Kapitel 4
"Ich wünschte ich könnte auch so unschuldig sein wie du. Ein reines Herz, problemloses Leben und eine Familie, die einen nicht im Stich lässt... Fast zu schön um wahr zu sein." Er zog die Mundwinkel zu einem Lächeln hoch, doch es spiegelte sich in seinen Augen nicht wieder. Was meinte er damit?
"Ich soll ein problemloses Leben haben? Ich glaub du hast vergessen, was ich alles durchgemacht habe.", fauchte ich schon fast.
Lloyd wand sich zur Klassentür. "Glaub mir, wenn du wüsstest, was ich alles erlebt habe, würdest du sogar deinen Traum von gestern Nacht als harmlos betrachten."
Ich ging eilend zu ihm, bevor er die Klasse verlassen konnte und hakte mich an seinen Arm. "Dann erzähl es mir."
"Das kann ich nicht.", sagte er, ohne mich dabei anzuschauen.
"Oh doch, das kannst du."
Seine Schritte wurden immer schneller. Er ging, doch ich musste joggen, um mit ihm im selben Tempo zu bleiben. "Würdest du endlich aufhören den super geheimnisvollen Fremden zu spielen?"
Lloyd lachte, bevor wir an dem Tor der Schule vorbei gingen. "Ich habe keine Geheimnisse. Nur ein paar private Sachen, die ich in die Vergangenheit vergraben habe."
"Wie dickköpfig kann man nur sein! Sag mir doch wenigstens wo du wohnst." Nur noch zwei Blöcke bis wir bei mir Zuhause angekommen waren.
"Weit weg von hier."
Schön. Dann verfolge ich dich ebend, wenn du es mir nicht freiwillig sagst.
Wir standen schon vor meiner Haustür. "Bis später, Quark. Und komm ja nicht auf die Idee mich zu verfolgen."
"Als ob ich so was machen würde."
Lloyd sah in die Luft. Ich folgte seinem Blick. Die Sonne strahlte durch den blauen Himmel, der mit Wolken beschmückt war, die riesigen Bergen ähnelten. "Das Meer sieht jetzt bestimmt atemberaubend aus.", schwärmte er.
Ich lächelte schief. "Dann lass uns doch ans Meer, falls es in der Nähe überhaupt einen gibt."
Lloyd's Augen weiteten sich. Begeistert griff er nach meinen Händen. Ich hatte ihn noch nie so glücklich erlebt, was mich irgedenwie wunderte. "Wirklich? Würdest du mit mir mitkommen?"
"Ja." Meine Antwort klang eher wie eine Frage. "Dann frag deine Mutter schnell um Erlaubnis!", befahl er und drückte mich Richtung Tür, wonach er sich hinter dem Gebüsch versteckte.
Nachdem ich drei Mal meinen Finger gegen die Klingel gedrückt hatte, öffnete meine Mutter die Tür. "Willkommen zurück. Wie war's?"
"So wie immer." Mein Blick rutschte zum Gebüsch. "Uhm... Ich wollt dich fragen ob ich mit meiner Freundin picknicken gehen darf."
"Du hast Freunde?", fragte sie erstaunt.
Ich seufzte genervt. "Ja oder Nein?"
* * *
Die kräftigen Züge des Windes prickelten angenehm auf meiner Haut. Sie waren zwar ziemlich kalt, doch ich konnte den warmen Rücken von Lloyd als Heizung benutzen.
Ich schlang meine Arme noch fester um ihn, als er rechts abbog. Das Fahrrad klapperte schon ein wenig. Ich hoffte nur, dass es stabil genug war um unser Gewicht standzuhalten. "Wir sind da!", verkündete Lloyd.
Ich sprang runter und half ihm das Fahrrad abzustellen. Sofort hob er den Picknickkorb und trug ihn bis wir nah genug am Meer waren. Keine Menschenseele war aufzuspüren.
"Wie viele Kilometer waren's denn ungefähr?", fragte ich als ich die Decke auf den Sand legte.
Lloyd plazierte den Korb in die Mitte und setzte sich. "Es waren locker so um die zwölf Kilometer."
"Übertreib mal nicht." Ich nahm die Thermosflasche raus und goss das heiße Wasser in den Plastikbecher, worin ich den Kaffee schon geschüttet hatte. "Willst du?"
"Nee, ich genieße lieber das Wetter.", meinte er, mit den Händen nach hinten gelehnt. Seine breite Brust hob und senkte sich langsam. Er schien völlig entspannt zu sein, doch ich fühlte mich unwohl, da ich meine Mutter belogen hatte.
"Lloyd..." Ich nippte nervös an meinem Kaffe, wobei ich mir die Zunge verbrannte und den Becher sofort zurück legte.
"Was ist?", fragte er, ohne die Augen zu öffnen.
"Ich hab mir die Zunge verbrannt!", motzte ich und boxte ihm auf die Schulter.
"Was kann ich denn dafür?" Er schlug die Augen auf. Das Grün in seinen Iriden, funkelte fast schon mehr, als wie die Reflektion des Lichts auf dem Meer.
"Eigentlich... Also... Meinst du das war okay?"
"Was war okay?"
Ich seufzte resigniert. "Dass ich meine mom angelogen habe, ich würde mit meiner 'Freundin' picknicken gehen."
"Ich glaub's nicht." Lloyd nahm sein Gesicht zwischen die Hände. "Du hast mich auch deiner Mutter als Mädchen vorgestellt?"
"Sie würde alles falsch verstehen. Ich hatte eben kein Bock auf ihr 'Oh, da ist aber jemand verknallt' Getue und all der sonstige Scheiß...", zeterte ich gereizt. "Verstehst du?"
Lloyd nickte. "Aber auch das ist kein Grund ihr eine Lüge aufzutischen. Früher oder später wird's sowieso rauskommen."
"Du hast recht." Ich richtete meinen Kopf in den Himmel und zog die Meeresluft tief in meine Lungen hinein.
Genieße es einfach.
Ich kann nicht.
Sie wird mich hassen. Mein Vater... Er wird mich umbringen!
Egal wie sehr ich versuchte mir all die Gedanken aus dem Sinn zu bannen, funktionierte es einfach nicht. Ich wollte meine Augenlider nicht öffnen, aber sie taten es von allein, als mich Lloyd in die Luft hob.
Vor Schreck kreischte ich kurz, doch verstummte sofort als ich das strahlende Lächeln von Lloyd sah. "Rate mal was ich jetzt mit dir machen werde."
Der Strand wirkt für einen Mord ziemlich geeignet, aber warum sollte mich Lloyd denn töten?
Erst nach dem er schon barfuß im Wasser stand, merkte ich dass er seinen Pulli ausgezogen hatte. Er trug ein Unterhemd, wie mein Vater es immer tat, bevor er schlafen ging.
"Du hast doch nicht vor mich ins Wasser zu schmeißen, oder?", fragte ich panisch, während ich sein Unterhemd kräftig umklammerte.
"Natürlich nicht." Er stand schon bis zu den Knien im Wasser. "Aber loslassen werde ich dich schon."
Meine Pupillen schrumpften abrupt als meine Haut mit dem Wasser in Kontakt geriet. Sie brannte wie Feuer. Mein Körper wurde ganz steif vor Schmerz. Ich konnte mich nicht von der Stelle rühren.
"Ich bin allergisch gegen Wasser!", kreischte ich noch, bevor mein Körper begann von dem Brennen betäubt zu werden, sodass ich die Kontrolle über meine Glieder verlor.
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