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Kapitel 15

Revanna

Ein Drohbrief. Na das hatte ja gerade noch gefehlt.

Selten hatte Jackson so bleich und ängstlich ausgesehen wie in dieser Sekunde und es gefiel mir ausnahmsweise ganz und gar nicht. Die Typen im Park hatten also Komplizen, die Jackson sogar noch nach dem Vorfall im Park gefolgt waren, die ihn ausspioniert hatten. Unruhig sah der junge Mann sich um. Immer wieder sprangen seine Blicke nervös den Gang hinunter, zum Treppenhaus, an mir vorbei und wieder zurück auf den Zettel, den er feste umgriffen hielt. Seine Hände waren zittrig, sein Atem flach und unregelmäßig. Erneut hefteten sich seine Blicke an die paar wenigen Zeilen auf dem Stück Papier. Als könnten sich die Worte dadurch auf magische Art und Weise plötzlich ändern.

Ich musste zugeben, dass ich in dieser Sekunde ebenfalls völlig überfordert mit der Situation war. Was sollte ich jetzt machen? Fearghas über die Drohung informieren? Jackson zu Hause einsperren, bis die Gefahr vorbei war? Die Typen ausfindig machen? Aber was dann? Nervös fuhr ich mir durch die Haare. Alles würde gut werden, dachte ich optimistisch. Ich würde mir schon noch etwas einfallen lassen.

Vielleicht sollten wir erst mal aus diesem halb verlassenen Schulgebäude raus. Etwas frische Luft und ein angenehmeres Umfeld konnten ja bekanntlich Wunder bewirken. Also, nicht bei mir, aber wer weiß... Meinem Schützling würde mehr Luftzufuhr für sein Gehirn ja möglicherweise helfen.

Als ich laut meine Hände zusammen klatschte und Jackson dabei als Aufheiterungsversuch ein gequältes und übertrieben großes Lächeln schenkte, fuhr dieser so abrupt zusammen, dass ich fürchte, dass er einen Herzinfarkt bekommen würde.

Na, immerhin hatte ich jetzt wieder seine Aufmerksamkeit.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte der blonde Schotte mich fassungslos an und presste sich dabei eine Hand auf den Brustkorb. Da war ja wieder die kleine Dramaqueen, die ich so liebte und verehrte.

„Sehen wir das Ganze doch positiv", versuchte ich ihn zu beruhigen, doch wurde aus seinem erschrockenen Gesichtsausdruck stattdessen nur ein unglaublich wütender. Eilig und noch bevor er zu einem Kommentar ansetzten konnte, fuhr ich fort: „Immerhin wollen sie dich nicht direkt umlegen, sondern senden dir vorher eine kleine Warnung. Eine Art Ankündigung. So wie: ‚Jackson, pass auf, denn wir werden dich wahrscheinlich bald umbringen'. Ist doch nett von ihnen."

Jacksons Miene nach, hatte ich irgendwas Falsches gesagt...

„Revanna."

„Ja?"

„Halt die Klappe."

Ich schnaubte genervt. Da wollte man nur helfen und wurde dafür direkt angemosert.

Wortlos drehte der Junge mir den Rücken zu und lief angespannt den Gang hinunter zum anderen Treppenhaus. Mit großem Abstand folgte ich ihm schließlich.

Auf dem Weg zum Auto schwiegen wir uns beide immer noch an.

Zwar setzte immer wieder einer von uns zum Reden an, sah dann aber wieder eilig zur Seite. Wir dachten wohl beide über die wenigen Möglichkeiten, die uns jetzt noch offen standen nach, doch wussten wir auch, dass die Aussichten nicht allzu rosig waren.

Wie sollte ich ihn noch beschützen können? Mein Armreif war offensichtlich kaputt und meinen Vorgesetzten deswegen wieder nerven wollte ich nicht, denn dann müsste ich diesem auch erklären, dass mein Schützling mich sehen konnte und bereits jetzt über einiges Wissen über unsere Welt verfügte. Das alleine würde mich bestimmt schon meinen Job kosten. Würde ich darüber hinaus auch noch von der Drohung und den Auseinandersetzungen zwischen ihm und mir berichten, wäre das mein sicheres Ticket zurück in die Zwischendimension.

„Sie werden es herausfinden. So oder so", stellte ich schließlich realistisch in Gedanken fest.

Nichts blieb dem Rat oder den höheren Mächte lange verborgen. Es grenzte schon an ein kleines Wunder, dass sie mich noch nicht wegen der direkten Interaktion mit meinem Schützling zu sich gerufen hatten.

Wenn sie darüber Bescheid wussten, hatten sie sich bis jetzt sehr zurückgehalten.

