Kapitel 11
Jackson
„Ich möchte, dass du Bob sagst, dass er ab jetzt nur noch für Jackson zuständig ist und ihn rund um die Uhr überwachen soll. Dazu gehört auch, dass er sich so schnell wie möglich vor seinem Zimmer hier positioniert." [...]
„Mir ist egal, dass Bob noch andere Aufgaben hat! Ab jetzt wird die Sicherheit von Jackson seine einzige sein! Ich will auf jeden Fall verhindern, dass sowas wie mit Jane nochmal passiert." [...]
Diese Worte waren die ersten, die in mein Bewusstsein drangen, als ich wach wurde, und kurze Zeit später identifizierte ich sie als die meines Vaters. Er schien zu telefonieren. Aber warum zum Teufel tat er das in meinem Zimmer? Und warum ging es in dem Gespräch um mich?
Ich versuchte meine Augen zu öffnen, aber so richtig gelang es mir nicht, denn meine Augenlider schienen schwer wie Blei. Außerdem pochte mein Kopf und in meinem Bauch zog es unangenehm. Was bitte hatte ich letzte Nacht getan?
Nach einigen Minuten gelang es mir dann endlich meine Augen zu öffnen und nachdem ich eine Zeit lang nur schwarze Punkte sah, begann ich langsam meine Umgebung zu erkennen und bemerkte, dass ich mich nicht in meinem Zimmer befand, sondern in einem Krankenzimmer. Am Fenster stand mit dem Rücken zu mir mein Vater, wie immer im Anzug und mit dem Handy am Ohr. Durch meine pochenden Kopfschmerzen konnte ich dem Gespräch nicht genau folgen, aber es schien immer noch um mich zu gehen.
„Dad?", fragte ich mit kratziger Stimme.
Sofort drehte er sich zu mir um und entschuldigte sich bei seinem Gesprächspartner, nur um dann festzustellen: „Jackson, du bist wach. Sehr gut!"
„Dad, was ist mit mir? Warum bin ich im Krankenhaus?" Es kostete mich unglaublich viel Energie diese Wörter hervorzubringen.
Doch mein Vater ignorierte sie und ging einfach an mir vorbei zur Tür, aus der er den Kopf streckte und in den Flur rief: „Mein Sohn ist jetzt wach. Ich hätte gerne, dass ein Arzt nach ihm sieht! Und zwar möglichst schnell. Ich habe nämlich heute noch einiges zu tun!"
Wie immer, wenn mein Vater etwas wollte, dauerte es nicht lange bis seine Wünsche erfüllt wurden und nur ein Minute später betrat eine Krankenschwester gefolgt von einer Ärztin den Raum. Die Krankenschwester begann sofort an meiner Infusion rumzufummeln, während die Ärztin sich neben mein Bett stellte und mich prüfend ansah. Mein Vater stand mittlerweile wieder am Fenster, aber beobachtete uns ganz genau.
„Guten Morgen, Jackson. Ich bin Doktor Silace. Wie geht es dir?"
„Geht so", antwortete ich. „Warum bin ich überhaupt hier?"
„Du hast eine Gehirnprellung, wegen der du zwei Tage bewusstlos warst und Stichwunden an den Beinen und im Bauchbereich, die zu inneren Blutungen geführt haben. Aber zum Glück wurden keine inneren Organe verletzt. Außerdem hast du noch eine gebrochene Nase, mehrere gebrochene Rippen und einige Prellungen."
„Und wie ist das bitte passiert?", wollte ich wissen. Das Letzte, woran ich mich erinnerte war, dass ich von Sylvesters Party abgehauen war.
Die Ärztin wechselte einen kurzen Blick mit Dad und meinte dann: „Das erklären wir dir, wenn es dir ein bisschen besser geht und möglicherweise kommt deine Erinnerung auch bald von alleine zurück. Aber jetzt brauchst du erstmal Ruhe!"
Na toll! Das half mir jetzt echt weiter!
Die Krankenschwester schien mit ihrer Arbeit fertig zu sein und tuschelte jetzt mit der Ärztin. Diese drehte sich noch mal zu mir um und sagte: „Es kommt gleich noch mal jemand, um deine Verbände zu wechseln. Aber jetzt ruh dich erstmal aus." Und die beiden verschwanden auf dem Flur.
„Dad? Was ist mit mir passiert?", fragte ich in der Hoffnung von ihm eine vernünftige Antwort zu bekommen.
Doch er war auch schon auf dem Weg zur Tür. „Tut mir leid, Jackson! Aber ich muss jetzt dringend zur Arbeit. Ich komme heute Abend nochmal vorbei. Bob ist aber vor der Tür. Dir kann also nichts passieren!"
Wie bitte was? Wer war Bob und warum stand er vor meiner Tür? Und was sollte mir hier bitte passieren? Ich war wohl eindeutig aus dem Alter raus, in dem ich einen Babysitter brauchte und ich kam ja eh nicht aus dem Bett raus. Ich wollte zum Protest ansetzen, aber mein Vater war schon halb aus der Türe raus und sein Handy klingelte schon wieder. Es hatte also keinen Sinn...
Super! Das hieß wohl, ich konnte mich heute den ganzen Tag hier rumlangweilen, ohne dass ich wusste, warum ich überhaupt hier war.
Der restliche Tag zog sich in die Länge wie ein altes Kaugummi. Die einzige Abwechslung die ich bekam war, wenn mir jemand etwas zu Essen brachte oder meine Verbände oder die Infusion wechselten. Ich wusste nicht mal, wo mein Handy war.
Um mir die Zeit zu vertreiben, versuchte ich angestrengt mich zu erinnern, wie ich in diese Situation gelangt war. Aber weiter als bis zum dem Punkt als ich mich von Sylvesters Party auf den nachhause Weg gemacht hatte, kam ich nicht. Danach war alles schwarz. Bis auf eine Sache, die mich sehr verwirrte. In all dem Schwarz hatte ich eine glasklare Erinnerung an das Gesicht eines Mädchens, das ich aber noch nie zuvor in meinem Leben gesehen hatte. Und obwohl ich mir da ziemlich sicher war, kamen mir ihre stechend blauen Augen in dem hübschen Gesicht und die schwarzen langen Haare unglaublich bekannt vor. Aber egal, wie viel ich darüber nachdachte, ich wurde einfach nicht schlau daraus.
Dad kam an diesem Abend nicht mehr vorbei, was ich mir eigentlich schon hätte denken können und ich ertappte mich dabei, wie es mich nicht mal mehr enttäuschte. Ich hatte mich einfach schon daran gewöhnt, dass seine Arbeit immer vorging. Dafür brachte mir dieser Bob, der ein ziemliches Muskelpaket war, endlich mein Handy, beantwortete mir allerdings leider nicht die Frage, warum er überhaupt hier war und anscheinend auf mich aufpasste. Das letzte Mal, als mir jemand auf Wunsch von meinem Vater auf Schritt und Tritt gefolgt war, war ich elf gewesen und meine Mutter war kurz vorher gestorben. Es nervte mich extrem, dass mir niemand sagte, was hier eigentlich passierte!
In der Hoffnung, dass meine Freunde vielleicht etwas wussten, schaltete ich mein Handy ein. Doch auch das war eine Fehlanzeige, denn ich hatte nur unglaublich viele Nachrichten und Anrufe in Abwesenheit und die meisten waren von Chestity und den Jungs, die wissen wollten, warum ich in den letzten Tagen nicht in der Schule und beim Training gewesen war. Also antwortete ich den Jungs und Chestity knapp, dass ich Krankenhaus lag und bis jetzt auch nicht so genau wusste warum.
Am nächsten Morgen klärten mich mein Dad und Dr. Silace dann endlich auf.
„An was kannst du dich denn noch erinnern, Jackson?", fragten mich Letztere.
„Nur noch daran, dass ich mich auf den Weg nach Hause gemacht habe." Ich ließ mal lieber weg von wo aus, immerhin wusste Dad immer noch nichts von der Party. „Ansonsten kann ich mich nur noch an ein Mädchen erinnern, das ich aber nicht kenne...".
„Das ist doch schon mal ein Anfang", meinte Dr. Silace. „Bestimmt erinnerst du ich an das Mädchen, das dir geholfen und den Krankenwagen gerufen hat. Obwohl da noch andere gewesen sein müssen, denn ich glaube nicht, dass sie alleine ein paar bewaffnete Männer ausgeschaltet hat."
„Moment mal", unterbrach ich sie verwirrt. „Wobei hat sie mir geholfen und was für bewaffnete Männer?"
„Du wurdest im Park von einer kriminellen Gang angegriffen", klärte mich Dad auf.
Dr. Silace erzählte mir daraufhin den Rest. Dass ungefähr zehn Männer auf mich losgegangen waren, wahrscheinlich mit Messern und mir Leute geholfen haben mussten, weil ein Teil der Männer genau wie ich bewusstlos am Boden gelegen hatten, als der Krankenwagen am Tatort angekommen war. Sie waren festgenommen worden, aber sie weigerten sich eine Aussage darüber zu machen, warum sie mich angegriffen hatten oder wo der Rest der Gruppe war, der anscheinend geflohen war.
„Und was ist mit diesem Mädchen, das ich gesehen hab?", fragte ich, nachdem sie geendet hatte.
„Das wissen wir leider nicht", antwortete sie. „Sie war nicht mehr bei dir, als der Krankenwagen kam und am Telefon hat sie nur ihren Vornamen gesagt und war dann plötzlich weg."
„Wie war denn ihr Name?", wollte ich neugierig wissen, denn vielleicht kannte ich sie ja doch.
„Irgendwas total Seltsames. Ich glaube Relana oder so ähnlich..."
Der Name war echt seltsam und es klingelten keine Glocken bei mir, wenn ich ihn hörte. Dabei kam mir ihr Gesicht, desto länger ich darüber nachdachte immer bekannter vor.
„Ich verstehe wirklich nicht, warum die ausgerechnet dich angegriffen haben!", meinte Dad fast schon wütend und mehr zu sich selbst, nachdem Dr. Silace den Raum verlassen hatte. „Kannst du dich wirklich nicht daran, warum sie das getan haben? Ich befürchte, dass sie es jetzt wieder versuchen werden, weil einige nicht gefasst werden konnten und vielleicht sicherstellen wollen, dass du nicht redest. Deshalb wird Bob dich ab jetzt überall hin begleiten. Und mit überall meine ich überall. Schule, Training, in die Stadt,..."
„Das ist doch übertrieben!", unterbrach ich ihn. „Als ob die mich in der Schule oder beim Training angreifen würden. Außerdem brauche ich keinen Babysitter! Ich kann sehr gut auf mich... Au!" Verwirrt rieb ich mir über den Oberarm, denn es war als hätte mir jemand mit der Faust dagegen geschlagen. Aber es stand ja niemand neben mir... Erst jetzt fiel mir ein, dass mir schon die ganze vergangene Woche so komische Dinge passiert waren und ich musste wieder an die Typen denken, die ich bei einem Mord beobachtet hatte. Ob sie wohl etwas mit meinem jetzigen Zustand zu tun hatten? Und als hätte ich nur diesen einen Verknüpfungspunkt gebraucht, kamen plötzlich meine Erinnerungen zurück. Zumindest bruchstückartig.
Es war genau diese Gang gewesen, die mich im Park abgefangen hatten und mich so zugerichtet hatten, weil sie dachten, dass ich zur Polizei gehen und sie verraten würde. Ich beschloss aber aus genau diesem Grund Dad immer noch nichts von dem Mord zu erzählen, weil ich befürchtete damit alles nur noch schlimmer zu machen.
„Geht es dir gut, Jackson?" Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. Dad sah so aus, als hätte er mir die Frage schon mehr als einmal gestellt.
„Ja, ja", antwortete ich schnell. „Ich glaube, ich erinnere mich teilweise an das, was passiert ist."
„Erzähl mir alles, was du noch weißt!", forderte er sofort.
Also erzählte ich ihm alles, woran ich mich erinnerte und ließ nur weg, dass ich diese Gang schon vorher kannte, während er sich Notizen auf dem Handy machte. Und als ich geendet hatte, sah er auf seine Uhr und stellte dann fest: „Ich muss jetzt dringend los! Wir sehen uns dann morgen und wegen der Sache mit Bob gibt es keine Diskussion. Denk an deine Mutter!" Damit verschwand er aus der Tür.
Am Nachmittag kamen die Jungs vorbei, was mich zwar freute, doch zu meinem Leidwesen schleppten sie Chestity mit, die mich gerade mehr als nur nervte. Zac sagte mir, sie hätte sich einfach nicht abschütteln lassen, was ich ihm auch glaubte und ich musste wohl oder übel damit leben, das dieses Mädchen auch Nachteile mit sich brachte.
Sie erzählten mir vom neusten Schulklatsch und vom Training, was mich leider daran erinnerte, dass ich am Samstag das Spiel nicht mitspielen konnte. Ausgerechnet dann, wenn die Talentscouts vom Marr RFC da sein würden! Wenn ich nicht mit viel Glück nochmal die Chance bekam vor ihnen zu spielen, hatten diese bescheuerten Typen aus dieser bescheuerten Gang mir die Zukunft versaut und ich hoffte, dass Dad sie möglichst schnell drankriegen würde und sie dafür bezahlen mussten!
Mein Frust darüber wurde noch größer, als die Jungs mir am nächsten Montag erzählten, dass ausgerechnet Sylvester von den Talentscouts ausgewählt worden war und ab nächstem Jahr in der Jugendmannschaft des Marr RFC spielen würde. Aber ich beschloss mich davon nicht unterkriegen zu lassen und meinen größten Traum nicht aufzugeben, denn schließlich wusste ich, dass ich besser als dieses Arschloch war.
Meine restliche Zeit im Krankenhaus war, bis auf die Besuche von meinen Freunden, ziemlich langweilig und ich fieberte sehnsüchtig dem Tag entgegen, an dem ich endlich entlassen werden sollte. Auch wenn ich dann immer noch nicht in die Schule und erst recht nicht zum Training durfte, aber alles war besser als hier in diesem Zimmer den Großteil des Tages die hässliche, kotzgelbe Wand anzustarren.
Nach knapp anderthalb Wochen im Krankenhaus war es dann endlich so weit. Dad würde mich gleich abholen und ich war in meinem eigenen privaten Badezimmer (das war der Vorteil, wenn man einen reichen einflussreichen Vater hatte: Einzelzimmer mit eigenem Bad) und stylte mir das erste Mal seit Wochen wieder die Haare richtig. Vorher hatte mich ja eh kaum einer gesehen und es gab hier noch nicht mal eine heiße Krankenschwester... Ich war voll konzentriert meine Haare in die richtige Form zu bringen, als ich auf einmal meinte aus den Augenwinkeln noch andere Augen im Spiegel zu sehen. Erst dachte ich, meine Augen würden mir einen Streich spielen, aber als ich meine volle Aufmerksamkeit auf sie richtete, waren sie immer noch da. Stechend blaue Augen in einem schemenhaften Mädchengesicht. Verwirrt drehte ich mich um, denn ich hatte nicht bemerkt, dass jemand das Zimmer betreten hatte. Doch hinter mir war absolut niemand.
„Hallo?", fragte ich vorsichtig. „Ist da jemand?" Doch ich bekam keine Antwort. Das war jetzt wirklich mehr als seltsam! Ich ging zurück ins Zimmer, doch auch dort befand sich niemand... Vielleicht hatte mein Kopf doch mehr abbekommen, als ich dachte, sodass ich jetzt endgültig verrückt wurde und Dinge sah, die eigentlich gar nicht da waren. Dabei war ich mir auch ziemlich sicher, dass ich die Person kannte, zu der diese Augen gehörten, die ich eben gesehen (oder eben auch nicht gesehen) hatte, aber mir fiel absolut nicht ein woher.
Meine Gedanken wurden unterbrochen, als Dad das Zimmer betrat. „Bist du fertig, Jackson?", fragte er mich.
„Ja, ja", antwortete ich schnell und schnappte mir meine fertig gepackte Tasche, denn ich wollte so schnell wie möglich weg von hier.
Nachdem Dad mir mitgeteilt hatte, dass er bei den Ermittlungen gegen diese Gang nicht wirklich weiter gekommen war, verlief die restliche Autofahrt nach Hause schweigsam. Dort angekommen, musste ich leider feststellen, dass es hier bis auf die Wandfarben nicht wirklich besser war als im Krankenhaus. Ich durfte so gut wie gar nichts machen, musste wegen den vielen Stichwunden in meinen Beinen noch auf Krücken laufen und wurde dauerhaft von Dad oder Bob überwacht. Letzterer folgte mir auch immer, wenn ich das Haus verließ, was extrem nervig war, vor allem wenn ich mich mit den Jungs treffen wollte. Unser geheimer Platz an den Klippen fiel dann nämlich schon mal weg und besonders Cole hatte schon durchblicken lassen, dass ihn das ziemlich anpisste und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil das meine Schuld war. Aber egal wie sehr ich mich mit Dad anlegte, er blieb hart und Bob verfolgte mich weiter. Immerhin hatte ich jetzt eine gute Erklärung, wenn ich mich mal wieder verfolgt fühlte, was immer noch öfters vorkam.
Am letzten Sonntag bevor ich wieder in die Schule musste, freute ich mich schon fast darauf. Bob würde mir zwar auch dort folgen, aber immerhin brachte Schule ein bisschen Abwechslung in meinen im Moment ziemlich langweiligen Alltag. Aber trotz dieser Vorfreude konnte ich an diesem Abend nicht schlafen und hatte das Gefühl, mir würde die Decke auf den Kopf fallen. Ich musste dringend aus diesem Haus raus! Und zwar alleine! Denn mittlerweile fühlte ich mich schon fast wie ein Gefangener in meinem eigenen zu Hause.
Also schlich ich mich raus, was sogar einfacher war als ich dachte. Da es schon nach Mitternacht war, schlief Dad schon und bemerkte gar nicht wie ich mich durch die Terrassentür nach draußen schlich. Die kühle Luft tat mir gut und ich lief einfach drauf los durch das schlafende Wohngebiet, wo nur noch hier und da ein Licht brannte. Es war schön, endlich mal wieder komplett für mich alleine draußen zu sein. Doch dieses gute Gefühlt hielt nicht sehr lange an, denn nachdem ich nur einige Meter gegangen war, fühlte ich mich schon wieder verfolgt. So langsam entwickelte ich echt eine krankhafte Paranoia! Aber ich war mir diesmal ziemlich sicher, dass da jemand war, denn ich meinte ganz deutlich eine Person hinter mir atmen zu hören.
Ich drehte mich um, um herauszufinden, wer da war, aber nach einer viertel Drehung hielt ich inne, denn mein Blick fiel auf mein Spiegelbild in einem der dunklen Fenster eines Hauses. Und ich war nicht die einzige Person, die sich darin spiegelte. Hinter mir stand ein Mädchen mit langen, schwarzen Haaren und stechend blauen Augen. Es war dasselbe Mädchen, von dem ich mir sicher war, dass sie mich gerettet hatte und dessen Augen ich im Krankenhaus im Spiegel gesehen hatte. Endlich bekam ich die Möglichkeit mit ihr zu reden und sie zu fragen, was genau passiert war. Doch als ich mich zu ihr umdrehte, war da niemand... Verwirrt drehte ich mich um die eigene Achse, doch die Straße lag komplett verlassen in der Dunkelheit und auch in der Spiegelung des Fensters konnte ich sie nicht mehr sehen. Wie konnte sie bitte so schnell verschwinden? Existierte dieses Mädchen überhaupt? Oder war sie nur eine Einbildung meines kaputten Gehirns? Aber laut den Ärzten hatte mein Gehirn keine folgenden Schäden davon getragen...
So langsam wurde mir das alles hier zu seltsam! Ich wünschte mir mein Leben zurück bevor wir nach Aberdeen gezogen waren. Denn der ganze Verfolgungswahn und das ich Personen sah, die anscheinend nicht wirklich existierten, hatte schließlich hier erst angefangen. Nicht zu vergessen diese Gang, die wahrscheinlich immer noch hinter mir her war und mich unbedingt in die Finger bekommen wollte. Beim Gedanken daran, beschloss ich, dass es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, nachts alleine durch die dunklen Straßen zu streifen und machte mich wieder auf den Weg nach Hause.
