14 - Der Lolli
"Vic! Wach auf! Du musst mir alles erzählen!"
Victor schlug die Augen auf und sofort verblasste die Erinnerung an den Traum, in dem er noch vor einer Sekunde gesteckt hatte. Nur ein wohlig warmes Gefühl blieb zurück. Er blinzelte gegen die Sonne, Alice hatte gerade die Vorhänge aufgerissen, die Victor sonst immer geschlossen hielt. Er sah Staubpartikel in dem Sonnenstrahl umherfliegen, der nun auf ihn fiel und kniff wieder die Augen zusammen.
Es war einer dieser Morgende, an denen er eine Weile brauchte, um sich zu sortieren. Es dauerte, bis im klar wurde, welcher Tag war, was gestern passiert war und was zur Hölle Alice von ihm wollte. Und als es ihm dann wieder in Erinnerung kam, strich er sich übers Gesicht und seufzte.
"Wir waren in diesem Restaurant von dem du geredet hast..."
{Im Restaurant}
Victor nahm noch einen Schluck von seinem Wasser. "Ähm, und, schmeckt es dir?" David hob eine Augenbraue. "Der Vorspeisensalat? Äh, ja. Klar. Aber ich weiß auch nicht, ob man Salat wirklich verhauen kann... obwohl, einmal, als wir bei meiner Tante waren, da-" Er unterbrach sich selbst und wedelte mit der Hand den angefangenen Satz davon, der in der Luft hing. "Ach, unwichtig." Victor widersprach. "Nein, erzähl ruhig weiter. Ich hab sowieso kein interessantes Thema auf Lager, und außerdem: Du hast eine Tante? Hab ich gar nicht gewusst." David lachte leicht. Er fand es nett, dass Victor so offen war.
"Ich hab sogar 5 Tanten, alles Schwestern meiner Mum. Mein Dad hatte auch eine, aber die ist weggezogen. Jedenfall, einmal waren wir zu Besuch bei der jüngsten Schwester meiner Mum, und sie hat das Dressing für den Salat total versalzen. Wir haben sozusagen auf Salz gekaut, man hat es richtig knistern hören. Und..."
{.}
Alice setzte sich neben ihn aufs Bett, während Victor sich gähnend aufsetzte und durch seine Haare fuhr. "Also seid ihr ins Gespräch gekommen?" Victor zuckte mit den Schultern. "Ja, schon." Sie zog die Augenbrauen zusammen. "Wie, ja, schon ?" Victor zuckte erneut mit den Schultern. "Wir haben uns halt unterhalten, Alice. Über die Familie und Lieblingsfilme und so nen Kram. Scheiße, ich könnte ne Zigarette gebrauchen..." Er fischte seine Hose vom Boden und zog aus der hinteren Hosentasche eine kleine Packung, aus der er einen Lolli herausnahm. "Was soll das denn?", fragte Alice, aber Victor verdrehte die Augen und meinte: "Frag einfach nicht." Er wickelte den Lolli aus und steckte ihn mehr oder weniger aggressiv zwischen seine Lippen, die Packung auf seinen Nachttisch werfend und das Papier zwischen den Fingern zu einer kleinen Kugel formend.
"Mift. Daf if Kirfe."
Alice verdrehte die Augen. "Und was war nach dem Essen?" Victor nahm den Lolli für einen Moment aus dem Mund und betrachtete ihn wie seinen Erzfeind. "Kirschgeschmack ist echt fürn Arsch." Dann widmete er sich wieder Alice' Frage zu. "Nach dem Essen sind wir noch ne Weile um den Block gelaufen und dann zum Park."
{Im Park}
David stupste Victor nach einigen Schritten in Stille mit dem Ellenbogen an. "Weißt du, das hier könnte ziemlich... romantisch sein. So ein Spaziergang beim Sonnenuntergang." Victor schnaubte, nicht sicher, was er darauf antworten sollte. Sie gingen weiter, wieder in Stille, und diesmal war sie drückend. Beide wussten, dass Victor nun ander Reihe war, etwas zu sagen. Und gerade bevor es wirklich unangenehm wurde, fiel ihn auch etwas ein.
"Weißt du, dass du mich gerade das Erste mal seit dem Rücktausch berührt hast?" David sah zu Victor auf. Es war kein großer Unterschied, sie waren fast gleich groß. "Stimmt. Aber hey, jetzt wissen wir, dass wir nicht wieder unsere Körper tauschen." Victor spürte einen Hauch von Enttäuschung, neben einem ganzen Schwall an Erleichterung. Dann kam ihm ein Gedanke, und er fand, dass es zwar kein typisches "erstes Date Thema" war, aber dass sie über diese Stufe sowieso hinaus waren.
"Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst, aber wie war das so, in meinem Körper?" David war überrascht und steuerte eine Bank neben dem neu angelegten Teich an. "Äh, weiß nicht. Ich war überrascht, das auf jeden Fall. Ich hab auch, naja, irgendwie ein... ein Mädchen erwartet." Victor wusste nicht, was er mit dieser Information anfangen sollte, aber er hörte weiter aufmerksam zu, während er sich mit etwas Abstand neben ihn setzte.
"Als erstes hat Alice mich geweckt und darüber geredet, wie sie dich vor HIV beschützen will und dass Strippen wohl kaum deine Zukunftsplanung sein kann." Victor lachte etwas beschämt. "Ein toller erster Eindruck." David zuckte mit den Schultern. "Da hab ich anfangs noch nicht viel drüber nachgedacht. Ich musste erst verkraften dass du... du bist. Also, ein männliches du."
Victor sah David an. "War es wirklich so ein Schock für dich? Ich meine, hast du nie daran gedacht, dass du dich irgendwann eventuell in irgendeinen Typen verlieben könntest?" David spielte mit einem Bändel von der Kapuze seines Hoodies. "Ich glaube schon, dass ich es irgendwie wusste. Aber ich war sehr darauf trainiert worden, das zu verdrängen." David musste den Namen nicht aussprechen. Victor wusste von wem er sprach. Aber er wollte das Thema von dem Kotzbrocken weglenken. "Ist gut, dass du es jetzt weißt." David nickte und sah auf den Boden. Victor fühlte sich ausgesprochen wohl neben ihm und wollte das irgendwie zum Ausdruck bringen, er wusste nur nicht genau, wie. Das war nicht seine Stärke.
"Aber wegen dem ersten Eindruck...", fuhr David dann fort, als wäre er in Gedanken die Konversation nochmal durchgegangen und daran hängen geblieben. "... musst du dir keine Sorgen machen. Der ist nicht mehr so wichtig." Victor runzelte die Stirn. "Wie soll ich das denn verstehen?" David kickte einen Stein in den Teich. "Weiß nicht, ist auch egal." Victor lächelte und nahm seine Hand. Es geschah völlig natürlich, er hatte nicht viel darüber nachgedacht, aber als er dann Davids Haut auf seiner spürte, wurde ihm mit einem Mal glühend heiß. War das zu viel des Guten? Zu aufdringlich? Komisch?
Aber nur Sekunden später schloss David seine Hand um Victors, und Victor entspannte sich wieder ein wenig. Beide sahen etwas aus der Spur geraten auf den Boden, Victor träumte von einer Zigarette, um den Abend heile zu überleben, und David dachte, dass er vielleicht gerne ein Foto mit Victor hätte, das ihn an diesen Moment erinnern würde.
{.}
"Und das wars?" Alice sah beinahe enttäuscht aus. "Was willst du, ist doch kotzromantisch." Victor kompensierte seine Verletzlichkeit bei David mit noch kälterer, rauerer Abweisung. In seinem inneren kribbelte alles, und es war ihm unangenehm, es zuzugeben.
"Ist mir doch egal ob das kotzromantisch war! Seht ihr euch wieder? Hast du ihn zum Abschied geküsst? Wo bleiben die wichtigen Infos?" Grob schob Victor sie aus seinem Bett und stand selbst auf, einen Longsleeve aufhebend und anziehend. Er hatte in Unterwäsche geschlafen. "Da gibts nichts mehr. Er ist nach Hause, ich bin nach Hause, wir gehen in drei Tagen nochmal aus, fertig."
Während Alice sich freute, dass Victor es zu einem zweiten Date gebracht hatte, dachte er daran, was noch passiert war, was er Alice verschwiegen hatte. Die wichtigen Infos, die er für sich behalten wollte.
{Vor Davids Haus}
"Okay, Montag also. Ich kann dich abholen, wenn du willst.", bot Victor an, einen kurzen Blick auf Davids Haus werfend. "Das wäre schön, ja." Sie sahen sich für einen Moment an, dann sprach David weiter: "Hey, ich hab dich noch gar nicht gefragt wie es für dich in meinem Leben war. " Victor zuckte mit den Schultern. "Das heben wir uns dann für Montag auf." David lächelte, und Victor lächelte mit. Es fühlte sich fremd in seinem Gesicht an. Normalerweise grinste er oder zog eine Miene wie nach drei Monaten Regenwetter.
"Dann ähm, bis Montag, oder?"
"Ja, bis Montag."
Aber keiner der beiden bewegte sich, keiner lief in die eine oder andere Richtung davon, keiner streckte eine Hand zu einem Handschlag aus oder öffnete die Arme für eine Umarmung.
Nein, sie sahen sich einfach nur an, bis Victor beschloss, dass er es wagen wollte und einen Schritt auf David zu machte, die Hände an seiner Wange und Schulter legte, und ihn einfach küsste. Es passierte wie der Griff nach seiner Hand: völlig natürlich, ohne viel nachzudenken. Und David stieg diesmal sofort darauf ein, ohne weiteres Zögern. Als sie sich voneinander trennten, sahen sie sich an und wussten beide etwas, dass sie noch nicht in Worte fassen konnten. Es war mehr Gefühl als Sachgehalt in diesem Wissen, und noch blieb es für beide unbegreifbar.
David fiel etwas ein, und er machte einen wirklich kleinen Schritt von Victor weg, um Platz zu haben, damit er in seine Hosentasche fassen und eine kleine Schachtel herausziehen konnte.
"Hab ich ganz vergessen.", kommentierte er und hielt sie Victor entgegen. Verwirrt nahm er an und öffnete sie. "Lollipops?" David nickte. "Ich hab in deinem Kalender gesehen, dass du mit dem Rauchen aufhören willst. Also dachte ich,... naja, du könntest einen Ersatz brauchen." Belustigt hob Victor eine Augenbraue. "Zucker anstatt Tabak?" Misstrauisch nahm er einen Lolli aus der Schachtel und wickelte das Papier ab. Er hatte schon seit Jahren keinen mehr in der Hand gehabt.
Das Licht im Haus von David ging an und beide zuckten zusammen. "Ich sollte dann mal...", meinte David halbherzig und Victor, nickte kurz zustimmend. "Ja, äh, wir sehen uns ja dann." Kurz waren sie unschlüssig, wie sie sich verabschieden sollten, ob ein Handschlag das richtige wäre, oder noch ein Kuss. Doch dann einigten sie sich auf eine Unarmung, und Victor schloss David in seine Arme und schloss für einen Moment die Augen, um zu spüren, was das mit ihm machte. Sein Herz fühlte sich besonders wohl in seiner Brust, seine Haut wurde warm, er spürte Davids Atem an seinem Hals.
Dann ging die Türe auf. "David! Beweg deinen Arsch hier rein, du bist zu spät!" Die Entspannung wich aus den Gliedern beider Jungs, sie stoben auseinander, und David beeilte sich, seinen Beutel vom Boden aufzuheben, den er als Tasche dabeigehabt hatte. "Bis Montag.", verabschiedete er sich flüchtig, mied aber Victors Blick. Es schien ihm peinlich zu sein. Als er an George vorbei ins Haus trat, packte dieser ihn grob am Nacken. Victor sah weg, unschlüssig, was seine Rolle in der ganzen Situation war; Ob er etwas sagen oder machen sollte, ob er überhaupt dazu berechtigt war und ob er irgendwann dazu berechtigt sein würde. Als er weg ging fiel ihm der Lolli auf, den er immer noch in seiner Hand hielt, und nachdenklich steckte er ihn in seinen Mund. Cola-Geschmack. Er ging zur nächsten Bushaltestelle, den Weg kannte er dank Luke, und lutschte an seinem Lollipop anstatt eine Zigarette zu rauchen und dachte an David. Und er lächelte den ganzen Weg bis zu seiner und Alice' Wohnung.
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HELLO MY FRIENDSSS
Ich muss zugeben: ich komme in Verzug... in letzter Zeit stecke ich, vor allem was diese Story betrifft, in einer riesigen Blockade. Ich weiß wo ich hin will, aber nicht, wie ich das nächste Kapitel anfangen soll...
Aaaaber das soll ja nicht eure Sorge sein :)
Ich finde da meinen Weg schon noch durch. Und nur gut, dass ich noch stolze 10 Kapitel vorgeschrieben habe...
Jedenfalls: Lasst mir gerne eure Meinung in den Kommentaren da!
Bis bald
AOF
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