
[𝟏𝟑] 𝐒𝐭𝐢𝐞𝐟𝐛𝐫𝐮𝐝𝐞𝐫
»Hast du schon mit deinem Bericht begonnen?«, erkundigte Mary sich interessiert und ich musste schon wieder an diesen beschämenden Vorfall denken. Ich schluckte und versuchte ihr eine normale Antwort zu geben, ohne dass sie bemerkte, wie unangenehm es mir gewesen ist, über Leo oder die Firma in diesem Moment zu reden.
»Ja, ich habe gestern Abend nachdem Molly weg war angefangen.«, gab ich murmelnd von mir und schob mir noch eine volle Gabel mit Nudeln in meinen Mund.
»Und sonst gefällt es dir dort genauso wie du immer sagtest?«, fragte sie. Mich störte es jedoch. Wie schon bereits erwähnt, konnte ich einfach keinen Anschluss zu ihr finden. Ich mochte und akzeptierte sie, jedoch sehnte ich mich nicht nach Nähe, wie man es bei einer Mutter tat, ich wollte keine zu detaillierten Gespräche mit ihr aufbauen.
Seitdem meine Mutter einfach weggelaufen ist, ohne vorher ein Wort zu mir oder meinem Vater zu sagen, verabscheute ich auch nur die Idee einer Mutter. Ich konnte und wollte nicht mehr daran glauben, dass eine Mutter etwas Heiliges ist. Auch in meinem Kopf klang dieser Gedanke hart, aber das einzige was ich mit Müttern assoziierte war ein Aberglaube. Ich glaubte nicht an gute Mütter.
»Ja.«, erwiderte ich knapp und räumte meinen Teller vom Tisch. »Ava, nun setz dich und rede mit uns.«, warf mein Vater auf einmal ein als ich meinen Teller schon in die Spüle gelegt hatte.
»Mary möchte doch nur ein vernünftiges Gespräch mit dir aufbauen.«, fügte er hinzu und aß weiter. Alex musterte mich nur, ließ seinen Blick hassend über mich schweifen was mir noch dringender das Gefühl gab in mein Zimmer zu gehen.
»Dad ich bin nicht wirklich in der Laune dazu zu sprechen.« Ich versuchte mich ruhig rauszureden, da ich wirklich keinen Nerv dafür hatte zu streiten. Ich wollte weder Mary noch meinem Vater vor den Kopf stoßen.
»Kann sie das überhaupt? Normal mit jemandem sprechen ohne panisch in ihr Zimmer zu laufen?«, brachte sich nun Alex in das Gespräch ein und seufzend schaute ich ihn an. »Ich kann, Alex. Ich muss mich trotzdem um den Bericht kümmern.«, erklärte ich und verschwand nach oben. Ich mochte ihn von Tag zu Tag immer weniger, dabei wollte ich das gar nicht. Ich wollte nicht, dass ich meinen Stiefbruder hasste, wenn wir noch lange zusammen in einem Haus leben würden. Ich hatte nie ältere Geschwister und ich hatte mir schon immer vor Allem einen älteren, größeren Beschützer-Bruder gewünscht. Und jetzt wo ich einen großen Bruder hatte, konnte er mich nicht leiden. Ein stechendes Gefühl machte sich in meiner Brust breit und ich wusste, ich musste mich schnell ablenken.
Also fing ich an zu tippen, so lange, bis meine Augen vor Müdigkeit zufielen.
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Mit einem mulmigen Gefühl in meiner Magengegend versuchte ich vergebens, einen Happen hinunterzuschlucken, konnte es jedoch nicht. Ich hatte keine Angst, aber ich war mal wieder zu nervös um zu Essen. Ich wollte Leo nicht gegenübertreten. Ich fragte mich, was er nun über mich dachte und wie sehr er gestern noch über die Tatsache lachen musste, dass ich die ganze Zeit über gedacht hatte, seine Schwester wäre seine Frau obwohl jedes Kleinkind die verblüffende Ähnlichkeit erkennen konnte.
»Ava, es tut mir leid für das, was Alex gestern zu dir gesagt hat. Es war nicht richtig.«, entschuldigend sah Mary mich an und setzte sich mit ihrem Kaffee neben mich. Automatisch machte ich ihr etwas Platz und schaute erwartend zu ihr, da sie ansetzte, um weiter zu sprechen.
»Ich glaube ihn nimmt der Tod seines Vaters noch immer mit, deswegen darfst du ihm das nicht übelnehmen. Er war das totale Papa-Kind und so eine wichtige Person verloren zu haben kann er immer noch nicht verkraften. Und ich schätze das ist auch normal.« Sprach sie und ich merkte, wie ihr Herz bei jedem Weiteren Wort schmerzte. Sie vermisste ihn ebenfalls. Natürlich tat sie das und auch wenn ich es zum Teil nicht zugeben wollte, vermisste auch ich manchmal meine Mutter.
»Ich verstehe schon.«, seufzte ich und konnte meine Waffel nun gar nicht mehr essen. Der Hunger war mir vergangen. Bemitleidend schaute ich sie an und mir tat sofort leid, wie ich die letzten Tage über Alex gedacht hatte. Vielleicht ging es ihm wirklich nicht gut.
»Ich hatte nicht vor, ihm die Situation zu erschweren, Mary.«, fügte ich leise hinzu und schob meinen Teller beiseite. Ich fragte mich, wie schlimm es für die beiden danach gewesen sein musste. Ich fühlte ein ähnliches Gefühl was meine Mutter betraf. Sie war zwar nicht gestorben, aber sie hatte meinen Vater und mich freiwillig für einen anderen Mann verlassen und deswegen vermischte sich meine Trauer mit Wut und Hass. Ich hasste sie dafür, dass sie mir den Geschmack verdorben hatte. Ich konnte mich nicht nur nicht Mary anvertrauen sondern ich hatte Angst davor, selbst irgendwann Kinder zu kriegen. Es war natürlich noch lange nicht so weit, aber ich konnte mir nicht vorstellen irgendwann eine gute Mutter für meine Kinder zu sein. Vermutlich würde ich genauso versagen wie meine Mutter.
»Ich weiß, Kleines.«, erwiderte sie und nahm den Teller. »Hab viel Spaß, Ava.«, fügte sie noch hinzu und verließ die Küche, nachdem sie meinen Teller in die Spüle gelegt hatte. Mit einem unsicheren Danke verließ ich das Haus.
Während ich das Unternehmen betrat, überflog ich schnell meinen heutigen Plan. Ich würde den gesamten Tag auf der Etage der Journalisten und der Leute verbringen, die sich um die Presse kümmerten und die Neuigkeiten des Unternehmens veröffentlichten. Ich mochte es wirklich Artikel zu schreiben, weswegen ich das auch für die Schülerzeitung tat. Ich könnte mir wirklich vorstellen, eines Tages genau in dieser Abteilung zu sitzen.
Freudig lief ich zu Mrs. Wright und meldete mich an. Ich hätte lieber mit Leo das Interview fortgeführt, jedoch schämte ich mich noch immer für diesen peinlichen Vorfall. Also war es vielleicht ganz gut, Leo für einen Tag nicht zu sehen.
»Guten Morgen Ava. Du musst auf Etage drei.«, informierte sie mich lächelnd und ich schaute etwas verwirrt. »Mrs. Wright, die Presse-Abteilung ist auf Etage vier, oder nicht?«, fragte ich höflich und sie bejahte die Frage mit einem Nicken.
»Aber Mrs. Miller möchte Sie sprechen.«
Mit einem mulmigen Gefühl ging ich auf die dritte Etage.
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