//GEISTER UND LEGENDEN//
AMY STAND NACHDENKLICH auf einem der langen und für sie fremdartig wirkenden Flure. Jetzt war sie also wirklich hier – in Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei. Die junge Frau ließ eine Weile noch einmal alles auf sich einwirken, was sie in den letzten Wochen erfahren und erlebt hatte und vor allem, was nun vor ihr lag. Sie konnte es kaum glauben, dass ausgerechnet ihr so etwas passiert war. Aber so war es und sie musste das Beste daraus machen und vor allem das Beste von dem mitnehmen, was ihr das bevorstehende Jahr zu bieten hatte.
Sie entschloss, zurück in den großen Saal zu gehen, um nachzusehen, ob ihre neugewonnenen Freunde noch dort waren, um sich an den reichhaltigen Nachspeisen zu erfreuen, die ihnen aufgetischt wurden. Doch sie konnte kaum einen Fuß vor den anderen setzen, ohne staunend die sich bewegenden Porträts an den Wänden zu betrachten. Olive hatte ihr versichert, dass diese nicht das Wundersamste sein werden, was sie in diesem Schloss zu sehen bekommen sollte.
»Autsch!«, schrie Amy plötzlich auf und fasste sich an ihren schmerzenden Hinterkopf. Irgendetwas hatte sie am Kopf getroffen.
Eilig wandte sie sich um, um zu sehen, ob ihr ein Schüler einen Streich gespielt haben könnte, der sie und ihre zugegebenermaßen recht abenteuerlich klingende Geschichte nicht glaubte und sie für eine Hochstaplerin hielt. Aber alle Schüler, die sie sehen konnte, waren mit sich selbst, ihren Mitschülern und/oder ihren Schulbüchern beschäftigt.
Doch auf einmal hörte Amy über sich ein sonderbares Lachen und Kichern. Sie schaute rasch nach oben und sah gerade noch einen hellen Schatten davonschleichen. Dann wurde sie erneut mit etwas beworfen, das wie ein riesiger dicker Wurm aussah.
»Hallo? Wer ist da oben?«, rief Amy dem unbekannten Störenfried zu. Doch zur Antwort bekam sie erneut nichts als ein schadenfrohes Lachen. »Was auch immer dieses Tier ist, man wirft nicht mit Lebewesen nach anderen Leuten.« Amy bückte sich nach dem schleimigen Etwas und überlegte, ob sie es anfassen konnte oder ob es womöglich irgendwelche Ausschläge verursachte.
Sie wurde von dem lauten Kreischen zahlreicher Schüler unterbrochen, welches aus der großen Halle zu ihr drang. Sie zögerte zunächst, aus Angst vor einem Überfall magischer Art, gegen den sie nichts ausrichten konnte. Doch dann schloss sie sich einer Schar Schüler an, die geradewegs in Richtung der großen Halle unterwegs waren, um nachzusehen, was die Ursache für diesen Tumult war.
Als Amy den Saal betrat, sah sie einige der Erstklässler, die teils kreischten, teils lachten und sich teilweise unter den langen Tischen versteckten. Doch was sie dann erblickte, sollte wahrhaftig eines der unmöglichsten Dinge sein, die sie je gesehen hatte.
»Si- sind, sind da- das Ga- Geister?«, stammelte sie mehr zu sich selbst und bekam dennoch eine Antwort.
»Keine Angst, Amy. Das sind die vier Hausgeister von Hogwarts«, erklang Joes Stimme hinter ihr und sie fühlte sich gleich etwas besser. Trotzdem blieb der fade Beigeschmack, dass sie ein Jahr lang mit Gespenstern unter einem Dach leben müsste.
»Heißt das, die sind immer da?«, fragte sie den Gryffindor-Schüler. »Die tun uns nichts?«
»Haha, nein! Die sind total harmlos«, versuchte Joe ihr auch die letzten Zweifel zu nehmen. »Jedes Haus hat seinen eigenen Hausgeist. Zu Lebzeiten waren sie selbst in dem jeweiligen Haus Schüler gewesen.«
Joseph zeigte mit dem Finger auf einen barock wirkenden Geist, dessen Kleidung mit einer dunklen Flüssigkeit beschmiert worden zu sein schien.
»Das ist der Blutige Baron. Er gehört zum Haus Slytherin. Also dein Hausgeist, Amy.«
Amy wusste noch immer nicht, welchen positiven Nutzen sie daraus ziehen könnte, dass ihrem Haus ein Gespenst mit dem schaurigen Namen Blutiger Baron angehörte, doch sie lauschte weiterhin Joes Worten.
