und Potter hat mir am See aufgelauert, gleich nach unseren Prüfungen - er hat mich kopfüber in die Luft gehängt, mich gedemütigt..." Er pustete wieder auf das Taschentuch und krächzte dann, "Lily stellte ihn zur Rede, sagte ihm, er solle mich runterlassen, Potter fing an, mich zu stacheln, und ich sagte Lily - ich sagte Lily, dass ich keine Hilfe von einem Schlammblut wie ihr bräuchte."
Hermine starrte ihn an. "Du hast sie Schlammblut genannt?"
Er nickte kläglich und vergrub sein Gesicht in seinen Armen.
Hermine presste die Lippen zusammen und legte ihm dann den Arm um die Schulter, wenn auch so zögerlich wie ein Bowtruckle, der einen rauchenden Drachen trösten will.
"Ich habe meine Worte sofort, nachdem sie meinen Mund verlassen hatten, bereut. Ich -"
"Ich glaube dir"
Hermine ging nicht weg. Sie saß bei ihm, einen Arm um seine Schulter gelegt, und wartete schweigend, während er weinte. Ihr Bauch schmerzte vor Mitleid und Sorge um ihn, aber sie fühlte sich auch seltsam distanziert.
Schließlich hörte er auf zu zittern, sein Schluchzen verstummte. Als Hermine von ihm nur noch das stetige Auf und Ab seines Atems und seinen leicht stotternden Herzschlag hören konnte, fragte sie, "Severus?"
"Ist es wahr, dass Potter mit McGonagall gesprochen hat?" Sein Gesicht war immer noch in seinen Armen vergraben, aber sein Tonfall war sowohl erstickt vor Rührung als auch kalt.
"Ja. Ich habe ihre Stimmen im Gang gehört. Er hat ihr von Sirius bescheuertem Einfall erzählt -""
"Was machst du überhaupt hier? Potter und Black haben dich gesehen, aber das scheint dich ja nicht sonderlich zu stören." Der Spott in seiner Stimme war deutlich zu hören. Es schien, dass er jetzt, wo er sich wieder unter Kontrolle hatte, instinktiv auf die nächstbeste Person losgehen wollte.
Hermine packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn, so dass er gezwungen war, zu ihr aufzusehen.
"Ich habe das Gespräch gehört", erklärte sie ihm wütend, "und ich hätte wieder umdrehen und zurück in den Raum der Wünsche gehen können."
Er starrte sie an.
"Aber stattdessen bin ich losgerannt, um dich zu finden - ohne mir auch nur die Mühe zu machen, über die Möglichen zeitlichen Konsequenzen nachzudenken, wohlgemerkt!" fügte Hermine wütend hinzu. Ihre Augen verengten sich auf ihn. "Ich bin in den Tunnel unter der Peitschenden Weide gegangen, ohne zu wissen, ob du wirklich dort bist, oder ob du überhaupt noch lebst oder ein Mensch bist. Ich bin allein gegangen! Und ich habe gewusst, dass ich gebissen werden könnte, wenn ich versuche, deinen armseligen Arsch zu retten!"
Er sah jetzt unsicher aus.
"Und als du den Krankenflügel verlassen hast, bin ich dir nachgegangen, um zu sehen, ob es dir gut geht", fuhr Hermine fort. "Ich bin gekommen, weil ich mir Sorgen mache, Severus. Und nicht weil ich durch Zufall wieder in dieser Zeit gelandet bin."
Er starrte sie einen langen Moment lang an und vergrub dann seinen Kopf wieder in seinen Armen. Hermine saß still neben ihm, während er sich auf dem Boden neben dem Bibliotheksfenster zusammenrollte und versuchte, sich vor der Welt zu verstecken. Sie saß lange Zeit schweigend da, bis sie schließlich das Schweigen brach, indem sie ihm sanft eine Strähne seines Haares hinter das Ohr strich, so dass sie sein Gesicht von der Seite sehen konnte, und dann ihre Hand auf seine Schulter legte.
"Kann ich irgendetwas tun, um dir zu helfen?", fragte sie mit sanfter Stimme.
Einen kurzen Moment lang war sie sicher, dass er sie wegschicken würde. Nach einem langen Moment des Zögerns sagte er leise, "Bleib hier. Und ... und sag es niemandem. Auch nicht in der Zukunft."
Hermine rutschte näher zu ihm, legte eine Hand auf sein Knie und strich ihm eine weitere Haarsträhne aus dem Gesicht, so dass sie seine Augen sehen konnte.
"Das werde ich nicht", sagte sie ihm. Sie meinte es ernst. "Ich verspreche es."
Hermine lehnte sich in dem gemütlichen Sessel im runden Büro des Schulleiters zurück. Sein Schreibtisch war genauso vollgestopft und voller wirbelnder und spindeldürrer Exzentrizitäten, wie Harry es immer beschreiben hatte.
Sie konnte nicht umhin, auf die Schale unter Fawkes Sitzstange zu starren: im Moment saß er in einem Haufen rußiger Asche und sah mit seinem schwarzen, blassrosa und orangefarbenen Flaum am Körper ziemlich lächerlich aus. Der Feuertag muss gerade vorbei sein, dachte Hermine, als der Phönix ein leises, zirpendes Trillern von sich gab.
Severus saß im Sessel neben ihr und starrte ziemlich desinteressiert auf ein seltsames, dreibeiniges Gerät, das auf dem Schreibtisch des Schulleiters leise surrende Geräusche von sich gab. Die Tür schloss sich leise hinter ihnen, und beide drehten sich rechtzeitig um, um Professor Dumbledore erscheinen zu sehen.
"Es tut mir leid, dass ich Sie habe warten lassen", sagte er freundlich und kam zu seinem Schreibtisch zurück. "Ich musste Madam Pomfrey versichern, dass es ihnen beiden gut geht - ihr seid offenbar ohne ein Wort des Abschieds abgehauen, wie sie sagte." Er sah sie über seine Halbmondbrille hinweg streng an.
Hermine hatte den leisen Verdacht, dass er wieder einmal genau wusste, was in der Bibliothek vorgefallen war.
Er stieß einen schweren Seufzer aus und setzte sich in seinen Stuhl. "Ich möchte mit Ihnen über die Ereignisse der letzten Nacht sprechen."
Hermine schluckte und blickte Severus an. Sie erinnerte sich nur zu gut an die letzte Nach, sie war noch frisch in ihrem Gedächtnis. Die Dunkelheit des Tunnels, die sich ihr näherte, die Angst, die sie verspürte, als Remus versuchte, sich den Weg ins Innere zu bahnen, schnappend und wild knurrend, auf eine Art und Weise, die so sehr im Gegensatz zu der sanften Seele stand, die er als Mensch war. Das schockierte, weit aufgerissene Grauen, das Severus so vollständig überkommen hatte, dass sie ihn praktisch halb ziehen, halb tragen musste, weil seine Beine es nicht mehr schafften. Die letzte Nacht war eine Erfahrung, die ihn für den Rest seines Lebens prägen würde - und damit auch sie.
Severus rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her, und Dumbledore fuhr fort, "Was letzte Nacht geschehen ist, darf mit niemandem besprochen werden, der nicht direkt daran beteiligt war. Sowohl jetzt als auch zukünftig." Als er Severus empörten Blick sah, fuhr Dumbledore fort, "Mr. Lupins Situation in dieser Schule ist prekär. Wenn sich herumspricht, dass ein Schüler Gefahr läuft, von ihm gebissen zu werden, habe ich keine andere Wahl, als ihn von der Schule zu verweisen."
"Sie werden doch nicht zulassen, dass Black damit durchkommt -"
"Jedes Nachsitzen wird an dieser Schule detailliert aufgezeichnet", sagte Dumbledore streng. "Es darf keine Spur von dem geben, was gestern Abend passiert ist. Meine Sorge um Mr. Lupins Lage sowie die Tatsache, dass Sie beide glücklicherweise noch unversehrt zugegen sind, bedeutet, dass ich es nicht rechtfertigen kann, ihn einem weiteren Risiko auszusetzen."
Hermine schluckte bei diesem Satz. Sie verstand die Logik des Schulleiters, aber sie war immer noch der Meinung, dass Sirius für seine Taten mit ziemlich ernsten Konsequenzen hätte rechnen müssen.
"Wir hatten eine sehr ausführliche Unterhaltung. Mister Black ist klar, dass ich, wenn er noch einmal einen solchen Streich spielt, keine andere Wahl habe, als ihn von der Schule zu verweisen, und dass er damit einen seiner besten Freunde der Gefahr aussetzt, ebenfalls von der Schule verwiesen zu werden. Ich glaube, er ist sich dem inzwischen sehr viel bewusster."
"Verzeihen Sie, Schulleiter", stieß Severus hervor. "Sie wollen mir sagen, dass Sirius Black aus Sorge um den Werwolf ungestraft davonkommt, wenn er mich fast umbringt?"
Dumbledore seufzte schwer, und Hermine sah sich veranlasst, zu seiner Verteidigung das Wort zu ergreifen."Es ist nicht Remus Schuld, aber wenn Sirius bestraft wird, ist er derjenige, der am meisten darunter zu leiden hat", betonte Hermine. "Sirius wird dafür nicht von der Schule verwiesen, und wenn man ihn so spät im Jahr - oder sogar bis ins nächste Jahr hinein - nachsitzen lässt, macht das die Sache nicht wieder gut und wird Remus nur verletzen. Das hat er nicht verdient."
Sie sah, wie Severus Nägel sich in die Lehnen seines Stuhls gruben. Er sah aus, als wolle er den Stoff abreißen. Nach einem Moment der Unentschlossenheit, dann stand er auf. "Ich sehe, wo Ihre Prioritäten liegen, Schulleiter", spottete er.
"Mister Snape, Sie werden mit niemandem darüber sprechen, der nicht bereits eingeweiht ist", sagte Dumbledore und sah ihn streng an.
"Sie haben mein Wort, Schulleiter", erwiderte Severus und verbeugte sich sarkastisch vor ihm. Er warf Dumbledore noch einen letzten Blick zu und ging dann.
Hermine wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, bevor sie aufstand. "Darauf haben Sie auch mein Wort, Sir", sagte sie und blickte noch einmal auf Fawkes, bevor sie sich zum Gehen bereit machte. "Obwohl ich denken würde, dass es bei einem Mann mit Ihrem Intellekt und Ihren Fähigkeiten nicht völlig außerhalb Ihrer Fähigkeiten liegt, einem Jungen ein wohlverdientes Nachsitzen zu erteilen, ohne dass jemand anderes davon erfährt."
Dumbledore sah müde aus. "Miss Granger, was ich Ihnen jetzt sage, falls Sie zuhören wollen, ist streng vertraulich."
Hermine nickte.
"Die Zaubererwelt steht an der Schwelle zum Krieg", erklärte Dumbledore ihr. "Die Welt ist im Moment nicht sicher, Miss Granger, und sie ist nicht freundlich. Besonders schwierig ist es für diejenigen, die wie Remus Lupin sind: geplagt, gefürchtet und meistens allein und ohne Freunde. Sie werden von der Gesellschaft entfremdet und geächtet, und das ist die unglückliche Existenz, in der sich Remus wiederfinden wird, wenn er seinen Abschluss gemacht hat." Er sah sie eindringlich an, als er fortfuhr, "Ich möchte das bisschen Glück und die Sicherheit, die er hier gefunden hat, nicht vorzeitig beenden, indem ich ihn der Gefahr aussetze, dass er weggeschickt wird oder dass Sirius die Schule verlassen muss. Er hat eine Zukunft, wenn er hier bleiben und seine Ausbildung abschließen kann, eine Zukunft, die stark von seinen Freunden abhängt wie Sie sicher wissen."
Hermine öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Dumbledore unterbrach sie. "Ich werde jedoch über Ihre Worte nachdenken. Ich stimme Ihnen zu, Sirius sollte nicht ungestraft davonkommen, obwohl ich durchaus glaube, dass er seine Lektion gelernt hat. Aber das wird jetzt noch nicht geschehen."
Hermine senkte den Kopf. "Ich verstehe, Sir."
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