3.
»Ich werde heute ein Mitglied der Mafia entführen, um das Geld zu bekommen, das sie mir schulden.« Ich hatte noch einige Stunden geschlafen und mich dann widerwillig auf den Weg gemacht.
»Ich werde keine Angst haben, dass da etwas schiefgehen konnte. Ich reagiere nicht über.«
Die Make-up-Reste von gestern waren von meinem Gesicht verschwunden und meine braunen Haare gewaschen. Ich war wieder ein unbeschriebenes Blatt Papier. Zumindest im metaphorischen Sinne.
Gerade lief ich durch ein Viertel von Detroit, in dem man durchaus einen 100-Dollar-Schein auf der Straße finden konnte, weil jemand sein Wechselgeld verloren hatte.
Überwachungskamerabewehrte Einfahren versperrten den Blick auf die Villen, die dahinter lagen.
Ich musste meine nächsten Schritte sorgfältig planen, sonst würde aus mir statt einer Jägerin schnell eine Gejagte werden. Diesem Damian Lansky wollte ich erst begegnen, wenn er als hübsches Paket verpackt zu meinen Füßen lag. Wobei ich durchaus bereit war, dieses Paket selbst zu schnüren.
Ich erlaubte mir ein Seufzen. Ich war an meinem Ziel angekommen. So viel Selbstbewusstsein ich auch hatte, mir fehlten die Kontakte, die mich zu Lansky bringen konnten. Glücklicherweise kannte ich jemanden, für den das nicht galt.
Rileys Klingel war beeindruckend unauffällig dafür, dass gleich zwei Kameras mich beobachteten, als ich darauf drückte. Das Tor zur Einfahrt war so groß, dass ich mich unwillkürlich fragte, ob Riley damit mangelnde Größe in anderen Bereichen kompensieren wollte.
Es dauerte einige Sekunden, aber dann glitten die besagten Tore leise surrend auf. So verächtlich die Gedanken gewesen waren, die mir eben noch durch den Kopf gegeistert waren, zumindest Rileys Haus konnte sich sehen lassen. Eine lange, mit hellen Steinen gepflasterte Einfahrt wand sich hinauf zu einer Villa, die den Eindruck erweckte, aus der Toskana geklaut worden zu sein. Rosen schlängelten sich die Fassade hinauf, heller Stein und riesige Rundbogenfenster ließen mich an Sommer und Ferien denken.
Zweifellos stand Riley finanziell deutlich besser da als ich. Ich verkniff mir ein weiteres Seufzen und schlenderte die Auffahrt hinauf, als die Tür bereits geöffnet wurde.
Mit einem Anflug von Enttäuschung bemerkte ich, dass Riley nicht noch im Schlafanzug war, was mir erlaubt hätte, ihm seine Faulheit unter die Nase zu reiben. Stattdessen trug er eine locker sitzende schwarze Jeans und ein einfaches weißes T-Shirt, das nicht verbergen konnte, wie schlaksig der Körper darunter immer noch war. Zumindest Rileys hellbraune Haare erweckten den Eindruck, als wäre er gerade erst aus dem Bett gefallen.
»Meine Liebe, was verschafft mir die Ehre?«, begrüßte mich Riley. Ehe ich antworten konnte, fuhr er schon fort: »Normalerweise gehört es doch nicht zu deinen Lieblingsaktivitäten, mit mir freundlich Tee zu trinken.«
»Ich muss etwas mit dir besprechen«, antwortete ich. »Aber nicht hier draußen. Es sind ... sensible Informationen im Spiel.«
Riley musterte mich skeptisch. »Und damit kommst du zu mir?«
»Lässt du mich jetzt rein oder nicht?« Ich war nicht den ganzen Weg hierher gekommen, um mich dann an der Tür abspeisen zu lassen.
»Du musst doch nicht gleich so pampig werden«, sagte Riley und trat einen Schritt zurück. Er ließ die Tür hinter sich offen, damit ich eintreten konnte, und schloss sie erst dann.
Das Innere des Hauses stand dem Äußeren in nichts nach. Die Eingangshalle war so hoch, dass ich den Kopf in den Nacken legen musste, um die Decke zu sehen. Eine Treppe führte in ein zweites Stockwerk und der Eingangsbereich lief in ein großes Wohnzimmer aus, von dem man einen atemberaubenden Blick auf die weitläufige Terrasse und den Pool hatte.
»Willst du einen Tee?«, fragte Riley.
»Nein«, brummte ich. »Gib mir lieber einen Whiskey.«
»Es ist vormittags.«
»Egal.«
Riley beäugte mich einen Augenblick und zuckte dann mit den Schultern. »Ich mache mir einen Tee.«
Er verschwand in seiner lichtdurchfluteten Küche und ich blieb verloren in der Eingangshalle stehen.
»Die Mafia betrügt mich«, rief ich über den Flur.
Ein Klirren kam aus der Küche und im nächsten Augenblick tauchte Riley wieder auf. »Was?«
»Die Mafia betrügt mich«, wiederholte ich.
»Das habe ich schon verstanden, aber ... was?«
»Sie schulden mir einen Tausender.«
Er verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Türrahmen. »Das ist alles?«
»Was soll das heißen, ›das ist alles‹?«, fuhr ich ihn an. »Es ist viel Geld. Ich habe meinen Auftrag nach Lehrbuch erledigt und sie halten sich nicht an unseren Vertrag.«
»Jetzt weiß ich auch, weshalb du zu mir gekommen bist«, sagte Riley. »Du brauchst sicherlich deinen starken, gutaussehenden, maskulinen, attraktiven Freund, der dir unter die Arme greift.«
Er ging auf mich zu, hob eine Hand, um meinen Kopf zu tätscheln, aber auf ein Grummeln meinerseits hin ließ er sie wieder sinken.