»Die Lady, die dort hinten über den Tisch der Ravenclaws schwebt, ist die Graue Dame und gehört diesem Haus an. Zu meinem Haus, also zu Gryffindor, gehört ein ulkiger Kerl namens der Fast Kopflose Nick«, erklärte Joe weiter.
»Ich dachte schon, Blutiger Baron sei ein gruseliger Name. Aber Fast Kopfloser Nick ist schlimmer«, stellte Amy fest. »Wie kam er zu diesem zweifelhaften Titel?«
»Keine schöne Geschichte«, antwortete Joe und verzog das Gesicht mit einer Mischung aus Ekel und Schmerz. »Er wurde am 31. Oktober 1492 hingerichtet. Allerdings mit einer stumpfen Axt. Es brauchte fünfundvierzig Hiebe, bis er endlich tot war. Aber sein Kopf hing nach wie vor an seinem Körper – wenn auch nur noch ein bisschen an der Seite. Manchmal, wenn er zu sehr lacht oder mit zu großem Eifer erzählt, kann es passieren, dass sein Kopf abknickt, und das sieht dann wirklich nicht appetitl-«
Joes Worte wurden von einem schrillen Kreischen am Tisch der Gryffindors unterbrochen.
»Was ich sage«, fügte Joe hinzu und deutete auf den Hausgeist der Gryffindors, der gerade seinen Kopf wieder an Ort und Stelle platzierte.
Amy sah neugierig zu dem Geist und dachte daran, dass man sie zu Hause für verrückt halten würde, wenn sie das jemanden erzählte. Oder man würde sie verbannen, wie einst ihre Großeltern. Dann betrachtete sie Joseph, für den all das etwas ganz Normales und Alltägliches war. Genauso muss es auch für Manda und für ihre Großeltern gewesen sein.
»Da hinten schwebt übrigens noch gemächlich der Fette Mönch durch den Saal«, unterbrach Joe ihre Gedanken und zeigte auf einen rundlichen Geist am Ende des Hufflepuff-Tisches. »Er ist die gute Seele unter den Geistern. Er verzeiht sogar Peeves, unserem Poltergeist.«
»Poltergeist? Es gibt hier noch mehr als diese vier Geister?«, fragte Amy und bekam nun doch wieder ein mulmiges Gefühl in der Magengegend.
»Oh ja. Peeves. Du wirst ihn bestimmt bald kennenlernen«, war sich Joseph sicher und schien die Gegend bereit, nach ihm abzusuchen. »Er heckt immer Streiche aus, schubst Dinge um, bewirft uns mit Gegenständen und –«
»Moment! Er wirft mit Sachen?«, unterbrach Amy ihren Freund. »Und lacht dabei höhnisch?«
»Du hast ihn bereits kennengelernt.« Joe sah Amy mit einem amüsiert–mitleidigen Blick an.
»Allerdings! Ich wurde vorhin mit irgendetwas am Kopf getroffen und hörte dieses fiese Lachen«, erklärte Amy. »Dann hat er mich mit einer fetten schleimigen Made beworfen.«
»Einem Flubberwurm! Igitt«, schüttelte sich Joe. »Die Dinger sind eklig, aber ungefährlich. Ihren Schleim benutzen wir zum Andicken von Zaubertränken. Er hat das Tierchen bestimmt aus Slughorns Klassenzimmer gestohlen, dieser verfluchte Pflaumenaugust!«
Amy musste kichern und befürchtete, dass sie wohl noch öfter mit diesem Peeves zusammentreffen würde.
»Was kann ich tun, wenn er mir zu sehr auf den Nerv geht?«, fragte sie Joe.
»Hol den Blutigen Baron oder sag Professor Dumbledore Bescheid. Das sind die Einzigen, vor denen er Respekt hat«, erklärte Joe. »Ansonsten versuche, ihn einfach zu ignorieren. Das langweilt ihn.«
»Ich will es probieren«, sagte Amy wenig hoffnungsvoll und entschied, ihre beiden Freunde Olive und Dion am Ravenclaw-Tisch zu besuchen. Diese warfen ihr schon von Weitem einen mitleidigen Blick zu.
»Mensch, Amy. Du musstest doch nicht der Empfehlung des Hutes folgen. Du bist schließlich keine richtige Schülerin. Warum bist du nicht zu uns gekommen, anstatt zu den Slytherins in ihren triefenden Kerkern?«, polterte Olive sofort los.
