Severus Geheimnis
- Hermines Sicht -
Überwältigt zu sein, war wohl genau das, was mich momentan beschrieb. Ich war überwältigt von Severus Ehrlichkeit, Offenheit und auch von seinem Vertrauen. Ich war mir ziemlich sicher, dass er noch nie mit jemand anderem darüber gesprochen hatte. Doch mit mir hatte er es getan. Er vertraute mir und das bedeutete mir sehr viel. Unendlich viel. Ich fühlte mit ihm, verstand ihn sogar bis zu einem gewissen Grad, doch bei alledem konnte ich nicht verhindern, dass ich Lily Potter immer weniger mochte. Alle erzählten immer, was für eine tolle Hexe, Frau und Mutter sie gewesen war, die beste Freundin, die man sich wünschen kann, sagte Remus immer. Sie würde immer zu einem stehen! Anscheinend stand zu allen, außer zu Severus ... ich ... verachtete sie ein Stück weit dafür, dass sie ihn so einfach links liegen gelassen hatte. Selbst wenn er sie ‚Schlammblut' genannt hatte, er war ihr Freund, sie hätte ihm eine Chance geben müssen, sich zu erklären. Aber nein, sie hat ihn einfach verstoßen!
Ich verstand es nicht! Dieses Bild stimme einfach nicht mit dem Bild überein, was alle anderen über sie zu haben schienen. Aber noch viel schlimmer war das andere Gefühl, das sich in mir breit machte ... Eifersucht. Ich war eifersüchtig auf sie. Auf das, was sie mit Severus gehabt hat! Wie lächerlich, auf eine Frau eifersüchtig zu sein, die tot ist und nie wirklich in den Genuss gekommen ist zu sehen, welch toller Mann Severus in Wirklichkeit ist. „Bist du noch bei mir?", drang Severus sanfte und zugleich feste und tiefe Stimme an mich. „Ja, ich hab nur ..." „Du hast keinen Grund, eifersüchtig zu sein, Hermine. Meine Liebe für Lily ... es ist lange her, dass ich so stark für sie empfunden habe. Jahre ... wirklich. Es mag dir schwer fallen, das zu glauben, aber ich will, dass du weißt, dass sie nicht die Frau ist, die ich in meinen Armen halten will", versicherte er mir. „Lass sie nicht zwischen uns stehen".
Ich dachte über seine Worte nach, saugte diese Worte in mich auf und ich spürte das Lächeln auf meinen Lippen. „Nun, eigentlich kann momentan nichts zwischen uns stehen, Severus", kicherte ich, denn ich saß noch immer auf seinem Schoss. „Wohl war", grinste er zu mir hoch und mit einem weiteren Kichern beugte ich mich runter und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Schnell wollte ich mich wieder von ihm lösen, doch seine Hände waren in meinem Haar und zogen mich dichter an ihn. „Ich kann nicht aufhören", murmelte er mit einem mir unbekannten Unterton in der Stimme und wir hörten wirklich für eine Weile nicht auf.
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Während Severus etwas im oberen Teil des Hauses suchte, stand ich in der Küche. Ich hatte mir aus einem Stofffetzen eine Schürze gezaubert und hatte mir diese umgebunden, während ich die Tomatensoße für die Nudeln zubereitete. Es war ein Wunder, dass in diesem Haus überhaupt etwas Essbares vorhanden war. Ich würde es Severus natürlich niemals sagen, aber der Zustand des Hauses hatte mich erschreckt. Sicherlich hatte ich es gut verborgen, aber zu wissen, dass er in diesem runtergekommenen Haus aufgewachsen war, zerbrach mir nicht nur das Herz ... es brachte es auch zum Bluten.
Bei seiner Vergangenheit war es wahrlich kein Wunder, dass er sich den dunklen Künsten genähert hatte und sich allem anderen abwandte. Von Zuhause aus kannte er keine Wärme, keine Zuneigung, Vertrauen oder gar Liebe, zumindest ließen mich dies seine Erzählungen vermuten. Seine Mutter schien von seinem Vater unterdrückt worden zu sein, dabei war sie selbst eine Hexe ... unweigerlich sah ich mich in ihrer Position. Eine Hexe, die sich nicht wehren konnte ... schnell schüttelte ich diesen Gedankengang wieder ab. Jetzt sollte ich wirklich nicht darüber nachdenken. Zurück zu Severus ... Lily ... sie war sein Halt gewesen und er hatte auf eine Zukunft mit ihr gehofft, doch als auch sie ihn abgewiesen hat, war es das Letzte, was gefehlt hatte um ihn endlich auf die Seite Voldemorts zu befördern.
Am liebsten würde ich Harrys Mum einmal richtig die Meinung sagen! Wenn sie doch wirklich all die Jahre seine Freundin war, seine beste Freundin, wie konnte sie ihm dann nicht einmal eine Chance geben, sich zu erklären? Für mich war das unbegreiflich und ich würde mir nur Kopfschmerzen einfangen, wenn ich weiter darüber nachdachte. Deshalb würde ich es einfach dabei belassen. Es lag in der Vergangenheit ... die Vergangenheit sollte man auch dort lassen ... wenn ich doch nur meinen eigenen Rat so annehmen könnte.
Zwischenzeitlich hatte ich ein altes Radio gefunden und fand einen lokalen Sender, auf dem ein angenehmes Lied lief. Leise summte ich mit, während ich das Wasser von den Nudeln abgoss. Dabei merkte ich nicht, wie sich jemand von hinten an mich anschlich. „An diesen Anblick könnte ich mich gewöhnen", flüsterte Severus plötzlich in meinen Nacken. „Es ist nicht ratsam, mich zu erschrecken, wenn ich einen heißen Topf in den Händen halte", lachte ich auf und setzte den Topf ab. „Es schien dich nicht gestört zu haben." „Trotzdem solltest du es nicht tun, Severus!", ließ ich ihn wissen, drehte mich zu ihm und sagte: „Außerdem, solltest du dich nicht daran gewöhnen. Ich bin nicht wirklich die typische Hausfrau ... ich koche gerne, manchmal, aber ich bin sicher nicht jemand, der den ganzen lieben langen Tag in der Küche steht und kocht oder backt". „Das habe ich auch nicht erwartet", gestand er und griff danach über mich, holte aus dem Schrank zwei Teller und stellte diese auf dem staubigen, runden Esstisch ab.
„Ich war schon eine Weile nicht mehr hier ...", sagte er aus dem Nichts heraus. „Entschuldigst du damit den Staub?" „Es war zumindest ein Versuch." „Missglückt", grinste ich über meine Schulter hinweg zu ihm nach hinten. „Welche Entschuldigung würdest du dann bevorzugen?", fragte er mich und legte Gabel und Messer neben die Teller. „Es gibt überhaupt keinen Grund, dass du dich für irgendwas entschuldigst, Severus. Dieses Haus gehört dir, und es ist dir überlassen, was du damit tust. Außerdem bist du doch eh die meiste Zeit im Jahr in Hogwarts, ich kann verstehen, warum du keine Zeit hast, dich um dieses Haus zu kümmern", gab ich ihm darauf zu verstehen.
Es war ja auch die Wahrheit. An diesem Haus hatte er kaum schöne Erinnerungen und viel Zeit schien er außerdem nicht hier zu verbringen. Wieso sollte er sich dann die Mühe machen, dass Haus im besten Zustand zu halten? „So einfach, ja?" „Wieso sollten wir es kompliziert machen?", konterte ich mit einer Gegenfrage. „Um ehrlich zu sein, hatte ich eine andere Reaktion erwartet", gestand er mir und machte mich gleichzeitig neugierig. „Und welche wäre das gewesen?" „Eine Reaktion, die mehr mit Schock einhergeht als mit Verständnis. Vielleicht die eine oder andere Frage, warum es hier so aussieht. Irgendwie so etwas", gab er von sich, während ich die Nudeln auf unseren Tellern aufteilte und diese mit der Tomatensoße begoss. „Nun, wie ich bereits sagte, Severus, sind es dein Haus und deine Entscheidungen. Sicher, ich war ... ich war schockiert, aber nachdem, was du mir erzählst hast, kann ich es verstehen." „Dir ist bewusst, dass du viel zu mitfühlend bist, oder?" „Mitgefühl ist nichts Schlechtes, Severus", sagte ich darauf nur.
- kurze Zeit später -
Es war ein ungewöhnlicher Anblick, der sich mir bot. Denn ich saß am Küchentisch und Severus spülte unser benutztes Geschirr ab. „Gab es außer Lily noch andere?", fragte ich leise. Sicherlich, es fiel mir schwer, so ruhig darüber zu reden beziehungsweise ihn danach zu fragen, aber ich wollte es auch wissen. Mehr über ihn und seine Vergangenheit. „Du stellst Fragen, die ich nicht erwartet habe, Hermine." „Ach ja? Ich möchte einfach nur mehr über dich wissen." „Mein Charakter und mein Leben sind kein Bilderbuch, Hermine. Daran gibt es nur wenig schöne Dinge", ließ er mich wissen. „Selbst wenn es so ist, Severus, möchte ich es trotzdem wissen. Du weißt so viel über mich und das nur, weil du immer da warst. Ich weiß so gut wie nichts über dich oder über Lucius. Ich möchte nicht von anderen etwas erfahren, sondern von euch. Von dir und von ihm!", erklärte ich.
Die richtigen Worte zu finden, ihm genau zu sagen, zu erklären wie ich es sah, war gar nicht so einfach. In meinem Kopf hörte sich alles immer ganz anders an, einfacher und unkompliziert. Aber ... aber wenn ich es laut aussprach, bangte ich immer um die Reaktion von Severus. Denn selbst, wenn ich nicht sehr viel über ihn wusste, gab es dennoch einige Dinge, die ich auf jeden Fall wusste. Er war lieber alleine, interessierte sich sehr für das Tränkebrauen und die Dunklen Künste und sprach ungerne über sich selbst!
„Ich würde dich gerne wohin mitnehmen", sagte er mir, „es gibt jemanden, den du kennenlernen solltest". Ich sollte jemanden treffen? Wer könnte das sein? „Von wem ..." „Ich erkläre es dir dort, wenn es dir Recht ist, Hermine", unterbrach er mich und zog seinen Zauberstab. Als er diesen dann schwang und die Teller, Gläser, Gabeln und Töpfe in die Schränke schwebten, musste ich direkt an die erste Zaubertrankstunde bei ihm denken. „Wie war das mit albernem Zauberstabgefuchtel?", hakte ich mit einem Grinsen nach und als er sich mit einem leicht erstaunten Blick zu mir wandte, konnte ich nicht anders als loszulachen.
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Wir apparierten direkt aus dem Garten, nun, ich hielt wieder nur Severus Arm, während er uns apparierte. Schließlich wusste ich nicht, wo wir hin wollten. Ich wusste nur, dass ich jemanden kennenlernen sollte. Aber wer war das? Wer war die Person?
„Sie ist schon eine ganze Weile hier und ihr Verstand ist nicht mehr das, was er einmal war. Zumindest nicht mehr seit dem Unfall", erklärte er mir, während wir einen steinernen Weg zwischen frisch gemähtem Rasen entlang gingen. „Und mit sie meinst du ...", begann ich fragend anzudeuten. „Meine Mutter", sagte er schlicht, als wäre es das Normalste der Welt. Mutter ... in allen Unterlagen, die Harry und ich damals gefunden haben, stand überall, dass sie tot sei. „Ich habe gedacht, dass sie ..." „Sie lebt! Ich habe nur dafür gesorgt, dass alle denken, sie sei tot. Es war die sicherste Methode, nachdem ich mich entschieden habe, dem Dunklen Lord zu folgen", erklärte er mir und ich sah direkt vor uns ein altes Herrenhaus.
„Du wolltest, dass sie in Sicherheit ist", stellte ich laut fest. „Ich war 16, als ich zu Weihnachten nach Hause kam, meist war ich immer bei den Malfoys, aber dieses Jahr ... dieses Jahr wollte sie, dass ich nach Hause komme. Als ich jedoch ankam ... da fand ich sie am Boden der Treppe wieder ... sie war schwer verletzt und hätte ich Lucius nicht zu Hilfe geholt ... dann hätte sie auch nicht überlebt. Denn er macht zwar nicht den Eindruck, aber er ist sehr bewandert und talentiert, wenn es um Heilzauber geht", ließ er mich am Ende wissen. Dem alten Haus kamen wir unterdessen immer näher und näher. Dabei sah ich einige, deutlich ältere Menschen auf Stühlen sitzen. „Ich hab sie dann hier hingebracht. Außer Lucius und mir, gibt es jetzt nur noch dich, die davon weiß, Hermine", sagte er mir, hielt mich dabei zurück, sodass wir stehen blieben. „Nur wir drei?" „Nur wir drei!".
„Dein Vertrauen bedeutet mir sehr viel, Severus", presste ich schwer hervor, da mich dies alles wirklich berührte. Er vertraute mir, er vertraute mir so sehr, dass er mir von seiner Mutter erzählte. Er wollte, dass ich sie jetzt kennenlerne. Stopp! Jetzt! Darauf war ich nicht vorbereitet! Was, wenn sie mich nicht mag? Wenn sie mich hasst? Bin ich überhaupt angemessen gekleidet? „Severus?", entkam mir leicht zitternd, während der Angesprochene besorgt auf mich hinab schaute. „Ja, Hermine? Was ist los?" „Ich ... ich weiß nicht, ob ich das kann", gestand ich ihm ehrlich. Ich wollte ihm auch nichts mehr verheimlichen. Ich wollte mich ihm auch öffnen, aber jetzt gerade hatte ich wirklich andere Sorgen.
Außer Molly musste ich nie die Mutter von jemand anderem kennenlernen, zumindest nicht so! Und eigentlich zählte Molly auch nicht, sie kannte ich schon, als Ron und ich nur Freunde gewesen waren. Ich kannte sie also schon, als Ron und ich kurz zusammengekommen waren. Mit Severus Mutter war das etwas ganz anderes! Ich war seine Schülerin ... er war mein Professor und auch wenn es mir nichts mehr ausmacht, meistens jedenfalls, könnte sie das ganz anders sehen. Oder? Oh Merlin, es war schrecklich! „Tief durchatmen, Hermine", befahl Severus mir sanft und ich spürte plötzlich seine Hände an meinen Wangen, rechts und links. Sanfte Kreise zeichnete er mit seinen Daumen über meinen Wangenknochen und ich schloss die Augen, versuchte seinen Anweisungen Folge zu leisten.
„So ist es gut", flüsterte er, gab mir einen Kuss auf die Stirn, nur um dann seine eigene Stirn gegen die meine zu lehnen. „Hör zu, meine Mutter hat die meisten ihrer Erinnerungen an früher verloren. Sie weiß meistens nicht einmal mehr, dass sie noch eine Hexe ist." „Sie hat Zauberdemenz", entkam mir schwer atmend. „Ja, eine schlimme Form. Ihr magischer Kern ist fast erloschen." „Sie wird also nicht mehr lange ..." „Nein. Aber glaub mir, sie wird dich mögen. Vertrau mir", versicherte er mir und ich nickte, lehnte mich gegen ihn. „Mr. Snape! Mr. Snape!", rief jemand und wir fuhren wir zwei erwischte Teenager auseinander. „Madam Bonglieart", nickte Severus. „Sie ist die Leiterin der Anstalt", erklärte er schnell. „Oh, Sie haben heute noch jemanden mitgebracht. Kommen Sie, Mr. Snape, ihre Mutter sitzt in der Bibliothek. Sie hat Ihren Besuch schon erwartet", sprach die Leiterin unaufhörlich weiter. „Wir finden den Weg alleine", machte Severus ihr schlicht klar und führte mich an ihr vorbei.
Ich vermutete, dass alle Menschen hier Hexen und Zauberer waren, zumindest würde es Sinn ergeben. Allerdings hatte ich nicht gewusst, dass es überhaupt solche Einrichtungen für Hexen und Zauberer gibt. Für die Muggel, ja, da wusste ich, dass es diese Seniorenheime gab, aber von welchen für die magisch Bevölkerung hatte ich noch nie gehört. „Sind das alles Hexen und Zauberer?", fragte ich Severus leise, während wir an einer Gruppe älterer Männer vorbeigingen, die über Zeitungen gebeugt waren. „Ja. Es gibt nur wenige solcher Einrichtungen für Hexen und Zauberer, Hermine, aber sie gibt es." „Ich hab noch nie davon gehört." „Natürlich nicht. Die Meisten, die hier sind, wurden von ihrer Familie verstoßen", ließ er mich wissen und ich schaute ihn daraufhin fragend an. „Nimm die Malfoys als Beispiel, du würdest nie einen von ihnen an solch einem Ort finden. Die älteren von ihnen werden zu einer ruhigen Familienresidenz gebracht und dort von einer Heilerin bis zu deren Tod gepflegt. So ist es bei den meisten reinblütigen Familien", begann er zu erklären, während ich aufmerksam zuhörte. „Andere Familien, die sich diesen Luxus nicht leisten können, schicken ihre Familienmitglieder an solche Orte. Vergessen sie ganz, erzählen den anderen, dass sie bereits tot sind". „Sie kommen sie nie besuchen?", fragte ich erschrocken. Das war ... das war einfach nur grausam. Wie konnte man seine Großeltern oder Eltern einfach in so einem Heim abgeben und dann nie wieder besuchen? Man schuldete es ihnen doch, für sie da zu sein, nachdem was sie alles für einen getan haben. „So ist das nun mal, Hermine. Ich versuche, meine Mutter so oft wie möglich zu besuchen, leider musste ich die Besuche in den letzten Jahren teilweise einstellen. Das Risiko, dass einer der Todesser mir folgt und man sie noch benutzen könnte ... um mir zu schaden ... ich konnte und wollte dies nicht eingehen. Deswegen habe ich sie versteckt, nicht einmal Dumbledore habe ich das anvertraut und er wusste schon fast alles über mich. Er war genauso oft in meinem Geist wie der Dunkle Lord, Hermine", erzählte er weiter und blieb dann vor einer offenstehenden Holztür stehen.
„Sie ist da drin", sagte er, „ich werde als erstes gehen, warte kurz hier. Erst schau ich, wie ihr Zustand heute ist. Okay?" „Okay", nickte ich, war aber immer noch dabei, das von ihm Gesagte zu verarbeiten. Selbst ich, die ihren Eltern die Erinnerungen genommen hat, ging sie besuchen. Natürlich wussten sie nicht mehr, wer ich war, aber sie waren glücklich. Hatten sich ein neues Leben aufgebaut und einen kleinen Jungen zu sich geholt. Es tat weh, die drei zusammen zu sehen, aber es machte mich auch glücklich, dass sie nun ein unbeschwertes, ganz normales Leben hatten. Ohne, dass ihr Kind in ständiger Gefahr war.
Ich trat etwas weiter in die Bibliothek. Sie war klein, sehr viel kleiner als die in Hogwarts. Eigentlich auch kein Wunder. Warum mir gerade das auffiel, wusste ich nicht. Alles sah sehr gemütlich aus. Helle Holzregale zierten die Seiten und bildeten einen breiten Gang in der Mitte. Diesen ging ich entlang, zwar hatte Severus gesagt, ich sollte noch warten, doch war ich wieder einmal viel zu ungeduldig. Sicher wusste er das auch und würde mehr als wahrscheinlich sogar mit meinem Auftauchen rechnen.
Während ich den Gang entlang ging, sah ich mir auch die Regale richtig an. Es gab hier durchaus interessante Bücher. „Mutter, wie geht es dir heute?", hörte ich Severus fragen und blieb wie angewurzelt stehen. Seine Stimme hörte sich ganz anders an, sie war ... sie war immer noch tief und leicht rau. Doch da war noch etwas anderes ... etwas, was ich noch nie gehört hatte. Sie war sehr sanft und ruhig, entspannt ... irgendwie ... sehr respektvoll und voller Liebe und Zuneigung. Dankbarkeit hörte ich raus und noch etwas. Aber was war es? „Sevi, bist du das? Du bist aber groß geworden", nahm ich nur Sekunden später eine kratzige, alte Stimme war. Allerdings war auch diese voller Liebe getränkt. Seine Mutter ... diese ruhige Stimme musste er von ihr haben.
„Ja, ich bin es. Wie fühlst du dich?", fragte Severus weiter nach und dann hörte ich ein leises Lachen von seiner Mutter. Ein Buch das abgelegt wurde und Rascheln von Kleidern. „Heute ist ein guter Tag. Setz dich zu mir und erzähl mir von deinem Sommer", bat sie ihn und ich stellte mir vor, wie ein Lächeln ihr Gesicht zierte. Eindeutig merkte man, wie sehr sie ihn liebte und auf Anhieb wollte ich sie kennenlernen. Ich wollte, dass sie mich mochte. „Ich habe heute noch jemanden mitgebracht, Mutter." „Oh. Ist es die junge Lily, mit der du früher immer gespielt hast?" „Nein, Mutter, ich hab dir doch erzählt, dass Lily gestorben ist. Ich möchte dir jemanden anders vorstellen, sie bedeutet mir sehr viel", sagte er und automatisch fasste ich mir ans Herz. Ich bedeute ihm viel ... „Hermine", rief er dann leise, also wusste er, dass ich da war. Ich atmete tief durch und setzte ein ehrliches Lächeln auf und trat hinter dem Bücherregal hervor.
Vor mir lag eine kleine Sessellandschaft, direkt vor einer sehr großen Fensterfront, durch die das helle Sonnenlicht hinein schien. Severus und seine Mutter waren in dieses Licht getaucht, seine schwarzen Haare glänzten wie die dunkle Schokolade, die mein Vater immer so gerne gegessen hatte. Seine blasse Haut wirkte nur noch blasser, er sah aus wie ein Engel ... ein Engel der Dunkelheit, mit diesen dunklen Augen und dem eindringlichen Blick. Ich trat einen Schritt vor und blickte dann zu der kleinen Frau, die auf dem Sofa saß.
Ihre schwarzen Haare waren durchzogen von grauen Strähnen. Ihre Nase war lang und krumm, nur ihre Augen, ihre Augen waren hell ... helle blaue Augen. Sie war hübsch, bis auf die Nase. Die Nase lenkte von allem Schönen in ihrem Gesicht ab und dennoch konnte ich mir nicht vorstellen, dass eine andere Nase zu ihrem Gesicht passen würde. Severus hatte ihre Ausdrücke geerbt, die schmalen Lippen, die engstehenden Augen, die breite Stirn mit den Sorgenfalten, die schwarzen glatten Haare und die Hakennase. Ihm jedoch schadete die Nase in keinerlei Weise, es macht sein Gesicht nur markanter. Bei seiner Mutter hingegen, passte die Nase zwar auch, aber dennoch ... dennoch lenkte sie etwas ab. Aber ich hab mich nicht zu beschweren, meine Haare und meine Zähne hatten auch schon schlechtere Tage gesehen.
„Hermine, das ist meine Mutter Eileen Snape. Mutter, das ist Hermine Granger meine ...", begann er uns vorzustellen, brach dann aber ab und sah mich unschlüssig an. „Ich bin seine Freundin. Es freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs. Snape. Ich habe schon so viele wunderbare Dinge über Sie gehört", sagte ich und neigte meinen Kopf, als Zeichen des Respektes vor ihr. „Freundin? Sind Sie nicht ein bisschen jung?", fragte sie direkt und schaute mich spitz an. Ihre Nase kam dabei irgendwie nur noch mehr zur Geltung und ich schluckte nervös. Super! Erstes Treffen und ich hatte es schon versaut! „Mutter", sagte Severus, doch sie wedelte nur mit der Hand, bedeutete ihm zu schweigen. „Wie alt sind sie?", wollte sie von mir wissen. „21, Madam", antwortete ich knapp und senkte den Kopf und die Augen. „Nun, Sie sind älter als ich gedacht habe. Kommen Sie, setzen Sie sich. Severus wollte mir gerade über seinen Sommer berichten", sprach sie mit einem leichten Lächeln zu mir und unverzüglich kam ich ihrer Aufforderung nach und zusammen hörten wir Severus zu, wie er erzählte, was er diesem Sommer gemacht hatte.
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Es war eine erstaunliche Erfahrung, Severus zusammen mit seiner Mutter zu sehen. Jedoch war es auch traurig, dass sie sich zwischenzeitlich nicht an alles erinnerte und öfters fragte, wer ich sei. Doch damit konnte ich leben, sie einfach kennenzulernen, war schon schön genug. „Mr. Snape, könnte ich Sie kurz sprechen?", unterbrach uns die Leiterin der Einrichtung, die uns vor einigen Stunden begrüßt hatte. „Natürlich", nickte er ihr zu. „Wir kommen schon klar", sagte ich, ohne auf seine Frage zu warten, zu der er bereits angesetzt hatte. „Es wird nicht lange dauern", versicherte er mir und folgte der Hexe aus der Bibliothek raus.
„Wie lange kennen Sie meinen Sohn schon, Miss Granger?", fragte seine Mutter mich und schaute mich mit einem erstaunlich klaren Blick an. „Ähm ... ich denke 10 Jahre, müssten es sein." „Sie sind also eine seiner Schülerinnen?", hakte sie weiter nach. „Ja ... ich ..." „Keine Sorge, ich verurteile Sie nicht. Tobias war auch etwas älter als ich. Einen älteren Mann zu haben hat seine Vorteile", gestand sie mir und zwinkerte sogar. Als Reaktion drauf lächelte ich sie an! „Severus möchte gerne glauben, dass ich mich nicht an die Vergangenheit erinnere oder es mir schwer fällt. Doch ... doch ich weiß alles. Tobias war kein guter Mann, kein guter Mensch. Aber ich hab ihn trotzdem geliebt", ließ sie mich wissen, doch so richtig konnte ich es nicht verstehen. Dieser Mann ... er hatte ihr wehgetan, wegen ihm war sie unterhalb der Hüfte gelähmt ...
„Niemand versteht es, meine Liebe, auch Severus nicht. Er ist der Einzige, den ich mehr geliebt habe als seinen Vater. Ich habe immer versucht, ihn vor seinem Vater zu schützen ... ich habe versagt. Erbärmlich oder? Eine Hexe, die sich nicht wehren kann! Die alles mit sich machen lässt ...", entkam ihr bitter und ich sah wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten. „Ich versteh das", entschlüpfte mir leise. „Severus ist anders, du musst keine ..." „Ich habe keine Angst vor ihm ... nicht vor ihm, wirklich nicht. Er würde mich nie verletzen, das ... das weiß ich einfach, ich spüre es tief in meinem Inneren", versicherte ich ihr.
Plötzlich legte sich ihre Hand auf meine und sie drückte sie leicht ... „Man hat dir auch wehgetan ... was ist geschehen?", wollte sie von mir wissen und ich schüttelte nur den Kopf: „Ich ... ich kann nicht." „Ich habe auch nie mit jemanden darüber gesprochen und es zerfrisst mich, ich heiße die Tage willkommen, an denen ich mich an nichts mehr erinnern kann. Nicht an Severus, nicht an seinen Vater, nicht an die magische Welt und nicht einmal an meinen Namen. Es wird dich auch zerfressen, wenn du mit niemanden darüber sprichst, meine Liebe", sprach sie eindringlich auf mich ein.
In meinem Inneren wusste ich, dass sie Recht hatte. Aber ich ... wie konnte ... sollte ich einfach darüber reden? Ich hatte Angst davor, es würde alles noch realer machen, als es ohnehin schon ist. Harry wusste es und ... und so viele andere. Es waren schon genug Menschen, die davon wussten ... die meine ... die wussten, wie schwach ich gewesen war. „Oh nein. Denk nicht daran", sprach Eileen weiter. „Du bist nicht schwach ... es war nicht deine Schuld, Hermine. Glaub mir, ich hab lange gebraucht um das zu erkennen. Wir sind nicht daran schuld, was uns widerfahren ist." „Ich weiß. Also, ich weiß, dass es so ist. Aber es ist schwer ... es ist schwer, dieses Gefühl abzulegen", öffnete ich mich ihr. „Du kannst ihm vertrauen", flüsterte sie und ich sah auf, als ich die Schritte von Severus wahrnahm. „Alles in Ordnung?", erkundigte er sich, als er wieder auf dem Sessel Platz nahm. „Oh, Severus, du bist gekommen? Wie war dein Sommer?", fragte seine Mutter ihn und diesmal war ihr Blick wieder verschwommen, unkonzentriert ... der klare Moment war wieder vorbei. Doch ich war dankbar für diesen kurzen Augenblick mit Severus Mutter.
Dieser kurze Augenblick der Klarheit war leider auch der letzte dieser Art. Nun war Severus Mutter eher weggetreten, schaute unschlüssig durch die Gegend und ich hörte Severus seufzen. „Wir gehen jetzt, Mutter", teilte er ihr mit und erhob sich von seinem Platz. Ich tat es ihm gleich, während er sich zu seiner Mutter runterbeugte und ihr einen Kuss auf die faltige Stirn drückte. „Ich komme bald wieder", versprach er und dann verabschiede ich mich: „Es hat mich gefreut Sie kennenzulernen, Mrs. Snape". Sie sah mich nicht an, doch als ich dann mit Severus zusammen gehen wollte, griff sie nach meinem Handgelenk. „Du bist nicht schwach", flüsterte sie leise, ließ mich dann direkt los als hätte sie sich verbrannt und schaute weiter aus dem Fenster.
Severus musterte mich von der Seite, als wir den Weg wieder zurückgingen und das Gelände der Einrichtung, verließen. „Was hat sie damit gemeint?", wollte er wissen, schaute mich wieder an und ich sah echte Neugier in seinen Augen. „Nichts." „Nichts? Das wage ich zu bezweifeln, Hermine", entkam es ihm, „über was habt ihr gesprochen, als ich weg war?". „Wüsstest du das gerne?", neckte ich ihn und ging etwas schneller, kam sogar vom Weg ab und stand inmitten der hohen Wiese. „Ja, das wüsste ich wirklich sehr gerne", grinste er und kam langsam auf mich zu. Ich biss mir auf die Lippe, als ich seinen Blick sah. So rau und ... und ungehalten ... ein bisschen so wie Lucius Blick letztens. „Ich sag es dir nicht", entkam mir leise, flüsternd und ich fand mich in der nächsten Sekunde in seinen Armen wieder, während er mir die Haare nach Hinten strich und mir einen Kuss direkt auf meine Halsschlagader drückte.
„Du wirst", sagte er selbstsicher. „Nein ... nein, werde ich nicht", konnte ich schwer atmend hervorbringen, als ich seine Lippen fühlte, die sich immer und immer wieder auf meinen Puls legten. Er manipulierte mich, versuchte mich zu verführen, damit ich es ihm erzählte. „Vielleicht nicht jetzt, aber bald ... bald wirst du mir alles sagen, was ich wissen will", raunte er und plötzlich spürte ich das Ziehen in meiner Magengegend. Wir waren appariert. „Willkommen zurück, Miss Granger", grinste er als ich die Augen öffnete. Wir waren wieder in Hogwarts!
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