Kapitel 7
Ein Mulmiges Gefühl machte sich in mir breit. Ohne die Gardine weiter hochzuheben, blickte ich beiseite und ließ es los.
Wenige Minuten später hörte ich Lloyd an der Tür klopfen. "Hast du dich schon angezogen?"
"Ja.", rief ich zu ihm zurück. Er kam gekleidet rein. Auf seinem Kopf baumelte ein Handtuch, womit er versuchte seine Haare zu trocknen, anstatt den Föhn zu benutzen.
Idiot.
Mir fiel plötzlich ein dass ich den Föhn ebenfalls nicht benutzt hatte, in der Hoffnung, meine Haare würden von allein trocknen.
Dann sind wir eben beide Idioten.
Lloyd holte von der Schublade einen mit winzigen Steinchen beschmückten Kamm raus. "Darf ich deine Haare kämmen?", fragte er, als er sich aufs Bett sinken ließ.
Ich nickte und setzte mich vor ihn im Schneidersitz hin. Er legte den Kamm vorsichtig auf meine Kopfhaut und zog es langsam hinunter. Zu meinem Glück verhedderte es sich nicht in irgendeinen Knoten im Haar. Das mulmige Gefühl von vorhin verschwand.
Lloyd schob die feuchten Haare auf meine rechte Seite. Ich fühlte seinen warmen Finger über meine Haut streifen, was mir Gänsehaut bereitete. "Kein allergischer Ausschlag zu sehen.", stellte er fest. "Du fühlst den Schmerz, doch deine Haut zeigt keine Reaktion. Das ist komisch... Hast du das schon seid deiner Geburt?"
"Nein, nicht wirklich." Ich drehte mich zu ihm. Seine nachdenklichen Blicke ruhten unangenehm auf mir. "Das hat angefangen als ich fünf Jahre alt war."
Lloyd's Pupillen schrumpften abrupt. Er versuchte sein Erstaunen mit einem schiefen Lächeln zu kaschieren. "Verstehe."
Eine nervige Stille machte sich zwischen uns breit, die ich mit einer Frage brach. "Wo werd ich denn schlafen?"
"Na, hier." Er deutete auf's Bett.
"Was ist mit dir?"
"Ich werde im sitzen schlafen. Dort drüben, an meinem Schreibtisch.", antwortete er.
Ich runzelte die Stirn, als ich mich an das Ziehen am Nacken erinnerte, was immer eintraf, wenn ich am Tisch einschlief und Morgens versuchte meinen Kopf zu heben. "Das Bett ist doch groß genug für uns zwei.", meinte ich zögernd.
Lloyd zog verblüfft die Augenbrauen hoch. "Bist du dir sicher dass es dir nicht unangenehm ist mit mir das Bett zu teilen?"
Ich unterdrückte mir ein Lachen. "Solange wir nicht wie ein Sandwich einander kleben, ist es okay."
"Du solltest einem Jungen nicht so blind vertrauen, Aqua. Was ist wenn--", ich schnitt ihm das Wort ab, "Du klingst schon fast wie mein Vater. Ich vertraue niemandem, nicht mal mir selbst. Du bist eine Ausnahme. Du bist der einzige Junge, mit dem ich ein Bett teilen würde."
"Wir kennen uns erst seid ner Woche. Warum vertraust du mir so sehr?"
Ich seufzte. "Keine Ahnung. Es mag zwar komisch klingen, aber es fühlt sich so an, als ob du ein Teil von mir wärst." Ich stoppte.
Es war nicht schlau ihm zu erzählen wie ich wirklich fühlte, aber es erleichterte mich. "Seid unserem ersten Gespräch, kommt es mir so vor, als ob wir uns schon ewig kennen würden.", gestand ich ihm, hoffend, er würde mich nicht für eine Verrückte halten.
Lloyd lächelte mich warm an. Er wirkte ebenfalls erleichtert. "Mir kam es genauso vor."
Ich konnte mich aus der Starre nicht befreien. Seine smaragdgrünen Iriden leuchteten förmlich. Sie wirkten wie Portale, die einem in eine völlig andere Welt entführen könnten. Seine Augen hypnotisierten mich schon wieder. Hätte er mich nicht umarmt, wären wir wohl ewig dort sitzen geblieben, ohne den Augenkontakt abzubrechen.
"Es ist schön zu wissen, dass ich nicht der Einzige bin, der so empfindet.", nuschelte er. Ich erwiderte seine Umarmung. "Weißt du, woran das liegen kann?"
"Ich weiß es nicht. Es gibt zwar Legenden darüber, dass es Menschen gibt, die sich in ihrem vorherigen Leben schon kannten und in dieser Welt erneut aufeinander treffen, aber..."
Ich löste mich von ihm und sah ihn fragend an. "Vorheriges Leben?"
"Das ist die Welt der Seelen, die Zeit, wo deine Seele noch nicht mit deinem Körper eins wurde.", erklärte er.
"Die Welt der Seelen...", wiederholte ich seinen Satz. "Was passiert denn, wenn meine Seele und mein Körper eins werden?"
"Das tote Stück Fleisch in dem Bauch deiner Mutter findet leben."
Fasziniert glotzte ich ihn an, als ob er mir ein Auto geschenkt hätte. "Also bin ich jetzt meine Seele, aber mein Körper ist nur so was wie ein Häuschen?"
"Ja, so in etwa."
"Was passiert denn, wenn ich sterbe? Kehre ich in die Welt der Seelen zurück?"
Lloyd drückte mich nach hinten sodass mein Rücken das Bett berührte. "Du stellst zu viele Fragen. Das sind Legenden. Niemand weiß, was wirklich vor unserer Erschaffung passiert ist, oder was nach dem Tod geschehen wird. Schlaf lieber schnell ein falls du morgen nicht wie ein Zombie zur Schule gehen willst."
"Erzähl mir wenigstens was passiert, wenn diese Menschen sich auf dieser Welt begegnen."
Lloyd gab resigniert einen Seufzer raus. "Sie kommen sich nicht fremd vor und mögen sich auf den ersten Blick. Aber falls diese Menschen nicht aufeinander treffen, fühlen sie sich ein Leben lang allein, unvollendet. Eine Lücke in der Seele, die niemals gefüllt wird."
"Und weiter? Erzähl mir noch andere Legenden darüber!"
Lloyd schüttelte verneinend den Schädel. "Genug für heute."
"Spielverderber." Ich zog die Decke beleidigt bis zum Kopf und vergrub mein Gesicht im Kissen.
Als ich meinen Kopf wieder hob war es stockdunkel. "Hast du nicht so was wie eine Nachtlampe?"
Ein schwaches Licht funkelte auf. Es war der Schein einer Kerze, den Lloyd auf den Nachttisch legte. Er drehte sich zu mir. Seine Augen wirkten düster, etwas geheimnisvolles spielte sich in ihnen wieder. "Schlaf gut."
Ich lächelte nur, woraufhin Lloyd sich zum Schlafen umdrehte. Zwischen uns gab es mindestens 2 Meter Abstand, dennoch fühlte ich mich nicht wohl. Ich war völlig angespannt.
Die Zeit verging, doch das wilde Schlagen meines Herzen, verschnellerte sich nur mit jeder vergehenden Sekunde. Ich sah etwas im Dunkeln herbei huschen. Abrupt zuckte ich zusammen und drückte die Augen zu. Die Präsenz eines anderen Menschen als Lloyd im Raum zu spüren, machte die Dunkelheit nur noch gefährlicher.
Da ist nichts...
Ermutigt schlug ich die Augen auf, doch der kurzzeitige Mut verschwand sofort.
Ich konnte es sehen.
Die Umrisse einer Gestalt.
Beängstigt rüttelte ich Lloyd wach. "Da ist was."
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