Nächtliche Gespräche | 25
"Geschlossen", murmelt Connor irritiert und zieht noch einmal an der Glastür der Bibliothek. Ich schüttele den Kopf und sehe mich um. Es ist so gut wie niemand mehr unterwegs, obwohl es gerade mal kurz vor sechs ist.
Nachdem Connor und ich heute Nacht ein wenig herumgeknutscht haben, sind wir nicht mehr dazu gekommen, zu schlafen, bevor es Frühstück gab - und danach logischerweise auch nicht. Das liegt aber nicht daran, dass wir uns so lange geküsst haben, sondern daran, dass wir unsere Münder für das Reden genutzt haben.
Als ich Connor dann schließlich von meinem äußerst seltsamen Traum erzählt habe - wobei ich den Teil im U-Bahn-Schacht absichtlich vergessen habe -, hat er mich erst einmal eine Weile angesehen, ohne etwas dazu zu sagen.
"Die Augen des Mannes hatten die gleiche Farbe, wie deine, hast du gesagt, richtig?" Auf seine Frage hin habe ich genickt und ein paar Sekunden darauf gewartet, dass er weiter spricht. "Und du sagtest, dass du deine leiblichen Eltern nicht kennst?", hat er dann noch gefragt, worauf ich wieder genickt habe. "Kann es denn sein, dass du von ihnen geträumt hast, ohne zu wissen, wer sie sind? Dass du irgendwo in deinem Unterbewusstsein doch noch erahnen konntest, wie sie aussehen?" Connor war wirklich interessiert an diesem Traum, aber als ich auf seine Fragen immer nur eine mäßig begeisterte Reaktion gezeigt habe, war das Thema für ihn beendet.
"Was ist mit Daleyza?" Als er mit dieser Frage angekommen ist, habe ich nur die Zähne zusammengebissen und ihn angestarrt. Vielleicht wollte ich, dass er es weiter ausführte, was er damit meinte, oder ich wollte ihn zum Schweigen bringen - ich weiß es nicht. "Also, du sagtest, dass du mich willst. Aber was ist mit ihr? Willst du sie auch, so wie das bei mir der Fall ist?" Obwohl seine Stimme fest klang, zierte ein Rotschimmer sein Gesicht. Am liebsten hätte ich ihn wieder geküsst, doch stattdessen legte ich meine Arme fast besitzergreifend um ihn.
"Nein, sie will ich ganz sicher nicht so sehr, wie dich. Ich habe das Gefühl, sie einfach nicht zu lieben. Seit wir uns kennengelernt haben, war für mich klar, dass man mit ihr gut reden kann. Sie hört zu, aber ich weiß nicht, ob sie mir Konter geben kann. Ich brauche eben jemanden, der mit mir mithält und - so fies das jetzt auch klingen mag - Daleyza ist sehr wahrscheinlich nicht diejenige, die das kann." Ich habe mit den Schultern gezuckt und wollte dann das Thema wechseln, aber Connor ließ einfach nicht locker.
"Warum trennst du dich dann nicht von ihr? Wenn es für dich keinen Sinn ergibt, da du ja sowieso keine Gefühle für sie hast?" In diesem Augenblick sprach Neugierde aus seinen Augen und ich war mir sicher, dass er das nicht nur fragte, um jemand für mich zu sein, mit dem ich darüber reden konnte, sondern auch eigennützige Ziele verfolgte.
"So ist das nicht", habe ich jedoch erwidert. "Am Anfang, als wir zusammengekommen sind, habe ich sie sehr gemocht. Mehr, als jeden sonst." Und damit habe ich noch nicht einmal gelogen. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich ja nicht ahnen, dass ich Connor bald kennen lernen würde.
Indem ich meine Hände hab auf Wanderschaft gehen lassen, muss ich ihn so irritiert haben, dass er einen kurzen Moment innegehalten und mich angesehen hat. "Warum berührst du mich die ganze Zeit?" Sein Ton klang nicht angewidert und auch nicht abgeneigt oder etwas in der Art, aber er wirkte irritiert, als würde er mich nicht verstehen.
"Ich kann einfach nicht anders", flüsterte ich also an seine Halsbeuge und konnte beobachten, wie einzelne Härchen sich aufstellten. Mit meinen Händen fuhr ich im selben Moment über seine muskulöse Brust und kniff ihm mit spielerischer Behutsamkeit in eine seiner Brustwarzen, die sich sofort aufstellte. "Irgendetwas verleitet mich dazu", hauchte ich zusätzlich in sein Ohr und knabberte sanft an seinem Ohrläppchen.
Er kicherte und dann bin ich derjenige gewesen, der eine Gänsehaut bekam. "Das lenkt mich sehr ab", erwidert er, packte mich aber an den Haaren in meinem Hinterkopf und dirigierte mich so zu seinem Hals, wo ich federleichte Küsse hinterließ. "Okay, dann anders gefragt: Kannst du dir vorstellen, jemand anderen zu daten? Mit jemand anderem zusammen zu sein?"
"Erhoffst du dir Chancen?", flüsterte ich grinsend und hauchte einen weiteren Kuss auf seine nackte Haut. Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, beantwortete ich seine Frage: "Ja, ich könnte mir definitiv jemand anderen an meiner Seite vorstellen." Ein Keuchen entwich seinem Mund, als ich plötzlich zu saugen anfing.
"Du weißt schon, dass du sie gerade genaugenommen betrügst, oder?" Seine Stimme hat gepresst geklungen, aber das hat in jedem Fall an der unterdrückten Erregung gelegen. "Wenn du mit jemand anderem herumknutschst, während du mit ihr zusammen bist, ist das nämlich Betrug."
"Du bist sehr viel mehr als eine Affäre", habe ich dann dunkel erwidert und ihm damit die Sprache verschlagen. Oder zumindest so lange, bis er sich wieder gesammelt und sich überlegt hat, was er als Nächstes sagen kann.
"Hatten du und Daleyza schon mal Sex?" Bei seinen Worten musste ich grinsen, aber nicht ihretwegen, sondern aufgrund der Tatsache, dass er wieder rot wurde. Meine Hände erkundeten seinen Körper ohne mein Zutun weiter und wieder keuchte er.
"Nein, hatten wir noch nicht." Meine Stimme muss ebenso gepresst geklungen haben, wie seine, denn meine Erregung konnte ich ganz sicher nicht unterdrücken. Er legte seine Hand auf meine, welche nur ein kleines Stück oberhalb seines Bauchnabels innegehalten hat.
"Aber ihr habt es vor", erwiderte er dann und ich konnte bis ins kleinste Detail beobachten, dass er nahezu enttäuscht die Augen schloss und dann resigniert Luft holte.
"Wir haben noch nicht darüber geredet." Sein Kopf drehte sich in meine Richtung und ich ließ von seinem Hals ab, um mich besser konzentrieren zu können. Jedes Wort, das ich hätte sagen können, hätte ein falsches sein können.
"Würdest du gern mit ihr schlafen?" Seine Augenbrauen waren in diesem Moment zu einer seltsamen Grimasse verzogen und am liebsten hätte ich mit meiner Hand einmal über seine Stirn gestrichen, um die dort auftauchenden Falten zu beseitigen.
"Auf keinen Fall lieber, als mit dir", antwortete ich leicht grinsend.
Danach haben wir das Thema fallen lassen und stattdessen spekuliert, wer ‚Nicolas' sein könnte. Wir sind zu allerlei Schlüssen gekommen, haben uns dann aber irgendwann zwischen teilweise zarten, teilweise wilden Küssen und noch viel wilderen Theorien verloren und mussten schließlich frühstücken gehen.
In der Realität wieder anzukommen, ist mir am heutigen Morgen sehr viel schwerer gefallen, als je zuvor. Als wäre ich in einer Seifenblase gefangen gewesen, ohne wirklich gefangen zu sein, was zwar keinen Sinn ergibt, aber genau das widerspiegelt, was ich durchlebt habe.
Jedenfalls haben Connor und ich es geschafft, den Tag zu überleben und stehen jetzt gerade vor der verschlossenen Bibliothekstür. Schon seit ein paar Minuten versucht Connor immer wieder, den Haupteingang aufzureißen oder mittels telepathischer Fähigkeit und Sesam, öffne dich! die Glastür zu öffnen. Dass die Idee, die Tür einfach einzuschlagen, von mir kam, ist wahrscheinlich kaum verwunderlich. Außerdem wäre das sehr viel effektiver, als minutenlange Starrwettbewerbe mit seinem Spiegelbild auszutragen.
„Was macht ihr denn hier?", vernehme ich eine vertraute Stimme hinter mir. Connor und ich drehen uns um und blicken direkt in Violets Gesicht. Nach einem kurzen Blick an ihrem Körper herab sehe ich, wie sie schnell etwas hinter ihrem Rücken versteckt, wodurch ich meine Stirn kraus ziehe.
Dann jedoch beginne ich zu grinsen. „Wir suchen das Abenteuer und wollten uns kurz in die Bibliothek zurückziehen, um ein bisschen herumzuknutschen. Willst du mitkommen?" Violet starrt mich an, aber Connor lacht nur. Ein Seitenblick zu ihm verrät mir, dass er wieder rot geworden ist, aber ich kommentiere es nicht und vermittele ihm mit meinen Blicken, dass ich das lieber so löse, als ihr zu verraten, was wir wirklich hier zu suchen haben. „Oder warte: Du legst eine Extra-Schicht ein, oder? Dann erzähl Daleyza bloß nichts von meinem Angebot, das wäre sonst blöd gelaufen."
Wenn ich Violet so unsympathisch wäre, wie sie es mir ist, dann hätte sie Daleyza wahrscheinlich erzählt, dass sie mich mit Connor beim Knutschen erwischt hat. Aber ich glaube, dass sie mich aus irgendeinem Grund mag. Und ich frage mich ja selbst, wie man mich einfach so mögen kann, ohne mich zu kennen.
„Wie es aussieht kommt ihr nicht rein. Warum geht ihr nicht auf euer Zimmer, ich muss noch was erledigen", erwidert sie und fährt sich über die Arme. Entweder ist ihr kalt - was ich aufgrund der Tatsache, dass ich jetzt sogar noch baden gehen würde, nicht vermute - oder meine Worte haben etwas ausgelöst.
„Du denkst also, dass du in die Bibliothek kommst, wir aber nicht?", fragt Connor leicht vor sich hin grinsend, was Violet überzeugt nicken lässt. Dann macht sie eine auffordernde Geste, sodass Connor und ich beiseite gehen und stellt sich vor die Tür. Diese öffnet sich dann, ohne, dass sie sie anfassen muss, was Connor und mich erstaunt nach Luft schnappen lässt.
„Wie hast du-", will ich beginnen, werde jedoch von einer ausladenden Geste ihrerseits in Richtung Innenraum der Bibliothek unterbrochen.
„Immer nur hereinspaziert, Jungs."
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Hach ja, Violet, da hast du den Jungs ja eine ganz schöne Überraschung dargeboten :D
Okay, dann erneut: Trommelwirbel, bitte (@Milablub dein Auftritt ^^)!
Was hat Jasiah dazu getrieben, Connor ständig berühren zu wollen (abgesehen von dessen Attraktivität xD)? Seid ihr der Meinung, dass Jasiah Daleyza erzählen sollte, was er Connor gegenüber scheinbar fühlt oder sollte er lieber einfach heimlich mit ihm knutschen und die letzten Wochen ausharren?
Wird Violet auch beim Gespräch dabei sein? Welche Kräfte, denkt ihr, stecken in diesem Mädchen?
Warum wurden die drei nicht reingelassen, wenn Nicolas doch in dem Brief geschrieben hat, dass sie erwartet werden würden? Waren sie 'diskret' genug, oder will er sie nicht bei sich haben, weil Connor und Jasiah über ihn geredet haben, obwohl sie es eigentlich nicht durften?
Im nächsten Kapitel werden ein paar Identitäten aufgedeckt, also freut euch drauf :D Und danach gibt es wahrscheinlich ein Kapitel, in dem ich von Connors Kindheit erzähle, als Special, dass wir 100 Votes (*-*) erreicht haben.
Einen schönen Tag euch allen :)
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