Was entweder ein gutes oder aber ein sehr schlechtes Zeichen war.

„Wie kann man nur so viel Pech haben", murmelte ich schließlich geschlagen vor mich hin, als wir auf Jacksons Auto zusteuerten. Der junge Mann neben mir hatte ebenfalls vor wenigen Sekunden damit begonnen, undeutliches Zeug vor sich her zu brabbeln, blickte nun aber entrüstet in meine Richtung.

„Ich habe keine Ahnung." Verwirrt sah ich ihn von der Seite an.

„Wer redet denn hier von dir?! Ich rede von mir!" Das war ja mal wieder typisch. Unser Möchtegern Badboy dachte erneut, dass sich das ganze Universum nur um ihn drehte.

Mit einem Augenverdrehen ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen.

Gott, machte der mich wahnsinnig. Der angesprochene Schotte, der gerade auf der Fahrerseite einsteigen wollte, stoppte abrupt in seiner Bewegung.

„Von dir?! Hast du sie nicht mehr alle?! Ich bin hier derjenige, der gerade einen Drohbrief erhalten hat und dessen Leben langsam aber sicher den Bach runter geht!"

Wollte der mich jetzt völlig verarschen?

„Und ich bin tot und muss auf dich aufpassen! Wir haben alle unsere Probleme, also hör auf zu heulen, richte dein Krönchen und steig endlich ins Auto, Prinzessin!"

Jacksons Augen weiteten sich, bevor plötzlich ein fast schon bedrückter Ausdruck auf seinem Gesicht auftauchte, als er wortlos in Auto einstieg und losfuhr. Danach kehrte wieder Stille zwischen uns ein. Jackson sah übertrieben konzentriert auf die Straße, hatte die Finger fast schon krampfhaft um das Lenkrad geschlungen. Ich selber starrte stumm aus dem Fenster, hielt nun ebenfalls fast paranoid unsere Umgebung im Auge, musterte Häuser und Menschen, an denen wir vorbei fuhren. Was hatte ich nur getan, um so bestraft zu werden?

„Hey", hörte ich Jackson plötzlich sprechen. Seine Stimme war leise, fast schon vorsichtig, als könnte dieses eine simple Wort mich bereits in den Wahnsinn treiben. Als könnte dieses eine Wort mich dazu bringen, ihn zu verletzten. Eine durchaus berechtigte Sorge, doch in diesem Moment völlig unnötig und übermäßig dramatisch.

„Kann ich dich etwas fragen?", fuhr er unsicher fort, als ich weiterhin schwieg.

„Ja, ich finde auch, dass du und Chestity eine Qual für jeden in eurem Umfeld seid und du sie dringend loswerden solltest", kommentierte ich trocken, ohne ihm dabei eines Blickes zu würdigen. Ich hörte ihn leise aufseufzen und hoffte, dass unsere Konversation damit beendet war, was unser lieber Möchtegern Badboy aber offensichtlich ganz anders sah.

„Bitte, Revanna."

Geschlagen gab ich ein leises „Mhm" von mir und lehnte dann erschöpft meinen Kopf gegen den Sitz, um kurz die Augen zu schließen. Ob er mich jemals weniger nerven würde?

„Wie-wie b-bist du eigentlich... na ja, ähm... gestorben? Du bist ja ungefähr so alt wie ich, da ist das ja eher...ungewöhnlich und da..."

„Jackson!", unterbrach ich sein Herumgestotter, öffnete meine Augen und sah ihn, mit einem kleinen, aber dieses Mal ehrlichem Lächeln an. „Ist schon in Ordnung."

Ich seufzte leise, durchsuchte, wie schon so oft meinen Kopf nach Erinnerungen oder Anhaltspunkten, die mir verraten könnten, was genau in meinem vorherigen Leben passiert war. Doch, ebenso wie all die Male davor fand ich nichts. „Um ehrlich zu sein: Ich habe keine Ahnung."

„Du...du weißt es nicht?"

„Nein. Alles was ich weiß ist, dass ich vor circa zwei Jahren gestorben, in der Zwischendimension gelandet und kurze Zeit später dort von Fearghas und dem Rest des Rates raus geholt worden bin. Sie sagten mir meinen Namen und gaben mir diesen Job. Das war's. Mehr ist da nicht zu erzählen", hielt ich mich kurz, mit einem verschämten Lächeln auf den Lippen. Wie peinlich.

„Oh", kommentierte der junge Mann neben mir leise, „das tut mir echt leid."

„Das muss es nicht. Unwissenheit kann ein Segen sein. Was ist, wenn ich eine Familie habe, die jeden Tag aufsteht und ihr Leben weiterleben muss, mit dem Gedanken eine Tochter oder Schwester zu früh verloren zu haben? Was ist, wenn ich Freunde hatte, die mit dem Verlust einer guten Freundin leben müssen? Wie könnte ich noch unbekümmert meinen Job machen, wenn ich wüsste, wo sie leben und wie es ihnen geht? Ich würde immer nur versuchen, bei ihnen zu sein, würde versuchen, ihnen zu sagen, dass ich hier bin und dass...dass sie sich keine Sorgen machen müssen? Ich...", abrupt brach ich meinen Redeschwall ab, als ich spürte wie mir Tränen in die Augen stiegen und meine Stimme zunehmend brach.

Nein, nein, ich würde nicht vor ihm einen emotionalen Zusammenbruch haben! Niemals! Gerade als ich dazu ansetzte, die Situation durch einen sarkastischen Kommentar zu retten, spürte ich Jacksons warme Hand, die meine kalte kurz umgriff und beruhigend drückte. Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen, betrachtete unsere Hände unschlüssig, wütend darüber, dass mich der Kontakt tatsächlich beruhigte.

Mit Überraschung stellte ich zudem fest, dass sie wir bereits in der Einfahrt zum Haus der Grahams standen.

Wie lange hatte ich denn vor mich hin gebrabbelt?

„Okay, jetzt lass uns mal nicht allzu emotional werden", lachte ich nervös und zog dann eilig meine Hand unter seiner weg. Der junge Mann nickte langsam und stieg dann aus dem Auto aus, was mir die Chance gab einmal tief durchzuatmen.

Beruhige dich, Revanna! Du kannst ihn nicht leiden! Du bist taff, du bist clever und du zeigst deine emotionale Instabilität nicht vor Anderen! Vergessen wir die Situation einfach wieder!

„Ich-ich könnte dir vielleicht helfen", schlug Jackson auf dem Weg zum Haus auf einmal vor und musterte mich dabei eingehend.

„Womit willst du mir denn helfen?", lachte ich daraufhin und trat dann schnell ins Haus, hoffend, dass wir es dabei belassen würden. Doch der Schotte hatte da andere Pläne.

„Na ja, im Internet findet man nahezu alles. Dein Akzent sagt mir, dass du aus dieser Region kommen musst und, wenn das denn der Fall sein sollte, wird es bestimmt einen Artikel oder einen Bericht darüber geben, dass eine jüngere Frau aus der Gegend hier verstorben ist. Zumindest wenn du... wenn du durch einen Unfall oder derartiges gestorben bist. Wir könnten herausfinden, wer du warst. Da bin ich mir sicher. Gerade jetzt, wo ich das Haus etwas ungerne verlassen würde."

„Ich habe doch gerade noch gesagt, dass ich es nicht wissen möchte!"

„Das hast du vielleicht gesagt, aber sicherlich nicht so gemeint!" Wütend knurrte ich auf. Seine Idee war tatsächlich gut und ja, ich wollte es vielleicht irgendwo tief in mir tatsächlich wissen, doch war ich mir nicht sicher, ob ich dafür überhaupt bereit wäre. Es würde alles nur noch komplizierter und mein „Leben" sicherlich noch trauriger machen, was ich jetzt echt nicht brauchte. Es könnte so vieles verändern und dass nicht zwingend ins Positive.

Darüber hinaus traute ich ihm und seiner Intention nicht über den Weg.

„Wieso solltest du mir helfen wollen?! Du kannst mich ebenso wenig leiden, wie ich dich", stellte ich kühl fest und tippte ihm dabei anklagend mit dem Zeigefinger gegen die Brust.

Ich hatte keine Lust, mich von jemandem wie ihm verarschen zu lassen, erst recht nicht wenn es um so etwas Wichtiges ging.

„Hör mir zu", begann Jackson mit tiefer Stimme und umgriff erneut meine Hand, dieses Mal jedoch, um mich davon abzuhalten, ihn weiter mit meiner Fingerspitze zu piksen. Genervt versuchte ich meine Hand wieder aus seiner zu reißen, ohne ihn dabei mit meiner Kraft zu verletzen, doch ließ er nicht los.

„Ich habe meine Mutter viel zu früh verloren und einen Vater, der nervt und fast nie da ist. Trotzdem ist er immer noch mein Vater, meine Familie." Augenblicklich hörte ich mit meinem Herumgezappel auf. Seine Augen waren mit einem Mal dunkel und der Anspannung in seiner Stimme nach, fiel ihm dieses Thema sichtlich schwer. Verdammt. Und ich hatte schon gedacht, dass wir mit dem Gefühlskram endlich durch waren.

