E L F
»Ich kann mir das absolut nicht erklären«, schluchzt Cat und ich streiche ihr behutsam über den Rücken.
Aus roten, verweinten Augen sieht sich mich an und ich seufze leise.
»Hey, ich bin mir sicher, dass ich das reparieren kann, okay?«
»Ich war jeden Tag joggen, habe danach ein Workout gemacht und so gut wie gar nichts mehr gegessen und trotzdem nehme ich zu?«
»Schatz, beruhige dich. Avery schafft das! Wir sagen Ryan eben, dass seine Traumfrau noch einige Sekunden braucht, ja? Ihr kümmert euch ums Kleid und ich beruhige die Gäste, okay?«, versucht es auch noch einmal ihre Mutter und ich nicke ihr zu, als Cat nicht antwortet, sondern noch einmal laut schluchzt.
Ihre Mom verlässt den Raum und lässt mich mit ihr und ihrer Schwester Charlie allein.
Eigentlich sollte die Trauung längst beginnen. Ich habe mir nichts dabei gedacht als Cats Schwester und gleichzeitig die Trauzeugin auf mich zu kam und meinte, dass die Braut mich sehen möchte. Dass es sich dabei aber um einen Notfall handelte und Cats Reißverschluss aufgerissen war, wusste ich in diesem Moment jedoch nicht.
»Okay – du ziehst jetzt deinen Bauch ein, ja? Ich nähe ein Stück unter den offenen Teil des Reißverschluss. Dein Schleier und deine Haare verdecken das ohnehin, aber so kann es nicht weiter aufreißen, ja? Und sonst behalte ich das Nähzeug in meiner Clutch und nähe dich wieder zusammen, wenn es sein muss«, sage ich und lächle sie an.
»Spätestens wenn Ryan es dir heute Nacht auszieht, bist du drüber hinweg«, meint Charlie kichernd und ich nicke zustimmend.
»Wenn er mich denn überhaupt noch heiraten will. Eine Frau, die nicht mehr in ihr Kleid passt. Ich kann mir das wirklich nicht erklären«, sagt sie und ich kann anhand ihrer Stimme hören, dass sie schon wieder in Tränen ausbricht.
Ich beginne ein Stück Seidenstoff aus einem Umhängetuch auszuschneiden, ehe ich es unter die offene Stelle schiebe. Ich knie mich hin, was in meinem engen Kleid, eigentlich kaum möglich ist, aber für eine Braut, die am Tag ihrer Hochzeit nicht aus Freude in Tränen ausbricht, tut man eben vieles.
Ich will gerade anfangen das Stück einzunähen, als die Tür auffliegt und sowohl ich, als auch Cat zucken zusammen. Mein Blick fliegt zur Tür und ich blicke Will böse an, weil ich ihr beinahe die Nähnadel in den Rücken gerammt hätte.
»Kannst du mal anklopfen?«, faucht Cat und ich grinse schief.
»Will – mach die Tür zu«, weise ich ihn an und er nickt, ehe er die Tür schließt und sich neben Cat stellt.
»Ryan erleidet einen Nervenzusammenbruch, weil du dir so viel Zeit lässt, Kitty Cat«, meint er grinsend und ich rolle mit den Augen, ehe ich ihn fassungslos ansehen und mich dann ihrem Kleid widme. Cat fängt natürlich wieder an zu schluchzen.
Wie blöd kann das männliche Geschlecht eigentlich sein? Kann er nicht etwas feinfühliger sein? Ach, nein. William Morrison hat das Talent, auf den Gefühlen einer Frau herumzutrampeln, und sich dann zu fragen, warum jene Person sauer auf ihn ist.
Ja, womöglich rede ich von mir. William hat mir nach meinem Abgang bei Quinn und Noah mehrere Nachrichten geschrieben, warum ich ihn ignoriere. Irgendwann hat er aufgegeben.
»So...«, sage ich und beiße mir leicht auf die Lippen, als ich ihre Locken, die sie glücklicherweise mit längeren Tapes verdichtet hat, über die Stelle drapiere und meinen Kopf schräg lege, um zu gucken, ob meine Idee geglückt ist.
