Kapitel 9
Toni
Ich komme nach dem Essen mit Elian nach Hause und werfe als Erstes meine Highheels wütend in die Ecke.
Was glaubt er, wer er ist?
Nun kann ich mich morgen mit ihm in seinem Büro auseinandersetzen. Und nicht nur das! Ich darf gezwungenermaßen längerfristig mit diesem Steroid Mutanten zusammenarbeiten!
Besser kann der Tag nicht werden!
Plötzlich klingelt es an der Tür und ich bin auf alles gefasst, als ich diese öffne.
»Was machst du hier?«, rufe ich fröhlich aus, nachdem ich Leo vor mir stehen sehe.
»Na dich besuchen. Du fehlst mir so sehr und ich musste dich einfach wiedersehen«, sagt sie mit einem theatralischen Schmollmund.
»Ich bin doch gerade mal drei Tage weg«, lache ich und schließe meine beste Freundin in die Arme.
Es ist ein unvergleichliches Gefühl, so als wäre ein Stück Heimat zu mir zurückgekehrt.
»Die schlimmsten drei Tage meines Lebens«, stellt Leo ebenso lachend fest.
Ich lasse sie herein, nachdem wir uns losgelassen haben, und sie läuft direkt durch die Wohnung, um sich alles anzusehen.
»Was ist mit deiner Uni?«, rufe ich ihr hinterher.
»Ach, die paar Seminare, die ich jetzt verpasse, kann ich auch wieder aufholen. Aber jetzt lass uns nicht über sowas Belangloses reden, sondern uns eine schöne Zeit zu zweit machen! Wie läuft es auf der Arbeit bei dir?«
»Hör bloß auf! Mein Tag war bis jetzt grausam! Dieser Alpha-Kevin sorgt noch dafür, dass ich graue Haare bekomme«, seufze ich laut, während ich meinen Kopf in den Nacken werfe.
»Alles wird gut. Jetzt bin ich da«, erwidert sie mit einem Schmunzeln. Wobei es bei Leo sowohl etwas Positives als auch Negatives sein kann. Sie lässt sich bei mir auf die Couch fallen und klopft auf den Stoff neben sich, um mir zu signalisieren, dass ich mich setzen soll.
»Komm her und erzähl mir alles.«
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Endlich sehe ich mal wieder eine normale Person.
Nach etwa einer Stunde habe ich ihr jedes kleine Detail erzählt und wir beschließen, zu der Bar zu gehen, weshalb wir indessen in meinem Badezimmer stehen und uns fertig machen.
»Ich hoffe Alpha-Kevin und Augenkrebs-Vicky sind heute nicht da«, murmel ich, während ich mir konzentriert meine Wimpern tusche.
»Ich hoffe schon. Dann habe ich wenigstens etwas Schönes anzusehen«, erwidert Leo mit ihrem dreckigsten Grinsen, das mir bereits als Kind Sorgen bereitet hat.
Sie kann einem mit diesem irren Blick dezent Angst einjagen.
»Hast du eine Sonnenbrille dabei? Wenn ja, solltest du sie lieber mitnehmen«, informiere ich sie.
»Wieso?«, fragt Leo und ich muss an den Gedanken, wie Elian im Dunkeln mit Sonnenbrille neben dem Knallbonbon saß, lächeln. »Nur so«, zucke ich mit den Achseln und grinse jetzt genauso fies wie Leo zuvor.
Kurze Zeit später habe ich Leo meinen neuen Mitarbeitern vorgestellt. Wie mich haben sie Leo sofort herzlich in die Runde aufgenommen.
Ich liebe diese Menschen schon jetzt!
»Und Roman, haben Mason und du bereits einen Termin für die Hochzeit?«, frage ich, während Leo und ich unseren dritten Cocktail von Liam trinken.
Der Junge hat Talent dafür!
»Nein, Mason ist mit den Zwiebelringen durchgebrannt und hat mich verlassen«, antwortet er gespielt traurig.
»Oh, das tut mir sehr leid«, versuche ich mit einem ernsten Ton zu sagen, kann mir ein Schmunzeln jedoch nicht verkneifen.
Von Leo ernte ich nur einen verwirrten Blick, aber zum Glück kommt mir Liam zur Hilfe und erklärt ihr alles, was vorgefallen ist. »Ach du Scheiße und ich dachte, der Sexgott wäre hier der merkwürdigste in der Stadt«, lacht Leo laut.
»Redet ihr über mich?«
Nein, nein, nein, nein!
Ich brauche mich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer hinter uns steht. Leos Miene verrät mir alles. Ich habe Sorge, ihre Augen von dem dreckigen Barboden aufsammeln zu müssen. Warum hat er so ein Talent, in den blödesten Momenten aufzutauchen?
»Nein, es kann sich schließlich nicht alles nur um dich drehen«, sage ich und versuche, mir meine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen.
»Wie du meinst, Krümel. Wobei es deine Freundin schon ganz gut auf den Punkt gebracht hat. Fast schon auf den Höhepunkt«, zwinkert er mir zu und setzt sich neben mich auf den Barhocker.
»Arrogant bist du gar nicht, was?«, stelle ich fest.
Innerhalb weniger Sekunden hat er es wiederholt geschafft, meinen Puls auf hundertachtzig zu bringen.
»Ich bin nicht arrogant, ich habe nur aufgehört, jeden zu mögen«, erwidert er daraufhin nur trocken. »Außerdem kann mir hier im Raum eh nur einer das Wasser reichen. Liam?«
Er nickt dem Barchef zu, der augenblicklich ein sauberes Glas greift und dieses mit Wasser füllt.
»Ich finde deinen Sarkasmus zum Kotzen«, murmel ich, ohne den Blick dabei zu heben.
Mit den Händen drehe ich meinen Cocktail und sehe nur zu, wie Liam das Wasser an Elian überreicht.
»Soll ich dir die Haare halten?«, fragt dieser, mal wieder vollkommen emotionslos.
Hat er heute einen Clown gefrühstückt?
»Warum trinkst du nur Wasser?«, frage ich ihn interessiert und lenke so das Gespräch in eine andere Richtung.
»Warum findest du es so seltsam?«
Wir sehen uns in die Augen und es ist, als würde sich für diesen Augenblick die Welt langsamer drehen. Als wäre die Zeit nur für uns stehen geblieben. Das Eisblau seiner Iriden leuchtet so intensiv, dass ich mich abermals darin verliere.
Unverhofft klingelt mein Handy und zerstört diesen Moment. Ich schaue auf das Display und sehe, dass es Ben ist. Leo scheint es genauso zu realisieren, da sie mir augenblicklich mein Telefon aus der Hand reißt und den Anruf entgegennimmt.
»Du kleiner, verwester, nach Pisse stinkender Weichflöten-August! ...«
»Charmant«, höre ich Elian neben mir sagen.
»... Du hörst mir jetzt mal genau zu! Rufst du hier nochmal an oder versuchst, irgendwie in Kontakt mit Toni zu treten, dann schlage ich dir deine kleine Wichsfresse ein, dass ... «
Ich reiße Leo das Handy aus der Hand und beende das Gespräch. Leider ist meine Handbewegung dabei so schwungvoll, dass ich mein halbvolles Glas mit dem Ellenbogen umstoße. Ich versuche, es irgendwie aufzufangen, aber scheitere kläglich. Der Inhalt ergießt sich komplett über Elians Schoß. Mit großen Augen sehe ich diesen an, wie er seine Arme hebt und der Flüssigkeit nur dabei zusehen kann, wie sie auf ihn niederprasselt.
Eilig greife ich über die Theke nach einem Lappen und versuche, die Hose von ihm wieder sauber zu rubbeln. Sein reizvoller Duft nimmt mich hierbei ein, doch meine Hand bewegt sich weiter völlig gedankenlos über seinem Schritt.
Ich höre, wie Elian zischend Luft holt, als er mein Handgelenk packt, das weiterhin an seiner Hose verweilt.
»Das solltest du lieber sein lassen, wenn du es nicht auch zu Ende bringen willst«, raunt er mir mit tiefer, kratziger Stimme zu.
Erst da fällt mir auf, wo meine Hand ist. Wie in Zeitlupe hebe ich den Kopf, woraufhin mein Gesicht unmittelbar vor Elians schwebt. Mein Puls beschleunigt sich, ebenso wie mein Atem, der nur abgehackt aus meinen leicht geöffneten Lippen kommt. Mein gesamtes Blut schießt mir in die Wangen und ich ziehe ein zweites Mal abrupt meine Hand aus seinem Griff. Dieses Mal hole ich jedoch so enormen Schwung, dass ich seitlich von dem Barhocker kippe und auf Elian falle. Dieser hat damit nicht gerechnet und kippt, bei dem kläglichen Versuch, mich aufzufangen, mit mir zu Boden. Meine Landung ist glücklicherweise gut gefedert.
Mein Kopf liegt auf seiner Brust, wobei ich jeden einzelnen Muskel, ebenso wie seinen Herzschlag, welcher genauso rast, wie meiner, spüre. Mir wird heiß und ich fühle, wie mir mein Blut weiter in die Wangen schießt.
Plötzlich passiert etwas, was vermutlich alle in der Bar schockiert, und gleichzeitig überrascht.
Elian lacht lauthals los.
Dieser Laut seines Lachens ist unglaublich schön. Ich hebe meinen Kopf, um ihn anzusehen. Seine strahlend weißen Zähne blitzen mir entgegen und auf seinen Wangen erscheinen niedliche Grübchen.
Wie attraktiv er ist, wenn er lacht.
»Sei mal nicht so stürmisch, Krümel«, meint Elian schmunzelnd. Er steht auf und zieht mich an den Händen zurück auf meine Füße. Mein Kopf ist womöglich weiterhin rot, wie eine Tomate, aber das stört mich im Moment herzlich wenig. Ich bin viel zu sehr geflasht von ihm.
»Danke! Das solltest du wirklich öfter tun«, sage ich zu Elian.
Dieser schaut mich fragend an, ehe das Strahlen aus seinem Gesicht verschwindet.
»Dich auffangen?«, hakt er skeptisch nach.
»Nein, Lachen. Das war echt schön und ich finde, du solltest wirklich mal heiterer sein«, erkläre ich und lächle ihn aufmunternd an.
»Ich bin ein sehr heiterer Mensch. Erst neulich, im Mai 2005, musste ich herzlich lachen.«
»Das ist sechzehn Jahre her, du Spinner.« Langsam gewöhne ich mich an seinen Humor und finde es amüsant, wie er auf alles etwas zu erwidern weiß.
»Egal, wenigstens kam es aber schon mal vor. Ich muss jetzt auch los. Wir sehen uns morgen früh«, verabschiedet er sich, ehe er Liam einen Schein auf die Theke legt und die Bar verlässt.
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