Kapitel 4
Villain
Verschwenderischer Reichtum beherrschte die Feierlichkeiten zum Tag der Sommersonnenwende. Die Luft sirrte vor Macht und ab und an erzitterte die Erde. Doch niemand schien diesem Beben Bedeutung beizumessen. Die Abendsonne warf ein schimmerndes, warmes Licht. Sie spiegelte sich in den Pokalen, den glänzenden Rüstungen, dem matt schwarzen Boden.
Arabellas Überraschung war eine Arena. Auf den Tribünen tummelten sich hunderte von Fae. Sogar Mischwesen, geschuppte Wilkies und Halbfae schienen unbesorgt an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Sie lachten, tranken miteinander und schienen gänzlich unbesorgt. Einige bemerkten meinen Blick und senkten ihn, sobald sie erkannten, wer sie da ansah. Cy und Low wichen mir nicht von der Seite. Mit einem Augenrollen gab Low mir zu erkennen, dass sie die Aufmerksamkeit ebenfalls bemerkt hatte. Wir spürten, dass sie ausschließlich feindseliger Natur war.
Der König saß auf einer steinernden Erhöhung in der ersten Reihe. Er thronte über den Zuschauern und ich war mir sicher, dass ihm diese Position mehr als zusagte. Neben seiner massigen Gestalt wirkte Arabella noch kleiner als sonst. Sie saß auf einem gewöhnlichen Holzstuhl und hielt den Kopf hoch erhoben. Die spiegelglatte schwarze Fläche am Boden der Arena war riesig. Bei genauerem Betrachten konnte ich feine goldene Muster ausmachen. Mit Mühe konnte ich die Silhouette von kämpfenden Fae, feuerspuckende Drachen und fliegende Kreaturen erkennen.
Die Lautstärke, das aufgeregte Vibrieren der zahlreichen Stimmen und die neugierigen Rufe wurden ohrenbetäubend, als zwei unscheinbare Türen in der Halle geöffnet wurden. Drei hochgewachsene Fae betraten die Arena. Münzen klimperten und gröllende Rufe hallten durch die Menge.
Die Kämpfer wanderten mit jeweils einem Aufpasser und gefesselten Händen einmal durch die Arena. Bis sie mittig angekommen waren, hatte sich eine gespannte Stille auf die Menge gelegt. Cys Stirnrunzel verschärfte sich mit jeder Sekunde. Kämpfe dieser Art waren im Land der Fae untersagt. Entsprechende Gesetze wurden gleichzeitig mit dem Abschaffen der Sklaverei von Menschen verabschiedet. Cyron war als Kind selbst Teil von Kämpfen dieser Art gewesen. Das Zittern seiner Fäuste verriet mehr als deutlich, dass ihn das Geschehen in der Arena nicht kalt ließ.
Der erste Kampf begann und endete. Nacheinander wurden neue Kämpfer, breiter, größer, furchteinflößender in die Halle geführt. Doch die Menge schien enttäuscht. Als hätten sie sich mehr erhofft. Bittere Galle stieg in meiner Kehle hoch. „Das ist abartig", brach ich schließlich hervor. Low war blass und ihre Lippen aufeinander gepresst. Ich wünschte, ich hätte ihr befehlen können zuhause zu bleiben, aber sie war keine Fae, die sich gerne etwas befehlen ließ. Was ja generell nichts ungewöhnliches war. Cy schwieg beharrlich und hielt den Blick auf die Arena gerichtet.
Der König nahm den wachsenden Missmut und die mangelnde Begeisterung seines Hofes zur Kenntnis. Die Falten auf seiner Stirn gruben sich tiefer in seine Haut. Er wirkte verkniffen, sah dann aber mit einem zuversichtlichem Lächeln auf seine Tochter nieder. Seit die Kämpfe begonnen hatten, hat sie sich nicht bewegt. Nichts getrunken, nichts gegessen. Nicht an ihre Frisur gefasst oder den tiefen Ausschnitt ihres Kleides kontrolliert. Ihre Haltung war absolut reglos.
„Mein Volk." Die Stimme des Königs übertönte den herrschenden Geräuschpegel. Er saß auf seinem Thron und grinste währenddie Magie seine Stimme durch die Arena trug. „Sagt mir, was Ihr zu sehen wünscht. Wir befinden uns in schwierigen Zeiten und diese erfordern entsprechende Maßnahmen. Also, was wünscht Ihr Euch?" Niemand sagte etwas. Doch Cy leitete mir ein paar der Bilder weiter, die er im Treiben der Magie aufschnappen konnte. „Ich habe eine Überraschung für Euch", fuhr der König fort. Als sich diesmal nicht nur die kleinen Tore an der Wand der Arena öffneten, sondern das große Haupttor, wurde es still. Die Art von Stille, die einem den Schweiß auf die Stirn trieb.
Das Wesen, das die Halle betrat, war nicht von dieser Welt. Seine Augen glühten rot, der Schlund war schwarz und seine Form verschwamm an den Rändern. Fesseln waren nicht sichtbar, aber ich erkannte ihre magischen Abdrücke an seiner Gestalt. Mit einer seichten Berührung ihrer Schulter schickte ich Low zurück in unser Schloss und hinterließ eine Illusion auf ihrem Platz. Cy nickte zustimmend. Sie wird rasend vor Wut sein, aber das hier wurde langsam unberechenbar. Der dunkle König schien seinem Namen mithilfe dieses Ungeheuers aus der Anderswelt alle Ehren zu machen. Das Johlen der Menge schwoll an, wurde ohrenbetäubend.
Aus der gegenüberliegenden Tür trat ein Fae. Er war hochgewachsen und trotz seiner schmalen Schultern erkannte man an seiner Haltung sofort, dass er ein Krieger war. Selbst mit meinen Fae Augen konnte ich nicht bis ans andere Ende der Halle sehen, doch die Menge wurde lauter, je weiter er voran schritt. Die Stimmung der Menge wurde agressiver, gefährlicher. Flüche und Drohungen prasselten durch die Menge. Ein Name stach hervor.
Elion.
Mit geschockter Miene erkannte ich meinen Krieger. Seit Monden wurde er nicht mehr gesehen. Die Frage, ob er die ganze Zeit hier gewesen war, brach über mich herein wie eine Sturzflut. Ich blieb ruhig, erneuerte in Gedanken mein Schild, prüfte und verstärkte es. Seine Wache reichte Elion ein Schwert, dann verließ er mit eiligen Schritten die Arena. Noch bevor er die Tür hinter sich geschlossen hatte, lösten sich die Fesseln des Nigroms. Ein Wesen was sinnbildlich für die Unterwelt stand. Mit einem Sprung brachte es sich in Position. Katzengleich lauerte er seinem Gegenüber auf.
Wir müssen ihn rausholen! Wut bebte in mir, als mir bewusst wurde, dass der König das hier geplant hatte. Wir kommen nicht zu ihm durch, teilte Cy mir mit. Das Schild ist zu stark. Der Kampf begann und ich hörte weder die Menge noch sah ich den triumphierenden Ausdruck im Gesicht des Königs. Als mir klar wurde, dass der König das von langer Hand geplant hatte, überlegte ich fieberhaft, wie ich das Unausweichliche aufhalten könnte.
Elions Bewegungen waren flink. Obwohl ich keine Wunden sehen konnte, erkannte ich den einst nahezu unschlagbaren Krieger kaum. Er wirkte gebrechlich, seine Schritte unsicher, nur sein Kopf war erhoben. Ich kann nicht tatenlos zusehen, warnte ich Cy.
„König, ich bitte um Gnade für diesen Mann." Als ich die Stimme erhob, distanzierten sich die Fae, die in meinem direktem Umfeld saßen. Als der Blick des Königs meinen traf, glitzerten seine Augen erfreut. „Nicht erteilt."
Als Elion zu Boden ging, suchte ich immer noch verzweifelt einen Weg durch das Schild des Königs. Der Nigrom hatte ihm eine offene Wunde zugefügt. Sein Gesicht war blutverschmiert. Er galt lange als der beste Krieger unseres Hofes und er war besiegt. Mit erhobenem Schwert holte der Nigrom aus, doch er zögerte als der König in die Arena schwebte. Dann stürzte er sich auf ihn. Innerhalb eines Wimpernschlags steckte ein Messer der Brust des Nigroms.
„War das nicht einfach?", freute sich der dunkle König. Während die Nigroms in ihrer Welt nur Schatten sind, müssen sie in unserer eine Art Körper einnehmen. Das Messer fiel klirrend auf den Boden, als der Nigrom in eine schwarze Staubwolke zusammenfiel und vom Wind davon getragen wurde. Im sanften Licht des Mondes, der sich am dämmernden Himmel erhob, begann der dunkle König laut lachend seinen Triumph zu feiern. Sein Sieg sollte Elion beschämen und wahrscheinlich auch ganz Alhambrien. Es war ein Moment, der mich noch in meinem Alpträumen heimsuchen würde.
Der König wandte sich wieder an sein Volk. Elion kniete immer noch, den Blick suchend auf die Tribüne gerichtet. Um ihn herum bildete sich eine Lache aus Blut. „Wir haben besondere Pläne mit ihm." Mit einem abfälligen Nicken deutete er auf den zu Boden gegangenen Krieger. „Zu Ehren ihres baldigen Geburtstags überreiche ich ihn an die gefürchteste Kriegerin Alejandrias." Atemlos verfolgen die Zuschauer, wie Folterinstrumente von Dienern in die Arena geschoben wurden. In den Augen des Königs spiegelte sich bodenlose Grausamkeit, während er sich zufrieden in der jubelnden Arena umsah. „Unsere Feinde sind nicht stark genug um gegen uns zu bestehen. Zeigen wir ihnen doch, was ihnen blüht, wenn sie sich nicht ergeben."
Dann ging alles ganz schnell. Elion schleuderte ein Messer auf den Rücken des Königs. Dieses wurde in der Luft abgefangen, nur eine Handbreit, bevor es sein Ziel erreicht hätte. Im nächsten Moment war seine Kehle aufgeschlitzt. Die Prinzessin, ganz in schwarz, trat wie ein Schatten neben ihren Vater. Ein paar ihrer silberblonden Haare hatten sich aus dem Zopf gelöst. Ungerührt wischte sie das blutige Messer am Stoff ihres Kleides ab. In der Arena war kein Geräusch zu hören. „Du hast unsere Beschäftigung umgebracht. Was soll ich den Leuten jetzt bieten?" Seine leise Stimme klang gefährlich, lauernd.
Dann breitete er die Arme aus und lachte. „Wisst ihr was? Was eignet sich besser um unsere Stärke zu demonstrieren, als ein Kampf, an den man sich noch in hunderten von Jahren erinnern wird? Ich zeige euch etwas besseres als einen toten Feind, um unsere Stärke zu beweisen." Er bannte die Aufmerksamkeit der Menge. Hatten sich vorhin noch vereinzelt Fae von der Arena abgewendet, betrachtete jetzt niemand mehr den funkelnden Sternenhimmel.
„Ihr möchtet sie kämpfen sehen, oder? Meine Geheimwaffe?" Ehrfürchtiges Staunen, vereinzelte erregte Schreie und freudiges Summen erfüllte die Arena. Jeder hatte von ihr gehört. Doch niemanden hatte sie je in Aktion gesehen. Niemand, der noch lebte jedenfalls. Bis auf wilde Gerüchte und Spekulationen hatte man nie genaueres erfahren. Sie war nur ein Schatten, ein Mythos.
„Wie viele Nigroms geben wir ihr? Was glaubt ihr, wie viele sie schafft?", pries er sie an und lauschte einen Moment. Nicht den Stimmen, die sich erhoben, sondern den Gedanken, die durch die Arena waberten „Zehn? Pah!" „Ich erhöhe auf fünfzig." Er nickte gönnerhaft. „Wisst ihr was, macht hundert daraus." Ein Raunen umfasste die Zuschauer. Alle hingen an seinen Lippen. Selbst ich spürte die berauschende Wirkung, die er auf sein Volk hatte. Er verstand es meisterhaft sein Publikum zu unterhalten, sie auf seine Seite zu ziehen und ihre Ziele zu seinem Vorteil zu nutzen. Ihre Beweggründe heraus zu finden und seine Schritte entsprechend zu planen.
„Es ist mir eine große Freude euch meine Geheimwaffe zu präsentieren, die Klinge Alejandras." Überall erklangen Trommelwirbel, sie kamen aus dem Nichts und flogen wild durch die Menge. Fahnen mit dem Wappen von Alejandra, dem nach unten gerichteten schwarzen Schwert auf rotem Grund, wurden ausgerollt. Begeisterung erfasste die anwesenden Fae wie eine wogende Welle. Von ihrem Abscheu, den vorhin einige kaum verbergen konnten, war keine Spur mehr zu erkennen. Keine Andeutung von Angst war mehr zu spüren, im Gegenteil es herrschte eine Euphorie, der sich kaum einer entziehen konnte. Es war gruselig.
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