»Ich brauche niemanden, der diese Eigenschaften hat«, sagte ich. »Ich brauche eher jemanden wie dich.«
Riley zog eine Augenbraue hoch. »Dann solltest du mit ein wenig Freundlichkeit anfangen.«
»Kann ich nicht.«
Riley seufzte nach einem Augenblick und meinte: »Gut, dann sag mir genau, was los ist.«
Er machte eine Handbewegung, um mir zu sagen, dass ich ihm folgen sollte, und ging zurück in die Küche. Meine Miene verfinsterte sich zwar, aber ich tat wie geheißen.
In der Küche sammelte Riley zunächst die Scherben der Tasse auf, die er bei der Mafiaankündigung fallen gelassen hatte, und fragte nebenher: »Hast du schon einen Plan? Wenn du bei mir aufkreuzt, dann hast du sicherlich schon alle anderen Optionen abgeklappert. Oder magst du mich auf einmal etwa doch wieder und möchtest mehr Zeit mit mir verbringen?«
Ich schnaubte. »Ich brauche einfach jemanden, der mich nichts bedeutet und den ich als Kanonenfutter zur Mafia schicken kann.«
»Ah, natürlich, wie konnte ich auch etwas anderes denken?« Riley holte eine Tasse aus dem Schrank und stellte sie betont vorsichtig auf dem kleinen Tisch ab.
Für einen Moment herrschte unangenehmes Schweigen zwischen uns, in denen wir beide so tun konnten, als täte es mir leid.
»Und?«, fragte ich dann vorsichtig.
»Was ›und‹?«
»Hilfst du mir?«
Die zweite Tasse landete deutlich unsanfter neben der ersten. Einige Sekunden später gab Riley seine Antwort: »In Ordnung. Ich habe ohnehin noch eine Beschäftigung für den Abend gesucht. Ich nehme an, du weißt noch nicht, wo sie sich aufhalten?«
Ich brummte nur als Antwort.
»Dann gib mir ein paar Stunden und ich werde sie finden.«
Ich trat von einem Bein auf das andere. Das hier ging zu einfach. Er hätte mehr Widerworte geben müssen oder eine Gegenleistung verlangen ...
»Im Gegenzug«, begann Riley von neuem und meine Hoffnungen stürzten wie ein Kartenhaus in sich zusammen. »Im Gegenzug wirst du mit mir kommen. Als meine Begleitung. Und du wirst dir nicht anmerken lassen, dass du eigentlich keine Zeit mit mir verbringen willst.«
Mit dem ersten Teil der Forderung war ich mehr als einverstanden. Mit dem zweiten Teil ... weniger. Trotzdem murrte ich leise: »In Ordnung.« So schwer konnte das doch gar nicht sein. Nur bei der Mafia einbrechen, einen von ihnen entführen und dann Lösegeld einfordern. Und all das am besten noch, ohne dabei den Kopf zu verlieren.
»Rufst du mich an, wenn du weißt, wo er zu finden ist?« Ich wandte sich bereits wieder zum Gehen. Ich musste an diesem Abend noch genug Zeit mit Riley verbringen.
»Wer?«
Jetzt erst wurde mir bewusst, dass ich immer nur von der Mafia gesprochen und Riley gar nicht gesagt hatte, wen ich tatsächlich suchte. »Damian Lansky.« Ich hatte den Namen zuvor noch nie laut ausgesprochen und nun, da ich es tat, fühlte es sich an, als hätte ich einen Vertrag unterzeichnet.
Riley wurde blass. »Du suchst Damian Lansky? Hätte ich das gewusst. Das ... das ...«
»Hey, bist du dabei oder nicht? Was schreckt dich bei dem Typen so ab, das dich vorher bei der Erwähnung der Mafia nicht verunsichert hat?«
»Hast du noch nie von ihm gehört?«
Ich trat einen Schritt zurück. »Nein? Hätte ich das sollen?«
»Ich verstehe«, sagte Riley und räusperte sich überdeutlich. »Damian Lansky ist nicht irgendein Mitglied der Mafia. Er ist die Mafia.«
»Kannst du ihn finden?«
»Möglicherweise ... Viel wahrscheinlicher ist es aber, dass er uns schon gefunden hat, lange bevor ich ihn finde. Das ist niemand, mit dem man sich anlegen sollte.«
Ich seufzte. »Und ich dachte, ich könnte mich auf dich verlassen, aber da habe ich mich wohl geirrt.«
»Warte, so meinte ich das nicht.« Riley knetete die Hände. »Ich würde einfach gern den nächsten Tag noch erleben.«
Ich schürzte die Lippen. »Ich bin gut und du hast auch mal behauptet, dass du gut wärst.«
In Rileys Augen flackerte etwas auf und ich erkannte, dass ich auf der richtigen Spur war.
»Wenn du das mit mir unternimmst«, fuhr ich fort, »dann kannst du dich beweisen.«
Riley holte tief Luft und schüttelte die vorherige Unsicherheit ab. »Gut ... gut, du hast recht. Als Team schaffen wir das.«
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