Kapitel 9
Meine Hände hatten die scharfen Kanten des Schwertes umschlossen, welche sich in meine Haut rissen. Das Blut sickerte in Mengen auf den Boden. Ich zitterte heftiger als je zuvor. Das einzige was ich über die Lippen brachte war ein Flehen: "Lass Lloyd in Ruhe. Er... er... hat dir nichts getan."
Ich umfasste das Schwert noch fester. Das Blut schüttete nur so auf den Boden. "Bitte!", kreischte ich verzweifelt. Der Schmerz war schon so enorm, dass ich ihn gar nicht mehr wahrnehmen konnte.
Ellie's Augen waren weit aufgerissen. "Was bist du..?", brachte sie stotternd von sich. Das Schwert löste sich in winzige Steinchen auf, die wie Staub in die Luft zerstreut wurden.
"Aqua!", brüllte Lloyd völlig außer sich, der wohl erst neu zu sich gekommen war.
Beim Anblick der frischen Wunde musste ich aufpassen mich nicht zu übergeben. Lloyd band hastig ein weißes Tuch um meine Hände. Sollte das die Blutung stoppen? Unmöglich.
Das Weiß wurde zu einem dunklen Rot. Lloyd presste einen hell leuchtenden Stein gegen das Tuch. Es strahlte blau auf. Seine dicken Tränen kullerten auf meine Hände. Als er den Stein über beide Hände entlang geführt hatte, löste er das Tuch.
Ich konnte meinen Augen nicht trauen.
Keine Wunde war zu sehen.
"Wie ist das...", stammelte ich hervor, doch verstummte als ich Lloyd's Tränen übersätes Gesicht sah.
Ellie war schon längst verschwunden. Wir waren nun allein im Zimmer, hockend, auf dem Blut beschmierten Boden.
"Ich hätte dich nie hierher bringen dürfen.", brachte Lloyd nur schwer hervor und presste die Lippen zusammen. Er führte seine Finger auf meine Schläfen. "Ich werde deine Gedanken über mich löschen. Du wirst all das vergessen und in Sicherheit sein." Sein Schluchzen ließ mein Herz in tausend Splitter zerfallen.
"Spinnst du?" Ich schob seine Hände weg und nahm ihn fest in die Arme. "Du bist die schönste Erinnerung die ich habe."
"Aqua, bitte. Lass mich los."
"Nein!", kreischte ich und drückte meine Brust noch kräftiger gegen seine. "Es sind meine Erinnerungen. Mein Recht, mich an dich zu erinnern!"
"Du verstehst das nicht." Er schob mich von sich weg. In seine vom weinen geröteten Augen zu blicken schmerzte viel mehr als wie ein Schwert in den Händen zu halten.
Lloyd sah beiseite. Seine Wimpern wirkten noch viel länger wenn sie nass waren. "Das ist nicht deine Welt. Es ist zu gefährlich hier."
Ich musste ihn davon überzeugen, dass ich ihn brauchte. Was ich auch tat. Und zwar mehr als alles andere in meinem Leben.
"Du hast mir einen Grund zum Leben gegeben. Ich habe nur wegen dem Zwang meines Vaters zugestimmt in eine neue Stadt zu ziehen.", ich stoppte, als ich mich daran erinnerte, wie die Menschen versuchten meinen Vater von der U-Bahn wegzuzerren, dessen Türen sich schon längst geschlossen hatten.
"Ich war an dem Tag wo wir uns zum ersten Mal begegnet sind auf der Suche nach einem Ort wo ich mich umbringen könnte und das obwohl ich meinem Vater versprochen hatte, nie mehr auch nur daran zu denken Selbstmord zu begehen. Aber ich war nicht stark genug um mein Versprechen zu halten. Ich wollte nicht weiter gegen meine Ängste ankämpfen, doch dann..." Ich legte meine Hände auf seine brennenden Wangen. "Hab ich einen urkomischen Idioten getroffen, der mich ohne Grund ausgelacht hat."
Lloyd lächelte schief, der mir schweigend zuhörte. Ich sprach weiter, während ich mit meinen Daumen seine Tränen wegwischte. "Wir haben ordentlich miteinander gestritten. Doch aus irgendeinem Grund hat mich dieser Typ zur Eisdiele geschleppt und meinte dass ich Heißhunger auf ein Eis hätte, da ich meine Tage hab. Woraufhin ich ihm das Eis in die Fresse gesteckt habe."
Lloyd lachte in sich hinein. Zwei weitere Tränen kullerten über seine Wangen hinunter. "Anstatt mich zu schlagen oder anzuschreien, hat er mit den Händen das Eis aus seinem Gesicht in sein Maul geschoben und gesagt, dass es sehr gut schmeckt und ich's auch mal probieren soll."
Ich lächelte ihn warm an. "Seit diesem Tag waren wir zwei auf eine komsiche Weise Freunde geworden. Ich hatte sogar vergessen, dass ich ein Messer bei mir trug, um damit meinen Hals aufzuschneiden. Dieser Idiot, war's du, der mich davon abgehalten hatte, mein Leben zu beenden."
Nun konnte ich die Tränen nicht weiter zurück halten. "Und jetzt will dieser Junge, der mich ans Leben gebunden hat, plötzlich verlassen?"
Ich schmeckte die salzigen Tränen im Mund. "Falls du wirklich die Fähigkeit haben solltest Gedanken zu löschen, möchte ich dass du weißt, dass ich ohne dich kein Leben habe, wofür es sich lohnt weiter zu kämpfen."
"Aqua..." Er plazierte behutsam seine Hände auf meine. "Wenn es nur so einfach wäre, dir zu versprechen, dass ich immer bei dir bleiben werde."
"Das musst du aber."
"Ich kann nicht. Du bist mir zu wertvoll um das Risiko, dass Louis dich gegen mich nutzen könnte einzugehen. Er nimmt mir alles weg, was mir am Herzen liegt und droht damit, es auszulöschen. Dasselbe wird er auch mit dir machen. Das kann und werde ich nicht zulassen." Er klang entschlossen. Zu entschlossen, um seine Meinung zu ändern.
"Soll das also heißen, dass du unsere Freundschaft wegen einem so genannten Louis aufgibst?"
"Nein, ich..."
"Schon gut. Aber wenn ich von dir nicht erwarten kann dass du mir versprichst bei mir zu bleiben, dann erwarte auch von mir nicht, dass ich dieses Leben verschonen werde." Ich wollte gerade aufstehen, da hörte ich Schritte in einem Gang hallen.
Ich drehte meinen Kopf zu der Öffnung, wo eigentlich die Tür stehen müsste, die Ellie aufgeschlagen hatte. Nach wenigen Sekunden stand ein Junge vor der Tür, über wessen Schultern ein schwarzer Umhang hing. Als ich sein Gesicht sah erstarrte ich zu Stein.
Es war wie eine exakte Kopie von Lloyd's Gesicht. Nur hatte er schwarze Haare, anstelle von blonden und das Grün in seinen Augen war viel dunkler. Ein paar dünne Adern tauchten über seiner blassen Haut hervor.
Mein Blick rutschte einmal zu Lloyd, dann wieder zu dem Jungen, der am Türrahmen lehnte. "Wer ist das?", fragte ich kleinlaut.
"Louis.", knurrte Lloyd, der ihn mit finsteren Blicken musterte. "Mein Zwillingsbruder."
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