»Ich weiß. Aber ich denke, dass ich Manda und ihrer Vergangenheit dort viel näher bin, und das ist letzten Endes der Hauptgrund, weshalb ich hier bin.«
Amy schaute traurig auf den Tisch und wurde erst wieder munter, als die Graue Dame an ihr vorbeischwebte.
»Schon faszinierend, was?«, fragte Dion und blickte zu den Hausgeistern.
»Ja, das stimmt«, gab ihm Amy recht. »Ich frage mich, ob da noch mehr auf mich zukommt, was ich mir nicht erklären kann.«
»Vieles, sehr vieles«, schmunzelte Joe, der sich nun auch mit an den Ravenclaw-Tisch setzte. Amy lächelte ihn schüchtern an, doch er war bereits mit den Süßigkeiten auf dem Tisch beschäftigt.
»Der 1. September ist der Tag, an dem ich so viel Süßkram esse, wie das ganze Jahre über nicht«, sagte er und schob sich einen kleinen Muffin in den Mund.
»Pass nur auf, dass du nicht zu schwer für deinen Besen wirst«, ermahnte ihn Dion. »Apropos Besen. Amy, darfst du eigentlich bei den Besenflugstunden mitmachen?«
»Nein, ich glaube nicht«, antwortete Amy und zog die Liste hervor, die ihr Dippet gegeben hatte. »Da steht – keine Flugstunden. Tut mir leid.«
»Das muss dir vor allem für dich selbst leidtun!«, rief Joe empört auf. »Fliegen ist doch das Beste überhaupt daran, ein Zauberer oder eine Hexe zu sein.«
»Mag sein, aber was nicht ist, ist nicht.« Amy zog resignierend die Schultern hoch.
»Und wenn wir dir das Fliegen einfach beibringen? Heimlich?«, schlug Dion flüsternd vor.
»Genau! Joe, wenn du für Quidditch trainierst, dann kannst du Amy doch bestimmt ein paar Sachen zeigen, oder?«, fragte Olive.
»Kein Problem«, sagte Joe zuversichtlich. »Wir könnten morgen Abend anfangen. Dann sind noch keine offiziellen Trainings und es dürfte niemand sonst auf dem Quidditch-Feld sein. Hast du Lust, Amy?«
»Ähm, ja. Schon. Aber gibt das nicht Ärger?«, fragte Amy zögerlich.
»Nur, wenn man uns erwischt«, zwinkerte ihr Olive zu. »Außerdem musst du auch mal rauskommen, aus der Schlangengrube. Mit wem bist du denn in einem Zimmer?«, wollte sie anschließend wissen.
»Mit Walburga Black und Camilla Parkinson«, antwortete Amy und atmete tief aus. »Aber vielleicht bin ich da schneller wieder draußen, als gedacht.«
»Das hoffe ich für dich«, sagte Olive und wurde ganz bleich. »Ich meine, ich war ja schon gemein, damals.« Sie wurde kurz nachdenklich still, bevor sie weitersprach. »Aber die beiden können richtig fies sein.«
»Ich weiß nicht. Walburga scheint mir durchaus auch ihre humorvolle Seite zu haben«, begann Amy ihren ersten Eindruck zu schildern. »Jedoch muss ich aufpassen, dass ich nicht schnarche, nicht zu viel quatsche, keine Unordnung mache, nichts kaputtmache, nicht an fremde Sachen gehe und vor allem darf ich mir auf keinen Fall erlauben, schlammblütig zu sein. Andernfalls werde ich mit sofortiger Wirkung des Zimmers verbannt.«
Nach einer kurzen Stille fingen alle an, kräftig zu lachen.
»Na, wenns weiter nichts ist!«, schnaufte Dion. »Ich glaube, jetzt weiß ich, warum Suzanna Starfountain ihr letztes Schuljahr nicht hier zu Ende gebracht hat und mit ihren Eltern fortgezogen ist. Die gute Walli ist schlimmer, als wir alle ahnen. Warte ab, bis du sie in einem ihrer Wutanfälle schreien hörst. Da kann man nur hoffen, dass die später mal kein Geist wird!«
»Ich hoffe nicht. Ich bin nicht für Streitereien und hoffe, dass wir einigermaßen gut miteinander auskommen werden«, sagte Amy nachdenklich und sah, wie nun auch Grayson Cornfoot und Nina Turpin näher zu ihnen heranrückten.
