Sechsundzwanzig
Mein Körper versteifte sich von Minute zu Minute mehr, die wir hier in dieser Scheune verbringen mussten. Noah hatte mich fest umschlungen, doch selbst sein warmer Atem an meinem Hals konnte mich nicht auf andere Gedanken bringen. Wo blieb Josh? Was war, wenn er uns nicht fand?
Tausende von Fragen rasten durch meinen Kopf und mir wurde beinahe schlecht.
»Noah?«
»Hm?«
Er löste sich ein wenig von mir, damit er mich vernünftig ansehen konnte.
»Was, wenn sie uns nicht finden? Was wenn dieser Boss uns umbringt, weil wir seine Geschäfte durchkreuzt haben?«
Noah strich durch meine blonden Locken, in denen inzwischen Dreck vom Boden des Lieferwagens hing. Ein Zittern ging durch meinen Körper.
»Josh wird uns finden. Du musst keine Angst haben. Es wird alles gut werden«, versicherte mir mein Freund und ich fragte mich, woher er das wissen wollte.
Dennoch glaubte ich seinen Worten und starrte weiterhin die gegenüberliegende Wand an. Bretter fehlten an einigen stellen, weshalb der Wind kalt durch das Gebäude blies.
Ich presste mich mehr an Noah. Meine Zähne fingen an zu klappern. Aus Angst und vor Kälte.
Mein Freund versuchte mich zu beruhigen, indem er sanft über meine Arme strich, doch spätestens dann, als ich draußen ein Auto vorfahren hörte, war es vorbei mit der Ruhe. War das Josh?
Ungeduld erfasste mich. Ich wollte aufspringen und nach draußen rennen, bis mir wieder einfiel, dass die Männer diese verdammte Scheune abgeschlossen hatten.
»Hallo?«, rief ich vorsichtig. Draußen machte sich jemand am Schloss zu schaffen bis die Tür schließlich aufging.
Mein Herz rutschte in die Hose. Wie ein ängstliches Tier drückte ich mich fester nach hinten an die Holzsäule.
Die beiden Männer waren wieder da und hinter ihnen trat plötzlich ein großer Mann ein. Er war komplett in schwarz gekleidet und trug einen langen Mantel.
»Was soll das?« Er deutete auf uns und machte ein finsteres Gesicht. Zitternd griff ich nach der Hand von Noah, der sie sofort fest drückte.
»Die sind uns...dazwischen gekommen«, gab einer der beiden Männer zurück.
Der Mann in schwarz, der wohl der Boss sein musste, verzog ungläubig das Gesicht. Dann wurde er wütend.
»Dazwischen gekommen? Seid ihr eigentlich noch ganz bei Trost? Die könnten uns den Kopf kosten!«, fauchte er aufgebracht und die beiden Männer senkten beschämt den Blick.
»Was sollen wir jetzt mit ihnen machen?«, wagte dann doch einer zu fragen.
Der Boss ignorierte die Frage jedoch. Lässig schlenderte er zu uns hinüber. Wir saßen noch immer da, vor Angst die Augen weit aufgerissen.
Zuerst stand er einfach nur da und betrachtete uns, so als würde er tatsächlich überlegen, was er nun mit uns machen sollte. Wir blickten zu ihm hoch, beteten in unserem Inneren, dass dieser Spuk endlich ein Ende hatte, doch mit einem Mal schossen die Hände des Mannes hervor und packten meinen Kragen.
Unsanft wurde ich von Noah getrennt und dichter an den Mann heran gezogen, der mich wütend anstarrte.
»Schwuchteln konnte ich noch nie leiden«, knurrte er mir entgegen.
Noah war aufgestanden. Ich nahm es nur aus dem Augenwinkel wahr, als er sich auf uns zubewegte.
»Lassen Sie ihn sofort los«, sagte er ganz leise und in einem Tonfall, der mir die Gänsehaut über den Rücken hinauf trieb.
»Was sagst du?« Der Mann drehte sich mit einem abschätzigen Blick zu Noah, während er mich zu Boden schmiss, wie ein Stofftier, das man nicht mehr wollte.
Unsanft prallte ich auf den harten Asphalt auf und gab ein kurzes Zischen von mir.
Noah lieferte sich ein Blickduell mit dem Mann, während er zurück wich. Ich sprang auf und stürzte mich von hinten auf diesen, der mich jedoch nur abschüttelte, so dass ich mich erneut auf dem Boden wieder fand.
»So, jetzt reicht es mir aber endgültig! Ihr strapaziert unnötig meine Geduld«, knurrte er und trat mir wütend in den Magen. Keuchend krümmte ich mich, während ich Noah schreien hörte.
Ich bat nur darum, dass er aufhören sollte. Noah meinte es nur gut, machte es aber nur noch schlimmer.
»Hör lieber auf deine Schwuchtel«, kam es drohend von dem Boss, ehe er sich den beiden Männern zuwandte, die nur da gestanden und stumm zugesehen hatten.
»Schafft sie mir aus dem Weg. Endgültig.«
Das letzte Wort sagte er mit Nachdruck und mir wurde schlecht.
Jetzt war alles vorbei. Sie würden und umbringen und im Anschluss irgendwo in den Graben schmeißen.
Ich krabbelte zu Noah, wollte wenigstens vor meinem Tod noch ein letztes Mal seine Nähe spüren.
Die Männer kamen auf und zu, bauten sich vor uns auf, doch plötzlich krachte es laut und ein Polizeiauto brach durch die hintere Wand. Sofort stürmten Polizisten heraus und nahmen die Männer fest. Den Boss zerrten sie als erstes in den Streifenwagen. Dann tauchte Josh auf.
Ich glaubte, in diesem Moment hätte ich sogar ihn geheiratet.
Augenblicklich sprang ich auf, bevor mich ein stechender Schmerz in den Rippen zusammen zucken ließ. Das würde wohl ein ordentlicher Bluterguss werden.
Josh lief zu uns hinüber. Er drückte seinen Bruder an sich und ich sah sogar Tränen, die die Wange nach unten rannen.
»Ich lasse euch nie wieder Campen gehen«, hauchte er. Dann wandte er sich mir zu. Auch ich bekam eine Umarmung.
»Du hast uns gerettet. Verdammt, ich hatte so Angst.«
Ich fing an zu schluchzen, genauso wie Noah. Diesen Tag würden wir beide wohl nie mehr vergessen.
»Du musst ins Krankenhaus«, merkte Josh an und ich schluckte. Eigentlich hatte ich darauf keine Lust. Alles was ich wollte war nach Hause, aber er hatte recht. Ich sollte meine Verletzung besser begutachten lassen.
Ein Polizist kam zu uns und nahm unsere Aussage auf.
»Ihr habt uns echt geholfen. Die suchen wir nämlich schon ein Jahr lang«, teilte er uns mit. Dann stieg er ein und fuhr davon. Die Männer warfen uns finstere Blicke zu, doch die kümmerten und nun nicht mehr.
Sanft griff ich nach der Hand von Noah, die von dem Schock noch leicht zitterte und verschränkte unsere Finger miteinander.
Wir gingen nach draußen zum Auto von Josh. Noah hatte recht behalten. Alles war gut geworden. Zum Glück!
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