16.
Eine gute Nacht hatte ich allerdings nicht, das zeichnete sich spätestens kurz nach Mitternacht ab. Als ich die Augen öffnete, hing mein Atem als weiße Wolke vor mir in der Luft. Als ich meine Beine anzog und sie mit den Armen umschlang, wurde es nur bedingt besser.
Ich warf einen sehr zögerlichen Blick hinüber zu Damian. Er schlief noch, aber er zitterte ebenfalls, insbesondere, weil er nur ein Hemd trug. Wieso musste er eigentlich unbedingt recht behalten? Konnte nicht einmal etwas für mich gut gehen?
Ich streckte die Hand aus und berührte Damian an der Schulter. Nun wurde ich das erste Mal Zeuge davon, wie der Mafiaboss aufwachte. Nämlich mit einem Ruck und einer Hand sofort an der Stelle seines Gürtels, wo er normalerweise vermutlich eine Waffe trug.
Es dauerte etwa zwei Sekunden, bevor die Anspannung von ihm abfiel. Dann blitzten aber prompt seine weißen Zähne in der Dunkelheit auf. »Ist dir etwa kalt?«
Ich hätte gerne geseufzt, aber nicht einmal die Befriedigung wollte ich ihm geben. »Rutsch einfach ein Stück.«
Er grinste immer noch, als er meiner Aufforderung Folge leistete.
Mit steifen Gliedern krabbelte ich über die Mittelkonsole und versuchte, mich neben Damian zu quetschen. Natürlich war der Sitz dafür viel zu klein und natürlich war es die einzige Möglichkeit, die mir blieb, meine Beine über Damians zu legen.
Und natürlich entwich mir ein leises Seufzen, als seine Wärme durch meine dünne Kleidung drang.
»Für diese Reaktion muss selbst ich üblicherweise ein bisschen mehr tun«, kommentierte Damian.
»Klappe.«
»Zählt das schon als deine Freundlichkeit?«
»Nein.«
Dann schlang er den Arm um meine Schultern und zog mich an sich. Ich wollte protestieren, aber eigentlich tat mir die Wärme viel zu gut dafür. Also beschloss ich, dass der Schaden ohnehin schon angerichtet war, und ließ meinen Kopf gegen seine Brust sinken. Leider war die deutlich bequemer als die Kopfstütze.
Allerdings wusste ich sofort, dass Damian kurz davor war, den nächsten Kommentar abzugeben. Schön, dieses Spiel konnten auch zwei spielen.
»Freundlich wäre ich, wenn ich dich darauf hinweisen würde, dass sich die Wärme viel besser teilen lässt, wenn keine Kleidung im Weg ist.«
Jeder seiner Muskeln spannte sich an. Dass ich das merken konnte, war sein Nachteil an dieser Position. »Das ist kein ernsthaftes Angebot.«
»Nein. Denn du bist ja nicht freundlich.«
»Es ist nicht, als hättest du dir das verdient.«
Ich schloss die Augen wieder und ließ mich in die Zweck-Umarmung sinken. Einfach schnell einschlafen und die Zweck-Nähe vergessen. Und wie bequem er war. Und die Tatsache, dass er mich gerade zum Lächeln gebracht hatte. Das waren Gedanken, die ich nicht weiter verfolgen durfte.
Die Sonne steht schon viel zu hoch. Das war mein erster Gedanke, als ich die Augen öffnete. Gefolgt von: Verdammt, ich liege in den Armen von Damian Lansky.
Beide Erkenntnisse führten dazu, dass ich mich ruckartig aufrichtete, Damian damit weckte und dann hastig auf meinen Sitz zurückkrabbelte.
»Guten Morgen«, brummte Damian.
»Mhm«, machte ich. »Wolltest du nicht nachschauen, ob du jetzt im Tageslicht erkennen kannst, was mit dem Auto nicht stimmt?«, fragte ich, hauptsächlich um davon abzulenken, was in der Nacht geschehen war.
Damian hob eine Augenbraue. »Und du versuchst nicht, davon abzulenken, was in der Nacht geschehen ist?« War ich so leicht zu lesen? Verdammt.
»Nein!«, rief ich. »Und jetzt raus.«
Damian antwortete nichts mehr und stieg aus dem Auto, doch wenn es mich nicht täuschte, lachte er dabei leise. Er hatte den Wagen zu zwei Dritteln umrundet, da zog ich den Hebel an meiner Tür und die Verriegelung der Motorhaube sprang auf.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, im Auto sitzen zu bleiben und Damian allein in der Kälte stehen zu lassen, doch nun interessierte es mich doch, was mit dem Motor geschehen war.
Ich verließ die Wärme des Autos. Kalte Morgenluft schlug mir entgegen, aber es war nicht mehr so eisig wie in der Nacht und es versprach ein sonniger Tag zu werden. Seltsames Frühlingswetter.
»Und?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust und stellte mich neben Damian, um bedeutsam auf den Motor zu blicken.
»Es sieht alles gut aus«, sagte Damian. »Vielleicht war es nur der Kühler.«
»Und das heißt?«
»Dass wir erstmal versuchen weiterzufahren und hoffen, dass es in fünfzig Meilen nicht wieder zu qualmen beginnt.«
»Gut«, sagte ich knapp. »Dann los.« Länger als notwendig wollte ich nicht in der Kälte stehen.
Ich setzte mich zurück auf den Fahrersitz und wartete geduldig, bis Damian die Motorhaube schloss und sich zu mir ins Auto gesellte.
Das Navi hatte immer noch das Wunschziel eingespeichert und wies mich freundlich darauf hin, dass die Fahrt weitere fünf Stunden dauern würde. Ich streckte mich einmal, sodass mein Rücken und meine Schultern knackten, ehe ich die Hände ans Steuer legte.
»Ich hoffe, dieser Besuch bei deinem Kumpel ist es wert«, informierte ich Damian und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Der Motor sprang an und schnurrte wie ein Kätzchen.
Hoffentlich blieb es auch so.
Ich drückte das Gaspedal bis zum Anschlag herunter und fuhr mit quietschenden Reifen an. Unter keinen Umständen wollte ich noch eine Nacht auf die Art der letzten verbringen.
Die restlichen fünf Stunden Fahrt vergingen, ohne dass sich der Motor erneut zu einem Kettenraucher mit Asthma verwandelte. Und auch Damian nervte mich nicht – was hauptsächlich daran lag, dass ich das Radio voll aufgedreht hatte und sämtliche Gesprächsversuche im Dröhnen des Basses untergegangen waren.
Irgendwann tauchte Tallahassee vor uns auf und ich war gezwungen, das Radio leiser zu drehen. Als wir auf einen Rastplatz zufuhren, sagte Damian unvermittelt: »Bieg hier ab.« Ich war so überrascht, dass ich seiner Aufforderung Folge leistete. »Was ist los?«
Wir waren die einzigen Anwesenden auf dem Platz, der bereits die Wärme der Mittagssonne abstrahlte.
»Lass mich fahren.«
»Du willst doch jetzt nicht allen Ernstes –«
»Willst du nun ein bestimmtes Bild bei Mark erzeugen oder nicht?«
Ich verzog den Mund, musste aber gestehen, dass Damian recht hatte. Also stieg ich aus und wollte mich gerade zum Fahrersitz gehen, als der Mafioso mich aufhielt. »Ich hätte gerne mein Jackett wieder.«
Das ›Oh‹ verkniff ich mir gerade noch so, aber ich streifte die Jacke ab und gab sie ihm zurück. Als er es überstreifte, fielen mir allerdings die Spuren auf, die die zwei Tage in Rileys Keller darauf hinterlassen hatten.
»Wie oft bist du bisher mit staubiger Kleidung bei deinem Kumpel aufgetaucht?«
Damian zögerte.
»Das dachte ich mir.« Ich ging einen Schritt auf ihn zu und begann, das Jackett abzuklopfen. Nur hatte ich leider nicht daran gedacht, dass ... nunja. Dass mich das näher an ihn heranbringen würde als geplant. Noch weniger hätte ich gedacht, dass mein Herzschlag sich deutlich beschleunigen würde, als ich Damian aus dieser Position einen Blick zuwarf.
Aber auch er musterte mich mit einem Ausdruck, der nahegelegt, dass er zumindest gerade nicht an unsere Aufgabe dachte. Das Eis in seinem Blick war für den Moment geschmolzen.
Als ich mich dazu zwang, durchzuatmen, verließ mich die Luft seltsam zittrig.
»Wolltest du nicht den Staub auf dem Jackett loswerden?«, erinnerte er mich. Seine Stimme klang rauer als zuvor.
»Richtig. Ja.« Jetzt hatte ich gestammelt. Oh, Boden tu dich auf.
Kurz danach erklärte ich meine Arbeit für erfolgreich abgeschlossen. »Passt.«
Auf Damians Hose waren die Spuren des Kellers zwar noch zu sehen, aber so weit war es noch nicht mit mir gekommen.
»Lass uns gehen«, sagte ich stattdessen.
»Vorher solltest du noch einen Blick in den Spiegel werfen.«
Ich öffnete den Mund zu einer wütenden Antwort, dann aber erinnerte ich mich daran, dass ich die Nacht zusammengerollt in einem Auto verbracht hatte.
Also begnügte ich mich mit einem misstrauischen Blick in Richtung Damian, um dann in den Außenspiegel zu schauen.
»Oh shit.«
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro