
3
Beim Aufwachen fiel mir auf, was für eine bescheuerte Position ich beim Schlafen eingenommen hatte.
Meine Arme waren überm Kopf verrenkt und schmerzten übelst. Aber als ich sie runternehmen wollte, zerrten grobe Fesseln an meinen Handgelenken.
Erschrocken schlug ich die Augen auf. Sie waren sandig und trocken. Über mir war eine schwarzbraune Holzdecke, ich lag auf einer Matratze, und meine Hände und Füße waren gefesselt.
Die Erinnerungen letzter Nacht kehrten in meinen Kopf zurück und ich verrenkte ängstlich meinen Kopf, um sehen zu können, was um mich herum vorging.
Ich befand mich in einer kleinen, mit Dutzenden von Kerzen beleuchteten Kammer. Oh Gott... wo war ich hier? War das irgendsoein abartiges Sexspiel?
Ein Schlüssel wurde umgedreht und die Tür öffnete sich knarrend. Leise Klaviermusik kam von draußen herein. Der Typ von gestern trat ein und schloss sie sorgfältig hinter sich.
"Ich habe mich natürlich um deine - selbstverschuldeten - Wunden gekümmert", sagte eine sanfte Stimme. Sein Kopfnicken galt einem kalten Wickel, der um meinen rechten Oberarm geschnürt war.
"Oh, dankesehr. Willst du dich nicht setzen?", entgegnete ich ironisch. "Vielleicht etwas Tee?"
Ein trockenes, leises Lachen erklang. "Du wärst nicht so unhöflich, wüsstest du, wo du dich hier befindest und wer dein Gastgeber ist."
"Natürlich... wo sind meine Manieren? Mit wem habe ich die Ehre zu sprechen?"
Man konnte ein Grinsen in der Stimme des Mannes bemerken. Er kam noch näher, dann setzte er sich an die Bettkante. Ich versuchte, von ihm abzurücken, konnte mich aber kaum einen Zentimeter bewegen. "Das braucht dich nicht zu interessieren. Du bist schließlich nicht mein Ehrengast. Du bist nur zufällig auf den Ball gelangt, aber du wirst nicht tanzen."
"Hä?", machte ich geistreich und versuchte, seine Augen in der Maske zu finden.
"Du bist hier nicht willkommen."
Ein Schauder lief mir über den Rücken. Dennoch blieb ich sarkastisch. "Oh klar. Danke."
"Ich nehme nur Naturtalente auf. Ich musste dich nur mitnehmen, weil du mir fast den Plan verhunzt hättest. Das muss bestraft werden. Ich muss nur noch überlegen, was ich mit dir mache... ein Kollege von mir ist immer an frischen Organen interessiert..."
Mein Mund klappte zu, ich starrte ihn nur noch verstört an. Ich wollte nicht...
"Fühlt dich indessen ganz wie zu Hause... ich werde dich jetzt losmachen, aber wenn du mich angreifst oder irgendwie zu fliehen versucht, dann setzt es was." Noch immer war seine Stimme seidenweich.
Ich hielt still, während er mich losschnitt, immerhin hatte er ein Messer in der Hand, und versuchte, nicht allzu verängstigt auszusehen. Meine Gelenke brannten, ich rieb sie mir und sah nicht auf, bis sich die Tür meines Gefängnisses schloss.
Dann stand ich auf und lief hinüber, sah durch den zwei Zentimeter hohen Spalt, auf einen Fackelbeleuchteten Gang hinaus. An der Technik schien der Typ jedenfalls nicht zu hängen. Zuerst die ganzen Kerzen... überall Feuer... nicht so gut...
Ich lehnte mit der Stirn am Holz, da riss mich etwas aus meinen Gedanken. Jemand spielte Klavier. Ich drückte mein Ohr gegen die Tür und lauschte. Es war er Türkische Marsch, der gespenstisch durch das Gebäude hallte. Ein Stück von Mozart, dass ich zu meiner Zeit in der Musikschule wahrscheinlich hundert Mal gehört hatte. Hatte der gruslige Entführer etwa eine musische Ader?
Irgendwie machte ihn mir das noch unheimlicher. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich ausschließlich auf die Musik. Stellte mir vor, wie meine eigenen Finger über die Tasten wanderten, und das leise Scharren der Pedale beim runterdrücken.
Allmählich beruhigte ich mich, aber sobald ich die Augen öffnete, holperte mein Herzschlag in schnellem Tempo weiter.
Okay, es gibt eine intelligente Sache, die ich tun kann. Versuchen, rauszukommen.
Meine Hände tasteten das Holz ab, klopften dagegen, aber es war massiv und neu, auch wenn die Kratzer und Flecken darauf eine andere Sprache sprachen. Zumindest war das kleine Fenster darin eingelassen und ein fünf-Zenitmeter-Abstand zwischen der Tür und dem Boden, sodass Luft herein kam.
Ich betrachtete die dunkle Maserung mit den rostroten Schmierereien drauf eine Minute gedankenverloren, dann fiel es mir auf: Es waren Blutflecken. Mindestens eine weitere Person war vor mir hier gefangen gewesen. Er hatte ja vorher auch von Ehrengästen geredet...
Diesen Flecken nach zu urteilen, war es nicht gut ausgegangen. Hätte ich mir ja denken können. Er hatte mir auch schon mit Organtransplantation gedroht, dieses Arschloch.
Ich sah mich weiter um. Der Raum war etwa vier mal vier Quadratmeter groß, schätzte ich, kaum kleiner als mein Schlafzimmer. Es gab keine Fenster, nur dunkle Holzwände. In der rechten Ecke, gegenüber von der Tür, stand das Bett, in dem ich aufgewacht war.
Es war ein französisches Bett, mit schwarzen, glänzenden Laken, vielleicht Seide, bezogen. Es hatte hohe, grobe Pfosten, um die noch die dünnen Seile gewickelt waren. Daneben stand ein mitgenommenes Beistelltischchen, auf dem ein Stück Verband und ein halbvolles Glas Wasser standen. Neben der Tür stand ein hellbrauner Stuhl, mehr hatte die karge Einrichtung nicht zu bieten.
So weit, so schlecht. Falls ich nicht mit Möbeln um mich werfen wollte, hatte ich nichts, um ihn anzugreifen.
Hoffentlich hatte er mich nicht durchsucht, ich hatte nämlich in der Innentasche meiner Jacke immer ein Taschenmesser verstaut. Ich fasste in die Taschen meines Trenchcoats, aber das einzige, was ich fand, war mein Handy. Der Idiot hatte meine Brieftasche gestohlen!
Mich erwartete ein weiterer Schock beim rausholen meines Handys. Die Scheibe war total zersplittert und die drei Tasten des Smartphones reagierten nicht mehr.
"Fuck, fuck, fuck!", zischte ich vor mich hin. Jetzt brodelte es erst recht in mir. Zumindest Doodle Jump hätte er mir lassen können. Frusitriert warf ich das nutzlose Ding mit voller Kraft gegen die Wand. Dann ging ich zur Tür, stellte mich auf die Zehenspitzen und brüllte auf den Gang hinaus: "Du verficktes Arschloch! Gib mir mein Geld zurück!"
Natürlich kam keine Antwort und ich begann etwas hysterisch zu lachen. Ich befand mich in der Gewalt eines Typen, der wahrscheinlich meinen Körper verkaufen wollte und ein Mörder war, und ich wollte ihn dazu zwingen, mir meine Brieftasche zurückzugeben.
Frustriert wollte ich mich ins Bett fallen lassen, bemerkte aber gerade noch rechtzeitig die Flecken auf dem Leintuch.
Ohne es zu berühren, beugte ich mich darüber.
Als ich erkannte, was es war, stieg mir die Magensäure im Hals hoch. Weiße und braunrote Flecken. Der Typ hatte anscheinend meine Vorgängerin vergewaltigt.
Im letzten Moment konnte ich auf die andere Seite des Zimmers flüchten und kotzte mir die Seele aus dem Leib.
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