Vergangenheit wird Gegenwart | 24
Nicolas Cohen blinzelt angestrengt und muss gähnen, traut sich aber nicht, auf seine Armbanduhr zu sehen, da er natürlich weiß, dass es schon viel zu spät für ihn ist.
Vor ein paar Jahren, noch bevor er seine Liebste getroffen hat, hätte es ihm wahrscheinlich nichts ausgemacht, bis früh am nächsten Morgen zu arbeiten. Aber jetzt ist es ihm sehr unangenehm, bis spät in die Nacht in seinem Arbeitszimmer zu sitzen und Papiere durchzugehen.
Auch, wenn diese Papiere eine besondere Bedeutung für die Zukunft der Menschheit haben.
Wieder liest er die Dokumente durch, alle sind stimmig, außer eines. Er hat alles, was von den anderen abweicht, markiert und machte, schon seit er die Papiere hat, Brainstorming, woher die Ungereimtheiten kommen konnten.
Er ist sich sicher, dass es daran liegt, was vor zweiundzwanzig Jahren passiert ist, weil es sonst keine andere Möglichkeit dafür gibt.
Außerhalb des Fensters seines Arbeitszimmers ist es stockdunkel, die Schüler schlafen schon und Mitternacht haben die Zeiger der Uhren in dieser Zeitzone schon längst angezeigt.
Er sollte vielleicht schlafen gehen. Sein Zimmer liegt auf der anderen Seite der zweiten Tür seines Arbeitszimmers, da nahezu der gesamte dritte Stock in der Bibliothek ihm gehört.
Aber wenn er schlafen ginge, würde wertvolle Zeit in seinen Träumen und auch in der Realität dahinfliegen und das kann er in diesem Moment nicht gebrauchen.
Die Akten, die Silver ihm bereits vor einiger Zeit beschafft hat und die, die er anhand des Inhalts des Briefumschlags anlegen konnte, stimmen komplett überein. Das war es, was er erreichen wollte.
Auf dem beigen Ordner stand THE IMMORTALITY PROJECT in Großbuchstaben. Er stammt aus einer Zeit in Nicolas' Vergangenheit, die er liebend gern vergessen würde. Aber wenn er vergisst, wird er sich nie daran erinnern und Erinnerungen sind die wertvollsten Dinge, die ein Mensch zur Verfügung hat.
Außerdem hatte diese Zeit nicht nur schlechte Resultate, schließlich ist aus ihr ein erstaunliches Experiment hervorgegangen.
Vielleicht hat Nicolas geahnt, dass sie alle auf diese Schule gehen würden. Vielleicht hat er es aber auch intuitiv gewusst, weil er ihre Eltern kannte. Weil er wusste, dass sie nichts anderes tun würden, als ihre eigenen Eltern getan haben.
Ein weiterer Grund, nicht auf die Uhr zu sehen, ist sein beschleunigter Herzschlag. Auch wenn man das von ihm, dem Nicolas Cohen, nie erwarten würde, aber dass, was er ihnen in ein paar Stunden erzählen würde, wühlt ihn sehr auf. Nun, eigentlich wühlt ihn auf, dass er das, was er so lange geheim gehalten hat, würde erklären müssen - dass er würde in Worte fassen müssen, was damals passiert ist.
Allein davor empfindet er wirklich so etwas wie Angst.
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