Wolfsbane
Geschockt starrte ich auf meine Hände. Wie war das nur möglich? Scott berührte mich leicht an der Schulter, um mich zu beruhigen. "Komm, wir gehen kurz raus", sagte er zu mir. Ich reagierte nicht und er zog mich einfach aus dem Raum. "Wieso passiert das mit mir?", fragte ich ihn, als wir außer Hörweite waren. "Das mag verwirrend für dich sein, aber du gewöhnst dich daran", versuchte er mich zu beruhigen. "Gewöhnen? Ich will mich nicht daran gewöhnen!", rief ich panisch. "Die erste Zeit der Verwandlung wird etwas schwierig für dich sein, aber das geht vorbei", sprach er mit unveränderter sanfter Stimme. Ich wusste es zwar zu schätzen, dass er nicht panisch wurde, aber seine Gelassenheit ging mir furchtbar auf die Nerven. "Lass mich in Ruhe", brüllte ich. Eine Welle unerklärlicher Wut durchströmte mich und ich versuchte auf ihn loszugehen. Doch er wehrte das mit Leichtigkeit ab und seine Augen glühten rot. In diesem Moment fing ich mich wieder und schaute ihn an. Was war er? Und was noch wichtiger war: Was war ich? Diese Frage stellte ich ihm dann auch. "Werwölfe. Du wurdest höchstwahrscheinlich gestern Nacht gebissen", antwortete er. Ich musste mich erstmal sammeln und lehnte mich an einen Spind. "Nein, das kann nicht sein. Werwölfe existieren nicht", murmelte ich vor mich hin und versuchte eine andere Erklärung für die Krallen an meinen Händen zu finden. Es gab keine. "Hey, ich musste da auch durch. Wir schaffen das." Ich nickte kurz und schaute erneut auf meine Hände. Die Krallen waren verschwunden. Wie ist das nur möglich? "Dein Herzschlag hat sich beruhigt", erklärte Scott, als hätte er meine Gedanken gelesen. "Wenn du wütend wirst, verwandelst du dich in einen Werwolf. Solange du dich aber unter Kontrolle hälst, wirst du keine Probleme haben", fügte er hinzu. "Danke", sagte ich und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Er erwiderte es und schaute dann auf sein Handy. "Wir sollten zurück in den Unterricht gehen", schlug er vor und nahm mich bei der Hand. Ich nickte, unfähig etwas zu erwidern, da ich auf die unerwartete Berührung nicht gefasst war. Es fühlte sich wunderbar an. Nachdem wir zurück in den Geschichtsraum gegangen waren, erlebte ich den restlichen Unterricht wie in Trance. So viele Fragen und neue Informationen überfluteten mich, sodass ich mich kaum auf den Unterricht konzentrieren konnte. Schließlich erwachte ich jedoch in dem schlimmsten Fach, das ich mir vorstellen konnte: Chemie. "Pass auf, du musst es langsam dazugießen", sagte Bella, als ich achtlos einen Universalindikator zur Schwefelsäure goss. "Ja, ja", erwiderte ich und veränderte nichts. Dabei ging leider die Hälfte daneben. Bella seufzte und holte sich etwas Küchenkrepp, um die Sauerei wegzuwischen. Als sie damit fertig war, begutachtete sie mich mit einem Was-ist-nur-falsch-mit-dir-Blick und fuhr mit dem Experiment fort. Als wir diese Stunde mehr oder weniger gut überstanden hatten, folgte erneut eines meiner Problemfächer: Biologie. Doch zum Glück mussten wir dieses Mal nur mikroskopieren. Dafür sollten wir selbst ein Präparat anfertigen. Ich nahm mir also die schöne Pflanze und begutachtete sie. Leichte violette Blüten zierten den oberen Teil der Pflanze und der untere wurde von büschelweise auftretenden Blättern bedeckt. Ich schnitt einen kleinen Teil eines Blütenblattes ab, um ihn danach behutsam auf den Objektträger platzieren zu können. Doch leider rutschte ich ab und rammte mir das Skalpell in den Handrücken. Schnell rannte ich zum Waschbecken, das sich glücklicherweise in einer Ecke des Raumes befand und säuberte den Schnitt. Er war doch tiefer, als ich vermutet hatte. Plötzlich bekam ich einen schlimmen Schwindelanfall und musste mich auf den Boden setzen, um nicht umzukippen. Doch was definitiv nicht normal war, war mein Blut, das nicht rot sondern dunkelgrün war. Ob das zu dieser Werwolf-Sache dazugehörte? "Scott", sagte ich und schaute ihn fragend an. Er kam zu mir herüber und betrachtete den Schnitt. "Hast du dich mit dem Skalpell geschnitten?", fragte er. "Ja, aber das heilt doch. Oder?", fragte ich und schaute wieder auf das grüne Blut. "Hast du vorher die Pflanze zerteilt?", fragte er. Ich nickte. "Ist das schlimm?", fragte ich. "Das war Eisenhut, eine Art Gift für einen Werwolf. Es kann sein, dass das Sekret der Pflanze in deinen Organismus gelangt ist", erklärte er und schaute auf sein Handy. "Gut, es ist 15.30 Uhr. Deaton ist noch in der Praxis", murmelte er leise und sagte dann entschlossen zu mir: "Wir gehen jetzt zu Dr. Deaton. Ich glaube kaum, dass dich dieser Schnitt ernsthaft schädigen kann, aber wir sollten trotzdem auf Nummer sicher gehen." Er nahm mich beim Handgelenk, doch ich entzog ihm dieses. "Scott, ich kann nicht schon wieder aus dem Unterricht verschwinden", sagte ich ihm und schaute in die Klasse. "Das ist die letzte Stunde und die ist bald vorbei", sagte er und ergriff diesmal meine Hand. Ich seufzte. Es hatte ohnehin keinen Zweck, mich zu wehren. Ein ordentlicher Arztbesuch hatte noch keinem geschadet. "Ist dieser Dr. Deaton ein guter Arzt?", fragte ich, als wir die Schule verlassen hatten. "Er kennt sich wirklich gut in seinem Fachgebiet aus. Er ist außerdem mein Boss und der beste Tierarzt, den ich kenne." Moment mal. "Er ist Tierarzt?"
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro