Schießübungen
Der schwarz-weiße Jack in the box grinst breit. Seine spitzen Zähne blitzen auf. "Ach da haben wir ja unser kleines Schweinchen! So niedlich wie immer! Und so unschuldig!", ruft er und lacht dann, ehe er mich wieder auf meine eigenen Füße stellt. "Unschuldig? LJ! Du hast gelesen, was ich gelesen habe! DAS ist NICHT unschuldig!", ruft BEN und ich sehe zu ihm. Zucke mit den Schultern. "Habe ich nie behauptet." Denn wann hätte ich behauptet, dass ICH Unschuldig wäre, wenn es nicht um so etwas wie Diebstahl oder falsche Anschuldigungen gegangen wäre? Gut. Öfters als einmal, aber das waren andere Situationen. Keine, in denen ich hätte ermordet werden können.
Tim geht nur Kopfschüttelnd an mir vorbei. "Ich mach uns was. Magst du etwas überhaupt nicht?", fragt er und ich sehe ihn nachdenklich an. "Oliven, Artischocken, Zucchini, Aubergine und Kapern.", erwidere ich, er nickt und verschwindet in der Küche, aus der dafür aber Jeff kommt. Dieser gesellt sich zu uns. Es ist eine lange Diskussion, wie schlimm ich denn wäre, bis Tim mich ruft und ich die drei alleine Diskutieren lasse. Stattdessen setze ich mich neben den braunhaarigen an den Tisch. "Könntest du bitte aufhören, überall wo du hinkommst irgend einen Streit auszulösen?"
Mit großen Augen sehe ich ihn an. "He... Dafür kann ich jetzt wohl am wenigsten!" Der braunhaarige schiebt mir den Teller mit zwei Sandwiches rüber und zieht dabei eine Augenbraue hoch. "Wirklich..." Wirklich überzeugt klingt er nicht. "Du hast es mitbekommen! Ich kann nichts dafür, dass BEN so laut geworden und ausgeflippt ist! Und du weißt, dass ich mir von Jeff nichts gefallen lasse. Und bei LJ brauchst du erst gar nicht fragen." Tim holt nur tief Luft und schüttelt leicht seinen Kopf. "Dann geh nicht drauf ein.", murrt er, ehe er eines seiner Sandwiches hoch nimmt und rein beißt.
Ich tue es ihm gleich und schlinge schon fast. Ich habe Hunger. Und ich bekomme mehrere Gläser an Cola vorgesetzt, die ich ebenfalls einfach runter kippe. Zwar werde ich dumm angeguckt, als ich einen Rülpser los lasse, der nicht wirklich von dieser Welt ist, aber ich kann sehen, dass mein Freund grinst. Mein Freund... An diesen Terminus darf ich mich wohl erst noch gewöhnen. Und an das, was es mit sich zieht. Die Verantwortung. Aber für ihn nehme ich das gern auf mich. Er nimmt das leere Geschirr, stellt es nur in die Spülmaschine und geht mit mir hoch. Vorbei an den immer noch diskutierenden Leuten.
In seinem Zimmer angekommen, macht er erst einmal seinen Schrank auf und deutet mit dem Kinn darauf. "Hol dir ne Jacke. Und vielleicht noch einen Pulli. Es ist kalt in der Nacht. Ich will nicht, dass du krank wirst." Bei so etwas geht mir das Herz auf und ich stelle mich vor ihn. "Du bist einfach nur süß, weißt du das?", flüstere ich und ziehe ihn in einen längeren Kuss. Ein klopfen unterbricht uns und ich löse mich lächelnd. "Ich liebe dich.", raune ich ihm zu, ehe ich zur Tür gehe und diese öffne. EJ steht davor.
"Seid ihr bereit? Wir wollen gleich wieder los. Keine Taschenlampen, klar? Tim? Nimm deine Waffe mit. Alex? Hier hast du eine. Kannst du mit Pistolen umgehen?" Etwas überfordert mit so viel Information auf einmal, starre ich nur auf die Pistole, die mir EJ entgegen hält. "Ich... kenne den Aufbau. Musste mehrere Male darüber schreiben. Aber ob ich schießen kann?" Ich war im Schützenverein. Habe aber nur mit Gewehren geschossen. Nicht mit der Pistole. Jack nickt. "Alles klar. Masky? Schieß mit ihr ein oder zwei mal draußen. Jetzt. Die Spur verliert sich immer mehr und wir stehen unter Zeitdruck."
Er gibt mir die Waffe und verschwindet wieder, während ich zu Tim sehe. Dieser wirft mir eine Jacke hin. "Also gut. Lass uns das in fünf Minuten lernen, wofür du normalerweise ein paar Tage bräuchtest!", meint er entschlossen, steckt sich eine Kippe in den Mund und grinst mich an. "Du schaffst das." Schön und gut, dass er das Vertrauen in mich hat. Ich hingegen sehe nur die Waffe an und Frage mich, wie ich in der Dunkelheit bitte irgendetwas treffen sollte! Denn wenn es nah genug ist, dass ich es treffen KÖNNTE, dann steht das Vieh, oder wer oder was auch immer, direkt vor meinem Gesicht und grinst blöde.
Gemeinsam gehen wir, nachdem ich mir Tim's Jacke angezogen und mein Handy und meinen Geldbeutel darin verstaut und die Reißverschlüsse an den Taschen geschlossen habe, aus seinem Zimmer, durch den langen Flur, runter in das Wohnzimmer und raus in die Nacht. "Also gut. Weiß du, wie man die Waffe entsichert?", fragt er und ich sehe sie mir genau an. Testweise lege ich meinen Finger auf den Abzugshahn, drücke ihn ein wenig rein und lasse den Schlitten nach hinten gleiten und wieder vorpreschen. "So?", frage ich und er nickt. Schmunzelnd. "Ich würde nie behaupten, dass du diese Waffe noch nicht einmal in der Hand gehabt hast."
Lachend zucke ich mit den Schultern. "Wenn ich über so was schreiben muss, muss ich es doch auch wissen, nicht wahr?" Tim zeigt mir noch spezielle Einzelheiten, über die ich lieber nachfrage, ehe ich es dann im Ernstfall versage. Nachladen der Munition, wieder sichern und so weiter und so weiter. Die ganzen Kleinigkeiten. Auch spreche ich das Problem mit der Nähe und der Sicht an, die den braunhaarigen kurz verstummen lässt. "Stimmt. Du kannst ihm dunkeln kaum sehen...", murmelt er und legt sich eine Hand an sein Kinn, ehe er mit einem: "Ich bin gleich wieder da!", wieder in der Villa verschwindet.
Ich sehe sie mir derweilen an. Wie in den Geschichten. Ein schöner Holzbau mit einem Gemeinschaftsbalkon oberhalb der Veranda und der Eingangstür. Ein großer Holzblock mit einer darin steckenden Axt steht an der Seite des Gebäudes und das erinnert mich an das Zuhause bei meinen Eltern. Auch da haben wir so etwas. Für den Holzofen. Erst lächle ich bei dem Gedanken! Dann werde ich besorgt. Diese Viecher gibt es bei uns im Wald. Mein Bruder geht regelmäßig da rein, um sich zu besaufen und zu feiern. Und ich fange mit dem schießen an. Verfickte Scheiße... was habe ich mir nur dabei gedacht...
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