mädchen ohne namen
{27/11/2019}
„Bleibt es bei Freitag?"
Mein Blick fällt auf den Spiegel. Eine zierliche Person schaut mir aus braunen Augen entgegen. Die Schlüsselbeine liegen wie zwei Schwingen auf der Brust des Mädchens. Das bin ich. Bin ich das? Oder sehe nur ich mich so? Würden andere dasselbe dürre Mädchen sehen?
Ich spüre zwei kalte Hände auf meinen Schultern und sehe sie zugleich im Spiegel.
Er ist gerade erst gekommen. Seine Hände sind noch kalt.
„Es bleibt bei Freitag, oder?"
Noch einmal stellt er seine Frage. Bleibt es wirklich bei Freitag? Ich weiß es nicht.
Versuchsweise ziehe ich meine Mundwinkel zu einem Lächeln nach oben. Eine Grimasse. Nichts weiter.
„Was bin ich ohne einen Namen?"
Er runzelt die Stirn und ein fragender Ausdruck legt sich auf sein Gesicht. Die Frage geistert mit immer noch im Kopf umher, als er versucht meinen Blick im Spiegel zu finden. Er findet ihn.
„Ist das denn wichtig? Einen Namen zu haben, meine ich."
Jetzt schaue ich ihn fragend an. Ist es denn überhaupt wichtig darüber nachzudenken, was wichtig ist? Was ist wichtig? Ich zucke mit den Schultern. Auch ohne Namen bin ich jemand. Er streicht mit dem Daumen über meine Schulter.
„Komm wir gehen. Es gibt so viel bessere Orte."
Ich drehe mich zu ihm um und lächle. Ein echtes Lächeln. Keine Grimasse.
Er nimmt meine Hand. Seine ist rau. Meine ist weich. Von dem harten Holzstuhl zieht er mich hoch, weg vom Spiegel und durch die rote Tür durch. Hinaus in die weite Welt. Zu einem See, der mit einer dicken Eisschicht bedeckt ist.
„Aufs Eis. Komm wir gehen auf das Eis."
Wieder ist es seine Idee. Wieder machen wir es.
Er zieht mich übers Eis. Ich fühle mich, als würde ich Schlittschuh fahren. Ich fühle mich frei. Er macht immer, was er will. Ihm ist es egal, was andere denken.
„Was würdest du tun, wenn es dir egal wäre, was andere denken?"
Immer bei dir sein. Immer ich selbst sein. Einfach leben.
Mitten auf dem Eis bleiben wir stehen. Er schaut mich an. Er kennt meine Antwort. Wieso soll ich dann antworten?
Mit einem wohlwollenden Blick schließt er mich in seine Arme. Wärme und Geborgenheit umgeben mich. Für immer hier. Für immer jetzt.
„Du weißt, dass ich nicht existiere."
Ich schweige. Umarme ihn fester. Verdränge seine Worte.
„Mädchen ohne Namen. Ich existiere nur in deinen Gedanken. In deinem Kopf."
Nein, denke ich. Das stimmt nicht, denke ich. Doch es stimmt. Ich weiß es, obwohl ich es nicht wissen möchte. Meine Arme werden leer, als er verschwindet und ich sinke auf den Boden. Auf den gefrorenen See.
„Hier bist du Kara. Du sollst doch nicht abhauen."
[a/n]
was denkt ihr über das Ende?
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