Fünf
Zuhause angekommen fackelte ich nicht lange herum.
Das hieß so viel wie, ich stopfte meine Schuhe in den Schuhschrank, hing schlampig meinen Schlüssel an das Schlüsselbrett, schmiss meine Jeansjacke, die ich heute zu einem lockeren Shirt kombiniert hatte, Richtung Garderobe, und stampfte dann weiter zur Küche. Dort holte ich mir die Keksdose, die Mom dreimal die Woche auffüllte und ging, ohne die Zeit weiter zu verschwenden, zu meiner Zimmertür.
Der Anblick, der sich mir bot, verschlechterte meine Laune noch drastischer.
Ich starrte mit gerunzelter Stirn in die Mitte meines Zimmer, meine linke Hand ruhte immer noch auf das kalte Metall der Türklinke.
Nach wie vor saß mein riesiger Hund auf dieser Stelle. Der grelle pinke Farbton leuchtete im Tageslicht noch hässlicher auf. Meine Augen glitten von seinem Fell herüber zu den angsteinflößenden Glubschaugen bishin zu dieser riesigen schwarzen Nase. Über dieser baumelte immer noch mein kaputtes Ladekabel von heute Morgen.
Augenrollend kickte ich die Tür mit einem Fuß wieder hinter mir zu, nachdem ich in mein Zimmer getreten bin, und ließ mich auf mein Bett fallen. Tief atmete ich durch und begutachtete dabei wieder meine Decke.
Scheisse, der erste Schultag und ich brauchte jetzt schon wieder Ferien. Oder eine Krankschreibung für den nächsten Monat.
Mein Handy plingte neben mir leise.
Ich tastete danach und öffnete gleich den Chat von Ruby und mir. Ich hatte ja fast wegen diesen Listenmist und dieser netten Unterhaltung mit den Typen unserer Schule vergessen, dass ich mich mit ihr ja noch treffen wollte.
Wenigstens musste ich diesbezüglich kein schlechtes Gewissen haben, denn sie hatte mich auch schonmal auf einer Party vergessen und ist lieber mit einem wildfremden Typen weggefahren, ohne mir Bescheid zu sagen, dass sie jetzt losfuhr. Zwei Stunden später hatte mir dann Valdin erklärt, dass ich sie nicht mehr suchen brauchte, da er von jemanden gehört hatte, sie wäre schon los.
Zwar hat sie mich in einem stark alkoholisierten Zustand vergessen und ich war jetzt stocknüchtern, trotzdem waren wir an dieser Stelle jetzt mal quitt.
Ruby: Können wir Shoppen ausfallen lassen und lieber bei dir Filme schauen?
Verwirrt hob ich meine Augenbrauen an. Seit wann ließ sie sich Shoppingtouren am ersten Schultag entgehen? Aber mir sollte es recht sein, ich war heute zu erledigt, um einen Marathon durch tausende Läden anzutreten.
Ich: Okay. Wann kommst du her?
Sie las meine Nachricht sofort und antwortete, dass sie in zehn Minuten bei mir sein würde. Beruhigt legte ich mein Handy also weg, öffnete die Keksdose und biss in das herausgenommene Gebäck.
Grinsend betrachtete ich nochmals den riesigen Hund.
Ruby würde einen halben Kollaps bekommen, wenn sie mein Zimmer betratt. Ich hatte nämlich in den letzten zwei Ferienwochen Geburtstag, gerade in diesem Zeitraum ist sie dazu gezwungen gewesen mit ihrer Mutter nach Phoenix zu fliegen und gemeinsam den Urlaub dort zu verbringen.
Meinen Geburtstag hatte ich dieses Jahr dann nur mit Valdin gefeiert. Ich wollte keine riesige Party, zu der am Ende nur noch Leute kamen, die ich gar nicht eingeladen hatte und überhaupt müsste ich ziemlich viele Leute aus der Schule einladen, um es überhaupt Party nennen zu dürfen. Und diese Leute, naja, zu denen hatte ich, wie gesagt, nur eine oberflächliche Bindung.
Deshalb dann lieber einen Abend mit meinen Eltern und meiner verrückten Tante in einem indischen Restaurant ertragen, um dann voller Freude mit Valdin durch das Nachtleben zu streifen.
Ach ja, es war wunderschön, wenn man mit achtzehn nur noch seinen Ausweis vorzeigte und dann konnte man die ganzen Läden schnurstracks betreten.
Der einzige Nachteil war, dass ich in meinem Jahrgang mit zu den Ältesten gehörte oder wahrscheinlich sogar schon die Älteste war. Das lag daran, dass ich die erste Klasse nochmal wiederholen musste, weil ich mir meinen rechten Arm gebrochen hatte und somit dieses ganze Buchstabengeschreibe und so weiter nicht üben konnte. Vielleicht hätte ich einfach den hohen Apfelbaum nicht hinaufklettern sollen, aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich über mögliche Konsequenzen nicht weiter nachgedacht.
Huch.
Schwermütig seufzte ich.
Egal, das war die Vergangenheit, es zählte jetzt eigentlich mehr die Gegenwart.
Und Valdin fehlte mir jetzt schon unglaublich, dabei war er erst seit einer Woche weg und ich musste noch ein ganzes komplettes Jahr ohne ihn aushalten. Wie werde ich das nur überstehen?
Lächelnd rief ich mir seine teddybärbraunen Augen ins Gedächtnis, sein sorgloses Grinsen, das er oft auf seinen Lippen mit sich umhertrug, seine blonden Haare, für dessen Vielfalt an unterschiedlichen Blondtönen ich manchmal töten könnte und seine humorvolle liebe, aber auch neckische Art.
Oft hatte ich mich gefragt, ob vielleicht aus unserer engen Freundschaft mehr werden könnte, gerade weil wir uns so unglaublich gut verstanden - doch dann verwarf ich den Gedanken schnell wieder.
Eigentlich war doch alles so gut wie es ist.
Meine Augen zuckten wieder zu diesem Hund. "Und du passt erst recht nicht in mein Zimmer", wies ich ihn streng zurecht, bevor ich aufstand und die Krümel von meinen Sachen wischte. Ich wollte lieber vor das Haus gehen und Ruby vorwarnen, dass sie mit ihrem Auto bitte nicht über die Rasenkante unserer Einfahrt fahren sollte.
Fünf Zentimeter auf dem Rasenstreifen daneben und mein Dad bemerkte es und kriegt sofort einen Anfall.
Erst vor zwei Tagen bin ich zu dicht an einer Orchidee vorbeigelaufen, die er auf seinem Schreibtisch zu stehen hatte und sie hatte sich in diesem kleinen Luftzug sofort bewegt. Er ist fast ausgetickt. Mein Dad kannte keinen Spaß bei Pflanzen und war voll der Gärtnerfreak. Es war manchmal recht amüsant, wie liebevoll er Stiefmütterchen einpflanzte, aber auch anstrengend, wenn er einen anbrüllte, nur, weil man ausversehen ein Gänseblümchen am Straßenrand niedergetrampelt hatte.
Fast hätte ich in meinen Überlegungen vertieft vergessen aus dem Haus rauszugehen. Schnell schnappte ich mir wieder meinen Hausschlüssel und rannte den Vorgarten herunter. Niemand in unserer Nachbarschaft hatte einen Zaun. Nichtmal die, die Hunde hatten.
Das fand ich allerdings fragwürdig.
Gerade rechtzeitig erreichte ich den Gehweg vor unserem Haus, da kam schon Ruby in ihrem kleinen blauen VW Golf angedüst, riss das Lenkrad herum und fuhr ein wenig die Einfahrt hoch.
Sie interpretierte wohl nichts Negatives herein, dass ich so hektisch mit meinen Armen umherwedelte und auf den Rasen um mich herum fuchtelte. Wenn meine Nachbarn mich jetzt gesehen hätten, dann hielten sie mich nun für vollkommen durchgedreht.
Verrückt war ich in deren Augen sowieso schon, denn vor drei Wochen war ich mit Valdin dezent angetrunken die Straßen zwischen den Häusern hochgetorkelt. Laut singend und als Indianer verkleidet, weil wir auf so eine schräge Mottoparty von jemanden aus meinem Jahrgang waren.
Ich fand es lustig. Jedoch im Endeffekt, als mich meine Mom dann aber Tage später fragte, was ich mir dabei denn bitte gedacht hatte, war es mir schon etwas peinlich.
Aber was soll's, geschehen ist geschehen.
Die Autotür krachte zu und ich konnte noch registrieren, dass Ruby bestimmt fünf Zentimeter mit den linken Hinterreifen auf dem Rasen stand, als sie mich überschwänglich umarmte und mich fest an sich drückte.
"Du hast mir so gefehlt!", lachte sie, was ich nur entgegnen konnte und wir lösten uns nach bestimmt zwei Minuten voneinander. Ihre dunklen Augen strahlten mich an, während sie sich kurz mit einer Hand durch die braunen welligen Haare fuhr. Ihre Haut war gut gebräunt, das konnte ich erkennen, weil der Ärmel ihrer Jacke wegen der flüchtigen Bewegung der Hand hochgerutscht ist.
Meine Haut könnte sich von dieser Bräune auch mal etwas abschneiden.
Breit lächelte ich sie an. "Und? Wie war der Urlaub mit deiner Mutter? Genauso schrecklich wie du es dir vorgestellt hast?"
Es schien so, als würde sie mir auf der Stelle antworten wollen, doch plötzlich hatte ich das Gefühl, ihre Augen schauten nicht mehr mich, sondern etwas hinter mir an.
Ich hielt inne und überlegte.
Hinter mir war nur noch der Gehweg, der weiter an den nächsten Häusern vorbeiführte. Somit auch am Nachbarhaus der... der Price.
Nee oder? Sie stand jetzt nicht aufeinmal auf den Schwachmaten Evan?
Ruckartig drehte ich mich - und hätte sofort genervt aufstöhnen wollen. Niemand anderes als Evan Price lehnte an seinem schwarzen Monsterauto, den er ziemlich schlecht geparkt am Straßenrand abgestellt hatte, rauchte und zwinkerte uns nun zu.
Das erklärte, warum sie unbedingt zu mir wollte und lieber die Shoppingtour in den Wind gesetzt hatte.
Na sehr schön.
Da biiin ich wieder.
Hier lernt ihr ganz kurz mal Ruby kennen... denkt ihr, sie steht wirklich auf Evan?
Habt ihr außerdem auch Eltern, die so sehr von Pflanzen begeistert sind? Mein Vater liebt nämlich sein riesiges Gemüsebeet über alles haha.
Bis zum nächsten Kapitel.
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