Wie sollte ich darauf denn reagieren? Mit dem Jackson, der einen auf herzlos machte konnte ich umgehen, aber das überforderte mich jetzt völlig.

„Du hast ein Recht darauf zu wissen, wer deine Familie ist und wer du einmal warst. Auch wenn die Wahrheit nicht schön ist", sprach er kühl und entließ dann meine Hand aus seinem Griff. „Außerdem brauche ich die Ablenkung", er zuckte mit den Schultern und verschwand dann eilig in der Küche. Na super.

„Mister Graham, ist alles in Ordnung? Mit wem haben sie an der Tür gesprochen?", hörte ich die Stimme des wandelnden Schrankes in der Küche fragen. Ach ja, der menschliche und unnütze Bodyguard war ja auch noch da. „Ich habe am Handy mit jemandem gesprochen", erklärte Jackson kurz angebunden und joggte dann mit einem Apfel in der Hand an mir vorbei, die Treppe hoch und in sein Zimmer.

Dieser Junge und seine Stimmungsschwankungen...
~~~
„Verlieren alle Animus... Amin..."

„Animus Perditus."

„Meine ich ja. Verliert ihr alle eure Erinnerungen, wenn ihr in der Zwischenwelt..."

„Zwischendimension."

„Richtig. Wenn ihr in dieser Zwischendimension landet?"

Genervt stöhnte ich auf. Jackson saß seit fast einer Stunde vor seinem Laptop und fragte mich immer wieder aus, was mir mittlerweile sehr auf die Nerven ging. Ich selber lag, alle Viere von mir gestreckt, auf seinem Bett und langweilte mich. Zwar sprangen meine Gedanken immer wieder zu seinem Plan und dessen Auswirkungen zurück, doch da der Junge nach einiger Zeit immer noch nichts gefunden hatte, glaubte ich immer weniger daran, dass er tatsächlich etwas herausfinden würde.

„Woher soll ich das denn wissen?", antwortete ich schließlich schnippisch und wälzte mich erneut herum. Dieses Mal war es Jackson, der frustriert über den Bildschirmrand in meine Richtung blickte und tief durchatmete.

„Oh, keine Ahnung, Revanna. Vielleicht weil du selber einer bist? Oder weil es Andere deiner Art gibt, mit denen du, in einem eurer...eurer Treffpunkte sicherlich Kontakt haben wirst", sagte er sarkastisch, wandte sich dann wieder dem Laptop zu und seufzte genervt. Man, stellte der sich an!

„Wirke ich auf dich, wie eine Person, die freiwillig Kontakt zu anderen hat?", fragte ich trocken und robbte nahe an die Bettkante, sodass ich mich kopfüber vom Bett hängen und ihn betrachten konnte.

„Nein, aber du wirst doch ab und zu mit anderen Ani...Beschützern sprechen." Ungläubig schob der junge Mann den Laptop auf den Schreibtisch zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich leicht gegen die Stuhllehne.

„Das letzte Mal als ich mit einem anderen Animus Perditus als meinem Vorgesetzten wirklich gesprochen habe, hat er mir einen Dolch an den Hals gedrückt", gab ich gelangweilt zu und fuhr mir abwesend mit einer Hand über die Stelle, an der Aiden's Klinge gelegen hatte. Oh, wie ich ihn doch hasste!

Zu meiner Verwunderung kommentierte der Idiot vor mir dies nur mit einem kurzem Kopfnicken und leisem „Mhm".

„Mhm?! Was soll das denn jetzt bitte bedeuten?!"

„Revanna, ich kenne dich jetzt persönlich erst seit", er sah auf sein Handy, „knapp 24 Stunden und kann, ohne die andere Person zu kennen, mit Sicherheit behaupten, dass du es sehr wahrscheinlich verdient hast." Ein erstickter, entsetzter Laut verließ meinen weit aufgerissenen Mund, als ich vom Bett runter rollte und Jackson voller Hass aus großen Augen anstarrte.

Wie konnte er es nur wagen?! Anklagend zeigte ich mit dem Zeigefinger auf ihn, versuchte die richtigen Worte zu finden, öffnete und schloss meinen Mund aber stattdessen nur lautlos wie ein Fisch, der aus dem Wasser geholt worden war. Ich hatte es sowas von nicht verdient gehabt! Ich hatte ihn beschützt und Aiden hatte mich nur aus reiner, sadistischer Freude heraus angegriffen! Wie konnte er es nur wagen?

Schlussendlich drehte ich ihm aus Scham und Wut einfach trotzig den Rücken zu, verschränkte störrisch die Arme vor der Brust und breitete meine Flügel wieder aus, um es ihm unmöglich zu machen, mich anzusehen und dennoch wusste ich, dass der Idiot grinste.

„Also, dieser Enis, war der Erste, der aus der Zwischendimension heraus gekommen ist? Wie hat er das angestellt? Wie und wann hat er die Anderen, aus diesem „Rat" ausgewählt? Warum genau zehn und was genau ist ihre Aufgabe? Wieso werden Menschen übersehen? Wieso genau helfen sie den Erzengeln und wieso verliert ihr, oder wieso genau du die Erinnerung an das vorherige Leben?"

Abrupt sanken meine Schultern nach unten, denn die Wahrheit war, dass ich nicht eine seiner Fragen beantworten konnte. Ein Gefühl von Unwohlsein breitete sich in meinem Körper aus.

Wieso wusste ich keine Antwort auf seine Fragen? Ich war immerhin nicht erst seit gestern ein Animus Perditus, also wieso wusste ich nichts über den Rat und seine Mitglieder? Das Gefühl von Unwohlsein wurde zunehmend stärker, so stark, dass ich das Gefühl hatte, mich übergeben zu müssen. Ich wusste gar nichts.

Wer war ich einmal gewesen? Wie erging es anderen wie mir? Wie funktionierte der Rat, wie unsere Welt eigentlich genau? Ich wusste ja nicht einmal, wer die Frau war, die mir und Jackson in dem Restaurant aufgelauert hatte, wusste nicht wieso mein Armreif nicht funktionierte, wieso es Fearghas und Aiden offensichtlich auf mich abgesehen hatten! Schwarze Punkte traten in mein Sichtfeld, als mein Atem schneller wurde und mein Körper zu zittern begann. Wieso wusste ich all dies denn nicht? Wieso?!

„I-ich habe keine Ahnung", brachte ich zittrig hervor, schlang eilig die Arme um meinen Körper, in der Hoffnung mich so beruhigen zu können und ließ meine Flügel wieder verschwinden.

Beruhigen. Ich musste mich beruhigen. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen.

„Revanna? Alles in Ordnung?", hörte ich ihn fragen. Überrascht davon, dass er mich wegen meiner Unwissenheit nicht auslachte, nickte ich kurz, brachte langsam meinen Atem wieder unter Kontrolle und grub meine Finger noch weiter in meine Arme, hoffend, dass ich so auch das Zittern in den Griff bekommen würde. Jackson blieb stumm, ebenso wie ich. Das ungute Gefühl in meinem Brustkorb aber blieb.
~~~
„Sag mir noch einmal, wieso genau wir hier her gekommen sind? Ich dachte, du wärst endlich mal etwas verantwortungsbewusster geworden und hättest dich dazu entschieden, das Haus nicht mehr so häufig zu verlassen", merkte ich an und stapfte hinter dem jungen Mann in das große, moderne Gebäude vor uns. Die Stadtbibliothek von Aberdeen.