»Okay, man sieht es nicht. Deine Haare verdecken das und im Laufe des Tages wirst du das sicherlich vergessen haben!«
»Was? Wirklich?«, fragt sie und dreht sich zu ihrer Schwester um, die mir glücklicherweise zustimmt.
»Oh, danke, Avery. Du wirst sowas von in meiner Rede erwähnt«, sagt sie und augenblicklich ist Cats übliches Strahlen wieder in ihrem Gesicht zu sehen.
Ich grinse schief.
»Na, los. Dein Dad wartet sicherlich darauf, dass er seine Tochter endlich zum Altar führen kann«, sage ich und versuche irgendwie wieder auf die Beine zu gelangen. Im selben Moment spüre ich warme Hände an meiner Taille. Im nächsten Moment stehe ich wieder auf meinen Beinen und nicke Will dankend zu.
Stumm folgen wir Cat und ihrer Schwester und begeben uns wieder in den Garten des Hotels, wo die freie Trauung stattfinden soll.
»Bis später«, murmelt er nur und ich nicke leicht, als er sich zu Ryan gesellt. Ich lasse meinen Blick einen Moment auf ihm liegen und lasse mich neben Nick auf eine der Holzbänke fallen.
Glücklicherweise hatte er doch noch zugesagt, als ich ihn gefragt habe, ob er mich begleitet. Seine Reaktion auf meine Frage im ersten Moment war, ob ich mal wieder durchgevögelt werden müsste. Nachdem ich ihm bloß einen Stinkefinger geschickt habe, hat er eingewilligt mich zu begleiten.
Die Antwortet auf seine Frage lautet zwar ganz klar ja, aber ich glaube nicht, dass meine Bedürfnisse in nächster Zeit befriedigt werden.Mein Objekt der Begierde hat ja unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass zwischen uns nie wieder etwas laufen wird, weshalb ich mich also wohl mit mir selbst begnügen muss.
Nick lächelt mich einen Moment lang an, ehe er sich einer Frau widmet, die ich nicht kenne. Sie sitzt auf seiner Rechten neben Nick. Ihre blonden, lange Haare hat zu einem hohen Zopf gebunden, während ihre Augen perfekt geschminkt sind. Auf ihren Lippen hat sie einen dunkelroten Lippenstift aufgetragen. Dazu trägt sie ein schwarzes Kleid und verdammt hohe Schuhe.
Da meine Begleitung scheinbar gerade nicht an mir interessiert ist, wende ich mich Quinn zu, die meinen Blick lächelnd erwidert.
»Das ist Wills Begleitung«, klärt sie mich auf und ich nicke ein wenig überrumpelt. »Wenn du mich fragst, sieht sie Eliza sehr ähnlich, nicht?« Abwesend nicke ich und sofort muss ich an Williams hübsche Ex-Freundin denken. Sie sehen sich wirklich verdammt ähnlich. »Vielleicht sollte Will noch einmal drüber nachdenken, nicht doch wieder mit Eliza zusammenzukommen. Ich mochte sie gerne«, sagt Quinn, doch ich weiß nichts darauf zu erwidern.
Glücklicherweise ertönt im selben Moment eine sanfte Melodie, gespielt vom Orchester, dass an der Seite sitzt und die Trauung mit Musik untermalt, sodass Quinn und glücklicherweise auch ich von Will und seinen Frauen abgelenkt werden.
∞
Die Trauung von Ryan und Cat war wunderschön und als sie Ryan gesehen hat, wusste ich, dass Cat das Drama wegen ihres Kleides schon wieder vollkommen vergessen hat. Mittlerweile ist das Buffet längst vorbei. Die Meisten, dazu zähle auch ich, haben mittlerweile einiges intus. Die Tanzfläche ist gut gefüllt und alle sind gut zufrieden.
»Avery, du siehst heiß aus«, meint Noah grinsend und ich boxe ihm lachend gegen seine Schulter, als er seine Arme um Quinn schlingt. Bis gerade waren wir zwei noch allein auf der Tanzfläche. Scheinbar hat ihr liebender Ehemann jetzt einen Pegel erreicht, an dem er freiwillig tanzen geht und das heißt bei Noah wirklich einiges. Spätestens als er ihr eine Sekunde später die Zunge in den Hals steckt, mache ich mich vom Acker. Das brauche ich mir wirklich nicht geben.
Aber ja – er hat Recht. Ganz besonders heute fühle ich mich ziemlich gut in meiner Haut. Das Kleid, was ich trage, reicht mir bis zum Boden. Es ist rot und hat einen ziemlich tiefen V-Ausschnitt, allerdings liebe ich es, wie Dekolleté zur Geltung kommt. Noch dazu ist das Kleid ab der Hälfte meiner Oberschenkel mit einem Schnitt versehen, sodass mein Bein bei jedem Schritt zu Schau gestellt wird.
Ich habe es vor einem Jahr im Rahmen einer Kooperation bekommen und seitdem noch nicht wieder getragen.
Heute schien mir wie der perfekte Anlass dafür, das Kleid aus dem Schrank zu ziehen und es der Welt und insbesondere Will zu präsentieren.
Ich lasse mich, zurück an unseren Tisch, auf dem Stuhl fallen und greife nach meinem Glas Wein, das ich zurückgelassen habe, bevor ich mit Quinn auf die Tanzfläche gestürmt bin. Ich sehe Nick an, der sich immer noch mit Wills Dame unterhält, bevor mein Blick auf ihn fällt. Er sitzt gelangweilt am Tisch und nippt an seinem Whiskey, als unsere Blicke sich treffen. Schnell wende ich mich ab und tippe Nick auf die Schulter.
»Hast du Lust zu tanzen?«, frage ich ihn und er sieht mich einen Augenblick überrascht an, ehe er mit dem Kopf schüttelt.
»Nein, sorry. Ich gehe schnell auf Toilette. Vielleicht später, ja?«
Ich sehe ihn ein wenig fassungslos an, als er sich erhebt und mich einfach sitzen lässt. Ich schlucke leicht und greife zu meinem Glas, als Will sich ebenfalls seiner Begleitung zuwendet.
»Wollen wir tanzen?«
»Ach... weißt du, ich wollte mich auch kurz frisch machen. Es ist so warm«, weicht sie ihm aus und lächelt. »Wenn ich wieder da bin können wir tanzen, ja?«
Er nickt perplex, als auch sie uns verlässt und nur noch wir zwei am Tisch sitzen.
Gott, ich brauche dringend mehr Alkohol.
Schweigend sitzen wir eine Minute am Tisch und ich bin froh, als Noah und Quinn zurückkommen und sich neben uns auf ihre Plätze setzen.
»Darf ich fragen, wieso ihr euch wieder anschweigt?«
Ich sehe Quinn fragend an, sage jedoch nichts. Will erwidert ebenfalls nichts und spielt mit seiner Serviette.
»Ihr nervt mit euren Stimmungsschwankungen. Wieso streitet ihr euch, vertragt euch, streitet euch wieder und redet dann gar nicht mehr miteinander. Ihr zeigt einander die kalte Schulter«, sagt sie dann und ich höre Will seufzen, ehe er aufsteht.
»Was denn? Jetzt haust du ab oder was?«
»Quinn, ich liebe dich, aber das geht dich nichts an, ja? Lass es gut sein«, sagt er bloß und läuft einen Augenblick später vom Tisch weg.
»Also ehrlich – man könnte schon fast meinen, ihr hättet etwas am Laufen, so wie ihr euch gegenüber einander verhaltet«, sagt sie und erntet von mir nur einen geschockten Blick. Sie erwidert es nur schulterzuckend. »Seitdem du zurück bist, verhaltet ihr euch schon merkwürdig, aber ich weiß ja, dass ihr das niemals tun würdet. Ich könnte mich nicht zwischen meiner besten Freundin und meinem Bruder entscheiden«, sagt sie und ich nicke.
»Niemals«, murmele ich und wende meinen Blick von ihr ab. Dafür begegne ich Noahs Blick, der mich merkwürdig mustert und ich schlucke leicht, ehe ich auch ihn nicht länger ansehe.
Eine kurze Zeit herrscht Schweigen, als Will wieder an unseren Tisch kommt.
»Wo ist deine Begleitung?«, fragt Noah, wahrscheinlich um das Thema zu wechseln.
»Sie wird gerade von Nick in der Herrentoilette gefickt«, erwidert er trocken. »Also ist sie dementsprechend auch nicht mehr meine Begleitung«.
»Bitte?«, entfährt es mir und ich sehe ihn mit großen Augen an.
»Hast ihre Blicke nicht gesehen? Es war zu erwarten, Avery«, meint er nur schulterzuckend.
Den ganzen Tag über hat Nick sich durchgehend mit dieser Frau unterhalten und mich, seine Begleitung, vollkommen links liegen lassen.
Nicht einmal tanzen wollte er mit mir.
Natürlich hätte ich es merken können.
»Ich hole mir meine Jacke aus dem Auto. Kommst du mit?«, fragt Quinn und steht auf, ehe sie Noah ansieht. Dieser nickt.
»Tut mir leid für euch«, sagt er bloß und lächelt mich aufmunternd an. Ich zucke jedoch nur mit der Schulter und sehe den beiden nach, als sie sich immer weiter von unserem Tisch entfernen.
Ich schmunzele, als Quinn Noah nur wenige Meter von uns küsst, als gäbe es kein Morgen mehr. Kurz danach rennen die beiden förmlich zum Eingang ins Hotel, um sich irgendwo zu verschanzen.
»Jacke holen ist also ein Codewort für Vögeln«, sagt Will und ich lache leicht.
»Es sei ihnen gegönnt. Sie haben drei Kinder«, erwidere ich bloß grinsend und sehe ihn an.
Will erwidert mein Grinsen und steht dann auf.
Einen Moment lang glaube ich, dass er mich alleine lassen wird, ehe er auf mich zukommt und mir seine Hand hinhält. Überrascht erwidere ich seinen Blick.
»Komm – unsere Dates haben uns versetzt und ich kann dir in den Augen ansehen, dass dir langweilig ist«, sagt er. »Tanz mit mir, Avery!«
Ich seufze leise und schüttele mit dem Kopf.
»Ich glaube nicht, dass-«
»Ich glaube schon. Ich dulde kein Nein«, sagt er dieses Mal und zieht mich in der nächsten Sekunde von meinem Stuhl.
Er grinst mich an, als ich nur die Augen verdrehe und zieht mich auf die Tanzfläche. Seine Hände wandern keine zwei Sekunden später an meine Taille und ziehen mich an ihn, ehe er beginnt sich zu bewegen und mir keine andere Möglichkeit lässt, als mich ebenfalls im Takt der Musik zu bewegen. Ich versuche dabei auszublenden, wie nah wir uns eigentlich gerade sind, als ich meine Arm um seinen Hals schlinge.
»Du siehst verdammt sexy aus«, sagt er nach ein paar Augenblicken nah an meinem Ohr und haucht mir einen Kuss dahinter auf meine Schwachstelle. Ein leises Seufzen entfährt mir, als er mich weiter an sich drängt und eine seiner Hände auf meinen Hintern wandert.
»Will, nur Freude«, erinnere ich ihn, allerdings wird das bisschen Widerstand gegen diesen Mann augenblicklich zunichte gemacht, als ich seine Lippen an meinem Hals spüre.
Meine Hände wandern in den Ansatz seines Haarschopfes als ich meine Augen schließe und seine sanften Küsse auf meiner Haut genieße.
»Wie hatte ich jemals glauben können, dass wir nur Freunde sein können?«, raunt er leise in mein Ohr. Ich zucke leicht mit den Schultern, als er sich leicht von mir löst und seine Stirn an meine legt.
»Verzeih mir bitte. Ich war ein Idiot. Ich hätte das nicht sagen sollen, nachdem ich dich beinahe auf der Couch meiner Schwester genommen hätte. Ich schätze, ich war überfordert«, sagt er leise und ich schließe die Augen, als ich seinen heißen Atem auf meinen Lippen spüre.
»Wir können nicht einfach bloß Freunde sein, Avery. Wir sind mehr als das und das wissen wir beide.«
Im nächsten Moment verstummt er und ich öffne meine Augen um ihn anzusehen, allerdings treffen im nächsten Moment seine Lippen auf meine und sorgen dafür, dass ich endgültig den Kampf gegen meine Gefühle verliere.
Verdammt, was geschieht hier nur?
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Will hat es endlich kapiert 👋🏼😏
Wie geht es jetzt wohl weiter?
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