Kapitel 17
Es reichte. Das war zu viel. Weder war ich schwach, noch sie, ich hatte es eingesehen. Aber meine Eltern waren mein wunder Punkt. Eine Wunde die immer wieder aufriss, wenn jemand ihren Namen erwähnte. Oliver war das nur zu bewusst, trotzdem bohrte er weiter darauf herum und ließ sie stärker bluten, als jemals zuvor.
Tränen rannten über meine Wangen; ich wusste nicht mehr, wann ich das letze Mal geweint hatte, es fühlten sich wie Jahre an. Aber jetzt waren sie nicht aufzuhalten, wenn ich es überhaupt gewollt hätte. Es kam mir vor, als würde jemand tausende Messer in meine Brust rammen, langsam wieder herausziehen, nur um den Vorgang immer und immer wieder zu wiederholen. Wo mein Herz sein sollte, klaffte ein schwarzes Loch. Meine Hände waren zu Fäusten geballt; so stark, dass die Haut darum weiß hervorstach.
Ohne weiter darüber nachzudenken, stieß ich einen Schrei aus und stürzte mich auf Oliver. Doch er hatte das erwartet und stieß mich an den Schultern zurück. Meine Schulter bohrte sich in das Gestell und das Bett krachte unter mir zusammen. Ich nahm ein abgebrochenes Holzstück und warf es mit aller Kraft nach Oliver. Aber auch das sah er kommen und wich geschickt aus. Das Holz flog gegen mein Fenster auf meinen Schreibtisch und stieß dabei ein Foto meiner Eltern um, aber ich nahm es kaum wahr, genau wie die Rufe der anderen. Alles was ich spürte, war die unbändige Wut, die in meinem Inneren tobte.
Ich lenkte meinen Blick wieder auf Oliver. Er stand bloß da, und sah aus, als ob nichts gewesen wäre. Als ob wir dieses Gespräch nie geführt hätten. Als ob er nie ein Wort über meine Eltern verloren hätte.
Er stand inzwischen neben meinem Schreibtisch. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie er sich bewegt hatte.
Ich stieß ein bedrohliches Knurren aus, bevor ich aufsprang und mich auf ihn stürzte. Knurrend verwandelte ich mich in einen Wolf. Oliver wurde von mir zu Boden gerissen. Sein Brustkorb hob und senkte sich viel zu schnell, das verriet, wie nervös er war. Sein Gesichtsausdruck hätte nämlich nicht ruhiger sein können: Eine Mischung aus Gleichgültigkeit und Erschöpfung schaute mir entgegen; als wäre er müde von allem.
Zähnefletschend beugte ich mich näher zu ihm. Ich konnte mich selbst in seinen Augen sehen. Mein braunes, glänzendes Fell, die gefletschten Zähne, die böse Grimasse. Doch was mich am meisten erschreckte, waren meine Augen: Eine unfassbare Wut brodelte in ihnen, und ich realisierte was ich gerade tat. Es ging nicht um meine Eltern. Vielleicht war das der entscheidende Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hatte. Aber hier ging es um weitaus mehr: Ich ließ gerade all meinen Schmerz, Frust, Angst, Trauer - und was am Schlimmsten war - meinen ganzen Zorn an Oliver aus. Und Oliver wusste das. Er hat das mit meinen Eltern nicht gesagt, um mich auf hundertachzig zu bringen, sondern damit ich endlich losließ. Das war nicht fair.
Zitternd ließ ich von ihm los und verwandelte mich wieder in einen Menschen. Halb lag, halb saß ich auf dem Boden und starrte auf die braunen Holzplatten.
Nach einigen Momenten hob ich den Kopf. "Alles wieder ok?", fragte Oliver fürsorglich. Er hob die Hand, so als wollte er sie mir auf die Schulter legen, senkte sie dann aber wieder.
Ich nickte, stand auf und wischte meine Handflächen an der Jeans ab. "Ja, danke." Ich lächelte.
Nathan, Alec, Silas, Deborah und eine tränenüberströmte Selena sahen so aus, als verstünden sie die Welt nicht mehr. Doch bevor sie etwas sagen konnte, wurde die Tür aufgerissen.
"Was...war das für ein Krach?!" Rick sah ziemlich atemlos aus und riss erschrocken die Augen auf, als er mein kaputtes Bett sah.
"Das war ich. Ich hatte kurz meinen Kräften...freien Lauf gelassen. Tut mir leid." Oliver grinste und steckte schuldbewusst seine Hände in die Hosentaschen.
Rick blinzelte verwirrt. Ich war mir sicher, dass er glaubte, ich hatte es zerstört. Ich kann es ihm aber nicht verübeln, es wäre nicht das erste Mal, dass ich etwas in meinem Zimmer zerstört hätte. Aber mein eigenes Bett?
Bevor Rick irgendeinen Laut von sich geben konnte, schlug ich ihm die Tür vor der Nase zu und drehte den Schlüssel im Schlüsselloch. Danach drehte ich mich um. Wieder starrte ich regelrecht in ein Meer von verblüfften Gesichtern.
"Was war...?" Deborah deutete mit dem Finger zwischen mir und Oliver hin und her, bekam aber keine Antwort.
Ein Blick aus dem Fenster verriet mir, dass es langsam dunkel wurde.
"Ich denke, es ist bald soweit. Wer will an die Grenze?"
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Ja, es hat wieder etwas länger gedauert, aber ich arbeite bereits am nächsten Kapitel. Wie findet ihr dieses? Feedback/Kritik? :-)
Die Widmung geht an Mimmy_em, weil sie mich auf eine Idee gebracht hat (die Idee kommt erst im nächsten Kapitel, aber egal)
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