Vor einem Monat

Langsam klettere ich in das Fenster und verstecke mich hinter dem schweren Vorhang. Gedämpft durch den Stoff höre ich im Nachbarzimmer stöhnen. Im Ernst müssen die den genau jetzt ihren Spaß haben. Als ich draußen stand und durch die Fenster das Ehepaar beobachtet habe, saßen sie noch auf zwei gegenüberliegenden Sessel. Anscheinend haben sie sich jetzt auf das Sofa begeben. "Nenn mich bei einem Tiernamen!" Ach du heilige Scheiße. Warum muss ich mir sowas anhören. Schnell schleiche ich an das andere Ende des Zimmers und ziehe vorsichtig eine Schublade nach der anderen auf bis ich eine mit Doppelboden finde. Bingo. Mit einem Handgriff kralle ich mir den glitzernden Goldschmuck und stecke ihn in meinen Lederbeutel, der an meinem Gürtel befestigt ist. Mit einem Hechtsprung springe ich aus dem Zimmer im Erdgeschoss und lande mit einer Rolle. Zum Glück ist es dunkel und keiner der Nachbarn, des anscheinend immer noch beschäftigen Paares, kann mich sehen. Schnell renne ich durch die Gassen, um den Schmuck noch schleunigst bei meinem Chef und irgendwo auch Ziehvater, auch wenn er das nicht gerne hört, abzugeben und das Geld einzusacken. Stehlen ist mein Job damit verdiene ich mein Geld. Mir wurde erzählt, dass mein Vater bei einem Brand gestorben sei. Meine Mutter konnte sich hochschwanger retten, doch sie ertrug die Schuldgefühle nicht ihren Mann alleine sterben zu lassen und brachte sich um nachdem sie mich gebar. Ich wuchs in einem Waisenhaus auf, eigentlich hatte ich ein schönes Leben bis ich lernte zu lesen. Meine Mum hinter ließ mir einen Brief, in dem alles steht, was sie wusste. Seitdem bin ich auf der Flucht. Mit meinen mickrigen sieben Jahren verstand ich die Gefahr und verschwand aus dem Waisenhaus. Nachdem sie drei Jahre nach mir gefahndet hatten, haben sie es aufgegeben und mich für tot erklärt. Zu dieser Zeit habe ich schon bei meinem Chef gewohnt. Er hat mich auf der Straße aufgegabelt nachdem mir drei ältere Jungs mein letztes Essen geklaut hatten. Doch er erkannte mein Potenzial, als ich flink wie eine Katze vor ihm floh. Fünf Jahre hatte er mich ausgebildet und mit dreizehn bin ich das Erste Mal eingebrochen. Nie wurde ich in den sechs Jahren erwischt, in denen ich das schon mache. Mein Chef sucht mir den Job und ich erledige ihn. Manchmal sind es Kostbarkeiten, die ich stehlen muss, damit er sie verkaufen kann und bekomme dann die Hälfte des Verkaufspreises, diese Jobs sind leicht. Die härteren Brocken sind anonyme Aufträge von wütenden Ehefrauen oder verlassenen Männern. Sie wollen meistens etwas das der Person wichtig ist und solche Gegenstände sind extrem schwer zu klauen. Doch ich bin sehr gut in dem was ich tue und habe mir sogar eine gewisse Popularität auf dem Schwarzmarkt unter dem Decknamen BC aufgebaut, was Brown Cat bedeutet, Brown für meine Augenfarbe und Cat für meine eleganten, leisen, geschickten aber auch dreisten Einbrüche. Mein richtiger Name ist Nika Cornu, den kennt aber niemand außer meinem Chef Caspar und meiner besten Freundin Katalina. Ersteren treffe ich in seiner Lieblingskneipe. Schwerfällig drücke ich die Holztür auf und werde von einer Wolke aus stickiger und wahrscheinlich hochprozentiger Luft empfangen.