Kapitel 17
"Worauf wartest du? Komm doch an den Tisch.", kam es von Aqua's Mutter.
Ich fasste mich sofort und folgte ihr zum Tisch. Ich konnte meine Blicke vom leeren Teller nicht trennen. Die Fragen bäumten sich in meinem Schädel immer weiter auf, es war fast so, als ob es bald platzen würde.
"Vater... Darf Lloyd heute bei uns übernachten?", fragte Aqua mit einer lieblichen Tonlage, doch ihre zögernde Art, war nicht zu übersehen.
Bestürzt sah ich zu ihr hinauf. Unsere Blicke kreuzten sich nicht, da sie erwartungsvoll ihren Vater ansah.
Er guckte zu mir hinüber. "Caleb", dachte er. "Du siehst ihm so ähnlich."
Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. Könnte es tatsächlich sein? Kannte er meinen Vater?
"Klar, warum nicht.", kam es schließlich von ihm. Vor Verwunderung zogen sich meine Augenbrauen zusammen.
"Yay!", quiekte Aqua erfreut und schlang die Arme um ihn. "Du bist mein Lieblingsvater!", ließ sie ihn wissen und drückte ihre Lippen gegen seine Wange.
"Du hast nur einen." Ihr Vater rollte die Augen und erwiderte ihre Umarmung, zu der sich auch Aqua's Mutter anschloss.
Bevor ich die Verwunderung überhaupt überwunden hatte, setzten sich alle wieder an ihre Plätze. Aqua grinste mich hämisch an und stoß ihren Ellbogen gegen mich. "Das wird toll heut Abend", ging es ihr durch den Kopf. "Dann kannst du mir auch erzählen was in dieser Nacht geschehen ist."
Ich konnte nicht anders und erwiderte ihr Grinsen, doch das hätte ich nicht getan, wenn ich wüsste, was heut Nacht geschehen würde.
* * *
"Bist du dir sicher dass das verhindern wird, dass der Gestaltenwandler hier jemals wieder zurückkehrt?", fragte Aqua, die den Spiegel ansah, den ich in den Händen hielt. "Das hoff ich doch.", antwortete ich ihr, als ich den Spiegel auf den Boden legte, um es anschließend mit der Sprühdose schwarz zu bemalen.
"Hast du in diesem Zimmer irgendwo Bilder von Menschen oder Tieren?" Ich legte die Sprühdose zur Seite und stellte den Spiegel wieder an seinen Platz.
"Nein, warum fragst du?"
"Weil Gestaltenwandler solche Bilder als Portale benutzen können.", erklärte ich ihr. Aqua's Gesicht war aschfahl, sie wirkte so, als ob sie jede Sekunde ihr Bewusstsein verlieren könnte. "Schlaf du jetzt lieber, ich gehe nach Hause."
"Du übernachtest heut Nacht bei uns, schon vergessen?", erinnerte sie mich und zerrte meinen Arm hinunter, sodass ich mich aufs Bett setzen musste.
"Warum sollte dein Vater das erlauben? Da ist was faul, ich spüre es."
Aqua wedelte mit der Hand vor mich hin. "Du wirkst so abwesend. Was ist los mit dir?"
"Was wohl? Dein Vater denkt, ich wäre--", Aqua unterbrach mich in dem sie ihre Hand gegen meinen Mund presste. "Halt doch mal deine überflüssige Fresse und hör mir zu."
Ihre ozeanblauen Augen, sahen fixiert in mich hinein.
Seit unserer ersten Begegnung, fürchtete ich mich immer davor ihr in die Augen zu blicken, weil sie mich an die hohen Wellen des Ozeans erinnerten, die mich als Kind fast in den Tod verschleppten; doch nun, wollte ich nichts lieber als die kräftigen Farben ihrer Iris zu bewundern.
Sie sprach zwar mit mir, doch ich konnte ihre Wörter nicht wahrnehmen. Ich war zu sehr damit beschäftigt, ihr kleines Gesicht zu studieren. Jedesmal wenn ich sie ansah, bemerkte ich was neues in ihrem Gesicht; eine neue Einzelheit, die meine ganze Konzentration zusammen brechen ließ.
"...verstanden?"
Ich lächelte sie warm an und nickte, obwohl ich nicht wusste, worüber sie gesprochen hatte.
"Gut, dann können wir ja jetzt endlich pennen.", meinte sie und streckte sich gähnend.
"Du hast vergessen deine Pille zu schlucken."
"Welche Pille?", fragte Aqua, doch schlug sich sofort den Kopf. "Ach stimmt, diese scheiß Tabletten die mir der Doktor verschrieben hat."
Sie stand auf und füllte das leere Glas auf ihrem Schreibtisch mit Wasser. Sie legte die Pille in den Mund und nahm sich einen großen Schluck aus dem Glas. Schmerzhaft verzog sie das Gesicht und fing an zu husten.
"Alles okay?", fragte ich, während ich mit der Hand gegen ihren Rücken klopfte.
"Ja, alles bestens."
Ich konnte deutlich erkennen wie sie litt. Ich hatte es satt Aqua leiden zu sehen. Helfen, konnte ich ihr auch nicht. Wäre der Tod tatsächlich eine Erlösung für sie?
"So, du schläfst in meinem Bett und ich auf der Matratze.", stellte Aqua klar, und zog die Matraze hinter dem Schrank hervor.
"Ich kann dort schlafen.", sprang ich sofort ein und half ihr die Matratze neben ihrem Bett auf den Boden zu legen.
"Nein, sonst bringt mich meine Mutter um. Sie will das du's bequem hast.", machte sie mir weis und legte sich auf die Matratze. "Gute Nacht."
"Dir auch." Ich machte das Licht aus und legte mich in ihr Bett. Es roch intensiv nach ihr. Ich zerrte die Decke etwas näher an meine Nase und zog ihren Duft in mich hinein.
Ich sollte das nicht tun.
Ich nahm die Decke zwischen meine Beine und vergrub das Gesicht im Kissen.
Ob sie schon schläft?
Ich drehte mich nach rechts und lugte zu ihr hinunter. Ihre Augen funkelten mich verschlafen an, doch auf dem Gesicht trug sie ein hell waches Grinsen, welches ich wie ihre Reflektion wieder gab. "Warum schläfst du noch nicht?"
Aqua schmiegte ihren Kopf gegen das Kissen und zuckte die Achseln. "Das sollte man dich fragen, Herr Lolly."
"Los, Augen zu.", befahl ich und schloss selber die Lider. Nach wenigen Minuten kontrollierte ich erneut ob sie schon schlief und zu meinem Glück, tat sie das. Erleichtert drehte ich mich um, um zu schlafen, aber spürte dass etwas aufs Bett sank.
Verwirrt richtete ich mich leicht auf und sah, wie Aqua vor mir stand. Sie schlummerte eben doch noch...
Wie ein Baby krabbelte sie zu mir und bückte sich über mich. Das verschlafene Leuchten in ihren Augen, hatte sich in ein lauerndes Strahlen verwandelt. Irritiert zog ich die Brauen hoch und lächelte schief. "Uhm... Was wird das, Quark?"
Sie antwortete mir nicht, indem sie das Schweigen fortführte und näherte ihr Gesicht an meins. Die Schläge meines Herzens übertönten nun die unregelmäßigen Atemzüge, welche mir über den Lippen entwichen. "Aqua...", sagte ich ihren Namen, wartend, auf irgendein Wort. Etwas, was diese unangenehme Stille lösen könnte.
Sie ignorierte mich. Unsere Nasenspitzen berührten einander. Sie bückte sich weiter vor; fast hätten ihre Lippen meine berührt, da schob ich den Kopf zur Seite.
Ich konnte das nicht.
Ich durfte das nicht.
"Lloyd.", kam es leise von ihr. Ich drehte den Kopf wieder zu ihr. Ihre leeren Blicke hafteten in meinen Augen. Ich zog die Luft tief in meine Lungen hinein, hoffend, ihr Duft würde mich beruhigen.
Doch da war kein Duft.
Das war nicht ihr Duft.
Meine Pupillen schrumpften abrupt. "Du...", keuchte ich und stach die Klinge in ihre Brust, welche ich kurzzeitig in meiner Hand erscheinen ließ. Blut lief über ihre Lippen, sie lächelte belustigt als sie über mir einsackte.
"Tust du das heut Nacht nicht mit der wahren Hauptwächterin, wird Louis deine Mutter noch bevor die Morgensonne aufgeht ermorden.", sagte sie, bevor sie sich in winzige Steinchen auflöste.
"Nein... Wie ist der Gestaltenwandler..." Ich stand sofort auf und sah mir den Spiegel im Schein des Mondlichts nochmal an. Ich hatte eine Stelle übersehen, die silbern schimmerte. Ich sprühte auch diese Stelle schwarz ein.
Ruckartig sah ich zu Aqua, die noch immer auf der Matratze schlummerte. Wie dumm konnte ich nur sein? Aqua würde sowas niemals tun... Niemals.
Ich hockte mich neben ihr und sah mir dieses unschuldige Gesicht an.
"Tust du das heut Nacht nicht mit der wahren Hauptwächterin, wird Louis deine Mutter noch bevor die Morgensonne aufgeht ermorden."
Die Worte des Gestaltenwandlers hallten in meinem Schädel wie tausende Explosionen.
"Mutter..." Louis würde sie doch nicht tatsächlich umbringen, oder? Monate lang hatte ich diese Mission in die Länge gezogen, doch war nun das Ende des Davonlaufens gekommen?
Ich strich mit der Hand über Aqua's seidenweiches Haar. Meine Brust zog sich zusammen. Ich konnte sie nicht töten. Nicht, nachdem sie mir so sehr ans Herz gewachsen war, aber ich musste; für das Leben meiner Mutter.
"Verzeihe mir.", flüsterte ich, als ich die Klinge wieder erscheinen ließ. "Es... Es wird dir nicht weh tun."
Warum musste es ausgerechnet Aqua sein? Meine Seelenverwandte, das Mädchen, neben dessen ich die Person sein konnte, die ich eigentlich war und nicht der Meister der Gedanken. Einfach Lolly und nicht Lloyd. Wie sollte ich jetzt meinem Quark das Leben nehmen, wobei sie es war, die mich ans Leben band?
Der bittere Geschmack der Tränen betäubte meinen Mund. "Ich werde dich vermissen... Sch... Schlaf gut."
Ich drückte die Augen fest zusammen, als ich die spitze Kante der Klinge gegen ihren Hals presste.
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