𝟓𝟗. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥
Gedankenverloren starrte ich auf meinen Bildschirm und kam kein Stück weiter. Seitdem ich, ohne ein weiteres Wort zu sagen, aus Leos Büro flüchtete, saß ich verzweifelt in Logans Abteilung und versuchte diesen Artikel zu schreiben - erfolglos.
Zu sehr war ich damit beschäftigt gewesen mir zu wünschen, Leo hätte gesagt, dass er mich lieben würde oder hätte sich dafür entschieden, mit mir zusammen sein zu wollen. Aber er hatte nichts dergleichen gesagt. Er hatte mich verletzt und allein gelassen. Schon wieder. Seufzend klappte ich meinen Laptop zu und war gerade dabei ihn in meine Tasche zu packen, als Logan auf mich zugesteuert kam.
»Letzter Tag heute, was?«, rief er mir zu, schnappte sich einen Stuhl und setzte sich mir genau gegenüber. Er schien mal wieder gut gelaunt zu sein und auch mich lenkte seine Anwesenheit irgendwie ab.
»Ja, letzter Tag heute. So schnell vergeht die Zeit«, ich musste schmunzeln und ließ meinen Laptop in meine Tasche sinken. Irgendwie kam ich die letzten Stunden nicht dazu, zu realisieren, dass heute wirklich mein letzter Tag gewesen ist. Ich dachte nur an Leo, unsere komische Beziehung und die letzten zwei Wochen, nicht aber daran, dass ich nicht mehr herkommen würde und ab Montag wieder, als wäre nichts gewesen, in die Schule müsste, um mich auf meine Abschlussprüfungen vorzubereiten.
Vor zwei Wochen nahm ich mir vor mich auf meine Karriere zu fokussieren und dafür zu sorgen, dass ich einen guten Eindruck hinterließ. Heute wollte ich nichts mehr als Leo Adams dazu zu bringen, endlich zuzugeben, dass er mich wirklich liebte. Oder ihn umzubringen. Ich pendelte gelegentlich zwischen diesen beiden Dingen.
»Ich hoffe dein Praktikum hat dir gefallen. Was fandest du am Besten?«, fragte er lächelnd zurück und brachte mich zum Nachdenken. »Ich würd dir raten zu sagen, dass meine super tolle Abteilung dir am meisten gefallen hat«, fügte Logan lachend hinzu und brachte auch mich zum Grinsen.
Tatsächlich schien er sich dafür zu interessieren wie ich ihn und die Firme fand. Ich wusste nicht auf Anhieb, was ich am besten fand. Mein Herz schlug für Leo und das Spannendste an diesen zwei Wochen war wahrscheinlich die Tatsache, dass ich mich zum aller ersten Mal verliebt hatte. Aber von meinem Herzschmerz wollte ich Logan jetzt nicht erzählen, zumal es komisch wäre Leos besten Freund zu erzählen, was wirklich zwischen uns passiert ist. Oder hatte Leo ihm bereits alles gesagt?
»Oh, ich weiß nicht ganz recht was mir am Besten gefallen hat. Ich schätze unser Ausflug. Ich bin noch nie vorher geflogen«, gab ich etwas schüchtern zurück.
»Ja der Ausflug war echt cool. Ich wollte dir gerne was geben«, kam es nun von ihm und schon lag ein kleiner Stapel Papiere vor meiner Nase. Ich realisierte erst im zweiten Moment, was auf dem ersten Blatt stand.
"Ausbildungsvertrag"
Ich räusperte mich und nahm die erste Seite in meine Hand. Es war schon immer mein sehnlichster Wunsch gewesen. Vor zwei Wochen noch wäre ich aufgesprungen, hätte mich wahrscheinlich genau so peinlich benommen wie in dem Moment, in dem mir Mrs. Brown sagte sie hätte mir einen Praktikumsplatz bei Adams Industries ermöglicht. Aber von dieser Freude war nichts übrig geblieben. Ich war mehr schockiert als erleichtert. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte oder wie ich mich jetzt verhalten sollte. Die Situation hatte sich zu einem komplizierten Chaos entwickelt und ich war mir nicht sicher, ob ich unter diesen Verhältnissen einen Arbeitsvertrag unterschreiben wollte.
»Du siehst aus als hätte ich dir eine Kündigung vor die Nase gelegt. Sag mir nicht, du freust dich nicht darüber, Ava«, stutzig musterte er mich und war wohl genau so überrascht über meine Reaktion wie ich. Ich wollte nie etwas anderes. Aber sollte ich meine Karriere wirklich über die Tatsache stellen, dass ich Leo nicht einmal in die Augen schauen konnte ohne in Tränen auszubrechen? Wie würde das alles ablaufen? Wie würde sich Leo dabei fühlen? Und auch wenn es ihm nichts ausmachen würde mich jeden Tag sehen zu müssen, so würde es mir doch definitiv schwerfallen, ihn jeden Tag sehen zu müssen.
Ich schluckte.
»Das ist es nicht.. Ich..«, stotterte ich herum und hatte keine Ausrede dafür parat, weshalb ich dieses Angebot nicht annehmen sollte. »Es tut mir leid, aber ich kann das nicht unterschreiben«, fügte ich etwas leiser hinzu und traute mich nicht einmal in Logans Gesicht zu schauen. Ich erhob mich eilig und wäre in dieser Sekunde nichts lieber als schon über alle Berge gewesen.
»Ava« Logan hielt mich fest bevor ich an ihm vorbeigehen und verschwinden konnte. »Du wärst mehr als nur eine Bereicherung in meiner Abteilung. Du bist beeindruckend, fleißig und die Richtige für diesen Job. Ich dachte du wolltest hier arbeiten?«
Logan schien nicht zu verstehen wie sehr mich der Gedanken erdrückte, Leo jeden Tag sehen zu müssen und ich konnte es ihm noch nicht einmal übel nehmen. Es war idiotisch von mir gewesen und mein jüngeres Ich würde mich gerade am liebsten erwürgen. Es war mein Traumjob. Aber es war gleichzeitig meine größte Angst.
Sollte ich den Job tatsächlich ablehnen weil ich es nicht ertrug in Leos Nähe zu sein, oder sollte ich den Job annehmen und Leo und meine Gefühle zu ihm verdrängen?
»Ich bin mir nicht sicher, Logan. Es ist mein größter Traum.. Es..«, ich holte tief Luft und versuchte meine Gedanken zu ordnen um etwas halbwegs Logisches aus mir rausbringen zu können. »Ich bin mir nicht zu einhundert Prozent sicher. Es liegt nicht an der Firma, dir oder der Abteilung. Ganz im Gegenteil ich finde es perfekt. Diese zwei Wochen waren perfekt. Es liegt an mir.«
Logan schien zu verstehen und ließ mich los, nahm die Zettel und drückte mir diese in die Hand, während er mich eindringlich anschaute. »Du kannst sie bis Juli abgeben. Es ist noch früh, du bist noch unentschlossen. Es ist ein großer Schritt. Aber schlaf ein paar Wochen drüber und entscheide dich kurz vorher okay?«
Ich nickte langsam und er lächelte mir leicht zu. »Bis bald hoffentlich, Ava«, rief er mir noch zu, während ich zum Aufzug ging und darauf wartete, dass ich endlich einsteigen konnte. Ich starrte, während ich wartete, auf die Zettel in meiner Hand und die Möglichkeiten die sich mir durch diese ergaben, fühlte mich jedoch unsicher und verdammt nochmal betrübter, als ich es eigentlich sein sollte.
Mit einem pling kam der Aufzug zum Stehen und öffnete seine Türen. Leo stand vor mir.
Ich räusperte mich und wusste augenblicklich nicht, wie ich reagieren sollte, beschloß aber nicht lange zu zögern und stieg ein. Ich stand nun neben ihm und es war verwirrend zu wissen, dass zwischen uns so eine komische Atmosphäre herrschte. Ich spürte seine Blicke auf mir doch fokussierte meinen Blick nur auf die Aufzugtüren vor mir. Es war schwierig sich neben ihn zu stellen und so zu tun als wäre nichts. Wollte ich das wirklich all die Jahre durchziehen, wenn ich hier arbeite?
»Logan hat dir den Vertrag gegeben«, merkte er zögerlich an und ich fragte mich innerlich, wann diese Fahrt endlich enden würde. Ich wollte nicht mit ihm reden. Ich wollte nur noch nach Hause.
»Ich weiß nicht, ob ich ihn unterschreiben werde«, gab ich zurück und spielte mit meinem Armband um Leo nicht anzuschauen. Er seufzte und es fehlte nur noch eine Etage bis ich endlich nach Hause flüchten konnte.
»Es wäre schade, Ava. Wirklich schade«, brummte er und ich atmete tief ein und aus, während sich endlich die Türen öffneten und ich ihn noch ein allerletztes Mal anblickte.
»Leb wohl, Leo«
Ich ging Richtung Tür, verließ das Gebäude und schaute kein einziges Mal zurück. Der Gedanke zurückzukehren war unvorstellbar für mich. Ich wollte diesen Job, wollte so gerne jeden Tag durch diese Tür laufen, lächeln und meine Arbeit machen. Aber ich konnte es mir kein Leben lang antun Leo sehen zu müssen. Ich wollte nicht sehen, wie er ohne mich zurechtkam oder ohne mich lebte. Ich wollte nichts mehr als an seiner Seite zu sein und ihm zu helfen und ihn zu unterstützen. Doch er war kein einfacher Mensch und keineswegs ein Mensch, mit dem man eine Bindung eingehen konnte, ohne dass es kompliziert werden würde. Seine Vergangenheit war dunkel und er war voller Geheimnisse, die er mir gegenüber nicht offenbaren wollte.
Er bedeutete mir zu viel. Er war mein erstes Mal und irgendwie auch meine allererste, große Liebe. Die Liebe die vielleicht niemals vergehen würde. Er hatte mir gezeigt was es hieß zu lieben und manchmal, da hatte auch ich mich von ihm geliebt gefühlt. Er hatte mich in diesen zwei Wochen in eine andere Welt entführt und mir gezeigt, was ich mein ganzes Leben lang wollte, aber nicht haben konnte. Ich wollte ihn. Und er ließ nicht zu, dass ich mir das nahm, was ich wollte.
Ich blieb stehen, zerriss die Zettel in meiner Hand und warf sie in die nächste Mülltonne.
Ich wollte viel mehr als das, ich wollte ein Leben mit ihm. Ich war unsterblich verliebt in Leo. Aber ich musste einsehen, dass all das zwischen Leo und mir ein Ende gefunden hatte. Dass das zwischen uns nicht von Dauer war. Dass wir keine Zukunft hatten.
Ich musste einsehen, dass es nur ein Interview war.
Ende Teil 1
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