Dort angekommen ging ich erst mal ins Bad und spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht, in der Hoffnung wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Doch als ich wieder ins Schlafzimmer kam, sollte mein Leben endgültig verrückt werden...
In einer Ecke meines Zimmers erkannte ich schemenhaft ein Mädchen mit schwarzen, langen Haaren. Sie betrachtete anscheinend angestrengt ein Bild, das dort auf dem Regal stand. Wahrscheinlich das von Mum und mir, als ich noch klein war. War sie jetzt wirklich da oder entsprang sie nur wieder meiner Einbildung?
„Oh Jackson. Du sahst damals scheiße aus!", murmelte sie mehr zu sich selber und lachte leise.
Sie sprach! Also musste sie doch real sein, oder? Mal abgesehen davon, dass sie mich gerade beleidigt hatte und ich mich ja wohl kaum in meiner Einbildung selbst beleidigen würde!
In diesem Moment drehte sie sich um und ohne darüber nachzudenken, dass ich vielleicht mit einer Einbildung meines Gehirns sprach, rutschte mir raus: „Hey. Wer bist du?! Wie zum Teufel bist du hier reingekommen?"
„Seit wann führst du denn auch noch Selbstgespräche? Als wäre deine Paranoia nicht schon genug!" Das Mädchen wandte sich mir zu, betrachtete mich mit ihren blauen Augen, die sie dann genervt verdrehte und wandte sich wieder den Bildern auf meinem Regal zu, als wären sie das Interessanteste, was es in meinem Zimmer gab.
Führte ich jetzt tatsächlich schon Selbstgespräche? Aber warum antwortete sie mir dann? Ich beschloss noch einmal zu versuchen mit ihr zu reden. Schließlich war sonst keiner hier, der mich für verrückt erklären konnte, weil ich Selbstgespräche führte (außer mir selbst natürlich...).
„Ich kenne dich doch! Du bist das Mädchen aus dem Park. Du hast mich gerettet. Hör zu, wenn du es wirklich bist, bin ich dir zwar sehr dankbar, dass du mir geholfen hast, aber das gibt dir noch lange nicht das Recht mich zu verfolgen, einfach in mein Zimmer zu kommen, so zu tun als würde ich nicht mit dir reden und mich zu beleidigen!"
„Moment mal?!", erwiderte das Mädchen daraufhin verwirrt. „Du sprichst mit mir?". Mit wem sollte ich auch sonst reden? Außer ihr befand sich schließlich niemand im Raum. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse, als wollte sie sichergehen, dass das auch wirklich so war. „Du kannst mich sehen... und hören?", hakte sie verwirrt nach.
„Äh ja... Warum sollte ich nicht?" Wer war jetzt bitte der Verrückte hier? Ich schon mal nicht. Immerhin bildete ich mir sie anscheinend doch nicht ein.
„Nun, ich hätte nie gedacht, dass ich mal in diese Situation kommen würde, also..." Sie schien immer noch verwirrt, aber machte ein paar Schritte nach vorne und streckte mir ihre bleiche Hand entgegen. „Hi. Ich bin Revanna und es ist meine Aufgabe dich zu verfolgen und zu beschützen, denn ich bin dein persönlicher Animabus Perditus. Freut mich sehr, dich persönlich kennenzulernen."
Und als hätte es nur dieses komische Wort gebraucht und die Tatsache, dass sie aus der dunklen Ecke hervorgekommen war und ich auf einmal auch ihre Flügel sah, die groß, schwarz und irgendwie bedrohlich hinter ihrem Rücken hervorragten. Okay, ich war doch verrückt! Jetzt bildete ich mir nicht mehr nur ein Mädchen ein, sondern direkt eine Art Schutzengel mit schwarzen Flügeln. Seit wann hatten Schutzengel bitte schwarze Flügel? Und wie meine Einbildung da so vor mir stand und mich angrinste, wurde mir das alles zu viel und ich merkte wie mir schwindelig und schlecht wurde. Und dann wurde mir schwarz vor den Augen...
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