Kapitel 7
Jane und ich redeten noch ein wenig. Ihren neuesten Klatsch und Tratsch konnte ich jedoch nicht viel Aufmerksamkeit schenken. Am Anfang gab ich mir wenigstens noch Mühe, zuzuhören, da es mich wirklich interessierte, was sie über Riley und Ava in Erfahrung gebracht hatte. Aber es war nichts spannendes: welche Kurse sie besuchten, wie lange sie Schule hatten und anderen langweiligen Quatsch. Keine Hintergrundgeschichten.
Inzwischen hörte ich nur noch mit einem Ohr zu und nickte ab und zu, oder gab ein "Ja" oder "Wirklich?" von mir. Irgendwann setzten sich Oliver und Deborah zu uns und ich musste wieder an die Sache mit dem Buch denken. Ich musste es unbedingt den anderen erzählen, und wie aufs Stichwort standen Jane und Tina auf und verschwanden auf die Mädchentoillete.
Sofort wandte ich mich an die anderen und erklärte ihnen ohne große Umschweife die Situation.
"Und du bist sicher, dass 'Sangiera' auf dem Buch stand?", fragte Silas, anstatt sich um mein Wohlbefinden zu erkundigen. Aber dass ich hier saß und mit ihnen sprach, schien ihm Beweis genug zu sein, dass mit mir alles in Ordnung war.
"Ja, Silas. Ich bin keine fünf mehr, ich kann lesen.", erwiederte ich bissig und nahm einen Schluck von meinem Wasser.
"Hast du den erkannt, wer die andere Person war?" Deborah legte fragend den Kopf schief.
"Würde ich dann noch hier sitzen und mir mein Hirn zermattern?" Hatte vielleicht noch jemand solche klischeehaften Fragen auf Lager?
"Hast du auch noch ein anderes Buch gefunden? Eins über die Luea-Leute?", fragte Nathan.
Ich runzelte die Stirn. "Ich hab nicht danach gesucht, den als ich unser Buch fand, ist kurz darauf dieser Schatten aufgetaucht. Also, nein, ich hab kein anderes Buch gefunden."
"Dann sollten wir es vielleicht suchen. Wenn es ein Buch über unseren Stamm gibt, wird es zu neunundneunzig Prozent auch eines über die anderen Stämme geben. Und wenn jemand anderes unser Buch hat - und ich vertrete mal fest die Annahme, dass es jemand vom Luea-Stamm gestohlen hat - holen wir uns einfach ihr Buch." Selena lachte triumphierend.
"Keine schlechte Idee, aber vielleicht sollten wir zuerst Beck informieren." Innerlich rollte ich mit den Augen, aber Nathan hatte recht. Wenn wir Beck nicht sofort über meine Entdeckung informiert hätten, hätte es nur Geschrei und Streiterei gegeben.
Alec, der sich bis jetzt noch nicht zu Wort gemeldet hatte, holte sein Handy aus der Hosentasche und wählte Becks Nummer. Kurz darauf erklärte er ihm die Situation, und Beck sagte, wir sollten noch nichts unternehmen und warten, bis die Schule vorbei war und wir zu Hause waren.
Gerade, als Alec aufgelegt hatte, kamen Jane und Tina zurück und gemeinsam schlenderten wir in die Klasse, da die Mittagspause in ein paar Minuten aus war.
Ich dachte noch lange über den Angreifer nach. Das Buch schob ich auf die Seite. Ich versuchte, mir jedes Merkmal herbeizurufen, doch ich konnte nur Vermutungen aufstellen. Zuerst hörte ich ein Kratzen, fast so, als würde jemand mit Stöckelschuhen über den Boden schleifen. Zu einundsechzig Prozent war ich überzeugt davon, dass der Angreifer eine sie war. Aber es gab auch Schuhe für Männer, die Klack-Kratz-Geräusche machten. Man, so ein Blödsinn.
Vielleicht wäre es besser, wenn ich mir einen Plan überlegte, wie ich das Buch zurück bekommen könnte oder wo es hin war. Aber diese Person hat (auch wenn ich es nur ungern zugebe) mein Ego verletzt. Und so etwas lasse ich mir nicht gefallen.
Einige Stunden später waren wir wieder zu Hause und ich lies mich mit einen lauten Seufzer auf einen Stuhl fallen. Am Tisch stand ein dampfender Topf, und obwohl ich nicht viel Appetit hatte, füllte ich meinen Teller trotzdem mit Spagethi.
Alec setzte sich neben mich und genau wie die anderen fiel er über das Essen her. Beck und Alisia waren noch nicht hier, aber Rick, Sierra und Ian setzten sich gerade zu uns. Rick und Sierra waren nun schon sein fünfzehn Jahren verheiratet und die Eltern von Selena und Oliver. Selena und Oliver waren Zwillinge, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht merkte: Oliver hatte die schokobraunen Haare seines Vaters und ein länglicheres Gesicht. Selena hatte die rabenschwarzen Haare ihrer Mutter geerbt, aus ihren rundlichem Gesicht blitzten zwei blaue Augen. Aber eines hatten sie beide von ihrer Mutter, nämlich das Wolfsgen. Rick war ein Mensch, und es war eigentlich ein Wunder, dass Oliver und Selena Wölfe waren. Es ist so, dass du entweder das Gen erbst oder nicht, es gibt kein zwischendrin, kein halb-Mensch-halb-Wolf.
Ian war Alecs Vater und seit dem Tod seiner Frau single. Beck und Alisia waren seit drei Jahren zusammen, aber nicht verheiratet. Sie hatten auch noch keine Kinder, die beiden waren aber auch erst dreiundzwanzig.
Tja, und der Rest von und war Elternlos. Silas, Nathan, Deborah und ich. Offiziel hatte Beck uns aufgenommen, als unsere Eltern bei einem Feuer sterben mussten, wie es die offizielle Version erklärte. Meistens ging mir das richtig auf die Nerven, Beck und ich waren nicht gerade die besten Kumpeln. Meistens stritten wir, weil ich kein Kampftraining machen durfte wie die anderen. Beck sagte, ich solle warten, bis meine eigenen Kräfte zum Vorschein kamen, damit die anderen keinen unfairen Vorteil hatten. Aber das war vollkommener Blödsinn. Das war nur eine Ausrede, und Beck wusste das auch.
Ich drehte die Nudeln lustlos auf meine Gabel, als Beck und Alisia durch die Verbindungstür zu uns kamen. Alec nahm sich bereits seine zweite Portion, während ich noch nicht mal eine Gabel gegessen hatte.
"Ascarda", sagte Beck und lies sich auf den anderen freien Platz neben mir nieder. "Ich muss die Geschichte noch mal von dir hören, bitte." Plötzlich war es mucksmäuschenstill im Raum und jeder schaute mich an. Ich seufzte und erzählte die Geschichte nochmals.
"Und du bist sicher, das 'Sangiera' auf dem Buch stand?", fragte Beck.
Oh, mann. "Ja, ich bin mir super-wirklich-extra sicher, das 'Sangiera' in goldener Schrift in einen schwarzen Einband hineingestickt war. Und nein, ich weiß nicht, wer mich angegriffen hat.", erklärte ich, und ersparte ihm dabei seine nächste Frage.
Beck tauschte einen Blick mit Ian. "Dann haben wir ein Problem.", sagte er schließlich.
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