„Ich habe im Internet kaum etwas über deine Art oder dich herausfinden können und hier, im untersten Stockwerk der Bibliothek liegt gleichzeitig auch das Stadtarchiv. Wenn wir irgendwo etwas über dich herausfinden können, dann hier. Du sagtest, dass es deine Art schon seit tausenden von Jahren gibt. Hier gibt es hunderte von Büchern, über die schottische Mythologie und Volksgeschichten, also können wir hier auch gleichzeitig etwas über deine Art als solche herausfinden."

Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzten, als eine Frau, die an Jackson vorbei aus dem Gebäude heraus trat, diesem einen verwirrten Blick zuwarf. Zu meiner Überraschung wies dieser, dieses Mal entspannt auf seine Kopfhörer, die er kurz vor dem Aussteigen in seine Ohren gesteckt hatte. Zwar hörte er keine Musik oder telefonierte, aber fragte so niemand, wenn er „mit sich selber sprach".

Auch sein Bodyguard, der uns in einigem Abstand folgte, schien auf seinen Trick reinzufallen. Dieser Einfall war ebenfalls, zugegebener Weise nicht...dumm von ihm. Nicht, dass ich dies je vor ihm zugeben würde.

„Jackson Graham in einer Bibliothek. Und das nur für mich. Es geschehen also doch noch Wunder", grinste ich ihn also bloß breit an, woraufhin der junge Mann mich mit einem Augenverdrehen leicht anrempelte und dann anfing sich umzusehen. Dabei entging mir jedoch nicht das kleine, verstohlene Lächeln auf seinen Lippen.

Nur kurze Zeit später saßen wir an einem Tisch im ersten Stock, umgeben von unzähligen Büchern, Zeitungsartikeln und Zeitschriften. Während Jackson voller Tatendrang die Bücher und Texte durchforschte, lehnte ich mit dem Kopf am Fenster, auf dessen Fensterbank ich es mir bequem gemacht hatte.

Mir war klar, dass er sich nur so auf dieses Thema fokussierte, weil er verwirrt und mit der Situation völlig überfordert war. Er wusste seit etwas mehr als einem Tag, dass eine völlig andere Welt existierte, wusste, dass er einen Beschützer hatte und dass er unter Beobachtung von Menschen stand, die bereit wären, ihn zu töten.

Dazu kam noch der Angriff im Park, die angespannte Situation mit seinem Vater und natürlich der Mord, den er hatte mit ansehen müssen. Der Arme musste noch mehr neben sich stehen als ich und stürzte sich daher lieber in eine Ablenkung wie diese, als sich wirklich mit den Problemen zu befassen. Verständlich.

Ich würde nicht viel anderes handeln, nur war er leider mein Hauptproblem und ihn konnte ich nun einmal nicht einfach bei Seite schieben und ignorieren, bis er verschwunden war. Na ja. Ich könnte schon...aber nein, das würde bloß ganz andere Probleme verursachen.

„Du könntest mir helfen, weißt du", setzte er an, doch wurde er von dem Klingeln seines Handys unterbrochen. Er warf jedoch nur einen kurzen Blick auf das Display, bevor er das Handy wieder in seiner Jackentasche verschwinden ließ. Fragend hob ich eine Augenbraue. „Chestity", antwortete Jackson bloß kurz angebunden und blätterte dann in der alten Zeitung weiter.

„Naw", grinste ich daraufhin übertrieben süßlich, „ihr zwei seid ja echt sooo süß zusammen. Ein wahres Traumpaar!"

„Wir sind kein...", verwirrt stoppte er und sah mich stattdessen abwartend an. Als ich aber nichts sagte, sondern wieder aus dem Fenster schaute, fuhr er fort. „Das ist alles? Einfach nur ein „Kompliment"? Kein bissiger Kommentar?"

„Nein, nein. Ihr seid so niedlich wie...wie Romeo und Julia und ich wünsche euch von ganzem Herzen eine ebenso rührende Liebesgeschichte wie ihnen."

„Und da ist er ja."

Ich lachte leise und wollte gerade etwas erwidern, als ich ein mir bekanntes Gesicht auf dem Gehweg vor der Bibliothek sah. Augenblicklich kamen mir Jacksons Fragen wieder in den Sinn und in einem Moment unglaublicher Schwäche kam mir eine mehr als nur dumme Idee. Laut fluchend stand ich eilig auf. „Hey, Revanna. Sieh mal was ich...", doch bevor Jackson fortfahren konnte, war ich schon an ihm vorbei und aus der Bibliothek raus gesprintet.

„Oh, das werde ich sowas von bereuen", dachte ich, als ich auf dem Gehweg zum Stoppen kam und Sylvester, der nur wenige Meter von mir entfernt auf sein Auto zusteuerte, hinterherschaute.

Nicht wissend, ob es funktionieren würde oder nicht, änderte ich die Einstellung an meinem Armreif und holte dann tief Luft. Tausend Gedanken, Fragen und Zweifel schwirrten mir durch den Kopf, doch ich ignorierte sie, ebenso wie das ungute Gefühl in mir. Ich brauchte Antworten, egal wie hoch der Preis auch sein mochte.

„Aiden?! Aiden, ich weiß, dass du hier irgendwo bist! Zeig dich, du Arschloch!"

Ich drehte mich mehrfach um die eigne Achse, sah mich suchend um und gerade als ich erneut dazu ansetzte zu schreien, unterbrach mich eine tiefe und raue Stimme direkt hinter mir.

„Hallo, Kleines. Na, hast du mich doch vermisst?"

Erschrocken fuhr ich zusammen und drehte mich eilig um, nur um einen knappen Meter entfernt von dem dunkelhaarigen Mann zu stehen, der mich verstohlen musterte. Unwillkürlich wanderte meine Hand zu den Griffen meiner Dolche, eine Handlung, die ihm natürlich nicht verborgen blieb.

Aidens dunkelblaue Augen, die, anders als Jacksons, gefährlich düster zu funkeln schienen, folgten der Bewegung. Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen, bevor er die muskulösen Arme vor der Brust verschränkte und mich damit nur noch unsicherer machte.

Ich traute diesem Kerl nicht. Aber, so sehr wie es mich auch schmerzte, es zuzugeben, ich brauchte jetzt seine Hilfe.

„Kein bisschen", erwiderte ich kühl und warf dann schnell einen Blick in Sylvesters Richtung, der nun telefonierend an seinem Auto lehnte. Das würde mir etwas mehr Zeit verschaffen. Dem anderen Animus Perditus war auch dies nicht entgangen.

Langsam fuhr er sich mit Zeige- und Mittelfinger über die Rune an seinem Handgelenk, die zwischen seinen unzähligen Tattoos kaum auffiel, bis sie plötzlich, und nur für wenige Sekunden, goldenen aufleuchtete. Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. Was um alles in der Welt war das denn gewesen? Wie hatte er das nur gemacht?

„Hast du mich gerufen, weil du Hilfe bei deinem Job brauchst?", fragte er spöttisch und sah sich dann um, schien nach jemandem zu suchen. Jackson. Natürlich.

Ich setzte zu einer Antwort an, schloss den Mund dann aber wieder, schenkte ihm stattdessen bloß einen fragenden Blick. Der Mann lachte leise.

„Habe gehört, dass dein Schützling in einem Park fast zu Tode geprügelt worden ist." Meine Augen weiteten sich. Woher wusste er das?

„Aber zu meiner Überraschung habe ich auch gehört, dass du ihn gerettet hast, also sind wohl Glückwünsche angebracht... Andererseits ist das jetzt schon der zweite Schützling, der wegen deinem späten Eingreifen im Krankenhaus gelegen hat. Jetzt bin ich hin und her gerissen. Bist du nun gut in unserem Job, aber so dreist und frech, dass man es dir nicht zutrauen würde, oder hast du einfach nur verdammt viel Glück?"

„Oh, ich würde sagen, dass es eine ungesunde Mischung aus beidem ist, aber was jetzt noch viel Wichtiger ist: Woher weißt du davon, Aiden?!"

Wütend machte ich einen Schritt nach vorne, sodass wir nun fast Brust an Brust voreinander standen. Der würde mich noch schneller durchdrehen lassen als Jackson. Und das hieß schon viel.

Mein Artgenosse hob amüsiert eine Augenbraue, als er zu mir hinunter schaute, bevor er unschuldig mit den Schultern zuckte. Da er ein schwarzes T-Shirt trug, konnte ich seinen Armreif sehen, sowie das breite Lederband an seinem Oberarm, an dem drei kleinere Messer befestigt waren, die er wohl, zusätzlich zu seinen Dolchen, die am Gürtel seiner schwarzen Jeans befestigt waren, mit sich rumschleppte. Auch wenn mein Blick etwas länger an den Waffen haftete, war es doch der Armreif der mich wieder daran erinnerte, wieso genau ich ihn überhaupt gerufen hatte. Zudem war mir klar, dass er mir keine ehrliche Antwort auf meine vorherige Frage geben würde, also beließ ich es, trotz schlechtem Gefühl im Bauch dabei und atmete einfach nur tief durch.

„Ich habe dich nicht gerufen, damit du dich über mich oder meine Arbeit lustig machen kannst und ich wollte mit dir auch nicht über Jackson Graham sprechen."

„Nun, dann muss ich zugeben, dass ich etwas verwirrt bin", sprach er ruhig, doch dieses Mal ohne Lächeln im Gesicht. „Wieso verfolgst du meinen Schützling und rufst mich zu dir, Kleines?" Einatmen. Ausatmen.

„Er versucht dich nur zu provozieren. Gehe nicht darauf ein, denn du brauchst seine Hilfe", redete ich mir selber ein, schob dann meinen Stolz beiseite, nahm meinen ganzen Mut zusammen und sprach leise: „Da-da ist etwas, Aiden, dass ich dringend wissen muss und du bist der einzige Animus Perditus mit dem ich, außerhalb des Rats irgendwie in Kontakt stehe."

Der Angesprochene machte einen Schritt zurück, ließ die Hände in den hinteren Taschen seiner Jeans verschwinden und betrachtete mich dann eingehend.

Sein Gesichtsausdruck war unlesbar, seine Augen glimmten dunkel und aus irgendeinem Grund lief mir ein kalter Schauer den Rücken runter. Kurz hatte ich Sorge, dass er einfach nur lachen und dann verschwinden würde.

Seltsam genug war die Situation ja, doch Aiden blieb, nickte mir schließlich sogar leicht zu. Ein Zeichen, dass ich weiter sprechen sollte. Unsicher trat ich von einem Fuß auf den Anderen, spielte nervös mit meinen Fingern. So weit so gut.

