1. Wo bin ich?
. . .
Schwärze, Dunkelheit, Kälte, Schmerz.
Das ist alles, was du wahrnimmst.
. . .
Langsam öffnest du deine Augen. Du liegst auf dem kalten, nackten Betonboden, und ein unangenehmes Frösteln durchfährt deinen Körper. Doch wo bist du hier? Verwundert schaust du dich um. Das spärliche Licht der nächtlichen Großstadt dringt durch das schmutzige Dachfenster und wirft gespenstische Schatten an die Wände. Es ist düster, und der Raum um dich herum wirkt wie das verlassene Echo eines vergangenen Lebens. Kisten und alte Möbelstücke stehen chaotisch herum, und die Luft ist durchzogen von einem modrigen Geruch. Dieser Ort, das hier muss ein Lagerraum sein, aber wie bist du hierher geraten? Fragen wirbeln in deinem Kopf, während sich ein Gefühl der Beklemmung breitmacht.
„Hallo, ist jemand hier?"
Keine Antwort.
Langsam versuchst du aufzustehen, doch jeder Muskel in deinem Körper schreit vor Schmerzen. Nur das Licht, das durch das Dachfenster fällt, beleuchtet die riesige Halle, in der du dich befindest. Dein Blick wandert umher und bleibt an den hohen Wänden hängen, die in Schatten gehüllt sind. Das einzige, was du siehst, ist eine massive Tür, die sich am Ende des Raumes befindet.
Entschlossen gehst du auf die Tür zu und rüttelst an ihr, doch sie bewegt sich nicht – fest verschlossen, als ob sie ein Geheimnis bewahren will. Fragen rasen durch deinen Kopf: Wie bist du hierher gekommen? Was ist eigentlich geschehen? Ein Gefühl der Verzweiflung überkommt dich, während du versuchst, einen klaren Gedanken zu fassen. Woher kommt dieses Gefühl der Bedrohung, das in der kalten Luft schwebt?
Du überlegst, was in der gestrigen Nacht passiert ist.
Langsam beginnst du dich zu erinnern.
. . .
Der Club. Du wolltest dich ablenken, zu viel war passiert.
Deine Freundin hatte sich von dir getrennt, hatte dich schallend ausgelacht und dich als Loser bezeichnet. Du hättest ihr niemals anvertrauen sollen, dass du gefeuert worden warst – oder noch schlimmer: dass du tatsächlich nicht teamfähig warst! Doch in einer verzweifelten Offenheit warst du nicht in der Lage, die Worte zurückzuhalten, die wie brennende Pfeile aus deinem Mund geschossen kamen. Es schien dir ungerecht, dass ihr stets ausstempeln musstet, nur um nach Feierabend Überstunden zu leisten, für die es keine angemessene Entlohnung gab. Wie bitter musste es erscheinen, in einem System gefangen zu sein, das jede Anstrengung ignorierte und dir nicht den Respekt zollte, den ihr verdienst!
Nachdem du dich geweigert hattest, nach ihren strengen Regeln zu spielen, wurde deine Stelle letztendlich wegrationalisiert. Man erklärte dir, dass du nicht ins Team passen würdest, als ob die Entscheidung wie ein Schatten über deinem Schicksal geflogen wäre. Die Worte hallten in deinem Kopf wider, als wäre jede Silbe ein unbarmherziger Schnitt in dein Selbstverständnis. Es passierte immer wieder: Du konntest nicht anders. Du rebelliertest, wenn jemandem Ungerechtigkeit widerfuhr.
Als du deiner Freundin Jinny davon erzählt hattest, brach sie in schallendes Gelächter aus. Mit spöttischen Worten beschimpfte sie dich, ihre Augen funkelten vor Unglauben und Verachtung. Anschließend schnappte sie sich hastig ihre Sachen und verschwand ohne ein weiteres Wort, als wäre sie in einem Sturm aus Empörung und Enttäuschung davon geweht worden.
Na ja, danach wurde dir schmerzlich bewusst, woran du wirklich warst. Du warst nur dann von Wert, solange genug Geld in den Kassen lag. Wie es nun weitergehen sollte, war dir vollkommen unklar, und die drückende Frage, wie du die Miete bezahlen könntest, nagte an dir wie ein unaufhörliches, schattenhaftes Ungeziefer.
Dabei mochtest du deine Wohnung. Gut, hier in New York wurde die Nacht gerne mal zum Tag, was dich im 19. Stockwerk jedoch nicht wirklich störte. Dein Zufluchtsort gefiel dir trotzdem. Sicher, er war nicht groß, mit der offenen Küche nur ein großer Raum mit Bad und Schlafzimmer, doch schön war es. So viele Stunden hattet ihr hier auf der Couch verbracht. Netflix sei Dank.
Du hattest es liebevoll eingerichtet, auf dem Sideboard standen Bücher von Lee Child, Simon Beckett, ja sogar das Leder-Tagebuch von einem John Winchester.
Daneben stand dein Plattenspieler; du warst dabei, deine Schallplattensammlung aufzubauen. Nach Nirvana, Metallica und Staind war sie - sagen wir - ausbaufähig.
Nachdem deine Welt über dir zusammengebrochen war, hattest du „Break The Cycle" aufgelegt. Als dann „Fade" lief, wusstest du, du musstest raus. Du hattest dir deine Lederjacke geschnappt und warst losgegangen.
Einfach nur raus, den Kopf frei bekommen.
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