2. Der Club
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Es regnete.
Die dunklen Gassen fühlten sich noch bedrückender und kälter an. Es war noch grauer, als es dir sonst vorkam, wie eine spürbare Kälte, die deinen Körper hochschlich. Mit ihr kroch ein Gefühl von Resignation und Verzweiflung in dir hoch; die dunklen, fast schon schwarzen Straßen verstärkten dieses nur.
Mit gesenktem Kopf schlendertest du einfach immer weiter. Du hättest deine Mütze mitnehmen sollen. Der Regen durchnässte deine langen, schwarzen Haare. Das Wasser lief die Strähnen entlang bis zu den herunterhängenden Spitzen vor deiner Stirn. Nach und nach fielen die Tropfen zu Boden. In den Pfützen der nassen Straßen spiegelte sich das Scheinwerferlicht der entgegenkommenden Autos, wie ein vorbeifahrendes Blitzlichtgewitter, das vom Regen wie ein Vorhang verschluckt wurde.
Je näher man der Innenstadt kam, umso belebter wurde es auf den Straßen. Die Gassen füllten sich in der Stadt, die niemals schlief. Immer mehr Menschen waren unterwegs; auch du warst mit deinem komplett schwarzen Outfit kaum von ihnen zu unterscheiden. Zwischen all den anderen warst du nur einer unter vielen. Dass du recht groß und sogar relativ fit warst, konnte man jedoch nicht sehen; jeder lief mit gesenktem Kopf durch die Nacht.
Doch auch mit deinen knappen zwei Metern von Fuß bist Kopf und langen dunklen Haaren gingst du in der Masse unter. Niemand sah deine fast schwarzen Augen unter deiner Kapuze oder deinen Drei-Tage-Bart. Alle starrten den herunterfallenden Regentropfen hinterher und sahen auf den Boden. Trotzdem warst du immer anders als die anderen; du musstest dich immer selbst durchschlagen. Als deine Eltern früh starben, musstest du es auf die harte Tour lernen, doch das war eine andere Geschichte. Du warst allein in der Welt, doch auch New York sollte dir Möglichkeiten offenhalten. Zumindest vorerst, es dauerte nie lange, bis das Schicksal dir einen Stock zwischen die Beine warf und alles zu Bruch ging. Wir waren nur Marionetten, die mit der Masse schwimmen mussten, um nicht unterzugehen.
Gepeinigt vom Alltag, zur Arbeit getrieben, um Geld zu verdienen, damit man die Miete zahlen kann, etwas zu essen hat, um zu "Leben". Manchmal leistet man sich etwas, man kauft sich Dinge, die man nicht braucht, um Leuten zu imponieren, die man nicht mag.
Du fragtest dich, wozu? Was hatte das alles für einen Sinn?
Die Straßen begannen heller zu werden, Schaufenster erleuchteten die Nacht. In manchen Fenstern wurde ein neuer Staubsauger-Roboter beworben, in anderen, dass die neue Grippe-Impfung verfügbar sei. Kopfschüttelnd gingst du weiter, bis es wieder dunkler wurde.
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Doch was war das? Ein leises Wummern war zu hören. Du gingst weiter in die Richtung. Als du an eine Seitenstraße kamst, konntest du den Ursprung des Geräusches ausmachen. Ein dunkelrotes Licht erhellte den Weg, das Geräusch wurde lauter, und du gingst näher heran.
Es war ein Club. Das Geräusch war zu einem Rhythmus geworden. Der Bass der Musik durchdrang die ganze Straße, dann konntest du das Schild über dem Eingang erkennen.
AFTERLIFE
Der Name passte zu deiner derzeitigen Situation; vielleicht fandest du im Club ja einige Antworten, dachtest du. Aber zuerst musstest du an dem Türsteher vorbei.
Ein breiter Mann mit schwarzen Haaren, die er zu einem Zopf zusammengebunden hatte, stand vor dir. Er war komplett in Schwarz gekleidet, vom Anzug bis zu den Lederschuhen. Nur die rote Krawatte stach aus dem dunklen Gesamtbild hervor, bis seine Sonnenbrille alles zusammenfügte. Er stand dort mit verschränkten Händen vor seinem Schritt. Dir war klar, dass das einer der Typen war, mit denen man sich besser nicht anlegen sollte.
Trotzdem musstest du näher an ihn herantreten. Als er dich bemerkte und sah, dass du den Club betreten wolltest, stellte er sich vor die Tür und baute sich direkt vor dir auf.
Er senkte seinen Kopf, schob mit einem Finger seine Sonnenbrille herunter und musterte dich von oben bis unten, bis er dir direkt in die Augen sah. Du sahst in seinen grünen Augen, die mit einen messerscharfen Blick zurück starrten; doch du hieltst seinem Blick stand. Nach einer gefühlten Ewigkeit sprach er dich an.
„Was willst du im Afterlife?", sagte er mit finsterem Blick und tiefer Stimme.
„Ich suche nach Antworten!" Du warst ein wenig überfordert, was er natürlich bemerkte.
Sein Blick wanderte über dein Gesicht: „Und du meinst, sie hier zu finden?"
Sicher warst du dir nicht, eigentlich wolltest du nur deinen Kopf frei bekommen. „Das hoffe ich." Du starrtest zurück, als ob du dich wieder gefangen hättest.
Das passierte dir immer – in Drucksituationen – entweder gingst du auf Konfrontationskurs und stelltest dich allem entgegen, ohne etwas zu sagen, oder du fingst an zu reden. Doch dann war meist der Mund schneller, als der Kopf nachdenken konnte, und warf dem Gegenüber sarkastische Dinge an den Kopf. Das hatte auch nicht immer die besten Situationen heraufbeschworen. Doch heute war es irgendwie anders.
Der Türsteher schob die Sonnenbrille wieder zurück.
„Nun", sagte er, ohne dich aus den Augen zu lassen, „Antworten wirst du hier finden." Er trat einen Schritt zur Seite und öffnete die Tür zu einem Raum, der im Halbdunkeln lag. Doch als du gerade hindurchschreiten wolltest, beugte er sich vor und flüsterte dir ins Ohr. Sein Tonfall war so durchdringend und kalt, dass es dir das Blut in den Adern gefrieren ließ: „Mach keinen Scheiß, sonst werde ich ungemütlich." Du nicktest nur hastig, das Herz pochte dir bis zum Hals, bevor du zögernd in den Raum tratst.
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