»Lasst das nur nicht ihren Cousin Orion hören. Er wird fuchsteufelswild, wenn er mitbekommt, dass schlecht über Walburga geredet wird«, tuschelte Nina ihnen zu und blickte sich suchend nach eventuellen Mithörern aus dem Haus Slytherin um. »Er ist zwar ein paar Jahre jünger als sie, aber nicht weniger Schlange.«
»Ach, ich verhalte mich einfach ganz unauffällig und dann wird das schon.«
»Das hoffe ich sehr für dich, Amy«, sagte Grayson und ging zusammen mit Nina hinauf zu den Räumlichkeiten der Ravenclaws.
»Wir sollten dann auch mal ins Bett gehen. Es war ein langer Tag, was?«, schlug Dion vor und er und Olive folgten ihren Hauskameraden.
»Wenn dich irgendjemand ärgert, dann sag mir Bescheid, hörst du Amy!«, bot Joe seine Hilfe an, bevor auch er den anderen Gryffindors folgte und den Saal verließ.
Amy hoffte jedoch, dass sie bald lernen würde, wie sie sich im Zweifel selbst verteidigen könnte.
2. September 1944
Es war Samstag und somit hatten die Schüler von Hogwarts gleich am Tag nach der Einschulungszeremonie Wochenende. Für Amy war das sehr ungewöhnlich, da sie auch an Samstagen die Schulbank drücken musste, und sogar die Sonntagsschule war für sie hin und wieder Pflicht. Meist konnte sie den schlechten Gesundheitszustand ihrer Mutter als Ausrede nutzen, um drumrum zu kommen und nicht selten verhinderten Bombendrohungen den Gang in die Schule. Die junge Frau fand diesen Umstand allerdings eher schade denn erfreulich, da sie so um wertvolle Tage gebracht wurde, an denen sie mit ihren Freunden zusammen sein konnte. Hier in Hogwarts waren die Schüler tagtäglich von ihren Freunden umgeben. Wieder mal beneidete Amy ihre Doppelgängerin, für deren Zeit an dieser Schule.
Das Wetter war nach all dem Regen der letzten Tage stabil, aber weiterhin recht kühl. Dennoch ließen es sich einige der jungen Hexen und Zauberer nicht nehmen, sich im Großen See zu sudeln, der unterhalb der Mauern Hogwarts lag und auch an Hogsmeade grenzte.
Amy stand an einem Baum gelehnt am Ufer des Sees und betrachtete all die Schüler, die hier so frei von den Sorgen und Nöten der durch Krieg und Armut geplagten Menschen außerhalb der Zaubererwelt leben konnten. Sie alle hatten die Jugend, die ihr verwehrt wurde.
»Hey, Amy! Warum schaust du so traurig?«, erklang Olives Stimme hinter ihr. »Ist es nicht ein schöner Tag heute? Vielleicht sollten wir auch baden gehen. Es sei denn, du hast Angst vor Kraken. In dem See soll es nämlich ein recht großes Exemplar geben.«
Amy schaute ihre Freundin erschrocken an. »Dann sind diese vielen Geschichten also wahr, die sich die Seemänner erzählen, dass es riesige Kraken und Tintenfische gibt?«, fragte sie und Olive kicherte.
»Ja, die Muggel haben wohl das ein oder andere Individuum auf ihren Meerreisen gesehen. Aber keine Angst«, erklärte Olive und blickte träumerisch über den See. »Wie sooft, haben die Muggel auch in diesem Fall etwas übertrieben. Unser Riesenkrake jedenfalls greift niemals Schiffe an und frisst auch keine Menschen. Er ist ganz harmlos. Ein wenig mehr Vorsicht ist da schon bei den Grindelohs geboten«, fuhr sie fort und senkte den Klang ihrer Stimme zu einem warnenden Murmeln herab.
»Grinde-, was?«, fragte Amy und wechselte ihren Blick von Olive zum See und wieder zurück.
»Grindelohs. Das sind kleine grünliche Wasserdämonen«, sagte Olive und versuchte, ihre Beschreibung mit Gesten anschaulicher zu gestalten. »Sie greifen mit Vergnügen Menschen an. Deswegen dürfen wir uns beim Baden nicht zu weit ins Wasser hereinwagen. Eigentlich sehen es die Lehrer gar nicht gern, dass wir in den See gehen. Aber, wenn er schon mal so verlockend direkt vor unserer Haustür liegt. Was soll man machen, hm?« Olive zuckte mit den Schultern und beobachtete die badenden Jugendlichen.
»Und was gibt es sonst noch Gruseliges in diesem See?«, fragte Amy und trat instinktiv einen Schritt zurück.
»Ach, gruselig würde ich das nicht nennen«, sagte Olive schmunzelnd. »Die Grindelohs kann man ganz leicht abschütteln, indem man ihnen die Finger bricht und –«
»Autsch! Das ist aber nicht besonders nett!«, rief Amy empört dazwischen.
»Das wirst du nicht mehr sagen, wenn sie dich erst mal mit sich in die Tiefe gezogen haben und dir nach und nach die Luft ausgeht«, tönte Olive. »Außerdem heilen sie sicher sehr schnell wieder. Etwas mehr solltest du dich bei Wassermenschen in Acht nehmen. Nicht, weil sie besonders gefährlich für uns sind. Eher stellen wir mitunter eine Gefahr für sie und ihre Kultur dar. Wir sollten sehr rücksichtsvoll ihnen gegenüber sein.«
»Was? Dort unten leben Menschen?«, fragte Amy entsetzt und ging nun wiederum zwei Schritte auf den See zu, als wolle sie jemandem zu Hilfe eilen.
»Keine Sorge. Das sind keine echten Menschen, wie wir«, hielt Olive sie von ihrem Vorhaben ab. »Sie sind, nun ja, eigentlich auch keine Tiere. Es ist etwas kompliziert mit denen, weißt du. Sie wollen nicht als Tierwesen bezeichnet werden, weil sie zu menschenähnlich sind. Gleichfalls finden sie es beleidigend, sie zusammen mit Sabberhexen und Vampiren als Zauberwesen zu klassifizieren.«
»Kann ich verstehen«, sagte Amy mit einer klanglosen Stimme. Insgeheim fragte sie sich, welche Art von Märchengestalten sich wohl noch als Wahrheit herausstellen würden. »Immerhin sind Meerjungfrauen ja hübsche Wesen, die Seefahrer in ihren Bann ziehen, mit ihrem Gesang und keine blutrünstigen Monster, oder?«
Amy war sich nicht sicher, ob ihre muggelige Vorstellung von Meermenschen nicht am Ende auch falsch waren, denn Olive grinste sie nur schief an, bei dieser Aussage.
»Das kommt auf die Art an«, antwortete Olive mit erhobenem Zeigefinger. »Die griechischen Sirenen und diese, die du vermutlich als Nixen kennst, sind in der Tat hübsch anzusehen. Ach, und weißt du, offenbar sehen wohl auch die männlichen Wassermenschen hier in Schottland nicht so übel aus, wie wir denken«, sagte sie dann amüsiert. »Jedenfalls, wenn man dem Geschmack einer Hexe namens Mirabella Plunkett vertrauen darf. Die hat sich vor ungefähr einhundert Jahren in einen Wassermann verliebt. Stell dir das mal vor!«
»Das stelle ich mir lieber nicht vor«, sagte Amy und musste sich bei dem Gedanken an einen Mann, der halb Mensch und halb Fisch war, schütteln, als wäre ihr kaltes Wasser über den Rücken gelaufen.
»Ist auch nicht besonders gut ausgegangen, die Geschichte«, fuhr Olive resigniert fort. »Ihre Eltern haben ihr eine Heirat mit ihm verboten. Daraufhin verwandelte sich Mirabella in einen Schellfisch, tauchte in den See Loch Lomond unter, indem der Kerl lebte, und wurde nie wieder gesehen. Wähle also mit Bedacht, wem du dein Herz schenkst«, ergänzte Olive und schaute Amy eindringlich an, die sich davon irgendwie bedrängt und geradezu ertappt fühlte. »Hat meine Oma immer gesagt!«, rief Olive anschließend und schlug Amy vor, zusammen zur Hütte des Wildhüters zu gehen.
»Howie kann uns noch viel mehr über Tierwesen erzählen und du musst unbedingt Rubeus kennenlernen. Er ist riesig, ein wenig tollpatschig und grobschlächtig, aber total nett.«
Amy war sofort begeistert von diesem Vorschlag. »Dumbledore hat mir erzählt, dass er Gwyn, meinen Terrier, ähm, Crup zu Mr Ogg gebracht hat. Es wäre sehr schön, meinen kleinen Freund wiederzusehen.«
»Dann lass uns keine Zeit verlieren!«, sagte Olive und ging voraus.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro