Kapitel 10
Toni
Ich werde langsam wach und merke, wie mein Schädel dröhnt. Vor meinem inneren Auge dreht sich alles. Ich hätte gestern definitiv nicht so viele Cocktails mit Leo trinken dürfen!
Nachdem ich realisiert habe, welcher Tag heute ist, schrecke ich hoch und greife mein Handy, das mir unvorhergesehen aus den Fingern rutscht und direkt ins Gesicht fällt.
Scheiße! Ich bin viel zu spät dran!
Hastig laufe ich los und stoße mir meinen kleinen Zeh an meinem Bett. Vor mich hin fluchend rase ich weiter ins Badezimmer. Dabei bemerke ich, wie Leo ihren Kopf vom Kissen hebt, um mich fragend anzusehen.
Ich dusche in Rekordzeit und föhne mir anschließend die Haare. Da ich zu spät dran bin und keine Zeit habe, sie zu stylen, lasse ich sie offen. Schminken schaffe ich auch nicht mehr! Davon abgesehen, könnten nicht mal zehn Kilo Make-up meinen Kater verdecken.
Hastig laufe ich zurück in mein Schlafzimmer und ziehe mir einen luftigen, dunkelblauen Jumpsuit an und dazu meine schwarzen Highheels. Leo scheint mittlerweile aufgestanden zu sein, da sie nicht mehr in meinem Bett liegt. Ich greife meine Sonnenbrille und meine Tasche, ehe ich an Leo vorbei stürme, welche mir mit einem liebevollen Blick einen Thermosbecher mit Kaffee in die Hand drückt. Geistesgegenwärtig nehme ich den Becher und verlasse die Wohnung. Ich gebe die Adresse von Elians Firma in mein Navi ein und fahre los. Laut diesem benötige ich zwanzig Minuten und der Termin fängt in fünf an.
Ich sehe jetzt schon seinen genervten Gesichtsausdruck!
Ich gebe Gas und überfahre eine Reihe von Stoppschildern und eine rote Ampel. Genau genommen war es dunkelgrün.
Nach fünfzehn Minuten bin ich da und gebe mir innerlich einen Highfive, weil ich die angegebene Zeit unterboten habe. Mit meinem Kaffee in der Hand steige ich zügig aus, ehe ich in das Gebäude gehe. Ich bleibe vor einem Tresen stehen, hinter dem eine blonde, junge Frau steht und mich skeptisch ansieht. Sie scheint seine Assistentin zu sein.
»Hallo, ich habe einen Termin bei Mr. Walker. Mein Name ist Antonia Vega«, sage ich atemlos, während ich meinen Kaffee auf den Tresen stelle.
»Genau genommen sind Sie zu spät. Ich frage Mr. Walker, ob es jetzt noch machbar ist«, meint sie streng und ergreift mit einem Augenrollen das Handy. Sie redet kurz mit Elian und mit einem verwirrten Gesichtsausdruck legt sie das Telefon zurück, um mich daraufhin freundlich anzulächeln.
»Mr. Walker ist in wenigen Minuten bei Ihnen, Miss Vega. Sie dürfen so lange in seinem Arbeitszimmer warten«, meint die blonde Frau, ehe sie aufsteht und zu mir um den Tresen kommt. Sie begleitet mich in sein Büro und ich setze mich zögerlich in einen der Sessel vor einem Schreibtisch.
Auf diesem herrscht das reinste Durcheinander.
Sieht Elian bei der Unordnung überhaupt durch?
Seine Assistentin bemerkt es ebenfalls. Ich kann ein Seufzen von ihr hören, ehe sie anfängt, eine Anzahl von Papieren in einen Hefter zu legen. Unter den Schriftstücken liegen etliche Stifte, die sie ordentlich in ein dafür vorgesehenes Gefäß stellt.
»Entschuldigen Sie die Unordnung«, murmelt sie, als wäre es ihre Schuld.
»Mr. Walker ist kaum hier und wenn, dann nur, um wie ein Tornado durch sein Büro zu stürmen.«
Sie lacht verlegen und ich tue es ihr gleich, ehe sie ein langes Lineal in die Schublade wirft und mich allein lässt.
Ich nehme einen Schluck von meinem Coffee to go, dabei überlege ich meine Sonnenbrille abzunehmen. Entscheide mich aber dagegen, denn ich möchte Elian nicht gleich zu Tode erschrecken. Ich erhebe mich nach kurzer Zeit wieder und gehe nervös in seinem Büro auf und ab.
An einem Regal bleibe ich stehen und streiche gedankenverloren über eine Vase, als plötzlich die Tür aufgeht. Vor Schreck stoße ich mit meinem Arm gegen das Gefäß, das daraufhin zu Boden geht und in tausend Einzelteile zerbricht. Elian steht in der Tür, aber ruft seiner Assistentin noch etwas zu, wodurch er es nicht mitbekommen hat. Zügig renne ich zu dem Sessel und setze mich mit einem unschuldigen Blick.
Ich höre, wie die Tür geschlossen wird, und lausche seinen Schritten hinter mir, bis er direkt neben die kaputte Vase tritt. Elian sieht mich fragend, mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
»Ich war das nicht«, sage ich, wie ein Engel.
Er atmet tief ein und wieder aus. Heute trägt er eine kurze schwarze Arbeitshose und abermals ein dunkles T-Shirt mit seinem Firmenlogo und Namen. Zusätzlich hat er ein dunkelblaues Cap, welches ich noch nie an ihm gesehen habe auf dem Kopf.
»Natürlich nicht«, meint Elian und setzt ein künstliches Lächeln auf, ehe er einen großen Schritt über die Scherben macht.
Mein Blick fällt dabei auf seine tätowierten und muskulösen Beine. Ich muss mich daran erinnern, den Mund zu schließen, um nicht zu sabbern.
Er setzt sich mir gestresst gegenüber und wischt mit einem Arm die restliche Unordnung beiseite, was mich zutiefst amüsiert.
»Na, harte Nacht gehabt?«
Ich bin froh, dass er nicht weiter auf seine Vase eingeht und das Thema wechselt.
Elian deutet mir, meine Sonnenbrille abzunehmen. Ich setzte diese augenblicklich ab, um sofort einen besorgten Blick von ihm zu bekommen.
»Fuck bist du krank?«, fragt er mit einem ebenso sorgenvollen Ton.
»Nein, nur ungeschminkt«, antworte ich beleidigt und verschränke meine Arme vor der Brust.
»Steht dir, dieser Zombielook«, lacht Elian, genauso niedlich, wie gestern laut los.
Er fühlt gleich meinen heißen Kaffee im Gesicht!
»Wie dem auch sei, hast du dir jetzt schon etwas für die Bar überlegt?«, fragt er und lehnt sich dabei in seinem Stuhl zurück.
Meinen Kopf schüttelnd schaue ich schuldbewusst zu ihm und fühle mich wie ein Kind, dass die Hausaufgaben vergessen hat.
»Dann komm mal rum«, winkt er mich zu sich und fährt den PC hoch. Zögerlich stehe ich auf und gehe mit zittrigen Knien zu ihm. Ich weiß nicht recht, wie ich mich verhalten soll, denn seine Nähe schüchtert mich, wie jedes Mal ein.
Wir warten gemeinsam, bis der Computer so weit ist, ehe Elian einen Ordner öffnet und gefühlt tausendmal auf Dateien klickt.
»Ich dachte mir, wir hauen die alte Bar weg und versetzen sie auf die gegenüberliegende Wand.« Er öffnet einen Entwurf und ich sehe nur verwirrt auf die vielen Linien und Zahlen.
Keine Ahnung, wovon wir hier sprechen.
Er zeigt mit einem Stift auf das Display und redet immer weiter. Die Fragezeichen über meinem Kopf werden zunehmend größer. Jedoch gefällt mir die Klangfarbe seiner Stimme, sodass ich gezwungen bin, ihm zuzuhören.
»Und ich dachte, wir reden über die Fliesenfarbe in den WCs«, stelle ich laut denkend fest.
»An welche Farbe hast du da denn gedacht?«
Er dreht sich leicht zu mir und schaut mich interessiert von unten an.
»Also ich fände rosa bei den Frauen und blau bei den Männern toll.«
Ungläubig blinzelnd sieht er mich fragend an.
»Das ist aber viel Meinung für so wenig Ahnung«, murmelt Elian und wendet sich erneut seinem Bildschirm zu.
»Nein Mensch! Ich dachte an etwas Dunkles.«
Ich lache über seinen verwirrten Gesichtsausdruck und er schüttelt nur seinen Kopf.
»Gut, da sind wir uns einig. Ich habe auch überlegt, daraus eventuell Unisex Toiletten zu machen. Dann machen wir einen Bruch zwischen beiden Bereichen und erschaffen einen Großen.«
Er öffnet eine neue Datei und faselt immer weiter enthusiastisch über seine Ideen. Ich schaue jedoch nur Elian an. Er sieht unheimlich attraktiv aus, wie er in seinem Element ohne Punkt und Komma spricht. Beim Sprechen gestikuliert er umher und ich beobachte das Muskelspiel auf seinen Unterarmen. Ich sehe, wie die Adern bei seinen Bewegungen hervorkommen. Sofort kommen mir Bilder in den Kopf, wie er seine Hände an meinen Körper legt. Wie seine starken Arme mich hochheben und er mich auf seinem Tisch wieder absetzt ...
Holy Shit ...
»Verstehst du das bis hierhin?«
Ich blinzle verständnislos und komme ins Hier und Jetzt zurück, ehe ich mein schnell rasendes Herz versuche zu kontrollieren.
»Verstehe ich was? Tut mir leid, ich habe nicht zugehört«, gestehe ich leise, wobei sich meine Wangen rot färben.
Elian schnaubt genervt und lässt seinen Kopf mit einem lauten Knall auf den Schreibtisch fallen.
»ANTONIA! Du machst mich fertig!«
Supergemacht Toni!
»Erklär es mir bitte nochmal«, sage ich verlegen und klimper mit den Wimpern. Elian fängt von vorne an und ich versuche ernsthaft, ihm aufmerksam zu folgen. Doch diese Hitze nimmt alles in mir ein und meine Gedanken schweifen erneut ab.
Diese Lippen!
Er erklärt mir den Grundriss und wie er sich vorgestellt hat, diesen zu verändern, um die Bar geräumiger zu gestalten.
Diese Augen ... Wie die Weiten eines Meeres!
Dann erzählt er mir, welche Farben er sich für die Innenausstattung aussuchen würde.
Eisblau wie deine Augenfarbe!
Er sieht mich verdutzt an und ich realisiere, dass ich meine Träumereien laut ausgesprochen habe.
Scheiße!
Elian fängt sich schnell wieder und redet kurz darauf weiter. Er zeigt mir einen anderen Entwurf und ich bin erstaunt, wie gut er vorbereitet ist. Wann hat er das alles fertig bekommen?
Es ist ein 3D Grundriss von der Bar, wie sie umgebaut aussehen könnte. Mich über den Tisch beugend, stütze ich mich mit den Unterarmen auf die Tischplatte, um mir den Entwurf besser ansehen zu können. Elian lehnt sich in seinem Stuhl zurück und ich höre, wie er leise zischend Luft holt.
Erst da bemerke ich, was er für einen Blick auf mich hat, von seiner Perspektive aus. Ich drehe meinen Kopf leicht nach hinten, als ich federleicht seine Fingerspitzen an der Innenseite meines Oberschenkels spüre. Ich sehe in seine eisblauen Augen, die von meinem Körper ebenso zu meinem Gesicht schweifen. Die Luft anhaltend starre ich ihm weiterhin tief in die Iriden und fühle seine Finger, die immer weiter nach oben streifen.
Ich erschaudere von der zärtlichen Berührung und schließe meine Lider, während seine Hand noch mehr hinauf gleitet. Auf meine Unterlippe beißend unterdrücke ich mir ein Stöhnen, als vollkommen unerwartet die Tür aufschnellt.
Viel zu hastig rappel ich mich auf und räuspere mich laut, während Elian schnell seine Hand sinken lässt. Er setzt sich aufrecht hin und sieht seiner Assistentin gespannt entgegen.
»Ihr nächster Termin ist bereits da«, informiert sie ihn zügig, ehe er sich ebenso räuspert.
»Ja gut. Wir sind hier ohnehin fertig«, sagt er mit einer belegten, rauen Stimme.
Mein Unterleib zieht sich dabei zusammen, weshalb ich noch mehr Abstand von ihm nehme und meinen dunklen Jumpsuit richte. »Ich werde dann mal los. Das Letzte, was du mir gezeigt hast, fand ich wirklich schön. Kannst du mir den Entwurf geben? Dann zeige ich diesen meinem Chef.«
»Ja klar. Joyce, druck für Miss Vega diesen Entwurf aus.«
Er dreht den Bildschirm und zeigt seiner Assistentin den Dateinamen. Sie nickt und verschwindet genauso hastig aus seinem Büro, wie sie gekommen ist.
»Gut, das Grobe haben wir dann schon. Wie wäre es, wenn du mit meiner Innenarchitektin die Tage guckst, welche Einrichtung du für die Bar haben möchtest?«, fragt Elian.
Nur langsam sehe ich zu ihm und abermals hüllt mich diese Spannung zwischen uns ein.
»J- ja, kann ich machen«, stottere ich unbeholfen und entferne mich erneut einige Schritte.
»Super. Ich schicke deinem Chef einen Kostenvoranschlag und hoffe, dass der Umbau schnellstmöglich beginnen kann.«
Er lächelt und wirkt auf einmal wie ein normaler Geschäftsmann. Kalt und distanziert. Die Spannung platzt, wie eine kleine Seifenblase und ich falle unsanft auf den Boden der Tatsachen. Ich verabschiede mich nur flüchtig von ihm und verlasse hastig sein Büro. Am Tresen bekomme ich von dieser Joyce den Entwurf in die Hand gedrückt und geheanschließend mit wackeligen Knien zu meinem Auto.
Als ich in diesem sitze atme ich laut aus und reibe mir frustriert über mein Gesicht.
Was zum Teufel war das denn?
Nachdem ich meinem Chef die Ideen von ihm mitgeteilt und per E-Mail weitergeleitet habe, sitze ich in meinem Büro und gehe ein wenig Papierkram durch. Es klopft an der Tür und ich rufe: »Herein!«
Vor mir steht Leo und grinst mich breit an, woraufhin ich auf sie zugehe und sie fest umarme.
»Na, alles gut?«, frage ich sie.
»Ja, nur Mason und Roman spinnen schon wieder herum. Ist aber lustig mit anzusehen«, erwidert sie mit einem Lachen, das meine Stimmung hebt.
»Freut mich, dass du dich hier so wohlfühlst«, sage ich mit einem aufrichtigen Ton in der Stimme.
Es klopft erneut und bevor ich überhaupt »herein« rufen kann, geht die Tür schon auf und Liam steht unmittelbar vor uns. Er lässt die Tür hinter sich auf.
Nichts nervt mich so, wie offene Türen!
»Und was kann ich für dich tun?«, frage ich, wobei meine Stimme zu schroff klingt.
»Nichts, ich wollte euch zwei nur für morgen zu einer Hausparty einladen, die bei uns in der WG stattfindet«, teilt er Leo und mir mit. »Ja cool! Wir kommen total gerne«, antwortet Leo etwas zu übereifrig, ehe ihr Blick auffordernd zu mir gleitet. »Warte mal. Wir wollten doch übers Wochenende nach Hause und meine restlichen Sachen holen«, protestiere ich augenblicklich.
Feiern können wir schließlich noch genug in unserem Leben.
»Das können wir doch auch Samstag. Jetzt nimm endlich deinen Stock aus dem Arsch und mach dich locker.«
Wieso ist sie gleich meine beste Freundin? Ach ja, um mir auf den Sack zu gehen!
»Gut, von mir aus«, stöhne ich letztlich ergebend. Mit ihr hat es ja eh keinen Sinn zu diskutieren.
»Super! Elian wird sich bestimmt auch freuen«, zwinkert Liam uns zu, weshalb mir mein Mund offen stehen bleibt.
»Worüber soll ich mich freuen?«
Elian macht sich nicht mal die Mühe zu klopfen und steht ebenfalls vollkommen unangekündigt in meinem Büro.
Wenn er nicht aufhört, ständig aufzutauchen, klatscht es was!
»Ist hier Tag der offenen Tür?«, rufe ich unbeherrscht, als diese schon wieder geöffnet ist. Ich muss mich beherrschen, diese nicht zuzuschlagen.
Wollen die, dass ich cholerisch werde?
»Warte mal, warum sollte er sich freuen?«, frage ich und zeige dabei auf Elian, der genauso nur Bahnhof zu verstehen scheint wie ich.
Er hat sich mittlerweile umgezogen und trägt eine lässige Jeans und darüber einen weiten grauen Pullover. Bei seinem Anblick fängt mein Herz von Neuem an, kräftig in meiner Brust zu schlagen.
Ich schaue eilig weg und spüre, wie mein Gesicht zu glühen beginnt.
»Wir wohnen zusammen, habe ich das etwa noch nicht erwähnt?«, fragt Liam so unschuldig wie möglich.
Seine Augen blitzen dabei auf, als wollte er mich mit dieser Information aus der Reserve locken.
»Ist auch überhaupt nicht der Rede wert! Überhaupt nicht!«, flippe ich halbwegs aus, während ich meine Arme zusätzlich in die Luft werfe.
»Na ja, jetzt weißt du es ja«, sagt er mit einem Schulterzucken gelassen.
Er verlässt mein Büro wieder, ohne die Tür zu schließen.
»Du hast es nicht so mit Türen, oder? Euer Beziehungsstatus ist auch eher kompliziert, crazy und offen«, rufe ich Liam wütend hinterher, als mich Elian und Leo missmutig von der Seite ansehen.
»Also kommt ihr auch?«, fragt er. Ich bin dezent überfordert mit meinem Leben, weshalb ich unbeholfen blinzle. Mein Mund öffnet und schließt sich einige Male, ehe ich es aufgebe, eine Antwort zu suchen.
»Sicher! Toni ist schon ganz aufgeregt«, antwortet Leo für mich und schubst mich leicht von der Seite an, damit ich aus meiner Schockstarre erwache.
Ich bring' sie um!
»Na dann ist die Sache doch geritzt«, sagt Elian, klatscht in die Hände und haut ebenfalls genauso schnell wieder ab, wie er gekommen ist.
»DIE TÜR! VERDAMMTE SCHEIßE!«, brülle ich ihm hinterher. Ich funkele Leo wütend an und da sie leider die Letzte ist, die übrig geblieben ist, bekommt sie meinen Frust ab.
Obwohl, eigentlich ist sie für den Frust verantwortlich!
»Leo, ich arbeite mit Elian! Ich kann nicht einfach bei ihm zu Hause antreten und so tun als wären wir Best Friedens!«
»Du siehst immer alles viel zu eng. Ihr könnt ja auch zusammenarbeiten, aber außerhalb der Arbeitszeiten könnt ihr doch befreundet sein«, sagt sie mit einem strengen Blick.
Ich seufze frustriert, da das, was in seinem Büro einige Stunden zuvor passierte, bereits weit über eine normale Freundschaft hinausging. Umgehend fühle ich seine sanften Berührungen auf meinem Oberschenkel und ein Schauder jagt durch meinen Körper hindurch.
»Es gibt keine Widerrede! Wir werden da morgen hingehen«, sagt Leo und macht auf dem Absatz kehrt.
Sie verlässt mein Büro genauso stürmisch, wie sie gekommen ist, und hinterlässt nichts als Verwüstung in meinem Innern. Ich bleibe verwirrt zurück und schaue einige Minuten zur Tür, durch die sie eben verschwand.
Der Freitag verging leider viel zu schnell und ehe ich mich versehe, ist es schon abends.
Leo und ich stehen in meinem Schlafzimmer und ich grüble, was ich anziehen soll. Ich habe noch immer keine Lust auf diese Party, genauso wenig, wie mich dafür hübsch zu machen.
»Ich glaube, ich gehe in Jogginghose«, sage ich scherzhaft zu Leo. Diese schaut mich nur entrüstet an.
»Kannst du jetzt endlich aufhören, so negativ zu sein? Den ganzen Tag bist du schon schlecht gelaunt«, motzt sie mich an, was endgültig mein Fass zum Überlaufen bringt.
»Ja, das liegt vielleicht daran, dass ich auf eine Party muss, auf die ich nicht will!«
Wir werden beide etwas lauter und am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass sie alleine gehen soll, aber so gemein bin ich nicht, weshalb ich mir fest auf meine Zunge beiße.
»Sei doch nicht immer so verklemmt! Was denkst du denn, was im schlimmsten Fall passiert?«
»Ich habe einfach keine Lust auf Elian zu treffen«, gestehe ich kleinlaut und schaue eilig auf den Boden. »Und erst recht nicht, wenn dieses Knallbonbon wieder bei ihm ist.«
»Ach komm, seit wann lässt du dich von einem Typen so einschüchtern? Übrigens heißt sie Vicky«, sagt Leo, während sie mich besorgt mustert.
Mir doch scheißegal!
»Ich weiß, wie sie heißt! Aber das interessiert mich so sehr, als würde in China ein Sack Reis umkippen«, rolle ich mit den Augen.
Leo blickt mich skeptisch an und greift nach meiner Hand. »Sie wird dir schon nicht den Kopf abreißen. Vielleicht ist sie auch total nett. Und mit Elian wirst du doch allemal fertig, also hör auf, wie ein kleines Kind zu bocken, und zieh dich an. Damit wir dann endlich loskönnen!«
Ich habe absolut keine Lust, aber genauso gut weiß ich, dass ich gegen Leo nicht ankomme. Sie ist zu stur, als dass man mit ihr diskutieren könnte. Immerhin konnte ich ihr schlecht sagen, dass mich Vicky nur nervt, weil sie Elian meiner Meinung nach zu nahe ist.
Ich lasse einen leisen Schrei aus und stampfe erwachsen, wie ich bin, auf den Fußboden, ehe ich mich wieder meinem Schrank widme und dieses Mal ernsthaft überlege, was ich anziehen könnte.
Ich möchte nicht zu sehr auffallen, aber wiederum will ich nicht wie ein Bauerntrampel dort auftreten. Die Leute sollen nicht denken, mir wäre mein Äußeres egal.
Eine nervige Eigenart.
Obwohl, wenn ich genau darüber nachdenke, werden die Blicke eh alle auf Vicky liegen, da diese immer auffällt. Leo hat mich letztlich überredet, mich normal zu kleiden, und so stehe ich endlich, nach gefühlter Ewigkeit, im Bad und Dusche. Ich mache mir meine Haare und drehe sie ein, damit sie in leichten Wellen über meine Schulter fallen.
Danach schminke ich mich dezent, ehe ich meine schwarze Jeans und ein bauchfreies, rotes Top anziehe. Ein wenig auffallen wollte ich dann doch.
Wie ich schon erwähnte, nervige Eigenschaft.
Im Flur ziehe ich mir weiße Sneaker an und nehme eine kleine Umhängetasche von der Garderobe, in die ich Schlüssel, Handy und anderen Kleinkram packe. Leo zieht mich schon am Arm zur Tür, da stoppe ich sie und dränge mich nochmals in dem engen Flur an ihr vorbei.
»Was ist denn nun noch?«, fragt sie mürrisch und scheint vor Aufregung zu platzen.
»Ich brauche nur noch meine Sonnenbrille«, erwidere ich und sehe genau, wie Leo schon wieder mit den Augen rollt und nach ihrem Erbsenhirn sucht.
Wir gehen zu meinem Auto, da ich mich angeboten habe zu fahren. So kann ich los, sobald es mir zu blöd wird, denn trinken wollte ich nichts. Leo sitzt neben mir auf dem Beifahrersitz und tatscht sofort an meinem Autoradio umher. Das macht mich verrückt, aber etwas sagen, brauche ich nicht, da es ihr ohnehin am Arsch vorbeigeht.
Sie holt ihr Handy aus der Tasche und verbindet es über Bluetooth mit meinem Radio. Danach fängt die Musik an und man könnte meinen, ich steuer ein Partytaxi.
Anschließend fahre ich durch den abendlichen Verkehr mit meinem verrückten Weib an meiner Seite. Die Sonne hängt noch immer hoch am Himmel und es ist weiterhin angenehm warm draußen. Eigentlich ist es ein schöner Abend.
Hoffen wir mal, dass es so bleibt!
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