Kapitel 13
[Apokalyptische Enten, Kindheits-Tragödien und Regenbogen-Killer-Hydras]
~Und ein Happy Meal zum Mitnehmen~
Casmiel Aradeon Tripe fand kein größeres Anwesen, um seine Platzangst irgendwie zu besiegen. Er spielte sogar mit dem Gedanken, seinen Vater anzurufen und zu fragen, ob er das Tripe-Anwesen für seine Planungen gegen seine Herrschaft benutzen dürfte, doch aus irgendeinem Grund war er der Meinung, dass dies dezent kontraproduktiv sein würde weshalb er die kleine, gammelige Besenkammer, wie er sie (mehr oder weniger) liebevoll nannte, akzeptieren musste.
Aspen hing extra Fake-Fenster auf, damit der Raum größer wirken würde, doch da sie am nächsten Tag schon wieder mit einem sehr diskreten ‚Fuck you, Aspen! Ich will keine Fenster, ich will eine Villa, besorg dir einen Sugar Daddy' besprüht worden waren, demontierte sie diese wieder und führte einen (nicht wirklich) geheimen Briefkrieg mit Casmiel, indem sie sich die ganze Zeit (teilweise) wunderschön gefaltete Origami-Tiere hin und her warfen, in denen obszöne Bemerkungen geschrieben waren, die den jeweiligen Gegenüber beleidigen sollten.
Einmal hatte Milany einen rosanen Papierlotus gefunden, ihn interessiert aufgefaltet, die Nachricht gelesen und wieder zu einem Papierflugzeug (Milany war nicht wirklich bekannt für seine Faltkünste) gefaltet, auf Aspen geworfen und war wieder weitergegangen in der Hoffnung Bleichmittel zu finden, damit er seine Augen aus seinem Schädel ätzen konnte, wie man es immer tun sollte, wenn man einen Briefkrieg von zwei wahnsinnigen Tripes unterbrach.
Seine Suche war erfolglos gewesen, genauso wie Casmiels Suche nach einem größeren Anwesen.
Also saß Casmiel missmutig auf dem Tisch in der Mitte des Raumes, damit er wenigstens so tun konnte, als hätte er genügend Platz (was er eigentlich hatte, aber Casmiel war noch immer eine Diva (und hatte einen Titel zu verteidigen)) und faltete im Moment eine gelbe Papierente, in der er viele äußerst kreative Beleidigungen geschrieben hatte, um Aspen zu nerven.
Alle anderen waren am verzweifeln. Außer Aspen, die neben Casmiel saß, einen grünen Papierfrosch faltete und ebenfalls besonders gedankenfreie Beleidigungen schrieb, mit denen sie Casmiel nerven wollte.
Also ein ganz normaler Tag in der Rebellion ohne Namen, da Casmiel, nach seiner Aussage, nicht auf einer Mauer stand und seine mit Blut besudelter Hand in die Höhe hielt und Liope kein goldenes Rad zur Hand hatte, was er zwar eigentlich nie hatte, doch er wollte einfach nur nervig sein und alle anderen in die Verzweiflung treiben. Also, in noch tiefer in die Verzweiflung, als sowieso schon.
„Hey Aspen. Wolltest du uns heute nicht deine Anhängerinnen vorstellen? Du hast da doch sowas in der Art erwähnt, oder?" fragte Juno in der Hoffnung, Aspen nicht zu stören, bei ihrer äußerst wichtigen Tätigkeit, einen Frosch zu falten.
Sie hatte ihre Zungenspitze konzentriert rausgestreckt, eine Lesebrille auf der Nase, die eigentlich absolut nichts brachte, außer sie ‚fancy' aussehen zu lassen (laut Aspen jedenfalls) und versuchte eine kleine Ecke zu falten, ohne zu verzweifeln und das Papier mit ihrem non-existenten Laserblick in Brand zu stecken, da Aspen die Konzentrationsspanne eines Goldfisches mit ADHS hatte und diese Falterei sie grundsätzlich nerven würde, wäre es nicht ein Wettstreit mit Casmiel.
„Keine Ahnung. Welcher Tag ist heute?" fragte sie ohne ihren Blick von ihrer Tätigkeit abzuwenden.
„Der 13.06. Brauchst du die Jahreszahl auch noch, oder reicht das Datum?" antwortete Casmiel hilfreich, während er ohne Probleme eine Ente aus dem gelben Papier faltete, obwohl er erst seit exakt einer Minute gelernt hatte, wie man eine Ente aus gelben Papier basteln konnte (laut Casmiel waren Anleitungen für Loser und er hatte die Anleitung einfach ignoriert und sein eigenes Ding durchgezogen. Überraschenderweise sah seine Ente sogar besser aus, als die Präferenz, der Anleitung).
„Aja. Hilft mir nicht. Wochentag?" fragte Aspen weiter, noch immer höchst konzentriert.
„Mittwoch." Antwortete Casmiel abgelenkt und Aspen sog erschrocken Luft ein.
„Mittwoch?" fragte sie geschockt und riss die Lesebrille von ihrer Nase, als wäre gerade ein Bombenanschlag angekündigt worden.
„Mittwoch" antwortete Casmiel vollkommen ruhig, als wäre nichts dabei, wenn eine Bombe bei ihnen einschlagen würde.
„Mittwoch?" fragte Liope verwirrt, als hätte er nicht wirklich verstanden, dass eine Bombe einschlagen würde.
„Mittwoch." War Casmiels erneute Antwort, als hätte er die Bombe losgeschickt, die bald einschlagen würde, während er die letzten Schliffe seiner Origami-Ente faltete.
„Mittwoch" wiederholte Aspen nun mörderisch, als hätte Mittwoch ihre Eltern und ihren Goldfisch umgebracht, wofür sie nun Rache nehmen wollte (mit einer Bombe, die jetzt einschlagen würde). „Meine Mädchen wollten am Mittwoch kommen."
Juno sah verwirrt von einem zum anderen. „Habe ich das nicht gerade gesagt?" fragte sie Eleanor neben sich, die gerade die dritte Tasse mit einem Kaffee-Energy-Drink-Gemisch (mit einem (gewaltigen) Schuss Wodka) herunterkippte.
„Aja. Mittwoch." Meinte Casmiel als wäre ihm gerade eingefallen, dass er eine Bombe hochgehen lassen wollte, während er ein kleines Origami-Schild an der Origami-Ente befestigte.
„Mittwoch" sagte Aspen bestätigend, als wäre sie jetzt doch dafür, dass eine Bombe einschlagen würde, während sie weiter an ihrem Frosch verzweifelte, weil er eher wie eine deformierte, grüne Palme aussah, deren Blätter nach unten sahen, während ein Auge von ihrem Stamm heraus sah und das andere irgendwie schlaff herunterhing (es war nicht schön anzusehen, aber gut genug für Aspen um es auf Casmiel zu werfen, der nichts tat und es einfach an seiner Schulter abprallen ließ, während er auf das Schild der Ente „Bring the Apocalype or die" schrieb)
„Jetzt reichts" schnaubte Eleanor genervt und schlug ihre (nun leere) Tasse auf den Tisch, woraufhin alle (bis auf Casmiel) aufsahen. „Wenn noch ein einziger von euch das Wort Mittwoch sagt, dann werde ich denjenigen umbringen und zwar auf mehrere verschiedene Weisen. Als Kind hatte ich einmal einen Hyperfokus auf Foltermethoden aus jeder einzelnen Epoche der Weltgeschichte und ich habe keine Angst dieses Wissen zu nutzen" zischte die ehemalige Assassine feindselig und sah jeden einzeln mörderisch ab. Sie meinte es tatsächlich ernst.
Alle waren leise und sahen Eleanor an.
„Mittwoch also" meinte Casmiel nur grinsend während er die Ente zu Aspen schmiss und Eleanor herausfordernd ansah, die wütend aufstand und aus dem Raum ging um sich eine (noch stärkere) Mördermischung zu holen, die vermutlich sie umbringen würde und nicht Casmiel, wie geschworen.
Casmiel fand es wirklich schade.
„Hm. Sie bekommt ihre Aggressionsprobleme wirklich in den Griff. Ich bin beeindruckt" meinte er nur schulterzuckend während Aspen versuchte die Ente aufzumachen, es aber nicht schaffte, da Casmiel sie wirklich gut gefaltet hatte und zwar nach seiner eigenen Anleitung, die scheinbar einfach nur kompliziert war. Nicht mehr.
„Sie bekommt ihre Aggressionsprobleme nicht in den Griff. Aber sie weiß, dass wir dich brauchen und das leider dringend. Arbeitermangel. Die Inflation bekommt uns alle, mein Freund" meinte Aspen nur noch immer an der Ente herumhantierend.
„Jaja. Diese Inflation. Zum Glück sind wir Tripes. Uns hat die Inflation noch nie in Schwierigkeiten gebracht. Tatsächlich sind wir in bestimmten Kreisen bekannt dafür, den meisten Umsatz während Inflationen zu bekommen" meinte Casmiel nur und hielt seine Hand hoch, nur damit Aspen einklatschen konnte.
„Ich dachte, ihr hasst die Tripes. Familientrauma, arrangierte Ehen. Sowas eben" meinte Juno unsicher, was sie von dieser Unterhaltung denken sollte. Sie wusste auch nicht, von welcher Inflation die beiden sprachen, doch sie hatte beschlossen, dass das die intelligentesten Idioten der Weltgeschichte waren. Also vertraute sie ihnen einfach.
„Natürlich hassen wir sie. Aber das bedeutet nicht, dass ich nicht einen Vorteil als der Erbe, naja, ehemalige Erbe einer reichen Familie ziehe. Irgendetwas muss mein schreckliches Leben doch bringen und wenn es nur Geld ist, werde ich mich nicht darüber beschweren" meinte Cas nur schulterzuckend und machte sich an das nächste Origamistück. Dieses Mal wollte er eine Hydra machen.
„Willst du mich eigentlich killen? Deine Ente ist unzerstörbar. Vielleicht sollten wir Charon einfach in einer Badewanne mit diesen Teilen stecken und warten bis er darin ertrinkt" meinte Aspen nur genervt und schmiss die gelbe Origami-Ente wütend durchs Zimmer.
„Ich weiß nicht, was du meinst. Ich finde Origami sehr beruhigend. Mein Therapeut wäre stolz auf mich. Aber deine Idee ist gut. Wir sollten sie irgendwo aufschreiben, bevor wir sie wieder vergessen" meinte Casmiel nur abgelenkt durch seine regenbogenfarbene Killer-Hydra, die er gerade aus verschiedenen Papieren faltete.
„Ich finde Origami scheiße!" maulte Aspen wie ein trotziges Kind und verschränkte beleidigt die Arme, bevor sie aufsprang, die (noch intakte) Ente wieder aufhob und wieder anfing daran herumzuspielen.
„Tja. Du kannst ja immer noch aufgeben. Das würde dann jedoch bedeuten, dass ich den Tripe'schen Briefkrieg gewinnen würde" flötete Casmiel nur fröhlich und faltete munter weiter seine Hydra.
Aspen sprang von einem Stuhl auf den Tisch, sah dramatisch in die Ferne und hob eine Faust an ihre Brust. Liope reagierte sofort und stellte einen (zufällig im Raum stehenden) Ventilator heran, schaltete diesen an und schenkte Aspen somit den nötigen Wind, den man brauchte, wenn man eine dramatische Rede halten will.
„Nur über meine heiße, tote Leiche werde ich es zulassen, dass mich ein dreckiger Tripe in etwas so banalem wie einen Briefkrieg besiegt! Ich schwöre dir Tripe, ich werde deine ganze Familie ausrotten, deinen Stammbaum als Feuerholz verwenden und die Organe deiner Verwandten auf dem Schwarzmarkt verticken, damit irgendein reicher Kannibale Tripe-Leber zum Abendessen bekommt!" schwor sie feierlich ohne ihren dramatischen Blick von der zufälligen Wand abzuwenden. Schließlich hatte Aspen die falschen Fenster wieder abmontiert nach den zahlreichen Volkprotesten.
„Schmackhaft" bemerkte Casmiel nur desinteressiert am Rande. Er hatte inzwischen schon dreizehn Köpfe gefaltet und es waren noch nicht einmal fünf Minuten vorüber.
„Kein Tripe wird es jemals schaffen eine Salem -oder ehemalige Salem- zu besiegen! Ich werde das nicht zulassen, bei meiner Sohle! Also weiche, du Wicht und erbarme dich unser!" schrie sie nun lauter durch vermutlich das ganze Haus. Möglicherweise hörte man sie sogar durch die schalldichten Wände. Aspen konnte sehr laut und männlich schreien.
„Amen" sagte Casmiel nur höflich lächelnd und sich danach wieder seinem Origami widmend.
„Oh fuck. Falscher Text. Plötzlich werde ich gläubig. Das können wir doch nicht zulassen" meinte Aspen wahrhaft empört und räusperte sich kurz.
„Was willst du, du Ei? Weiche von mir und kriech zurück aus der teuflischen Hölle, aus der du einst gekrochen kamst, auf das du für immer von mir weichest und dein widerlich Gesindel mit dir schleppest!" verkündete Aspen feierlich und Casmiel sah sie verwirrt an.
„Die Hölle ist auch ein christliches Konstrukt" meinte er nur nachdenklich und Aspen sah ihn geschockt an.
„Meine Mom hat mich angelogen als sie sagte, die Hölle sei der McDonalds Drive-Thru!" stellte sie zutiefst verraten fest und brach zusammen, sodass sie nur noch an einem Knie lehnte und mit ihrer Hand ihr mehrere Nummern zu großes ACDC-T-Shirt festkrallte, als hätte sie einen Herzinfarkt.
„Das kann ich leider nicht beurteilen. Ich war noch nie in einem McDonalds" meinte Casmiel nur locker mit den Schultern zuckend und sich wieder den wirklich interessanten Dingen des Lebens zu richten: Origami-Hydras.
Doch Aspen und Liope richteten ihre Köpfe geschockt auf Casmiel, als wäre er wahnsinnig.
„Du warst noch nie bei einem McDonalds?" hauchte Liope fragend, scheinbar sprachlos wegen dieser tragischen Enthüllung.
Blinzelnd sah Casmiel auf, als hätte er sich eben verhört.
„Leute. Ich bin ein Tripe. Erstens. Und zweitens: Ich bin im Krieg. McDonalds läuft da nicht. Man muss scheinbar bezahlen, bevor man etwas zu essen bekommt" meinte er nur als wäre es absolut verständlich, weshalb er nie bei McDonals gewesen war.
„Hattest du überhaupt eine Kindheit?" fragte Aspen geschockt und atemlos. Nun lag ihre Hand über ihrem Herzen und ihr Blick war mitleidig.
Casmiels Blick dagegen war unbeeindruckt und fast schon (selbst)mörderisch.
„Nein Aspen. Die hatte ich nicht. Meine Kindheit bestand größtenteils aus physischem, emotionalem und mentalem Schmerz. Danke der Nachfrage" meinte er nur möglicherweise sarkastisch, aber seinem Blick nach zu Urteilen eher nicht wirklich.
„Man gebe diesem Manne sofort McDonalds Chicken Nuggets und ein Happy Meal! Kein Wunder das du zum Sterben unglücklich bist. Wir werden jetzt sofort zu McDonalds fahren und dir etwas Kindheit beschaffen, mein Freund!" meinte Aspen, sprang vom Tisch, machte aus dem Nichts einen Back-Flip (einfach weil sie es konnte) und schnippte mehrere Male um die anderen zu sich zu holen.
„Na los! McDonalds hat nur 24 Stunden geöffnet!" drängte sie die anderen und während Liope voll dabei war und schon weggerannt war, um sich fertig zu machen, saß Casmiel noch immer verwirrt auf dem Tisch, mit seiner halbfertigen Origami-Hydra in Regenbogenfarben in der Hand und Aspen nur desorientiert ansehend.
„Hast du nicht was vergessen, Asp?" fragte er sie unbeeindruckt und sie sah ihn ebenso unbeeindruckt an, während sie sich ihre Schuhe anzog.
„Nö. Was denn?" fragte Aspen tatsächlich nicht wissend, was Casmiel nun meinte.
„Es ist Mittwoch" antwortete Casmiel.
„Mittwoch" wiederholte Aspen überlegend, als hätte sie keine Ahnung was an einem Mittwoch so besonders war.
„Mittwoch" wiederholte Casmiel langsam, als würde er mit einem kleinen Kind reden, dass sich gerade Sand in die Nase stopfte.
„Mittwoch..." sagte Aspen wieder nachdenklich und hielt inne, um tatsächlich nachzudenken und ihre Erinnerung anzuregen.
„Mittwoch" meinte Casmiel erneut in der Hoffnung, dass Aspen bald ein Licht aufgehen würde.
„Mittwoch!" schrie Aspen endlich, als die Epiphanie sie erreicht hatte und sie realisierte, was sie vergessen hatte.
„Fuck, meine Mädels kommen heute! Ich rufe sie an!" meinte sie panisch und lief mit nur einem Schuh an aus dem Raum während Casmiel stressfrei seine Regenbogen-Killer-Origami-Hydra weiterbastelte.
Manchmal fragte er sich wirklich, was aus seinem Leben geworden war.
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