Glück | 52
Lange halte ich das nicht mehr aus. Seit nunmehr einer Stunde schweigen Connor und ich uns an, weil wir vorher darüber überlegt haben, wie wir es am besten anstellen können, meinen Vater zu besuchen, ohne Aufsehen zu erregen.
"Was, wenn wir uns einfach wegschleichen?", war mein erster Vorschlag, den Connor mit einem Kopfschütteln abgetan hat. "Wir könnten ... Nicolas um Erlaubnis bitten.", habe ich dann schulterzuckend angefügt. Connors Blick war geschockter, als hätte ich mich vor ihm ausgezogen - mir ist in dem Moment kein anderes Beispiel eingefallen, okay?!
"Warum solltest du ihn um Erlaubnis dafür fragen, deinen Vater zu besuchen?", hat Connor also erwidert, woraufhin ich ihm zustimmen musste: Ich habe es nicht nötig, Nicolas um die Erlaubnis dafür zu bitten, meinen Vater kennenzulernen.
"Wir könnten auch die Anderen einweihen", habe ich schließlich überlegt und die Augen weit aufgerissen, um zu verdeutlichen, wie ernst mir das Ganze ist. Aber das verstand Connor auch so. Oder wenigstens wirkte er so, als würde er es verstehen.
"Und ihnen erklären, was Nicolas getan hat? Das würde ihre Loyalität ins Taumeln bringen und sowas würde er mit Sicherheit bemerken", hat Connor zu bedenken gegeben, während ich nur zustimmend genickt habe. "Aber das kommt der ganzen Sache schon deutlich näher."
Nach einer kurzen Zeit des Schweigens habe ich einen weiteren Vorschlag in den Raum geworfen: "Was, wenn wir ihnen nicht sagen, wer Cassiel ist?" Mit 'wer Cassiel ist', meine ich die Tatsache, dass er allem Anschein nach mein Erzeuger ist, aber das hat Connor ebenfalls schnell verstanden.
Er zuckte als Antwort jedoch nur mit den Schultern, ein wenig skeptisch. "Keine Ahnung. Entscheide du das. Ich werde dichthalten, wenn du das möchtest." Und dann lächelte er so sanft, wie er mich noch nie angelächelt hat, auch nicht, als er mich noch mochte. Mein Herz geht bei dem Gedanken daran immer noch auf.
In diesem Moment war ich jedoch nicht ganz bei der Sache und habe nur erwidert: "Okay. Dankeschön." Jetzt könnte ich mich dafür ohrfeigen, dass ich nichts weiter gesagt habe, auch nicht, als er "Keine Ursache." gemurmelt hat.
Denn von da an begann das Schweigen und wir haben beide überlegt, wie man das Ganze noch anstellen könnte - wobei ich zugegebenermaßen eher damit beschäftigt war, mir zu überlegen, was ich mit Connor anstellen könnte. Zwischenzeitlich hat Connor mich aus dem Gefängnis - wenn man das so nennen kann - zwischen sich und dem Fenster entlassen und wir sitzen uns wieder gegenüber, diesmal ein wenig näher, weil er an dem Bücherregal auf der einen und ich an dem auf der anderen Seite lehne und der Gang zu Nicolas' Schreibtisch schmaler ist, als die Fläche zwischen Schreibtisch und Tür. Unsere Füße berühren sich sogar hin und wieder, wenn ich ganz zufällig meine Position verändere.
Das Schweigen hält jetzt, wie bereits erwähnt, seit einer Stunde an - eine ganze Stunde, in der ich Connor ununterbrochen angesehen habe. Sobald ich mein Diplom abgeholt habe, kann ich also meinen Beruf als Stalker antreten - dabei wäre mein einziger ‚Kunde', wenn man das so nennen kann, Connor selbst. Alles andere wäre zu weit hergeholt.
„Es tut mir leid." Ich höre Connor bei meinen Worten geschockt ausatmen. Auch ich selbst bin nicht ganz unverwundet geblieben. Das letzte Mal, dass ich ein ehrliches ‚Es tut mir leid' hervorgebracht habe, war auch ihm gegenüber, aber sonst sage ich das nicht einfach so. Nicht, wenn ich es nicht auch so meine, zumindest.
"Was?", will er logischerweise wissen, da ich meine Worte nicht weiter fortführe. Das liegt an folgender Tatsache: Seine grün-braunen Augen glitzern im Schein des Mondes, der nur knapp durch eines der Fenster herein strahlt, aber sie sind trotzdem schöner als alles, was ich je gesehen habe. Er ist schöner als alles, was ich je gesehen habe. Das lenkt mich so lange ab, dass ich nicht einmal einen klaren Gedanken fassen kann. Aber die Entschuldigung meinte ich vollkommen ernst, also sollte ich ihm vielleicht auch erklären, wofür ich mich eigentlich entschuldige.
"So vieles. Eigentlich fast alles. Aber hauptsächlich, dass ich dich so verletzt habe. Das wollte ich nicht, ehrlich. Ich weiß, dass du das vor allem jetzt nicht hören willst, aber ich sage es dir trotzdem. Und ich verstehe auch, dass du dich lieber von mir abschottest, als jegliche Gefahr zu laufen, dich in mich zu verlieben oder so. Aber wenn du dich vor mir zurückziehst - und zwar vollkommen -, würde ich das nicht aushalten und du mit Sicherheit auch nicht. Können wir uns nicht einfach darauf einigen, dass ich versuche, weniger Arschloch zu dir zu sein und du mich dafür wenigstens nicht vollkommen ignorierst?" Mein Blick ist so hoffnungsvoll, dass Connor sich auf die Unterlippe beißt und seine Augen von mir abwendet.
"Jasiah-" Er unterbricht sich selbst, atmet einmal tief durch und schließt die Augen. Als er sie wieder öffnet, sieht er mich direkt an und mir fällt auf, wie sehr mir unser Blickkontakt gefehlt hat. Ich hege Hoffnungen, dass die bisher schlimmste Zeit in meinem Leben - die, in der Connor sauer auf mich war oder mich ignoriert hat, teilweise auch beides zusammen - endlich vorbei sein könnte. "Okay", stimmt er schließlich zu und ich wäre ihm am liebsten in die Arme gefallen.
"Okay", hauche ich atemlos und kann ein fröhliches Grinsen nicht verkneifen. Wenn ich nach meiner Auferstehung oder meinem Traum hysterisch lachen wollte, weil ich dem Tod von der Schippe gesprungen bin - oder ihm in dem einen oder anderen Fall auf der Nasenspitze herumgetanzt bin -, so habe ich jetzt das Bedürfnis, zu heulen, weil ich so glücklich bin. Das ist vielleicht nicht die normale Reaktion und nur wenige Menschen werden jetzt nachvollziehen können, was ich momentan empfinde, aber darum kümmere ich mich nicht. Es geht mir gut - endlich wieder - und das ist die Hauptsache.
"Was impliziert dieses weniger Arschloch sein?", hakt er dann nach einer Weile nach, in der auch er ein wenig grinsen muss. Wahrscheinlich heitert ihn meine heftige Reaktion ein wenig auf und das freut mich ungemein. An seinem Blick sehe ich außerdem, dass er nichts dagegen hätte, wenn ich ihm in die Arme fiele. Aber es kann auch sein, dass die Hoffnung mich Wahnvorstellungen haben lässt, die durch das Adrenalin, das durch meine Adern fließt und mich glücklich stimmt, nur noch bekräftigt werden.
Ich überlege eine Weile über eine Antwort auf seine Frage, was schwieriger ist, als gedacht. Sich zu konzentrieren, wenn man die ganze Welt mit seinem Glück anstecken möchte, stellt sich als eine Herausforderung dar, die ich jedoch bereit bin, auf mich zu nehmen. "Wie würdest du es denn interpretieren?", will ich im Endeffekt wissen, um nichts Falsches zu sagen. Ich muss schon sagen, ein schlauer Schachzug von mir. Dabei kann ich nicht einmal allzu gut Schach spielen.
"Dass du dich von Daleyza trennst", kommt die klare und gefasste Antwort. Etwas in diese Richtung habe ich schon erwartet, muss aber trotzdem schlucken, als mir die verdammte Abmachung in den Sinn kommt. Ich balle meine Hände zu Fäusten. Dann fügt er jedoch hinzu: "Aber das kann ich nicht von dir verlangen; so egoistisch bin ich nicht." Ganz ehrlich: Ich wünschte, er wäre es. Denn wenn er mich nicht dazu bringt, würde ich es selbst erst recht nicht tun. Und ich bin ja auch ziemlich egoistisch, also wäre das sogar gerechtfertigt.
"Also, was sonst?" Wie man vielleicht merkt, bin ich zu hundert Prozent darauf aus, Connor zu zeigen, dass ich auch weniger ein Arschloch sein kann. Wenn es keine schwerere Übung als das ist, dann bin ich doch allzu gern dazu bereit, meine Prinzipien zu überdenken. Ach, was sage ich? Selbst wenn es schwerer als das, was er im Endeffekt von mir fordert, ist, würde ich es tun - allein, um zu sehen, wie Connor mich anlächelt. Das erwärmt mein Herz.
"Spiel einfach nicht mit mir. Sieh mich nicht an, wenn sie bei uns ist, sollten wir nicht miteinander reden. Und schlaf bitte nicht allzu freizügig." Einen Moment lang überlege ich über die Nachteile seiner Forderungen, aber mir fallen keine ein. Es wird schließlich langsam kälter und ich will nicht krank werden, indem ich fast nackt schlafe. "Oh, und bitte küss sie nicht vor mir." Eigentlich habe ich ja sowieso nicht vor, Daleyza jemals wieder zu küssen, also hat sich das auch erledigt.
Als ich mir sicher bin, dass Connor nicht weiter hinzufügen wird, nicke ich ihm zu und lächele wie beflügelt. Es tut gut in dem Gewissen zu leben, mich wieder mit ihm vertragen zu haben. Und die Forderungen halten sich auch im Rahmen.
Man kann also sagen: Ich könnte gar nicht glücklicher sein.
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Neues Kapitel :D
Kommt schon, ein bisschen süß findet das bestimmt jeder von euch. Oder? Oder?! Lasst mich nicht hängen :')
Connor hat sich beruhigt! Na ja, das liegt zwar hauptsächlich daran, dass Jasiah endlich den Mund aufgemacht und sich entschuldigt hat, aber trotzdem. Ich finde es super, wer noch? :D
Habt einen schönen Sonntag <3
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