„Revanna. Du möchtest mich was fragen? Du möchtest ein „ernstes Gespräch" mit mir führen? Dann rede. Den ganzen Tag habe ich auch nicht Zeit."

„Schon gut, schon gut. Man, ist kein Grund sich direkt wieder wie ein Arschloch zu verhalten!" Der dunkelhaarige Mann hob mit ausdrucksloser Miene eine Augenbraue.

Na das lief ja mal wieder super. „Ich kann auch wieder gehen, Kleines."

„Nein! Nein, ist schon gut. Ich-ich habe mich nur gefragt... Aiden, kannst-kannst du dich noch daran erinnern, wer du warst, bevor du zu einem Animus Perditus geworden bist?" Augenblicklich fiel mein Blick wieder auf den Boden, der in dieser Sekunde interessanter war als der brennende Blick meines Artgenossen, der mich nun wohl endgültig für bescheuert halten musste.

Wieso hatte ich gerade Aiden gefragt? Er würde sich doch eh nur lustig machen, oder mir bloß eine Lüge auftischen. Es war immerhin Aiden. Wieso sollte er schon ehrlich zu mir sein? Wieso sollte er mir helfen? Wieso verließ mich meine Intelligenz immer genau dann, wenn ich sie brauchte?

„W-weißt du was? Vergiss es einfach wieder", murmelte ich, nach wenigen Sekunden peinlich berührt und wandte mich eilig von ihm ab, bereit wieder in die Bibliothek zu treten und die Sache zu vergessen. Doch Aiden überraschte mich.

„Ja." Seine Stimme war laut und bestimmt, kein Zeichen einer Lüge und doch sorgte dieses eine Wort dafür, dass meine Welt abrupt aufhörte sich zu drehen. „Ja ich kann mich noch sehr gut an mein Leben erinnern, aber das kann immerhin jeder. Wieso fragst du?" Doch ich hörte ihn kaum noch. Aiden konnte sich also erinnern. Andere Animus Perditus konnten sich also tatsächlich erinnern. Mein Atem wurde plötzlich schwer und flach, ein Summen legte sich auf meine Ohren und die Welt fing plötzlich wieder an, sich zu drehen, aber drehte sie sich plötzlich viel zu schnell. Ich konnte mich nicht erinnern. Wieso konnte ich mich nicht erinnern?!

„Kleines?! Hast du noch andere, wichtige Fragen, mit denen du mich nerven möchtest, oder kann ich jetzt wieder meinen Job machen gehen?"

Oh, ich hatte noch so viele Fragen. Fragen über den Rat, über unseren Sinn und unsere Welt und auch wenn ich sie am liebsten alle wild durcheinander und so schnell wie möglich gestellt hätte, war meine Mund wie betäubt, meine Zunge schwer. Ich brachte kein Wort heraus, schüttelte nur langsam den Kopf, versuchte verzweifelt meine Gedanken zu ordnen. Unkoordiniert sprangen meine Blicke durch die Gegend.

Wieso fragte ich ihn nicht über den Rat? Jetzt war die Chance.

„Na schön. Was machst du eigentlich hier? Ich meine, dein Schützling wirkt auf mich nicht gerade wie jemand der liest... oder lesen kann."

Oh, das könnte ein Problem werden. Panisch setze ich zu einer Lüge an, die erklären würde, warum mein Schützling hier war, doch unterbrach Jacksons laute, vertraute Stimme, die vom Eingang der Bibliothek kam, mein Vorhaben.

„Revanna! Ich habe es gefunden! Ich habe doch tatsächlich einen Zeitungsartikel, von vor zwei Jahren gefunden! Ich habe ihn noch nicht gelesen, aber sieh dir nur das Bild hier an", redete er mit breitem Grinsen und voller Enthusiasmus drauf los und wedelte dabei mit einer Zeitung vor meinem Gesicht hin und her. „Wir werden gleich erfahren, wer du einmal warst!" Meine Augen weiteten sich. Da war wirklich ein Bild von mir auf der Titelseite, zusammen mit etwas, das wie eine Traueranzeige aussah. Jackson hatte es geschafft.

Ich war kurz davor dem jungen Mann um den Hals zu fallen, als mir plötzlich wieder in den Sinn kam, in welcher Situation ich mich gerade eigentlich befand.

Abrupt wich die Freude purer Angst und Panik, als ich wieder zu Aiden herumwirbelte, der mit einem dunklen Glänzen in den Augen zwischen mir und Jackson hin und her blickte. Ein undurchsichtiges Lächeln legte sich auf seine Lippen.

„Na sieh mal einer an. Ist das nicht interessant?"

Fuck.

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