Bechal
Ich bekomme keine Antwort, solange wir durch den Wald fahren. Tim starrt immer wieder nach draußen. Scheint etwas im dunklen zu suchen. Zwischen den Bäumen. Ich bekomme ein immer mulmigeres Gefühl. "Tim...?", meine Stimme ist nun etwas ruhiger geworden und ich bin froh, dass mein Herz das alles mitmacht! Halleluja. Das könnte sonst ziemlich nach hinten los gehen. Der Motor macht keine Zicken, zum Glück. Die Straßen sind frei. Bisher ist uns nur ein einziges Auto entgegen gekommen. Sonst ist es ruhig. Die Musik spielt leise vor sich hin und bringt mich wenigstens ein wenig runter.
Aus dem Wald fahren wir gleich direkt in eine Ortschaft und auch Tim entspannt sich endlich. Die Straßenlaternen erhellen die Umgebung und ein paar Leute gehen gemütlich spazieren. "Was war da eben los?", frage ich noch einmal unsicher und der braunhaarige sieht mich musternd an. Als ob er sich selbst fragt, ob ich die Wahrheit aushalte. "Eines der Viecher, wieso Slenderman jemanden haben wollte, um dich zu beschützen. Ein Bechal. Das Ding kann die erscheinen lassen. Ich würde schwer davon ausgehen, dass der Hirsch sein Werk war. So verhält sich kein normaler Hirsch. Und er kann die Sicht manipulieren. Auf etwas, vor dem du auf jeden Fall Angst hast."
Mit gerunzelter Stirn fahre ich weiter. "Wieso... kam dann... DAS! Ich hätte wahrscheinlich einen Schreikrampf gekriegt, wenn er mir ne Puppe vorgesetzt hätte!" Tim schnaubt. "Schön und gut, dass das deine größte Angst ist. Aber ein Bechal kann die Situation beschissener Weise sehen, in der du dich befindest. Und er kann dich einschätzen. Er hat wahrscheinlich gedacht, dass du eine Puppe hinterfragen würdest. So etwas kann nicht laufen. Nicht sprechen. Nicht-" "Das ist ja das unheimliche! Wenn die plötzlich mit dem Zeug anfangen!", unterbreche ich ihn und biege an einer Kreuzung ab. "Aber es wäre trotzdem nicht logisch."
Nickend, da ich ja schon irgendwie den Sinn dahinter verstehe, gebe ich wieder Gas. Außerhalb der Ortschaft. Es wäre wirklich unlogisch gewesen, mir in so einer Situation etwas vorzusetzen, was nicht ansatzweise sein kann. Aber was solls. "Jetzt mal ernsthaft.", ertönt es von Tim und ich sehe zu ihm. Er schmunzelt und hat eine Augenbraue hochgezogen. "Puppen?" Ich schnaube und verdrehe die Augen. "Wenn du etwas dazu zu sagen hast und es macht sich irgendwie über mich und meine Angst lustig, kann ich umdrehen und dich diesem Bechal ausliefern!", knurre ich und höre ein lachen.
Die Situation ist etwas entspannter und der braunhaarige erklärt mir noch ein wenig zu dem Bechal. Sie haben an sich keine feste Form, außer sie haben gerade gefressen. Sie haben sich auf Menschen spezialisiert. Bechal lenken einen mit dem ab, was sie einem in das Gedächtnis setzen können und töten dich einfach so. Sie sind Einzelgänger. Aber verdammt gefährlich. Tim und der Rest der Creepypasta sind dank Slenderman gegen diese Art von Einwirkung in ihr Hirn zu 99% geschützt. Ich nicht. Und da ich recht schwach aussah, hat sich dieser Bechal für mich entschieden. Nicht wissend, dass Tim gegen diese Art, zumindest zum großen Teil, geschützt ist.
Der Rest der Fahrt verläuft ohne Zwischenfälle. Nur Slenderman meldet sich bei mir kurz und fragt, ob alles in Ordnung sei. Ich erwidere nur, dass ich mehr als nur froh bin, dass Tim da war und ich sonst wahrscheinlich tot und halb aufgefressen irgendwo liegen würde. Besagter sieht mich an, nachdem Slenderman sich verabschiedet hat und lächelt mir aufmunternd zu. "Aber hey... die meisten überstehen einen Bechal-Angriff nicht so gut, wie du!", meint er und ich verdrehe die Augen. "Die meisten sind dann auch Tot, mein lieber. Und ich kann dir echt nicht genug danken, dass du mir meinen kleinen Arsch gerettet hast!"
Bei meinen Eltern angekommen, parke ich beim Kinderspielplatz, da sonst kein Parkplatz frei ist und wir steigen aus. "Wie ist unsere Geschichte?", frage ich Tim noch mal und er seufzt. "Kennengelernt haben wir uns in der Berufsschule. Ich mache eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und ich wohne bei dir in der Stadt. Gemeinsame Freunde nein, gemeinsame Hobbys ja. Und zwar das..." Er sieht mich skeptisch an. "Muss das sein?" Ich nicke. "Ja. Also?" Murrend holt er seinen und auch meine Tasche aus dem Kofferraum und macht diesen wieder zu, ehe ich absperre. "Wir schreiben beide sehr gern...", beendet er brummend die Geschichte.
Zufrieden nicke ich. "Sehr gut! Das sollte meine Eltern davon abhalten, zu viele Fragen zu stellen!" Ich bin nun wieder fast die alte und wir gehen zum Haus meiner Kindheit. "Wobei ich noch keines deiner Geschichten gelesen habe.", meint Tim auf einmal und ich sehe ihn kalt an. "Das wirst du auch nicht. Das sind Dinge, die würde ich dir nicht mal geben, wenn du mein echter Freund wärst und wir jahrelang in einer Beziehung wären. Vergiss es." Zwar mault er nach, doch als ich die Tür aufsperre und wir in das Haus gehen, ist er ein Engel.
Ein Engel, den meine Eltern meiner Meinung nach verdammt schnell ins Herz geschlossen haben. Ouh. Das wird interessant, wenn da was anderes draus wird. Die Vorstellung klappt fast wie am Schnürchen. Zwar hat selbst mein kleiner Bruder ihn akzeptiert und das heißt was, aber die ein oder andere Frage hätte sich mein Vater wirklich sparen können. Tim hat sie beantworten können. Sogar richtig! Aber das waren Momente neuer Herzinfarkte. Obwohl ich heute schon knapp an einem vorbei geschlittert bin. Meine Mutter hat ihn mit zum Rauchen nach draußen genommen, während mein Vater mir versichert hat, dass Tim ein guter Kerl für mich ist und ich ihn gut ausgesucht habe.
Ich spiele einfach mit. Als es dann doch langsam sehr spät wird, es ist mittlerweile viertel nach Eins in der früh, verziehen Tim und ich uns nach oben. Wir haben unsere Taschen mitgenommen und als ich die Zimmertüre hinter mir schließe, höre ich ein anerkennendes pfeifen von meiner Begleitung. "Und von hier bist du in die kleine Wohnung? Die passt hier komplett in dein Zimmer rein!", meint er und ich nicke. "Das tut sie. Aber man gewöhnt sich an vieles." Ich schnipse und sehe Tim mit einem bittenden Blick an. "Apropos sich an vieles gewöhnen. Kann ich... bei dir pennen?"
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