Sechs
Es war ein Wunder, dass Cecilia mich nicht auspresste, wie eine Zitrone. Ich war mir so sicher, dass sie genau merkte, wie ich Noah nachgeierte. Vielleicht verdrängte sie es auch, weil sie ihn selbst haben wollte und nicht will, dass ein Typ zwischen unserer Freundschaft stand.
Egal, jedenfalls war ich froh, dass sie nicht ein Verhör startete.
Gemeinsam gingen wir seltsam still ins Klassenzimmer. Noah winkte mir zu, als ich durch die Tür trat und ich wusste nicht warum, aber mir war es irgendwie unangenehm. Konnte er mich denn nicht einfach in Ruhe lassen?
Ich sah beinahe hilfesuchend zu meiner besten Freundin, aber die war schon los zu Amelie, die sie fröhlich auf beide Wangen küsste, als sähen sie sich gerade zum ersten Mal und hätten nicht zehn Minuten vorher noch im Gang ihre Lebensgeschichten ausgetauscht.
Noah winkte mich zu sich und ich kam langsam auf ihn zu. Vor ihm lag ein aufgeschlagenes Heft. Zuerst dachte ich, dass die Seite leer war, doch als ich näher kam sah ich, dass sie voller Notizen war, die er sich wohl während dem Unterricht gemacht hatte, als ich nur vor mich hingeträumt hatte.
Ein Wort ließ mir jedoch das Blut in den Adern gefrieren.
Referat.
Mist! Wann hatte denn ein Lehrer was von einem Referat gesagt? War ich etwa wirklich so abwesend gewesen? Himmel, welches Thema? Wann?
Noah schien zu merken, dass gerade Panik in meinem Inneren ausbrach und schien auch genau zu wissen, was der Auslöser war.
»Hast du Angst vor Präsentationen? Ich finde sie einfach nur ätzend. Wer lässt sich schon gerne von allen anglotzen. Mir tun die Tiere im Zoo leid. Die haben den ganzen Tag quasi ein Referat.«
Noah plapperte so munter drauf los, als wäre nichts und gab mir das Gefühl, als wäre ich normal.
Kurz runzelte ich die Stirn und legte den Kopf schief. Wie Tiere im Zoo? Ernsthaft? Naja, irgendwo hatte er recht. Der eine Teil wartete nur darauf, dass man sich versprach, während der andere Teil einfach nur gelangweilt in der Bank saß.
Im Zoo war es so ähnlich. Man wartete vor den Gehegen doch auch, bis etwas passierte.
»Naja«, fing Noah wieder an, da er meinen Blick bemerkt hatte, „ich hab uns zusammen eingetragen. Man kann auch zu dritt, aber du hast dich irgendwie für nichts gemeldet, also hab ich das für uns getan. Wir haben das Thema Erdrutsch und müssen insgesamt ca 5 Minuten reden«, ratterte er herunter und ich schluckte.
Mein Rachen war plötzlich so trocken.
»Warum ich? Warum hast du dich einfach mit mir zusammen für ein Thema eingetragen?«
Die Frage kam mir über die Lippen, bevor ich überhaupt nachdenken konnte.
Kurz trafen die unglaublichen Augen von Noah auf meine und er sah mich so an, als wäre das das offensichtlichste der Welt, doch mein Gehirn kam da natürlich wiedermal nicht mit.
»Na weil ich noch mit keinem anderen gesprochen habe und du scheinst mir ein netter Junge zu sein. Da wähle ich doch nicht einfach irgendeinen aus.«
Okay, das war ein Argument. Ich nickte langsam und lehnte mich auf meinen Stuhl nach hinten.
»Hey, mach dir keine Gedanken. Das kriegen wir schon hin. Wir könnten uns heute Nachmittag schon treffen, damit wir schon ein paar Infos raussuchen können. Ich hab auf dem Weg zur Schule ein kleines Café gesehen, das sehr gemütlich aussah. Ich glaube es hieß Sweet Cherrys oder so«, meinte Noah.
»Sweet Chilli. Die fanden das lustig wegen den Gegensatz«, kam es von mir. Keine Ahnung, warum ich dieses unnötige Detail erwähnte, aber in Gegenwart dieses Jungen wunderte mich gar nichts mehr.
»Okay... also wollen wir uns da treffen?«
Ich traute mich nicht, den anderen anzusehen, denn ich merkte jetzt schon, wie meine Knie weich wurden. Verdammt, wie sollte ich denn bei diesem Referat irgendwas sinnvolles zustande bringen, wenn mein Kopf die ganze Zeit nur mit Noah gefüllt war?
Seit dieser Junge hier aufgetaucht war, veränderte sich irgendwie alles und ich wusste nicht so recht, ob ich damit okay war oder nicht.
»Ähm...ja klar. Nach der Schule gleich? Da kann man auch Mittagessen«, gab ich nun endlich die Antwort, auf die mein Referatpartner gewartet hatte.
Wieder legte sich dieses verführerische Lächeln auf die perfekten Lippen von Noah und er nickte.
Damit war das wohl beschlossene Sache.
Kurz sah ich zu Cecilia hinüber, die mich ebenfalls ansah und grinste. Dann reckte sie beide Daumen nach oben und ich schüttelte nur den Kopf. Nun verstand ich gar nichts mehr. Versuchte sie, mich zu verkuppeln?
Aber sie wusste doch, dass ich nicht schwul war und ich dachte eigentlich auch, dass sie auf ihn stand.
Gott, konnte ich mal aufhören zu denken? Ich glaubte, ich brauchte definitiv Urlaub davon.
Schnell sah ich wieder nach vorne und keine Sekunde später betrat der Lehrer das Zimmer.
Unwillig knallte dieser seine Bücher inklusive Tasche auf den Tisch und brummte einen Guten Morgen Gruß in seinen nicht vorhandenen Bart. Er war einer dieser Lehrer, die absolut keinen Bock hatten zu unterrichten und so wussten wir alle auch, dass diese Stunde entspannen angesagt war.
Bei ihm strengte sich keiner an und man kam auch immer so durch anders als bei Mister Miller. Er nahm es sehr genau und ich wusste, wenn ich das Referat bei ihm verhauen würde, dann musste ich mich ganz schön anstrengen, aber das verdrängte ich lieber.
Noah neben mir klopfte in regelmäßigen Abständen mit dem Ende des Bleistiftes auf die frische Seite in seinem Heft und hatte seinen Blick aufmerksam nach vorne gerichtet. Er war der Neue. Er hatte noch keine Ahnung, dass seine Aufmerksamkeit und Mühe gar nicht gewürdigt wurde.
Ich betrachtete ihn weiter und genoss diesen Aspekt, denn so konnte ich ihn in Ruhe ansehen und all die Details in mich aufsaugen. Das spitze Kinn, die kleinen Bartstoppeln und die dunkelblonden Locken, die an meine erinnerten. Allerdings war unsere Frisur verschieden. Während ich meine Haare wie ein Engel trug, hatte Noah sie in der Mitte etwas länger und an den Seiten kurz geschoren. Es stand ihm perfekt und ich konnte ihn nur für seine Schönheit bewundern. Nun konnte ich dies ja noch tun, denn später im Café musste ich all meine Konzentration aufbringen, die ich auch nur irgendwie finden konnte, um für das Referat zu büffeln.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro